Nachträgliche Betriebsausgaben gemäß § 32 Z 2 EStG 1988 nach unentgeltlicher Betriebsübertragung?
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der MS, vertreten durch L, vom 18. Juni 2001 bzw. vom 19. Juni 2001 gegen die Bescheide des Finanzamtes Liezen vom 18. Mai 2001 bzw. vom 31. Mai 2001 betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1996, 1997, 1998 und 1999 entschieden:
Der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid des Jahres 1996 wird teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe (in Schilling) sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen. Dieses bildet einen Bestandteil des Bescheidspruches.
Die Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1997, 1998 und 1999 werden als unbegründet abgewiesen. Die Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1997, 1998 und 1999 bleiben unverändert.
In Euro betragen die festgesetzen Abgaben daher:
Einkommensteuer 1996 | -1.842,70 |
Einkommensteuer 1997 | -1.882,80 |
Einkommensteuer 1998 | -1.940,90 |
Einkommensteuer 1999 | -746,50 |
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) erzielte bis zum Jahr 1994 ua. Einkünfte aus dem Betrieb eines Hotels. Mit Kaufvertrag vom 11. Mai 1994 veräußerte sie das Hotel um insgesamt 12 Mio. S, wobei die Bezahlung eines Barkaufpreises von 3 Mio. S und die Bezahlung einer Rente von 37.500,00 S monatlich mit einer Laufzeit von 20 Jahren vereinbart worden war. Da der Erwerber des Hotels ab Februar 1995 die Rentenzahlungen einstellte und die Bw. befürchtete, ihre restliche Kaufpreisforderung zu verlieren, willigte sie in einen Rückkauf des Hotels ein. Dieser wurde im Juni 1996 abgeschlossen.
Zum Zweck des Rückkaufs des Hotels nahm die Bw. am 12. Juni 1996 ein Darlehen in Höhe von 4,3 Mio. S auf. Laut Eröffnungsbilanz der Bw. betrug das Aktivvermögen des Hotels rund 10,7 Mio. S. Die Bw. wendete dafür neben dem genannten Darlehen Eigenkapital von rund 6,4 Mio. S auf. Bis zum 30. Juni 1996 führte sie das Hotel selbst und übergab es dann an ihren Sohn. Dieser verpflichtete sich neben der Bezahlung einer monatlichen Versorgungsrente an die Bw. in Höhe von 10.000,00 S nur zur Übernahme eines Teiles der Darlehensverbindlichkeiten (und zwar in Höhe von 1,3 Mio. S). Laut Schlussbilanz zum 30. Juni 1996 legte die Bw. daher nochmals 3 Mio. S in den Betrieb ein. Im Betriebsvermögen des Hotels befand sich zum 30. Juni 1996 daher nur mehr eine Darlehensverbindlichkeit von 1,3 Mio. S.
Für das Jahr 1996 erklärte die Bw. ua. negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Darin waren nachträgliche Betriebsausgaben für das Hotel in Höhe von 311.162,00 S enthalten (Rechtsanwaltskosten von 150.000,00 S, eine Kreditgebühr von 34.400,00 S für das für den Hotelrückkauf aufgenommene Darlehen sowie die im Jahr 1996 für dieses Darlehen angefallenen Zinsen und Spesen von 126.762,00 S). Für die Folgejahre erklärte die Bw. ebenfalls nachträgliche Betriebsausgaben für das Hotel und zwar für das Jahr 1997 Rechtsanwaltskosten von 30.000,00 S sowie Zinsen und Spesen für das genannte Darlehen von 217.501,00 S, für das Jahr 1998 Zinsen und Spesen von 197.575,00 S und für das Jahr 1999 Zinsen und Spesen von 194.553,00 S.
Vom Finanzamt wurden nur die (mit dem Rückkauf des Hotels in Zusammenhang stehenden) Rechtsanwaltskosten von 150.000,00 S im Jahr 1996 bzw. von 30.000,00 S im Jahr 1997 als betrieblich veranlasst anerkannt. Das Hotel sei zum 1. Juli 1996 aus dem Betriebsvermögen der Bw. ausgeschieden. Das zur Finanzierung dieses Hotels aufgenommene Darlehen sei zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in das Privatvermögen übergegangen. Die mit dem Darlehen in Zusammenhang stehenden Zinsen und Spesen stellten daher keine nachträglichen Betriebsausgaben dar.
Die Bw. brachte dagegen vor, sie habe das Darlehen in Höhe von 4,3 Mio. S am 12. Juni 1996 zum Zweck des Rückkaufs des Hotels aufgenommen. Dieses Darlehen sei in der Eröffnungsbilanz des Hotels als Verbindlichkeit ausgewiesen. Es liege somit eine betriebliche Verbindlichkeit vor, weshalb die damit in Zusammenhang stehenden Kosten Betriebsausgaben seien. Anlässlich der Übergabe des Hotels an ihren Sohn habe dieser sich lediglich bereit erklärt, Verbindlichkeiten in Höhe von 1,3 Mio. S zu übernehmen. Technisch sei die Übernahme der Verbindlichkeiten durch Neuaufnahme eines Darlehens durch ihren Sohn in Höhe von 1,3 Mio. S und Überweisung dieses Betrages auf ihr Kontokorrentkonto erfolgt. Das von ihr am 12. Juni 1996 zum Zweck des Erwerbes des Hotels aufgenommene Darlehen sei durch diese Transaktion unberührt geblieben. Sie sei alleinige Schuldnerin des von ihr für betriebliche Zwecke aufgenommenen Darlehens geblieben. Die mit diesem Darlehen in Zusammenhang stehenden Zinsen und Spesen stellten bei ihr daher nachträgliche Betriebsausgaben dar. Sie habe in der Zwischenzeit auch - soweit möglich - Tilgungen des Darlehens vorgenommen. Das Gebäude des Hotels sei anlässlich der unentgeltlichen Übertragung des Betriebes (mit Buchwertfortführung) an ihren Sohn nicht in das Privatvermögen übernommen worden. Das Gebäude sei sowohl vor als auch nach der Betriebsübertragung betrieblich genutzt worden. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 27.11.1978, 171/78, ausgeführt, die Überführung von Wirtschaftgütern ins Privatvermögen sei ein Wesensmerkmal der Betriebsaufgabe. Bei einer (unentgeltlichen) Betriebsübertragung liege hingegen keine Übernahme von Wirtschaftsgütern ins Privatvermögen vor. Sie sei im vorliegenden Fall im Interesse der Fortführung des Hotels durch ihren Sohn gezwungen gewesen, einen Teil der Verbindlichkeiten zurückzubehalten.
Über die Berufung wurde erwogen:
Unbestritten ist im gegenständlichen Fall, dass die Bw. das Darlehen in Höhe von 4,3 Mio. S für betriebliche Zwecke - nämlich zum Rückkauf des Hotels - aufgenommen und sich die Darlehensverbindlichkeit bis zum 30. Juni 1996 im Betriebsvermögen des Hotels befunden hat. Unbestritten ist weiters, dass zum 30. Juni 1996 eine unentgeltliche Betriebsübertragung an den Sohn der Bw. stattgefunden hat. Der Sohn der Bw. verpflichtete sich im Gegenzug für die Übertragung von Betriebsvermögen mit einem Buchwert von rund 10,7 Mio. S Verbindlichkeiten von 1,3 Mio. S zu übernehmen und eine monatliche Versorgungsrente von 10.000,00 S an die Bw. als Übergeberin zu leisten. Die Bw. gab im Vorlageantrag an, ihr Sohn habe zu diesem Zweck ein eigenes Darlehen in Höhe von 1,3 Mio. S aufgenommen. Das von ihr aufgenommene Darlehen in Höhe von 4,3 Mio. S habe sie anlässlich der Übergabe des Betriebes an ihren Sohn "zurückbehalten". In der Folge machte sie die bei diesem Darlehen anfallenden Zinsen und Spesen als nachträgliche Betriebsausgaben geltend.
Die Bw. stützt sich dabei offensichtlich auf § 32 Z 2 EStG 1988, wonach zu den Einkünften im Sinn des § 2 Abs. 3 EStG 1988 ua. Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 gehören. Nach § 32 Z 2 EStG 1988 werden nur Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit erfasst. Eine "ehemalige Tätigkeit" liegt dann vor, wenn die Einkunftsquelle veräußert oder aufgegeben worden ist (vgl. Doralt, EStG4, § 32 Tz 60). Unter einer Betriebsveräußerung versteht man die entgeltliche Übertragung eines Betriebes. Eine unentgeltliche Betriebsübertragung - wie sie im gegenständlichen Fall vorliegt - ist jedoch auch keine Betriebsaufgabe (vgl. Doralt, EStG4, § 24 Tz 142, sowie das bereits von der Bw. zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.11.1978, 171/78). Eine Betriebsaufgabe wäre zB dann vorgelegen, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen an verschiedene Personen verschenkt worden wären. Im gegenständlichen Fall ist § 32 Z 2 EStG 1988 daher nicht anwendbar.
Dass bei der Bw. keine nachträglichen Betriebsausgaben angefallen sind, ist aber auch aus einem weiteren Grund ersichtlich. Werden anlässlich einer unentgeltlichen Betriebsübertragung unwesentliche Wirtschaftsgüter zurückbehalten, liegt dennoch ein Anwendungsfall von § 6 Z 9 lit. a EStG 1988 vor; die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter sind als Entnahme zu werten (vgl. Doralt, EStG4, § 24 Tz 112). Die Bw. brachte im Berufungsverfahren vor, das von ihr aufgenommene Darlehen in Höhe von 4,3 Mio. S anlässlich der Übertragung des Betriebes an ihren Sohn zurückbehalten zu haben, wobei sie alleinige Schuldnerin dieses Darlehens geblieben sei. Die Zurückbehaltung des Darlehens erfolgte in der Weise, dass die Bw. durch Einlage eines Geldbetrages von 3 Mio. S zum 30. Juni 1996 das von ihr ursprünglich für betriebliche Zwecke aufgenommene Darlehen (anteilig) in ihr Privatvermögen entnommen hat. Damit sind auch die ab 30. Juni 1996 auf diesen Darlehensanteil entfallenden Zinsen und Spesen dem privaten Bereich der Bw. zuzurechnen. Die auf den restlichen - im Betriebsvermögen des Hotels verbliebenen - Darlehensanteil von 1,3 Mio. S entfallenden Zinsen und Spesen sind ohnedies vom Sohn der Bw. als Betriebsausgaben geltend zu machen.
Betrieblich veranlasst waren jedoch die bis zum 30. Juni 1996 im Zusammenhang mit dem Darlehen angefallenen Aufwendungen, das waren die anlässlich der Aufnahme des Darlehens zu leistende Kreditgebühr von 34.400,00 S sowie die bis zum 30. Juni 1996 angefallenen Zinsen und Spesen von 11.318,00 S. Die negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Jahres 1996 betragen daher 169.143,00 S.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Graz, am 12. Oktober 2004
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 6 Z 9 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | nachträgliche Betriebsausgaben, unentgeltliche Betriebsübertragung, ehemalige Tätigkeit, Darlehen, Zinsen, Entnahme |
Verweise: | Doralt, EStG 1988, § 24 Tz 112 |