UFS RV/2294-W/10

UFSRV/2294-W/101.9.2010

Anerkennung von Heimkosten als außergewöhnliche Belastung wegen einer diffusen Coronarsklerose samt Hypertonie trotz Unterlassung der Mitwirkung der steuerlichen Vertreterin im fremdüblichen Umfang im Administrativverfahren!

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., 1190 Wien, A-Straße 1, vertreten durch Dr. Rebekka Stern, Steuerberater & Wirtschaftsprüfer, 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 15/1/30, vom 3. März 2005 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, vertreten durch Ing. Mag. (F.H.) Martin König, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2004 entschieden:

1) Der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2003 wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

2) Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe dieser Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Bw. ist Bewohnerin eines Appartements in einem Wiener Wohnheim mit angeschlossenen Pflegestationen. Das medizinische Leistungsangebot des Heims besteht aus a) der Unterstützung bei den Aktivitäten und existentiellen Erfahrungen des täglichen Lebens; b) dem medizinischen Prozess und der ärztlichen Dokumentation; c) der Rezept- und Medikamentengebarung; d) die Notrufanlage gewährleistet schnelle medizinische Hilfe bei Tag und Nacht; e) der Anordnung von Therapien (z.B. Physiotherapie, Ergotherapie, Logotherapie, Laboruntersuchungen); f) der täglichen Visite des Stationsarztes (Montag-Freitag), darüber hinaus ist die medizinische Versorgung durch Ärztefunkdienst bzw. Notarzt gesichert; g) Überweisung an Konsiliarärzte, die regelmäßig im Haus sind; g) Mitwirkung zur Erlangung von Sozialhilfe und Pflegegeld.

Der Betriebs- und Leistungsbeschreibung dieses Wohnheims zufolge bestehen, was den Grad der Pflegebedürftigkeit der für die Aufnahme in Betracht kommenden Personen und die Aufnahmekriterien für die Appartements betrifft, keine Aufnahmekriterien aufgrund einer Pflegegeldeinstufung; Punkt 3) dient jedoch zur Kenntnisnahme, dass Personen mit überdurchschnittlichem Pflegebedürfnis sowie Personen, deren Erkrankung eine dauernde ärztliche Anwesenheit oder besondere medizinische Vorraussetzung (z.B.: Beatmung) erfordert, im Heim nicht untergebracht werden können. Punkt 4) ist zum Grad der Pflegebedürftigkeit der für die Aufnahme in Betracht kommenden Personen zu entnehmen: Auf den Betreuungsstationen werden vorwiegend Bewohner ab einer Mindesteinstufung der Pflegestufe 3 im Sinne des Pflegegeldgesetzes betreut und gepflegt.

Das den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 30. April 2008, Zl. RV/0722-W/08, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2004 aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2010, 2008/13/0145, lautet wie folgt:

"Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, die (im Jahr 1922 geborene) Beschwerdeführerin sei Pensionistin. Strittig sei, ob Kosten für ein Pflegeheim in den Jahren 1999 bis 2004 als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen seien. Nach einer dem Finanzamt vorgelegten amtlichen Bescheinigung vom 27. Dezember 2004 sei die Beschwerdeführerin seit dem Jahr 1994 zu 35 % "erwerbsgemindert". Nach ihrem Vorbringen habe sie sich wegen ihrer dauernden gesundheitlichen Beeinträchtigung und des Betreuungsbedarfes für einen Aufenthalt in einem Pflegeheim entschieden. Auf Grund zahlreicher Operationen und deren Folgewirkungen sei sie so behindert gewesen, dass sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, für sich selbst zu sorgen.

In der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide, in denen nur die Freibeträge nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 berücksichtigt worden seien, habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass sie seit 1992 in einem Pflegeheim lebe, weil sie auf Grund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage sei, einen eigenen Haushalt zu führen. Die Beschwerdeführerin habe nie einen Antrag auf Zuerkennung von Pflegegeld gestellt, weshalb auch keine Einstufung nach dem Pflegegeldgesetz vorliege. Da der Beschwerdeführerin der Grad der Behinderung mit 35 % bescheinigt worden sei und dieser Grad der Erwerbsminderung der Pflegestufe 1 entspreche, liege eine besondere Pflegebedürftigkeit vor. Kosten, die auf Grund einer Behinderung entstünden, erfüllten auch das Kriterium der Zwangsläufigkeit als Voraussetzung für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung.

Den abweisenden Berufungsvorentscheidungen habe die für die Beschwerdeführerin einschreitende Beschwerdevertreterin entgegen gehalten, dass sich aus dem Gesetz nicht ableiten lasse, dass die Anerkennung der Heimkosten als außergewöhnliche Belastung von einem Bezug von Pflegegeld der Pflegestufe 1 abhängig sei. Mit den vom Senioren- und Pflegeheim in Rechnung gestellten Beherbergungs- und Verpflegungskosten "würden exakt jene Kosten verrechnet, die den 'Kosten für einen besonderen Betreuungs- bzw. Pflegeaufwand der Pflegestufe 1' entsprechen, also jene Aufwendungen, die anfallen, wenn jemand nicht mehr in der Lage sei, einen eigenen Haushalt zu führen". Die Beschwerdevertreterin könne "aus der Klientenerfahrung" bestätigen, dass alle Pflegegeldbezieher der Stufe 1 vom Pflegeheim ausschließlich Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen bezögen. Dies gelte auch für die Beschwerdeführerin, die in den Kalenderjahren 1999 bis 2005 vom Pflegeheim Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen bezogen "habe mit dem Unterschied, dass diese außergewöhnlichen Belastungen in den Streitjahren steuerlich nicht anerkannt worden seien, im Kalenderjahr 2005 jedoch zur Gänze steuerliche Anerkennung gefunden hätten, weil die Bw. in diesem Jahr einen Pflegegeldantrag gestellt und umgehend Pflegegeld zuerkannt erhalten habe". An den "bezogenen Pflegegeldleistungen" habe sich im Vergleich zu den Vorjahren nichts geändert. Somit sei der Nachweis der in Anspruch genommenen Pflegegeldleistungen auch für die Streitjahre erbracht worden. Die Beschwerdeführerin, die auf Grund ihrer Behinderung für die täglichen Erfordernisse des Lebens auf fremde Hilfe angewiesen sei und die daraus resultierenden Mehraufwendungen selbst tragen müsse, werde von der Steuerbehörde schlechter gestellt als jene Steuerpflichtigen, die dieselben fremden Hilfeleistungen bezögen und zusätzlich eine staatliche Finanzierungshilfe in Form des Pflegegeldes erhielten. Die Beschwerdeführerin, die schon vor ihrer Übersiedlung in das Pflegeheim zwei Schlaganfälle gehabt habe, erfülle die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde aus, im Gegensatz zu einem Altenpflegeheim, in dem die stationäre Pflege "ausgeprägt" pflegebedürftiger Menschen "rund um die Uhr" im Vordergrund stehe, bestehe bei einem Altersheim eine (noch) geringere Pflegebedürftigkeit, "das selbstbestimmte Leben überwiegt". Dienstleistungen "wie Säubern und Aufräumen im Zimmer, Speisenversorgung" würden regelmäßig in Anspruch genommen. Es werde kein eigener Haushalt geführt. Auch wenn § 35 Abs. 5 EStG 1988 darauf verweise, dass anstelle der Pauschbeträge gemäß Abs. 3 auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden könnten, sei in solchen Fällen ein "entsprechender Nachweis" zu erbringen. Außer Streit stehe, dass die Beschwerdeführerin in den Streitjahren kein Pflegegeld bezogen habe. Obwohl die Bescheinigung des Amtsarztes vom 27. Dezember 2004 "für diverse Krankheiten und über das Ausmaß einer daraus resultierenden Erwerbsminderung der Bw. seit dem Jahr 1994 sprach", habe die Beschwerdeführerin einen ursächlichen Zusammenhang "zwischen diesen Krankheiten und den in Rede stehenden Kosten in den Streitjahren" nicht nachweisen können. Auch das Vorbringen der Beschwerdevertreterin im Berufungsverfahren lasse einen solchen Kausalzusammenhang nicht ohne Weiteres erkennen, weil die Beschwerdeführerin schon seit 1992 in dem Heim gewohnt habe und der Heimaufenthalt "Folge eines zwischen dem Heim und der Bw. abgeschlossenen Vertragsverhältnisses, somit keiner Behandlungen gewesen war". Bei Geltendmachung höherer Beträge als der Pauschbeträge wäre die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen, rechtzeitig für entsprechende Beweismittel vorzusorgen. Aus Mangel an Beweisen für die Ursächlichkeit der Heimkosten "in Erkrankungen wie den im Vorlageantrag thematisierten Schlaganfällen und den in der Berufung angesprochenen Operationen" sei somit keine Rechtswidrigkeit der Bescheide erster Instanz aufgezeigt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen u. a. durch eine eigene körperliche Behinderung, so steht ihm gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 ein Freibetrag zu (Abs. 3 leg. cit.), wenn er keine pflegebedingte Geldleistung erhält. Gemäß Abs. 5 dieser Gesetzesstelle können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6). § 34 Abs. 6 EStG 1988 bestimmt, dass u.a. Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5), ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden können.

Aus der Bestimmung des § 35 EStG 1988 ergibt sich, dass aus dem Titel einer Behinderung entstehende Kosten entweder in Form eines Freibetrages nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 (gestaffelt nach dem auf Grund einer amtlichen Bescheinigung i. S. des § 35 Abs. 4 leg. cit. nachzuweisenden Grad der Behinderung) oder (wahlweise) in tatsächlicher Höhe als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Kosten einer Behinderung können bereits im Zusammenhang mit einer Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit entstehen, wenn jemand - behinderungsbedingt - nicht mehr in der Lage ist, den Haushalt selbst zu führen und daher auf eine Betreuung, wie sie in einem Alters- oder Pflegeheim typisch ist, angewiesen ist. In diesem Fall steht es dem behinderten Steuerpflichtigen i. S. des § 35 EStG 1988 auch frei, die tatsächlichen Kosten einer Heimunterbringung (auch in Form der Unterkunft und Verpflegung, soweit diese Kosten über die Haushaltsersparnis hinausgehen) als außergewöhnliche Belastung geltend zu machen (vgl. z.B. Hofstätter/Reichel, EStG36, § 34 Einzelfälle, Stichwort Alters(-Pflege)heim). Dabei ist auch der Bezug von Pflegegeld nicht Voraussetzung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Mai 2010, 2007/13/0051).

Nach ständiger Rechtsprechung muss die Begründung eines Abgabenbescheides in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. beispielsweise grundlegend das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).

Im Verwaltungsverfahren hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vorgebracht, dass ihre gesundheitliche Situation wegen erlittener Schlaganfälle und verschiedener operativer Eingriffe zu einer Behinderung geführt und deshalb die durch die Heimunterbringung abgedeckte Betreuungsbedürftigkeit bestanden habe. Im angefochtenen Bescheid räumt die belangte Behörde zwar ein, dass die vorgelegte Bescheinigung des Amtsarztes vom 27. Dezember 2004 "diverse Krankheiten" und das Ausmaß einer daraus resultierenden Erwerbsminderung der Beschwerdeführerin bestätige. Weshalb dennoch kein ursächlicher Zusammenhang "zwischen diesen Krankheiten und den in Rede stehenden Kosten" in den Streitjahren nachgewiesen sein sollte, legt die belangte Behörde aber nicht nachvollziehbar dar. Sie erläutert auch nicht, welche Nachweisführung sie diesbezüglich konkret vermisst hat. Mit den Begründungsausführungen, dass die Beschwerdeführerin schon seit 1992 im Heim gewohnt habe und der Heimaufenthalt "Folge eines zwischen dem Heim und der Bw. abgeschlossenen Vertragsverhältnisses, somit keiner Behandlungen" gewesen sei, hat die belangte Behörde außerdem die Rechtslage verkannt, weil die Berücksichtigung der Heimkosten in den Streitjahren 1999 bis 2004 aus dem Titel einer jedenfalls ab dem Jahr 1994 attestierten Behinderung nach § 35 Abs. 5 iVm § 34 Abs. 6 EStG 1988 zu beurteilen war.

Der angefochtene Bescheid war damit schon deshalb wegen (prävalierender) inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben."

Aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2010, 2008/13/0145, erging der nachfolgend zitierte Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenats vom 27. Juli 2010:

"Wie aus dem als Beilage übermittelten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2010 ersichtlich, wurde im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen vorgebracht, dass die gesundheitliche Situation wegen erlittener Schlaganfälle und verschiedener operativer Eingriffe zu einer Behinderung geführt habe, weshalb die durch die Heimunterbringung abgedeckte Betreuungsbedürftigkeit bestanden habe. Dass die vorgelegte Bescheinigung des Amtsarztes vom 27. Dezember  2004 "diverse Krankheiten" und das Ausmaß einer daraus resultierenden Erwerbsminderung der Bw. bestätige, steht außer Streit. Dass dem Unabhängigen Finanzsenat zwar die amtsärztliche "Behindertenbescheinigung" vom 27. Dezember 2004, aber bislang keine einzige von den dieser amtsärztlichen Bestätigung zugrunde gelegenen Unterlagen zur Kenntnis gebracht, geschweige denn vorgelegt wurde, sei bemerkt.

Was "Schlaganfälle" betrifft, definiert die Österreichische Gesellschaft für Schlaganfall Forschung den Schlaganfall als eine durch Blutleere in einer Hirnarterie (sog. Ischämie) entstehende regionale Durchblutungsstörung des Gehirns mit Auftreten eines fokal neurologischen Ausfalls, welcher vorübergehend oder dauerhaft sein kann . Es kann zu einem ischämischen Infarkt kommen, der eine bleibende strukturelle Schädigung einer Hirnregion darstellt. Auch flüchtige neurologische Ausfälle (sog. transitorisch ischämische Attacke, TIA) können bereits Ausdruck eines Infarktes sein.

Laut der Österreichischen Gesellschaft für Schlaganfall-Forschung ist "die häufigste Ursache des Schlaganfalls die Verstopfung einer großen oder kleinen Ader im Gehirn, wodurch es im dahinter liegenden Bezirk des Gehirns zur Blutleere (= Ischämie) und damit zum Sauerstoffmangel kommt. Die Nervenzellen können dann ihre Tätigkeit nicht mehr durchführen und stellen diese ein. Es kommt dadurch zu Krankheitszeichen (= Symptome), die davon abhängen, welche Aufgaben dieser Gehirnbezirk hat. Der Betroffene kann z.B. den Arm nicht mehr bewegen - eine Lähmung -, er hat eine Sehstörung, eine Sprachstörung, oder viele andere Zeichen. Wenn diese Durchblutungsstörung nur kurz anhält, sterben keine oder nur wenige Nervenzellen ab, die meisten können ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, wenn die Durchblutung nach ein paar Minuten oder Viertelstunden wieder einsetzt. Das war dann ein "Schlagerl", wie die Leute sagen, eine transiente ischämische Attacke (TIA) wie die Ärzte sagen. Wenn die Durchblutungsstörung länger anhält, gehen viele Nervenzellen unterschiedlich rasch zugrunde und das betroffene Gehirngewebe stirbt ab, es ist ein ischämischer Gehirninfarkt entstanden, Krankheitszeichen bleiben bestehen und bilden sich nur teilweise im Laufe der Zeit zurück. Ursache für die Verstopfung einer Ader ist ein Blutgerinnsel (Thrombus), das sich an einer Herzinnenwand oder an einer großen Körperschlagader (Aorta) über Halsschlagader gebildet hat und von dort plötzlich weggeschwemmt wird (=Embolie). Es kann ein solches Blutgerinnsel aber auch an einer Ader im Gehirn entstehen, langsam größer werden und diese Ader schließlich ganz verstopfen (= Arterothrombose). Es gibt aber auch andere seltene Ursachen für eine TIA oder einen ischämischen Infarkt, z.B. Gefäßentzündung, Gerinnungsstörungen und andere. Eine viel seltenere Ursache des Schlaganfalls, etwa 15% ist eine Blutung aus einer geplatzten Ader, eine Gehirnblutung. Die Krankheitszeichen sind ganz ähnlich wie bei einem ischämischen Infarkt und man kann die beiden Arten des Schlaganfalls nur durch eine neurologische Untersuchung und eine Computertomographie des Gehirns unterscheiden, was wichtig ist, weil ischämischer Infarkt und Blutung unterschiedlich behandelt werden.

Die häufigsten Formen des Schlaganfalls sind die lakunären, die embolischen sowie die hämodynamischen Infarkte. Die lakunären Infarkte sind kleine Infarkte, nicht größer als 1 x 1 cm (Lakune) und Folge einer Verstopfung einer kleinen Ader innerhalb des Gehirns. Ursache ist meist ein langjährig bestehender ungenügend behandelter Bluthochdruck, seltener kann auch eine langjährige Zuckerkrankheit zu solchen Schädigungen führen. Oft liegen mehrere Risikofaktoren gleichzeitig vor, z.B. Bluthochdruck, Diabetes und Nikotinmissbrauch. In vielen Fällen findet man in der Computertomographie mehrere solche Lakunen, die offenbar früher eingetreten sind und "klinisch stumm" waren, d.h. ohne Krankheitszeichen einhergegangen sind. Wenn viele solche kleinen Infarkte, Lakunen, vorliegen, kann es zum Nachlassen der geistigen Fähigkeiten oder zum Auftreten von Persönlichkeitsveränderungen, z.B. Reizbarkeit, kommen.

Was die embolischen Infarkte betrifft, stammen größere Blutgerinnsel, die in das Gehirn eingespült werden (Embolie), aus den Halsschlagadern, den Körperschlagadern oder aus dem Herzen. Durch ihre Volumen verstopfen sie eine größere Ader im Gehirn, was zum Gewebsuntergang einer ausgedehnteren Gehirnregion führt. Viele Herzerkrankungen (z.B. unregelmäßiger Pulsschlag = Arrhythmie) können zur Bildung eines Blutgerinnsels führen, das als Embolus plötzlich weggespült wird. Im Bereich der Halsschlagader entstehen solche Thromben oft im Rahmen der Atherosklerose bei Rauchern.

Was hämodynamische Infarkte anbelangt, kann durch Verengung (=Stenose) an zwei oder mehreren Gehirnadern der Gehirnbezirk dazwischen schlecht durchblutet sein (die "letzte Wiese" im Bewässerungssystem). Wenn die Durchblutung des Gehirns ganz allgemein plötzlich abnimmt, kann die Durchblutung in dieser "letzten Wiese" völlig zusammenbrechen und es kommt zum ischämischen Infarkt. Dies kommt besonders bei Menschen mit fortgeschrittener Atherosklerose und schlechter Allgemeindurchblutung vor.

Selten können andere Ursachen zu einem Schlaganfall führen, nämlich erbliche Faktoren, Störung der Blutgerinnung, Störung des Immunsystems und andere.

Während die Mangeldurchblutung (Ischämie) etwa 85 % aller Schlaganfälle ausmacht, werden etwa 15 % der Schlaganfälle durch das Platzen einer Ader im Gehirn hervorgerufen. Dadurch entsteht nicht eine Blutleere, sondern es kommt zu einer Blutansammlung im Hirngewebe. Die Blutung kann oft große Ausmaße erreichen und durch ihre Ausdehnung lebensbedrohlich sein. Erhöhter Blutdruck ist die häufigste Ursache einer Gehirnblutung.

Eine genaue Diagnose - Infarkt oder Blutung - ist nur durch eine neurologische Untersuchung und Computertomographie möglich. Die sofortige Abklärung ist notwendig, um eine gezielte Therapie einleiten zu können und gleichzeitig die Gefahr eines nachfolgenden Schlaganfalls zu verhindern.

Zur transienten ischämischen Attacke (=TIA) sei bemerkt, dass bereits diese ein medizinischer Notfall ist. Bei der TIA dauert die Ausfallssymptomatik höchsten 24 Stunden, oft nur Minuten. Häufig kommt es bei einer solchen Attacke bereits zu einem kleinen Hirninfarkt, den man "gut wegsteckt", entweder aufgrund der raschen Rückbildung der neurologischen Krankheitszeichen oder der Fähigkeit des Gehirns, diese rasch zu kompensieren. Da man aber am Beginn nicht wissen kann, ob die Krankheitszeichen sich rasch wieder zurückbilden, es bei einer TIA bleibt, oder die Krankheitszeichen bestehen bleiben, also ein Infarkt oder eine Blutung vorliegt, ist die TIA auch ein neurologischer Notfall.

Manchmal begleiten Kopfschmerzen einen ischämischen Schlaganfall, stehen aber nicht im Vordergrund. Bei der Gehirnblutung treten häufig plötzliche heftige Kopfschmerzen auf. Weil es aber meist nicht die Schmerzen sind, die den Ernst der Situation erkennen lassen, ist es so wichtig, dass die Menschen wissen, mit welchen Krankheitszeichen ein Schlaganfall einhergeht, und sie selbst rasch Hilfe herbeiholen.

Rehabilitation ist eine Teamleistung, die koordinierte Aktivitäten von Ärzten, Pflegekräften, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Psychologen und anderen Experten und Beratern erfordert, die sowohl mit dem Patienten als auch mit der Familie zusammenarbeiten. Entsprechend einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 1980, rev. 1997) werden dabei zur Beschreibung des Begriffes: "Behinderung" die Ebenen: Körper (Schaden, Funktionsstörung) - Person (Aktivität und Aktivitätseinschränkungen) - Gesellschaft (Partizipation und Einschränkungen) unterschieden. Auf den einzelnen Ebenen werden die Störungen detailliert erfasst und beschrieben und als Basis gezielter Interventionen herangezogen. Es ist nun Aufgabe der Rehabilitation, den eingetretenen Gehirnschaden in all seinen Auswirkungen auf körperliche, geistige und seelische Funktionen, aber auch die verbliebenen Restfunktionen detailliert zu erfassen, zu beschreiben und ein darauf abgestimmtes Rehabilitationsprogramm zu erstellen. Ziel aller Bemühungen ist ein möglichst selbstbestimmtes Leben der Betroffenen.

Einer der wichtigsten Aspekte der Rehabilitation ist das Erarbeiten von Lebensqualität. Ein Drittel der Schlaganfallpatienten wird depressiv - manche nur wenig, andere bis zum Punkt der Verzweiflung. "Alles geht so langsam", sagen die einen. "Was bin ich als Behinderter

überhaupt noch wert?", fragen sich viele.

Depressive Störungen treten auch noch lange nach der stationären Rehabilitation auf. Meist sind die Patienten dann schon mehr oder weniger gut zu Hause oder in einer Pflegeeinrichtung integriert. Die "Freunde" haben sich zurückgezogen oder reagieren mit unangemessener Hilfsbereitschaft, welche eine Selbstbestimmung beeinträchtigt. Neben der Vereinsamung sind es häufig Schmerzen in der gelähmten Körperhälfte bzw. im gesamten Bewegungsapparat, welche den Schlaganfall-Patienten zu schaffen machen. Auch die Angst vor einem neuen Schlaganfall trägt zu einer Verunsicherung bei. Häufig sind auch die nächsten Angehörigen von einer Rat- und Mutlosigkeit erfasst und leiden mit. Damit verbunden kommt es zu einem Funktionsverlust, und die Lebensanpassung ist in allen Bereichen gefährdet. Übermäßige Inanspruchnahme von Hauskrankenhilfe, übermäßiger Konsum von Schmerzmitteln, Beruhigungs- und Schlaftabletten sowie vermehrte Arztbesuche und Krankenstandstage von betreuenden Angehörigen können Zeichen einer derartigen Überlastung sein.

In dieser Situation ist eine unterstützende Behandlung mit spezifischen, gegen Depression wirksamen Medikamenten angezeigt. Eine Ergänzung zur ärztlichen Hilfe stellen hier die Selbsthilfegruppen dar, in denen die Patienten und ihre Angehörigen Ratschläge für die verschiedensten Probleme erhalten, aber auch durch Gespräche mit Gleichbetroffenen aus ihrer Einsamkeit geholt werden können.

Bei speziellen Problemstellungen (z.B. chronische Schmerzen durch Muskelverkrampfungen, schwierige Fragen der Hilfsmittelausstattung, operative Korrektur funktionsbehindernder Fehlstellungen, gezielte neurorehabilitative Behandlung zur Vorbereitung auf die Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit) kann nach vorheriger chefärztlicher Begutachtung eine Wiederaufnahme in einem geeigneten Rehabilitationszentrum erforderlich sein. Dadurch kann im Einzelfall mit gezielten Maßnahmen eine weitere Verbesserung der Lebensumstände für die Betroffenen und deren Angehörige erarbeitet werden.

Die Wiedererlangung von Lebensqualität stellt in jedem Fall einen aktiven Prozess des Sich-Auseinandersetzens mit den verbleibenden Funktionseinschränkungen und der sozialen Beeinträchtigung dar. Dabei ist realistischerweise zu bemerken, dass eine optimale Anpassung an die neuen Lebensumstände zumindest genauso schwer zu erreichen und aufrechtzuerhalten ist wie Glück und Harmonie für "nicht-behinderte" Personen. Im Einzelfall kann der Prozess der Krankheitsverarbeitung eine geeignete psychotherapeutische Betreuung erforderlich machen. Dabei sind insbesondere die persönlichen Lebensziele und die zugrundeliegenden Bedürfnisse zu beleuchten und die Möglichkeiten der Umsetzung zu überprüfen. Neben fundierten psychotherapeutischen Kenntnissen ist daher auch hier die Zusammenarbeit mit einem entsprechend geschulten Team und mit den Angehörigen erforderlich.

Für die Stabilität des Rehabilitationserfolges ist es sehr wichtig, die Faktoren, welche zu der Erkrankung geführt haben, zu kennen und wenn möglich zu verringern. Bereits frühzeitig sollten die Patienten und deren Angehörige über die Risikofaktoren und deren Beeinflussungsmöglichkeiten aufgeklärt werden. In weiterer Folge ist es Aufgabe der Hausärzte, das Bewusstsein über die persönlichen Risikofaktoren wach zu halten und entsprechende Kontrollen vorzunehmen. "

Den Schreiben vom 2. Februar 2005 (Vorhaltsbeantwortung) und 26. April 2006 (Vorlageantrag) zufolge hatte die Berufungswerberin schon vor ihrer Übersiedlung in das Heim zwei Schlaganfälle, konnte nach dem Tod ihres Gatten nicht mehr allein den Haushalt führen und war aufgrund zahlreicher Operationen und deren Folgewirkungen so behindert, dass sie nicht mehr in der Lage war, für sich selber zu sorgen. Der abgabenrechtlichen Würdigung dieser Sachverhaltselemente im Sinn des Berufungsbegehrens stand entgegen, dass die amtsärztliche Bestätigung der Bw. einen zwingenden Rückschluss vom Behinderungsgrad auf eine Krankheit als Ursache der Heimkosten nicht zugelassen hatte; der Begriff "Operation", mit dem in der Medizin generell ein chirurgischer Eingriff in den Organismus bezeichnet wird, hätte als unbestimmter Begriff noch detaillierter Angaben bedurft, um als entscheidungsrelevantes Sachverhaltselement im Sinn des Berufungsbegehrens gewertet zu werden. Des besseren Verständnisses halber sei ins Treffen geführt, dass der Wortteil "Operation" erst in Verbindung beispielsweise mit dem Wortteil "Mamma" (nicht mehr als) einen chirurgischen Eingriff an der Brust indiziert, ohne die Operation als Ursache für die in Rede stehenden Heimkosten nachzuweisen.

Bezugnehmend auf Ihre Berufung werden Sie daher ersucht, innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens

a) den ursächlichen Zusammenhang zwischen den im Verwaltungsverfahren thematisierten Krankheiten (samt den chirurgischen Eingriffen) und den in Rede stehenden Heimkosten in den Streitjahren vollständig offen zu legen, um dem Unabhängigen Finanzsenat nicht nur ein richtiges und vollständiges, sondern auch ein klares Bild von den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umständen zu verschaffen;

b) sämtliche Ihnen zur Verfügung stehende Unterlagen zu allen Operationen, Krankheiten samt Schlaganfällen , anhand dieser nicht nur die Art der jeweiligen Krankheit/Operation bestimmbar, sondern auch die Krankheit als Ursache des Heimaufenthalts feststellbar sein müsste, vorzulegen."

Mit der Vorhaltsbeantwortung vom 20. August 2010 beantragte die steuerliche Vertreterin die Veranlagung der Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2004 im Sinn des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 2008/13/0145, vom 30. Juni 2010. Die Begründung für diesen Antrag ist als Begründungsbestandteil der Berufungsentscheidung in der Begründung des Bescheides des Unabhängigen Finanzsenats vom 2. September 2010 ersichtlich.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 34 Abs. 6 EStG 1988 idF StruktAnpG 1996, BGBl. Nr. 201/1996, und AbgÄG 1997, BGBl I Nr. 9/1998, lautet auszugsweise:

"Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

(...)

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen."

Nach § 35 Abs. 1 EStG 1988 idF StruktAnpG 1996, BGBl. Nr. 201/1996, steht einem Steuerpflichtigen bei außergewöhnlicher Belastung u.a. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung ein Freibetrag zu, wenn er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) erhält. Die Höhe dieses Freibetrages bestimmt sich nach § 35 Abs. 3 leg. cit. nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Anstelle des Freibetrages können nach § 35 Abs. 5 EStG 1988 auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind zwar Unterbringungskosten in einem Alters- oder Pflegeheim so lange nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als mit ihnen nicht auch besondere Aufwendungen abzudecken sind, die durch Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit verursacht werden (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Dezember 1987, 86/13/0084, 27. Mai 2003, 97/14/0102, und vom 26. Mai 2010, 2007/13/0051); eine rechtliche Verknüpfung der Anerkennung der Heimkosten als außergewöhnliche Belastung mit einem Bezug von Pflegegeld ergibt sich aber auch daraus nicht.

Wenn eine Unterbringung in einem Altersheim aus Altersgründen erfolgt, stellen solche Heimkosten keine außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 Abs. 1 EStG 1988 dar; anders, wenn besondere Aufwendungen abzudecken sind, die durch Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit verursacht sind (vgl. Jakom, EStG, 3. Auflage, Tz 90 zu § 34; Seite 1300 ff.).

Dass Kosten letztgenannter Art für das Finanzamt allein mit der Bezeichnung von Appartementkosten als Pflegeheimkosten in den Abgabenerklärungen für die Jahre 1999 bis 2004 nicht anzunehmen waren, bewies jenes bereits im Veranlagungsverfahren erfolgte fernmündliche Ersuchen des Finanzamts vom 4. Jänner 2005 um Erbringung eines Nachweises der Besonderheit dieser Aufwendungen wegen Pflegebedürftigkeit, mit dem das Finanzamt der Bw. zugleich auch das Erreichen jener Grenze offen gelegt hatte, wo nach Lage des Falles nur die Bw. Angaben zum Sachverhalt machen konnte. In dem Ausmaß, in dem die Bw. zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hiezu nicht bereit war bzw. eine solche unterließ, trat die Verpflichtung des Finanzamts, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von der Behörde als erwiesen erkannte Maß hinaus zu prüfen, in analoger Anwendung der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 1996, 92/14/0224; 30. September 1998, 94/13/0099; 30. Mai 2001, 99/13/0024, und 27. November 2001, 97/14/0011, zurück.

Zwar trägt die Abgabenbehörde die Feststellungslast für alle Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen Abgabenanspruch geltend machen zu können, doch befreit dies die Bw. nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht. Insofern wurde die Bw. mit Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenats vom 27. Juli 2010 ersucht, "a) den ursächlichen Zusammenhang zwischen den im Verwaltungsverfahren thematisierten Krankheiten (samt den chirurgischen Eingriffen) und den in Rede stehenden Heimkosten in den Streitjahren vollständig offen zu legen, um dem Unabhängigen Finanzsenat nicht nur ein richtiges und vollständiges, sondern auch ein klares Bild von den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umständen zu verschaffen; b) sämtliche Ihnen zur Verfügung stehende Unterlagen zu allen Operationen, Krankheiten samt Schlaganfällen , anhand dieser nicht nur die Art der jeweiligen Krankheit/Operation bestimmbar, sondern auch die Krankheit als Ursache des Heimaufenthalts feststellbar sein müsste, vorzulegen."

Anstatt dem letztgenannten Vorhalt zu entsprechen und die Ursache der Heimkosten in der Krankheit/Pflegebedürftigkeit/Betreuungsbedürftigkeit der Bw. anhand von (haus-, spitals)ärztlichen Befunden zu den thematisierten Operationen, Krankheiten und Schlaganfällen zu dokumentieren beantragte die steuerliche Vertreterin mit der Vorhaltsbeantwortung vom 20. August 2010 die Veranlagung der Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2004 im Sinn des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 2008/13/0145, vom 30. Juni 2010 mit der Begründung: Der Verwaltungsgerichtshof beziehe sich im Erkenntnis vom 30. Juni 2010, Zl. 2008/13/0145, auf das Einkommensteuergesetz, welches in § 35 EStG 1988 bestimme, dass aus dem Titel einer Behinderung entstehende Kosten entweder in Form eines Freibetrages nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 oder in tatsächlicher Höhe als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien und führe weiter aus, dass es dem behinderten Steuerpflichtigen frei stehe, die tatsächlichen Kosten einer Heimunterbringung auch in Form der Unterkunft und Verpflegung, soweit diese Kosten über die Haushaltsersparnis hinausgehen, als außergewöhnliche Belastung geltend zu machen, und betone, dass der Bezug von Pflegegeld keine Voraussetzung hiefür sei. Abschließend weise der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis wiederholt darauf hin, dass die Heimkosten in den Streitjahren 1999 bis 2004 aus dem Titel einer jedenfalls ab dem Jahr 1994 attestierten Behinderung nach § 35 Abs. 5 in Verbindung mit § 34 Abs. 6 EStG 1988 zu beurteilen gewesen sei. Abschließend stellte die steuerliche Vertreterin ausdrücklich fest: "Ein etwaiger Bedarf nach Recherchen bzw. die Beibringung von Unterlagen zum Gesundheitszustand der Klientin ergibt es ausschließlich für den Zeitraum vor dem Kalenderjahr 1994. Dieser Zeitraum liegt jedoch außerhalb der beeinspruchten Veranlagungsjahre."

Dieses Zitat aus der Vorbehaltsbeantwortung vom 20. August 2010 war insofern ungewöhnlich, als die Pflege- und Betreuungsleistungen des Pensionistenwohnheims die Unterstützung und Pflege der Bw. bei den Aktivitäten des täglichen Lebens in Form a) der Anwesenheit qualifizierter Pflegepersonen (DGKP oder Pflegehelfer) 24h pro Tag; b) der Vermittlung ärztlich angeordneter Therapien (z.B.: Physiotherapie, Ergotherapie, Logotherapie); c) der täglichen Visite des Stationsarztes (Montag-Freitag); d) einer Pflegedokumentation, e) von Aktivierungsangeboten nach individueller Planung (z.B.: Gedächtnistraining, Werken, Gymnastik) körperliche und geistige Aktivierung/Reaktivierung; umfassen.

Vor diesem Hintergrund war die Entscheidung aufgrund der amtsärztlichen Bestätigung vom 27. Dezember 2004 zu treffen, die den Bestand einer Erwerbsminderung von 35% bei der Bw. bescheinigte, deren Ursache die Feststellung u. a. einer (diffusen) Coronarsklerose (Erkrankung der Herzkranzgefässe) und einer Hypertonie (Bluthochdruck) war.

Was die diffuse Coronarsklerose anbelangt, ist eine Stenose eine Verengung von Blutgefäßen oder anderen Hohlorganen, die zumeist durch Arteriosklerose verursacht werden. Eine Stenose ist oft die Vorstufe eines Verschlusses, die dann zum akuten Herzinfarkt führt. Das Ausmaß einer Stenose wird in Prozent des nicht mehr durchströmten Lumens angegeben, wobei der Längsdurchmesser, nicht der Querschnitt angegeben wird. Eine Einengung des Durchmessers von 75 % entspricht der Einengung der Fläche des Querschnitts auf 90 %, d. h. lediglich 10 % des Restlumens sind durchströmt. Entsprechend Empfehlung der American Heart Association werden üblicherweise folgende Einteilungen verwendet (siehe Krakau, I. / Lapp, H. (Hrsg.): Das Herzkatheterbuch - Diagnostische und interventionelle Kathetertechnik. 2 Auflage. Thieme, Stuttgart, New York 2005, ISBN 3-13-112412-1, S. 171-173):

Grad

Stenose

Beschreibung

 

Längsdurchmesser

Querschnitt

 

0

< 25 %

< 44 %

Konturunregelmäßigkeiten, diffuse Koronarsklerose

I

25 - 50 %

45 - 75 %

Geringradige oder unterkritische Stenose

II

50 - 75 %

75 - 94 %

mittelgradige Stenose

III

75 - 90 % und > 90 %

94 - 99 % und > 99 %

Hochgradige oder kritische Stenose

IV

100 %

kompletter Verschluss

Als Lumen wird in der Medizin der Durchmesser bzw. das Innere eines Hohlraums, zum Beispiel eines Blutgefäßes bezeichnet.

Die Arterielle Hypertonie, oft verkürzt auch Hypertonie, Hypertonus oder Hypertension oder im täglichen Sprachgebrauch Bluthochdruck genannt, ist ein Krankheitsbild, bei dem der Blutdruck des arteriellen Gefäßsystems chronisch erhöht ist. Nach Definition der WHO (Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, Version 2006) gilt ein systolischer Blutdruck höher als 140 mmHg oder ein diastolischer Blutdruck größer als 90 mmHg als Hypertonie. Nicht in diese Definition eingeschlossen sind vorübergehende Blutdruckerhöhungen durch Erkrankung, Medikamente oder Schwangerschaft.

Ursachen der arteriellen Hypertonie sind Störungen des Hormonsystems, des Herz-Kreislaufsystems sowie Nierenschäden; dem größten Teil der Erkrankungen liegen jedoch weitgehend unbekannte Faktoren zugrunde. Die arterielle Hypertonie weist meist nur unspezifische Symptome auf. Sind Folgeschäden die koronare Herzkrankheit mit der Folge von Herzinfarkten sowie Nierenversagen und Schlaganfall, so war die Behauptung der Bw. im Vorlageantrag, vor der Übersiedlung in das Pflegeheim zwei Schlaganfälle gehabt zu haben und nach dem Tod ihres Gatten nicht mehr allein den Haushalt führen haben zu können, glaubhaft. Dies, obwohl der Betriebs- und Leistungsbeschreibung dieses Wohnheims zufolge Personen mit überdurchschnittlichem Pflegebedürfnis sowie Personen, deren Erkrankung eine dauernde ärztliche Anwesenheit oder besondere medizinische Voraussetzung (z.B.: Beatmung) erfordert, im Heim nicht untergebracht werden können.

Vor diesem Hintergrund war die Tatsache, dass die Bw. den Pflegegeldantrag trotz diverser Krankheiten nicht zu einem früheren Zeitpunkt gestellt hatte, obwohl der Heimträger der Heimbewohnerin Information und Unterstützung zur Erlangung von Sozialhilfe und Pflegegeld in den Streitjahren geboten hatte, lediglich als Folge der Unauffälligkeit des Verhaltens der Bw. in medizinischer Hinsicht gegenüber den Angestellten des Wohnheims in den Streitjahren einzustufen und der Berufung trotz der Art und Weise, in der die steuerlich vertretene Bw. am Administrativverfahren mitgewirkt hatte, Folge zu geben.

Aufgrund der Ursächlichkeit der Beherbergungs- und Verpflegungskosten für dasPensionistenwohnheim in der Koronarsklerose und der arteriellen Hypertonie der Bw. war der Berufung, was die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2003 anbelangt, Folge zu geben und die von der Bw. abzüglich einer Haushaltsersparnis geltend gemachten Heimkosten von € 11.694,72 für das Jahr 1999, € 11.709,98 für das Jahr 2000, € 11.694,72 für das Jahr 2001, € 12.047,12 für das Jahr 2002 und € 12.343,88 für das Jahr 2003 als außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 EStG 1988 anzuerkennen; durch die Hinzurechnung eines Uniqa Selbstbehalts (für Heilbehandlungskosten) von € 617 zu den Heimkosten für das Jahr 2001 waren die außergewöhnlichen Belastungen für das Jahr 2001 in Höhe von insgesamt € 12.311,72 festzusetzen.

Als Begründung für die Abänderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2004 sei ins Treffen geführt, dass dem Finanzamt die Heimkosten im Sinn des § 34 EStG 1988 für die Streitjahre zuvor als Differenzbetrag der Positionen "Pflegeheimkosten" und "Haushaltsersparnis" dargestellt wurden. Wurden mit der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 die "Pflegeheimkosten" mit € 14.892,12 beziffert, so waren die Beherbergungs- und Verpflegungskosten in der beantragten Höhe von € 14.892,12 abzüglich einer Haushaltsersparnis von € 2.354,40, somit in Höhe von € 12.537,72 als außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 EStG 1988 anzuerkennen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 9 Berechnungsblätter

Wien, am 1. September 2010

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 Abs. 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Schalganfall, Durchblutungsstörung, Hypertonie, Thrombus, Pflegegeld, diffuse Cornoarsklerose, arterielle Hypertonie, Bluthochdruck, Pensionistenwohnheim, Heimkosten, Pflegeheimkosten, Beherbergungskosten, Verpflegungskosten

Stichworte