Vertreterpauschale (Werbungskosten) eines Außendienstmitarbeiters eines Sanitärgroßhandelsunternehmens
Anmerkungen:
Rechtslage ab 2002 (VO BGBl. 382/2001)
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., Wien, vom 4. April 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom 24. März 2006 betreffend Einkommensteuer 2005 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Bw. (in der Folge: Bw.) ist angestellter Außendienstmitarbeiter eines Sanitär- Großhandelsunternehmens. Der Bw. machte in seiner Einkommensteuererklärung für 2005 den besonderen Werbungskostenpauschbetrag für Vertreter in Höhe von € 2.190,00 geltend. Im Vorhalteverfahren vor dem Finanzamt, in welchem er aufgefordert wurde, "eine genaue Tätigkeitsbeschreibung bzw. eine Beschreibung des Tagesablaufes" vorzulegen, reichte er eine Bestätigung seines Arbeitgebers vom 20.3.2006 nach, wonach er im Jahr 2005 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt war, die Firma bei den Kunden im Raum Wien, Niederösterreich und Burgenland vertrat und in dieser Eigenschaft Aufträge und Zahlungen entgegennahm. Der Tagesablauf wurde wie folgt beschrieben: "Nach telefonischer Terminvereinbarung erfolgt Kundenbesuch; Erfassung und Besprechung neuer Kundenaufträge, Abwicklung von Reklamationen; Zahlungen."
Das Finanzamt veranlagte den Bw. zur Einkommensteuer 2005 unter Aberkennung des beantragten Werbungskostenpauschales. Vertreter seien Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind. Eine andere Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist, zähle nicht als Vertretertätigkeit.
Der Bw. bekämpfte den Einkommensteuerbescheid 2005 mit Berufung und beantragte nochmals, das Vertreterpauschale in Anrechnung zu bringen. Er sei im gesamten Jahr 2005 als Außendienstmitarbeiter bei Installateurkunden unterwegs. Diese Tätigkeit umfasse die Anbahnung und den Abschluß von Geschäften und die Erledigung von Reklamationen. Gleichzeitig sei er auch damit betraut, bei säumigen Zahlern die offenen Beträge zu übernehmen. Das Vorbringen des Bw. deckt sich mit einer weiteren Bestätigung seines Dienstgebers (datiert vom 24. April 2006, Eingang beim Finanzamt am 10. April 2006).
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Nach Ansicht des Finanzamtes ist es für die pauschalierten Werbungskosten erforderlich, dass eine ausschließliche Vertretertätigkeit vorliegt. Eine andere Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist (zb: Kontrolltätigkeit oder Inkassotätigkeit) zähle nicht als Vertretertätigkeit. Da die Tätigkeit des Bw. auch die Erledigung von Reklamationen und Inkassotätigkeiten umfasse, könnten pauschalierte Werbungskosten nicht anerkannt werden.
Der Bw. beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und betonte, das vorrangige Ziel seiner Vertreter - Tätigkeit sei die Anbahnung und der Abschluss von Geschäften. Dem Schreiben wurde die vollständige Reisekostenabrechnung des Jahres 2005 beigelegt. Demnach war der Bw. im Berufungsjahr 2005 durchgehend von Montag bis Donnerstag (6-18 Uhr) mit Kundenbesuchen beschäftigt und freitags von 7 bis 14 Uhr im Innendienst tätig.
Auf der homepage des Arbeitgebers der Bw., der FirmaX, werden der Bw. und vier weitere Personen als Ansprechpartner für den "Verkauf Außendienst -X" genannt.
Mit Vorhalt des unabhängigen Finanzsenates wurde der Bw. gebeten, eine Kopie des Dienstvertrages/Dienstzettels, bzw. geeignete firmeninterne Unterlagen, woraus sein Aufgabenbereich näher ersichtlich ist, vorzulegen.
Daraufhin teilte der Arbeitgeber des Bw. mit Schreiben vom 28. Mai 2007 mit, der Bw. sei in seiner Funktion als Außendienstmitarbeiter täglich in seinem Verkaufsgebiet (Niederösterreich Süd) unterwegs. Seine "Hauptaufgabe" sei "das Akquirieren von Aufträgen bei unseren Installateurkunden".
In einem Telefonat vom 15. Juni 2007 führte der Bw. ebenfalls aus, er betreue im Außendienst den Verkauf im Gebiet Niederösterreich Süd. Sein Aufgabenbereich sei das Akquirieren von Vertragsabschlüssen, damit zusammenhängend Rabattverhandlungen, die Entgegennahme von Reklamationen und das Urgieren der Einhaltung von Zahlungsfristen durch die Kunden. Eine Entgegennahme von Geldern, also das Inkasso der Zahlungen, sei nicht in seinem Aufgabenbereich gelegen. Dass die Vermittlung von Vertragsabschlüssen sein eigentlicher Aufgabenbereich ist, sei aus der Zusammensetzung seines Gehaltes erkennbar, wonach die Abschlußprovisionen einen wesentlichen Gehaltsbestandteil ausmachen.
Mit Schreiben des Arbeitgebers des Bw. vom 15. Juni 2007 wurde ausgeführt, der Bw. werde in seiner Funktion als Außendienstmitarbeiter mit einem Grundgehalt und einer Provision bezahlt. Die Provision sei variabler Bestandteil des Gehaltes und richte sich nach seinen Verkaufserfolgen. Der Bw. erhalte neben seinem Grundgehalt ein monatliches Provisionsakonto. Am Jahresende, nach Vorlage der genauen Zahlen seiner Aufträge, werde aufgrund einer gemeinsamen Vereinbarung, die tatsächliche Fix-Provision berechnet. Davon würden die monatlichen Akontoprovisionen abgezogen und in Form einer Endabrechnung jeweils im Februar bzw. März des Folgejahres an den Bw. ausbezahlt.
Mit E-Mail vom 10. Juli 2007 übermittelte der Bw. dem Unabhängigen Finanzsenat Gehaltsabrechnungen für die Monate Dezember 2005 (als Beispiel für ein normales Monatsgehalt zuzüglich monatliche Fixprovision) und Februar 2006 (Monatsgehalt zuzüglich Provisionsnachzahlungen für das Kalenderjahr 2005). Demnach erhielt der Bw. im Berufungsjahr 2005 monatliche Bruttobezüge iHv € 2.258,50 zuzüglich einer "Fixprovision" in Höhe von € 1.200,00. Im Februar 2006 erhielt der Bw. zusätzlich eine Provisionsnachzahlung für das Kalenderjahr 2005 im Betrag von € 13.343,98, was unter der Annahme von vierzehn Bezügen einem monatlichen Betrag von € 953,00 entspricht. Daraus ergibt sich für das Kalenderjahr 2005 umgerechnet eine monatliche Provision (Fixprovision und Provisionsnachzahlung) in Höhe von brutto € 2.153,00.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 6 EStG 1988 können vom Bundesminister für Finanzen Durchschnittssätze für Werbungskosten im Verordnungswege für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt werden.
Gemäß § 1 der Verordnung BGBl. II 2001/382 wurden auf Grund des § 17 Abs. 6 EStG 1988 für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten festgelegt:
Z 9 Vertreter: 5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 Euro jährlich. Der Arbeitnehmer muß ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden.
Wie der Unabhängige Finanzsenat bereits wiederholt entschieden hat (vgl. zB. UFS 22.10.2004, RV/0080-F/03, 9.11.2004, RV/0171-F/03, 8.2.2005, RV/0076-F/04, 24.5.2005, RV/0346-G/04), sind Vertreter im Sinne der Werbungskosten-Pauschalierungsverordnung Personen, die regelmäßig im Außendienst zwecks Abschlüssen von Geschäften und Kundenbetreuung tätig sind. Damit zusammenhängende Tätigkeiten wie Abrechnungen mit Kunden sind Ausfluss einer solchen Tätigkeit und deshalb für die Anwendung der Pauschalierung unschädlich (VwGH vom 9.11.1983, 82/13/0146).
Nach der Verwaltungspraxis (vgl. Rz 406 der LStR 2002) zählt eine andere Außendiensttätigkeit als die Anbahnung und der Abschluss von Geschäften und die Kundenbetreuung, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist, nicht als Vertretertätigkeit (zB Kontrolltätigkeit oder Inkassotätigkeit).
Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates ist in diesen beiden Aussagen kein Widerspruch zu sehen: Beinhaltet die Außendiensttätigkeit vorrangig eine Kontrolltätigkeit, eine Inkassotätigkeit oder eine andere Tätigkeit, deren Ziel nicht die Anbahnung und der Abschluss von Geschäften ist, so liegt keine Vertretertätigkeit im Sinne der Werbungskosten-Pauschalierungverordnung vor.
Beinhaltet die zu beurteilende Außendiensttätigkeit aber überwiegend die Anbahnung und den Abschluss von Geschäften und sind andere Tätigkeiten (zB die Entgegennahme von Reklamationen und eine Inkassotätigkeit) damit verbunden, aber nicht die vorrangige Tätigkeit des Außendienstmitarbeiters, so sind letztere Tätigkeiten für die Beurteilung als Vertreter unschädlich.
Im Berufungsfall war unstrittig und auch aus den vorgelegten Reisekostenabrechnungen ersichtlich, dass der Bw. im Jahr 2005 in zeitlicher Hinsicht fast ausschließlich im Außendienst tätig war. Zu prüfen war aber, ob diese Außendiensttätigkeit ihrem Inhalt nach als die eines Vertreters angesehen werden kann.
Dem steht nach Ansicht des Finanzamtes (laut Begründung der Berufungsvorentscheidung) entgegen, dass die Tätigkeit des Bw. auch die Erledigung von Reklamationen und Inkassotätigkeiten umfasst; nach Ansicht des Finanzamtes liegt deshalb keine ausschließliche Tätigkeit als Vertreter vor.
Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates kann aber davon ausgegangen werden, dass die Entgegennahme von Reklamationen und auch die Inkassotätigkeit bei einer umfassenden Gebietsbetreuung, wie sie dem Bw. obliegt, als mit der Haupttätigkeit der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften zusammenhängend gesehen werden kann und die Beurteilung der Tätigkeit der Bw. als Vertreter nicht hindert.
Der eigentliche Aufgabenbereich des Bw. ist es, möglichst viele Vertragsabschlüsse zu bewirken. Dies ist auch daraus erkennbar, dass sein Gehalt, neben einem Grundgehalt, aus Provisionen für die getätigten Vertragsabschlüsse besteht, wobei diese Abschlussprovisionen (Fixprovisionen zuzüglich Provisionsnachzahlung) im Berufungsjahr 2005 mit umgerechnet monatlich € 2.153,00 betraglich in etwa dem Grundgehalt von € 2.258,50 entsprechen. Auch aus dieser Zusammensetzung der Bezüge des Bw., deren Höhe wesentlich von der Summe der in einem Jahr vermittelten Vertragsabschlüsse abhängt, ist ersichtlich, dass der eigentliche Aufgabenbereich des Bw. der eines Abschlussvertreters ist.
Im konkreten Fall stellte sich zudem aufgrund weiterer Ermittlungen des Unabhängigen Finanzsenates heraus, dass der Bw. offenbar - entgegen der Darstellung im erstinstanzlichen Berufungsverfahren - nicht mit einer Inkassotätigkeit in dem Sinne betraut ist, dass er ausstehende Gelder in Empfang nimmt. Seine Aufgabe besteht laut glaubhafter mündlicher Aussage des Bw. vielmehr darin, Vertragsabschlüsse im Namen seines Arbeitgebers zu tätigen, und in weiterer Folge die Verträge bis zur vollständigen Bezahlung der gelieferten Waren zu betreuen, dh. auch Reklamationen entgegenzunehmen und ausstehende Zahlungen zu urgieren.
Die Entgegennahme von Reklamationen und das Urgieren der Einhaltung der Zahlungsfristen betreffend die vom Bw. vermittelten Geschäftsabschlüsse ist als eine mit der Tätigkeit des Bw. als Vertreter zusammenhängende Betätigung zu sehen.
Das Werbungskostenpauschale für Vertreter war somit zu gewähren.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Wien, am 27. Juli 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 17 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Vertreter, Außendienst, Provisionen, Inkassotätigkeit |
Verweise: | VwGH 09.11.1983, 82/13/0146 |