Prozesskosten im Zusammenhang mit der Behinderung der Tochter sind unter § 34 Abs 6 Teilstrich 4 EStG 1988 zu subsumieren
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101329.2020
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 28. Februar 2014 gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom 28. Jänner 2014 betreffend Einkommensteuer 2012, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 25.06.2018, RV/7103979/2017, verwiesen.
In jenem Verfahren wurden Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 Abs. 6 Teilstrich 4 EStG 1988 behandelt und ausgeführt, der Wortlaut dieser Bestimmung umfasse jegliche Mehraufwendungen infolge Behinderung eines Kindes, ohne Einschränkung auf medizinische oder pflegerische Maßnahmen. Die Rechtsanwaltskosten stünden in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung der Tochter des Beschwerdeführers: Ohne Behinderung der Tochter wären mangels Prozessführung diese Kosten nicht entstanden. Sie seien daher als Aufwendungen im Sinne des § 34 Abs. 6 Teilstrich 4 EStG 1988 zu qualifizieren und ohne Ansatz eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen. Die Prozesskosten dienten letztliche dazu, die lebenslangen Pflege- und Rehabilitationsmaßnahmen für die Tochter abzusichern. Auch die Voraussetzungen des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen seien erfüllt, weshalb die Kosten ohne Selbstbehalt und ohne Anrechnung des Pflegegeldes abzugsfähig seien.
Aufgrund der von der belangten Behörde eingebrachten Revision, in welcher die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Prozessführung für das Jahr 2012 außer Streit gestellt, aber die Ansicht des Bundesfinanzgerichts bekämpft wurde, die Rechtsanwaltskosten würden unter § 34 Abs. 6 Teilstrich 4 EStG 1988 sowie § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen fallen, wurde die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts mit Erkenntnis vom 26.02.2020, Ro 2018/13/0013, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Darin führte der Gerichtshof nach Zitat der Bestimmung des § 34 Abs. 6 Teilstrich 4 EStG 1988, des Schlussteiles dieses Absatzes, der Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996 BlgNr 20. GP 267 f zu § 34 Abs. 6 und § 35 EStG 1988 und der §§ 4 und 5 der VO über außergewöhnliche Belastungen aus, zu der vom Finanzamt in der Revision vertretenen Einschränkung, eine Berücksichtigung behinderungsbedingter Mehraufwendungen erfordere einen unmittelbaren spezifischen Zusammenhang der Mehraufwendungen mit einem notwendigen Pflege- und Betreuungsbedarf, genüge ein Hinweis auf den letzten Satz des § 34 Abs. 6 EStG 1988 und auf § 4 der dazu ergangenen Verordnung. Den im Gesetz mit der Anknüpfung an § 8 Abs. 4 FLAG ("jedes Kind, das erheblich behindert ist") vorausgesetzten Zusammenhang mit der Behinderung - wenn auch nicht mit "Pflege- und Betreuungsbedarf" - stelle die Revision nicht in Abrede. Wenn auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.03.2016, 2013/13/0063, verwiesen werde, so sei dort lediglich zu Kosten einer Heimunterbringung dargelegt worden, dass die Berücksichtigung derartiger Mehraufwendungen einen unmittelbaren (spezifischen) Zusammenhang dieser Mehraufwendungen mit einem notwendigen Pflege-oder Betreuungsbedarf erfordern würde. Mehraufwendungen aus einer Unterbringung in einem Alters-oder Pflegeheim würden nämlich nur dann zwangsläufig erwachsen, wenn ein derartiger Pflege-oder Betreuungsbedarf gegeben sei. Im Hinblick auf Prozesskosten sei ein derartiger spezifischer Zusammenhang der Mehraufwendungen mit einem Pflege-oder Betreuungsbedarf nicht erforderlich.
Wenn die Amtsrevision weiters geltend mache, dass Prozesskosten nicht als Hilfsmittel (oder Kosten der Heilbehandlung) im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen zu beurteilen seien, so sei zu bemerken - so der Gerichtshof weiter -, dass die Mehraufwendungen entweder in tatsächlicher - und nachgewiesener - Höhe oder aber in pauschalierter Höhe nach der Verordnung (§ 5 Abs. 1 der Verordnung; die in § 4 der Verordnung genannten Aufwendungen seien hingegen nur im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen) begehrt werden könnten.
Im Zuge des Verfahrens sei wiederholt auf die tatsächliche Höhe der Kosten der Pflege (die die Höhe des Pflegegeldes weit überschreite) verwiesen worden; ein Nachweis sei jedoch nicht erfolgt. Es sei auch nicht notorisch, dass tatsächliche Pflegekosten geringer wären als das Pflegegeld. Feststellungen zur tatsächlichen Höhe der Kosten der Pflege seien vom Bundesfinanzgericht nicht getroffen worden.
Mangels Feststellungen zur tatsächlichen Höhe derjenigen Kosten der Pflege, auf die pflegebedingte Geldleistungen jedenfalls anzurechnen wären, sei die Frage, ob eine Anrechnung der pflegebedingten Geldleistungen auch im Hinblick auf Prozesskosten zu erfolgen hätte, beim derzeitigen Verfahrensstand bloß hypothetisch.
Im fortgesetzten Verfahren forderte das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom 15.05.2020 die belangte Behörde auf,
1. die Höhe derjenigen Kosten der Pflege, auf die pflegebedingten Geldleistungen jedenfalls anzurechnen wären, festzustellen,
2. zu erkunden, ob ein Nachweis betreffend die tatsächliche Höhe der Kosten der Pflege angeboten werde,
3. zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens eine Stellungnahme abzugeben und
4. zu ermitteln, ob das das beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zur Zahl **** anhängige Gerichtsverfahren bereits beendet sei und ob der beschwerdeführenden Partei bejahendenfalls Prozesskostenersätze zugesprochen worden seien.
Bezugnehmend auf den Beschluss vom 15.05.2020 richtete die belangte Behörde ein Schreiben mit folgendem Inhalt an den Beschwerdeführer:
"Wie in der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung vom 26.6.2014 ausgeführt wurde, haben Sie in der Einkommensteuererklärung für die Tochter Tochter gem. § 5 Abs. 3 der Verordnung BGBl. 1996/303 zusätzliche Kosten (Hilfsmittel und Heilbehandlung) in Höhe von 6.420,69 beantragt. Ein Freibetrag nach § 5 Abs. 1 der VO kam aufgrund des Pflegegeldbezuges nicht zum Ansatz, da das monatliche Pflegegeld 604,30 betrug und somit den monatlichen Freibetrag (292,-) um 312,30 überstieg. Die Veranlagung erfolgte diesbezüglich erklärungsgemäß.
Nur wenn die vereinfachte Geltendmachung der VO mittels Pauschbetrag und der in der VO angeführten zusätzlichen Kosten nicht in Anspruch genommen wird (Anwendung § 34 Abs. 6 TS 4), wären sämtliche nachgewiesenen Mehraufwendungen in Zusammenhang mit der Behinderung der Tochter um das Pflegegeld (604,30 x 12 = 7.251,60) zu kürzen.
> Sie werden daher ersucht, die Höhe der gesamten Pflegekosten des Jahres 2012 bekanntzugeben bzw. mitzuteilen, ob eine Bereitschaft Ihrerseits gegeben ist, diese Kosten auch nachzuweisen (Hinweis auf Punkt 1. und 2. des oa. Beschlusses).
> Wurde der streitgegenständliche Zivilprozess bereits beendet und wurden Ihnen Prozesskostenersätze zugesprochen (Hinweis auf Punkt 4. des oa. Beschlusses)?
> Falls der Prozess beendet wurde, übermitteln Sie bitte eine Kopie des Urteils bzw. geschlossenen Vergleichs.
> Falls der Prozess noch nicht beendet wurde, teilen Sie uns bitte den derzeitigen Verfahrensstand mit."
In Entsprechung dieses Ersuchens brachte der Beschwerdeführer folgende Aufstellung bei und wies sämtliche Aufwendungen nach:
Medikamente u. Selbstbehalte | 1.108,21 € |
Pflege- Therapie u. Heilbehelfe | 2.549,85 € |
Physio- Ergotherapie, Massagen | 780,60 € |
Fahrtkosten Krankenhäuser, Therapien | 1.812,63 € |
Zuzahlung Aufenthalts- u. Anreisekosten KH | 169,40 € |
Summe | 6.420,69 € |
Mit Schreiben vom 24.06.2020 teilte die belangte Behörde mit, die Höhe derjenigen Kosten der Pflege, auf die pflegebedingte Geldleistungen jedenfalls anzurechnen wären, sei ident mit jenem Betrag, der bisher als zusätzliche Kosten im Rahmen der VO BGBl. 1996/303 geltend gemacht worden sei (6.420,69 Euro). Ein Nachweis der Kosten sei erbracht worden (Aufstellung und Belege seien vorgelegt worden).
Wenn nun die steuerliche Berücksichtigung der behinderungsbedingten Kosten im Rahmen von § 34 Abs. 6 TS 4 anstelle der bisher gewählten Variante (§ 5 VO BGBl. 1996/303) gewählt werde, seien sämtliche Kosten um das Pflegegeld zu kürzen (monatlich 604,30 Euro).
Das Gerichtsverfahren sei noch nicht beendet und es seien noch keine Prozesskostenersätze zugesprochen worden.
Mit Telefax vom 20.07.2020 teilte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass die dem Finanzamt nachgewiesenen Kosten sämtliche behinderungsbedingt angefallenen Kosten umfassen würden. Außerdem werde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist Vater einer 1986 geborenen Tochter. Im März 1999 wurde bei der Tochter ein mechanischer Klappenersatz der Aortenklappe und ein prothetischer Ersatz der Aorta ascendens durchgeführt. Aufgrund rezidivierender Fieberschübe wurde sie mit Verdacht einer Infektion an der implantierten Aortenklappe stationär aufgenommen. Es kam in weiterer Folge zu einer septischen Entgleisung der Gerinnung und zu einer Hirnmasseblutung. Die Tochter des Beschwerdeführers weist seither eine 100%ige Behinderung auf.
Die Tochter brachte, vertreten durch den Beschwerdeführer, der auch die Funktion des Sachwalters ausübt, Klage gegen die Steiermärkische Krankenanstalten GmbH ein. Im Jahr 2012 hatte der Beschwerdeführer aufgrund dieses Verfahrens Anwaltskosten in Höhe von 16.660,00 Euro zu tragen, die laut Honorarnote "für die Aufarbeitung und Prüfung der medizinrechtlichen Sachlage sowie Beratung nach derzeitigem Gutachtensstand" in Rechnung gestellt worden sind.
Der Beschwerdeführer machte 2012 Mehraufwendungen aus der Pflege und Behandlung der behinderten Tochter in tatsächlicher Höhe von 6.420,69 Euro geltend. Dieser Betrag wurde nachgewiesen und umfasst sämtliche, für die Pflege und Behandlung angefallenen Kosten.
Die Tochter des Beschwerdeführers bezog im Jahr 2012 Pflegegeld in Höhe von 604,30 Euro monatlich und hatte Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe.
Beweiswürdigung
Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die Angaben und Nachweise des Beschwerdeführers.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
§ 34 Abs. 6 Teilstrich 4 EStG 1988 sowie der Schlussteil dieses Absatzes lauten:
"(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
(...)
- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
(...)
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, 72 BlgNR 20. GP 267 f zu § 34 Abs. 6 sowie § 35 EStG 1988 lauten auszugsweise:
"Der Neufassung jener Bestimmungen, die die außergewöhnliche Belastung von Behinderten betreffen, liegen folgende Überlegungen zugrunde:
1. Für alle Personen, die eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz, Pflegezulage oder Blindenzulage) erhalten, soll zur Vermeidung einer Überförderung nicht zusätzlich ein allgemeiner Freibetrag auf Grund ihrer Behinderung berücksichtigt werden, weil ihre pflegebedingten Aufwendungen ohnehin durch den - steuerfreien - Bezug von Pflegegeld und ähnlichen Geldleistungen abgedeckt werden. Werden die tatsächlichen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, so soll durch die entsprechende Aufnahme in § 34 Abs. 6 sichergestellt werden, dass nur der die pflegebedingte Geldleistung übersteigende Mehrbetrag ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen ist.
(...)
3. Bei Kindern, für die eine erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soll weiterhin sichergestellt sein, dass Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen sind. Steht einem solchen Kind eine pflegebedingte Geldleistung zu, so ist nur ein diese Geldleistung übersteigender nachgewiesener Mehrbetrag als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Dieser Mehraufwand kann - wie bisher - auch in pauschalierter Form nach der zu erlassenden Verordnung zu § 34 Abs. 6 in der Fassung dieses Bundesgesetzes (siehe lit. d), allerdings vermindert um eine allfällige pflegebedingte Geldleistung geltend gemacht werden.
4. Auf Grund der Verordnungsermächtigung in § 34 Abs. 6 (letzter Satz) wird eine neue Verordnung hinsichtlich der Berücksichtigung bestimmter Mehraufwendungen ergehen, die hinsichtlich Art der Aufwendung (Kosten einer Krankendiätverpflegung, PKW- bzw. Taxikosten für Körper- und Gehbehinderte, nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel und Pauschbetrag für unterhaltsberechtigte Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird), dem (teilweise pauschalierten) Ausmaß und der Nachweispflicht mit der bestehenden Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 5. Dezember 1988, BGBl. Nr. 675/1988, inhaltlich übereinstimmen wird.
(...)
In der neu zu erlassenden Verordnung über außergewöhnliche Belastungen soll festgehalten werden, daß für Bezieher von Pflegegeld weiterhin ohne Gegenverrechnung
- die Pauschbeträge für Diätverpflegung im Sinne des § 1 der derzeit bestehenden Verordnung,
- der Pauschbetrag für Kfz-Kosten oder Taxikosten bei Gehbehinderung im Sinne des § 3 der bisherigen Verordnung und
- nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgeräte, Blindenhilfsmittel) im Sinne des § 4 der bisherigen Verordnung zustehen.
Für Kinder, für die eine erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sollen Mehraufwendungen - wenn sie nicht in tatsächlicher Höhe nachgewiesen werden - mit einem Pauschbetrag (gegebenenfalls vermindert um eine pflegebedingte Geldleistung) abgegolten werden; daneben sollen zusätzlich noch die Aufwendungen für nicht regelmäßig anfallende Hilfsmittel (§ 4 der derzeitigen Verordnung) berücksichtigt werden. Die Mehraufwendungen nach der Verordnung werden - wie bisher - dann nicht in Anspruch genommen werden können, wenn die gesamten tatsächlichen Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden. Diesfalls sind erhaltene pflegebedingte Geldleistungen gegenzurechnen."
§ 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 91/1998 und § 5 dieser Verordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 416/2001 lauten:
"§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.
(2) Bei Unterbringung in einem Vollinternat vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.
(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."
Der Beschwerdeführer wies im fortgesetzten Verfahren die tatsächliche Höhe der mit der Pflege der Tochter verbunden Kosten mit 6.420,69 Euro nach. Der steuerliche Vertreter bestätigte mit Telefax vom 20.07.2020, dass dieser Betrag sämtliche behinderungsbedingt angefallenen Kosten umfasse.
Dass die Prozesskosten unter § 34 Abs. 6 Teilstrich 4 EStG 1988 zu subsummieren sind, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem oben zitierten Erkenntnis ausgesprochen. Mangels Feststellungen zur tatsächlichen Höhe derjenigen Kosten der Pflege, auf die pflegebedingte Geldleistungen jedenfalls anzurechnen wären, blieb die Frage, ob eine Anrechnung der pflegebedingten Geldleistungen auch im Hinblick auf Prozesskosten zu erfolgen hätte, unbeantwortet.
Wie den oben zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, 72 BlgNr 20. GP 267 f zu § 34 Abs. 6 sowie § 35 EStG 1988 zu entnehmen ist, können für den Fall, dass die gesamten tatsächlichen Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, die Mehraufwendungen nach der Verordnung nicht in Anspruch genommen werden und sind diesfalls die erhaltenen pflegebedingten Geldleistungen gegenzurechnen.
Wenn nun die steuerliche Berücksichtigung der tatsächlichen behinderungsbedingten Kosten im Rahmen von § 34 Abs. 6 Teilstrich 4 EStG 1988 anstelle der bisher gewählten Variante gewählt wurde, sind - wie dies auch das Finanzamt in seiner Stellungnahme vom 24.06.2020 vertrat - sämtliche Kosten um das Pflegegeld zu kürzen.
Die insgesamt angefallenen Kosten in Höhe von 23.082,69 Euro (= 6.420,69 + 16.660,00) sind daher um das Pflegegeld in Höhe von 7.251,60 Euro zu kürzen. Es war daher der Betrag in Höhe von 15.831,09 Euro als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen.
Hinsichtlich der Höhe des Verlustes aus Gewerbebetrieb aus den diversen Beteiligungen übernimmt das Bundesfinanzgericht grundsätzlich den vom Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung angesetzten Betrag, jedoch mit der Maßgabe, dass die nach Vorlage der Beschwerde ergehenden Tangenten betreffend
***1*** | 205/3077 | 0 (bisher -0,12) |
***2*** | 222/1039 | 0 (bisher -65,33) |
***3*** | 229/9944 | 0 (bisher -36,38) |
berücksichtigt werden und daher statt des Verlustes in Höhe von EUR 32.246,08 (laut Beschwerdevorentscheidung) ein Verlust in Höhe von EUR 32.144,25 in Ansatz gebracht wird.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Für den Fall, dass die gesamten tatsächlichen Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, ergibt sich unmittelbar aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, dass diesfalls die Mehraufwendungen nicht nach der Verordnung in Anspruch genommen werden können und die erhaltenen pflegebedingten Geldleistungen gegenzurechnen sind. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Beilage: 1 Berechnungsblatt (Einkommensteuer 2012)
Wien, am 18. August 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | VwGH 30.03.2016, 2013/13/0063 |