Keine Familienbeihilfe für Polizeischüler in Grundausbildung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101180.2020
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache Bf., N , über die Beschwerde vom 23.11.2019 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt vom 23.10.2019, betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe ab September 2019 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am 12.10.2019 die Gewährung von Familienbeihilfe für ihren Sohn Matthias ab September 2019.
Das Feld im Antragsformular, ab wann sie die Familienbeihilfe beantrage, war zwar nicht ausgefüllt, weshalb grundsätzlich von einer Antragstellung ab Oktober ausgegangen werden könnte, aus dem weiteren Hinweis des Antragsgrundes, nämlich "Schule" und dem beigefügten Sondervertrag gem. § 36 VBG , abgeschlossen zwischen dem Sohn und der Landespolizeidirektion Wien über die exekutivdienstliche Ausbildung beginnend mit 1.9.2019 geht jedoch hervor, dass die Bf. die rückwirkenden Gewährung ab September 2019 beantragte.
Die wurde offensichtlich auch von der belangten Behörde so gesehen, da der Antrag mit Bescheid vom 23.10.2019 ab September 2019 abgewiesen wurde.
Zur Begründung wurde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.12.2018, 2018/16/0203 verwiesen, wonach für öffentlich Bedienstete, die sich im Rahmen ihres Dienstverhältnisses in einer Grundausbildung befinden, keine Familienbeihilfe zustehe.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde vom 23.11.2019, in der die Bf.
darauf vewies, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde als Begründung für die Abweisung ihres Antrages herangezogenen Erkenntnis vom 18.12.2018, 2018/16/0203 sehr deutlich den Unterschied der im Bereich des Bundesministeriums für Inneres vorhandenen exekutivdienstlichen Ausbildungen aufgearbeitet habe und zitiert wörtlich aus dem Erkenntnis:
Zur Verdeutlichung werden die Unterschiede der Ausbiidungslaufbahn der 'Grenzpolizisten'jenen der 'Polizisten' (Exekutivdienst) überblicksmäßig gegenübergestellt
Fremden- u. grenzpolizeilicher Exekutivdienst (Erlass des BMI-SI1400/1082-SIAK-ZGA/2015 vom 09.12.2015) | Grundausbildung für den Exekutivdienst (Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst - Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI,BGBl. II Nr. 153/2017 ) |
Basisausbildung: 6 Monate (Lehrplan, Stundentafel - Unterrichtseinheiten 880, mündliche Prüfung, Zeugnis), Entgelt: 50,29% des Referenzbetrages (§ 3 Abs. 4 GG) | Basisausbildung: 12 Monate (Lehrplan, Stundentafel) Entgelt: 50,29% des Referenzbetrages (§ 3 Abs. 4 GG) während der gesamten Ausbildung |
Kursunterbrechung - Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich sowie Unterstützung im sicherheitspolizeilichen Bereich Entgelt: SONDERBESTIMMUNGEN - Normalentgelt Exekutivdienstliche Zulagen und Nebengebühren | Berufspraktikum I - 3 Monate Kennenlernen des Dienstbetriebes ... Die Polizeibediensteten werden dabei, ..., von Exekutivbediensteten geschult und betreut |
Ergänzungsausbildung - 9 Monate Lehrplan, Stundentafel 1166 Unterrichtseinheiten, Prüfungen, Zeugnis | Vertiefung - 5 Monate (Lehrplan, Stundentafel) |
| Berufspraktikum II - 4 Monate Einführung in den Dienstbetrieb |
| Mündliche Gesamtprüfung; Dienstprüfung |
Unterrichtseinheiten gesamt: 2046 | Unterrichtseinheiten: gesamt 2612 |
Weiters führt sie aus, der
Verwaltungsgerichtshof hat ferner festgehalten, dass es
unstrittig ist, dass die Basisausbildung der Grundausbildung für die exekutivdienstliche
Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich (Dauer 6 Monate) und die
Ergänzungsausbildung zur Grundausbildung für den Exekutivdienst (9 Monate) als
Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes anzusehen sind.
Das Finanzamt habe unzutreffend und rechtswidrig eine Ausbildungsphase der fremden- und grenzpolizeilichen exekutivdienstlichen Ausbildung, die keinen Anspruch auf Familienbeihilfe begründet (weil das FLAG 1967 den Begriff der Ausbildungsphase nicht kennt) bei der 24-monatigen durchgehenden Ausbildung des Sohnes angenommen.
Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse
vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische
Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, habe der Verwaltungsgerichtshof etwa
im Erkenntnis vom 22. Dezember 2011, 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch
aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ergebe, falle unter eine Berufsausbildung auch ein "duales
System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (VwGH 14.12.2015, Ro
2015/16/0005; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre VwGH 26.5.2011,
Die 24-monatige- nicht durch Ausbildungsphasen unterbrochene - durchgehende
Grundausbildung für den Exekutivdienst, welche der Sohn absolviere, sei daher als
Berufsausbildung anzusehen und begründe den Anspruch auf Familienbeihilfe gem. § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967.
Nachdem die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.1.2020 als unbegründet abgewiesen worden war, stellte die Bf. am 19.2.2020 einen mit der Beschwerde wortidenten Vorlageantrag.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der Entscheidung wird der unstrittige Sachverhalt, wie er sich aus dem Verwaltungsgeschehen ergibt, zu Grunde gelegt.
Demnach hat der Sohn der Bf. ab September 2019 auf Grund eines von ihm mit der Landespolizeidirektion Wien abgeschlossenen Sondervertrages gem. § 36 VBG 1946 die exekutivdienstliche Grundausbildung begonnen.
Strittig ist, ob der Bf. für die Zeit, in der sich der Sohn in dieser Grundausbildung befindet, Familienbeihilfe zusteht.
Rechtlich ist folgendes auszuführen:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz FLAG Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (VwGH 1.3.2007, 2006/15/0178, 20.2.2008, 2016/15/0076, 18.11.2008, 2007/15/0050). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (VwGH 8.7.2009, 2009/15/0089). Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom 22. Dezember 2011, 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (VwGH 14.12.2015, Ro 2015/16/0005; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre VwGH 26.5.2011, 2011/16/0077).
Wenn die Bf. vermeint, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 18.12.2018, 2018/16/0203 lediglich über die beihilfenrechtliche Relevanz der Grundausbildung im fremden-und grenzpolizeilichen Dienst abgesprochen bzw. die Grundausbildung sowie die Ergänzungsausbildung in diesem Bereich als Berufsausbildung anerkannt so ist ihr folgendes entgegenzuhalten:
Zum Einen unterliegt die Bf. einem Irrtum, wenn sie zur Stützung ihres Standpunktes Passagen aus dem zitierten Erkenntnis als Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes interpretiert, die in Wahrheit die Wiedergabe der dem Erkenntnis zu Grunde liegenden Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom 12.9.2018, RV/4100058/2018 im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung durch den Verwaltungsgerichtshof darstellt.
Dabei handelt es sich im Konkreten um die von der Bf. dem Verwaltungsgerichtshof zugeschriebene "Aufarbeitung" der Unterschiede zwischen der Grundausbildung im fremden-und grenzpolizeilichen Exekutivdienst einerseits und der exekutivdienstlichen Grundausbildung andererseits, sowie um die Auffassung der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt:
Unstrittig ist, dass die Basisausbildung der Grundausbildung für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich (Dauer 6 Monate) und die Ergänzungsausbildung zur Grundausbildung für den Exekutivdienst (9 Monate) als Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes anzusehen sind.
(Von der damals belangten Behörde wurden diese Zeiten als Berufsausbildung anerkannt, nicht jedoch die Zeit, in der das Kind Dienst als Grenzpolizist versah, die somit streitgegenständlich war).
Der Verwaltungsgerichtshofes begründete die Revisionszulassung wie folgt:
Die Revision erweist sich insofern als zulässig, als sich der Verwaltungsgerichtshof zur familienbeihilfenrechtlichen Relevanz der Ausbildungsphase eines öffentlichen Dienstverhältnisses noch nicht geäußert hat, jedoch aus den nachfolgenden Erwägungen als nicht als berechtigt.
Daraus ergibt sich klar, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Verfahren NICHT zwischen der Grundausbildung im fremden-und grenzpolizeilichen Dienst einerseits und im exekutivpolizeilichen Dienst andererseits unterschied, sondern die jeweilige Grundausbildung als im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses erbracht, erachtete.
Dies ergibt sich auch aus der Formulierung:
Absolviert der öffentlich Bedienstete (hier: in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund nach § 1 Abs. 1 VBG) seine Grundausbildung oder Ausbildungsphase erfolgreich, hat dies nicht eine Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis zur Folge. Dem öffentlich Bediensteten soll die für seine erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis vermittelt werden (vgl. die zit. ErläutRV zu § 66 VBG), worin bereits die Ausübung eines Berufs liegt.
Der Umstand, dass der öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, nimmt dem Dienstverhältnis auch nicht zum Teil die Qualität eines Berufs.
Mit einer Berufsausübung sind die Tatbestandsvoraussetzungen in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht erfüllt. Schon deshalb ermangelte es (auch) während des revisionsgegenständlichen Zeitraumes eines Anspruchs auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.
Durch diesen Satz bringt der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, dass jedenfalls im beschwerdegegenständlichen Zeitraum, das war jener der Dienstverrichtung, kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestand und darüberhinaus auch nicht für Zeiten der Grundausbildung und Zusatzausbildung, weil jedenfalls mit Abschluss des Dienstvertrages (siehe oben) ein Dienstverhältnis begründet wurde und daher eine den Beihilfenbezug ausschließende Berufsausübung vorlag.
Das Bundesfinanzgericht gelangte daher zu der Auffassung, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 18.12.2018, Ra 2017/16/0203 bereits abschließend die Rechtsfrage entschied, dass öffentlich Bedienstete, und als solch zählen auch Personen, die auf Grund eines Sondervertrages nach § 36 VBG in die fremden-und grenzpolizeilichen Ausbildung bzw in die exekutivdienstliche Ausbildung aufgenommen werden, eine Beruf ausüben, im Rahmen dessen eine Ausbildung zu absolvieren ist, und daher mangels Berufsausbildung kein Anspruch auf Familienbeihilfe gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht (siehe dazu auch die bereits umfangreiche Judikatur des Bundesfinanzgerichtes, z.B. jüngst BFG vom 6.1.2020, RV/7105981/2019, vom 17.1.2020, RV/3100894/2019, vom 3.3.2020, RV/7100641/2020)
Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässsigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfrage, ob eine im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses absolvierte Grundausbildung Berufsausbildung oder Berufsausübung darstellt wurde im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.12.2018, Ra 2018/16/0203 abschließend geklärt, sodass die Revision auszuschließen war.
Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz
Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem 1. Mai 2020 zugestellt wurde - mit 1. Mai 2020 zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).
Wien, am 25. März 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte: | Polizeischüler, Grundausbildung |
