VwGH 2009/15/0089

VwGH2009/15/00898.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der R in S, vertreten durch Dr. Walter Kristen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1130 Wien, Lainzer Straße 35, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 10. März 2009, Zl. RV/0133-S/09, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 1. Oktober 2007 bis 31. Oktober 2008, zu Recht erkannt:

Normen

FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
FamLAG 1967 §26;
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
FamLAG 1967 §26;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin die für ihre am 4. Juli 1988 geborene Tochter gewährte Familienbeihilfe samt den Kinderabsetzbeträgen zurückgefordert. Die Tochter der Beschwerdeführerin habe seit Oktober 2007 an der Fachhochschule Salzburg den Lehrgang "Akademischer Wellnessmanager" besucht. Das Finanzamt habe die Rückforderung dieser Leistungen damit begründet, dass der von der Tochter besuchte Lehrgang nur berufsbegleitend organisiert sei und die zeitliche Intensität fehle (nur 400 bzw. 320 Stunden Unterricht pro Schuljahr - Vollzeitstudium ca. 1500 Stunden). Es liege keine Berufsausbildung vor.

In der Berufung habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, die Berufsausbildung der Tochter habe am 22. Oktober 2007 begonnen und ende am 19. Juni 2009. Die Tochter habe nach der Matura diese vier Semester (nicht ganz zwei Jahre dauernde) Ausbildung gewählt. Die Ausbildung pro Semester erfolge sehr komprimiert. Für das erste Studienjahr ergebe sich eine Anzahl von acht Wochenstunden, womit die im Info-Blatt des BMF "Beih 49a" für die Familienbeihilfe angeführte Voraussetzung erfüllt sei. Es handle sich um einen laut Fachhochschulstudiengesetz vom Fachhochschulrat genehmigten Fachhochschul-Lehrgang. Alle Teilnehmer seien registrierte Studierende an der Fachhochschule.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten aus, eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) liege dann vor, wenn folgende Voraussetzungen gegeben seien:

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, § 26 FLAG bedeute nicht, dass auch nach Jahren rechtskräftige Entscheidungen rückgängig gemacht werden könnten. Es dürften in Analogie zur Wiederaufnahme nur dann rechtskräftige Bescheide aufgehoben werden, wenn neue Tatsachen und Beweismittel zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen könnten. Im vorliegenden Fall seien keine Wiederaufnahmsgründe gegeben und seien somit schon aus formellen Gründen die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheides nicht gegeben. Darüber hinaus verstoße die Rückforderung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das nach dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der antragstellenden Person zuständige Finanzamt zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen (§ 13 FLAG). Im Beschwerdefall wurden offenkundig die zurückgeforderten Leistungen der Beschwerdeführerin ohne vorherige Erlassung eines Bescheides ausbezahlt.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist gleichfalls § 26 FLAG anzuwenden (§ 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a EStG 1988).

§ 26 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Geldbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. März 1991, 90/13/0241, und vom 22. April 2009, 2008/15/0323).

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, es lägen keine Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens vor und die Rückforderung verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, gehen vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ins Leere.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 8. Februar 2007, 2006/15/0098).

Die Beschwerde trägt vor, der von der Tochter der Beschwerdeführerin besuchte Fachhochschullehrgang zur "Akademischen Wellnessmanagerin" sei als Ausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen.

Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" (außerhalb der Sonderbestimmungen dieses Tatbestandes betreffend Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen) enthält das Gesetz nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinne ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. November 2008, 2007/15/0050). Bei kursmäßigen Veranstaltungen kommt es darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet (vgl. das zur Studienberechtigung ergangene Erkenntnis vom 1. März 2007, 2006/15/0178). Die oben angeführten, von der Judikatur geforderten Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG können aber auch dann vorliegen, wenn ein Kind die Externistenreifeprüfung ablegen will und sich tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereitet. Das wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Reifeprüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den von der Externistenreifeprüfungskommission festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. November 2008, 2007/15/0050).

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass ihre Tochter nach der Matura im Rahmen eines lehrgangsmäßigen Kurses für einen speziellen Beruf ausgebildet wird.

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass der Lehrgang im ersten und zweiten Semester in Form einer Blockveranstaltung in der Dauer von je fünf Wochen und im dritten und vierten Semester in einer Blockveranstaltung von jeweils vier Wochen abgehalten wurde. Weitere Feststellungen über die Art der Ausbildung und deren Rahmen und über allenfalls abzulegende Prüfungen hat die belangte Behörde nicht getroffen. Sie hat die Frage, ob dieser Lehrgang eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG ist, bereits deshalb verneint, weil der Lehrgang nur berufsbegleitend organisiert sei und eine zeitliche Intensität von mindestens 20 Wochenstunden pro Jahr fehle.

Ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist, und ob sie in Form von Blockveranstaltungen oder in laufenden Vorträgen organisiert ist, ist aber vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund nicht entscheidend. Wesentlich ist vielmehr, dass durch den lehrgangsmaßigen Kurs die tatsächliche Ausbildung für einen Beruf erfolgt. Feststellungen über Art, Inhalt und Umfang des Lehrganges sind hiezu ebenso unerlässlich wie solche zum Umstand, ob und gegebenenfalls welche Prüfungen/Hausaufgaben abzulegen sind und auf welche Art und Weise die Vorbereitung hiefür zu gestalten ist. Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen über die geblockte Abhaltung des Ausbildungskurses und dessen Dauer im Ausmaß von zwei Wochenstunden pro Jahr reichen zur Beurteilung, ob eine den Anspruch auf die strittigen Leistungen je Kalendermonat begründende Berufsausbildung im Sinne des FLAG vorliegt, schon deswegen nicht aus, weil die Umlegung der Dauer eines in geblockter Form abgehaltenen Kurses auf ein Jahr nichts über die Ausbildung an sich und deren Intensität pro Kalendermonat aussagt. Zu prüfen ist jedoch auch, ob die behauptete Ausbildung während der Dauer der Blockveranstaltungen (laut Ausweis des Verwaltungsaktes vom 22. Oktober 2007 bis 28. November 2007 und vom 31. März 2008 bis 6. Mai 2008) und der Vorbereitung für die abzulegenden Prüfungen und der Ausarbeitung von Hausarbeiten im jeweiligen Kalendermonat in quantitativer Hinsicht die volle Arbeitskraft gebunden hat.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist daher ergänzungsbedürftig, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 8. Juli 2009

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