BFG RV/3100894/2019

BFGRV/3100894/201917.1.2020

Keine Familienbeihilfe: Exekutivdienstliche Grundausbildung - Berufsausbildung iSd FLAG 1967

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100894.2019

 

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerde­sache Bf., Adr, über die Beschwerde vom 7. Oktober 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 12. September 2019, SV-Nr. ****2****, betreffend Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Dezember 2018

zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133
Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Mit Eingabe vom 22. Jänner 2019 beantragte der Beschwerdeführer die Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Dezember 2018 im Eigenbezug. Dem Antrag beigeschlossen wurde der Sonderdienstvertrag gemäß § 36 VBG 1948, eine Bestätigung über die Absolvierung des Grundwehrdienstes und die Geburtsurkunde.

Der Antrag wurde mit Bescheid des Finanzamtes vom 12. September 2019 abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt aus, dass der Beschwerdeführer seit Dezember 2018 als öffentlicher Bediensteter die für die erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolviere und deshalb laut Erkenntnis des Ver­wal­tungs­gerichts­hofes vom 18. Dezember 2108, GZ. Ra 2018/16/0203 kein Anspruch auf Fa­milien­bei­hilfe bestehe.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 7. Oktober 2019 das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde und begründete dies damit, dass das Bundesfinanzgericht mit Entscheidung vom 13. Juli 2015 (GZ. RV/5100538/2014) klargestellt habe, dass Poli­zei­schüler/innen in Vollausbildung zum Exekutivdienst (nicht Vertragsbedienstete im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich) unter den entsprechenden Voraussetzungen (bis zum 24. bzw. 25. Lebensjahr) während des 2-jährigen Ausbildungszeitraumes Anspruch auf Familienbeihilfe hätten. Demnach entspreche die durchgehende 2-jährige exekutive Polizeigrundausbildung, im Gegensatz zur unterbrochenen fremden- und grenzpolizeilichen Ausbildung, einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967. Dem erwähnten Erkenntnis des VwGH vom 18. Dezember 2018 sei zu entnehmen, dass es sich bei der Dienstzeit zwischen der Basis- und der Ergänzungsausbildung für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich um keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes handle. Wie bereits angeführt, absolviere er nicht die Basisausbildung zum fremden- und grenzpolizeilichen Exekutivdienst, sondern die Grundausbildung für den Exekutivdienst.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 23. Oktober 2019 als unbegründet ab. Das Erkenntnis des VwGH vom 18. Dezember 2018 betreffe zwar den Zeitraum, in dem der Sohn des Revisionswerbers nach Absolvierung der ersten Ausbildungsphase seinen Dienst als Grenzpolizist ausgeübt habe, jedoch verneine der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen einer Berufsausbildung (im Sinne des FLAG) für die gesamte Grund- und Ausbildungsphase von öffentlich Bediensteten (Rz 16,17). Es sei daher unerheblich, ob eine Grundausbildung, praktische Verwendung oder Ergänzungsausbildung absolviert werde.

Mit Eingabe vom 20. November 2019 (datiert mit 19. November 2019) beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der gegenständlichen Beschwerde an das Bundes­finanz­ge­richt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Der volljährige Beschwerdeführer, geboren am ****1****, steht aufgrund eines Son­der­vertrages nach § 36 VBG 1948 seit dem 1. Dezember 2018 in einem Dienst­ver­häl­tnis zum Bund und hat die exekutivdienstliche Grundausbildung zu ab­sol­vieren. Dies ergibt sich schlüssig und unbestritten aus dem Inhalt des Finanzamtsaktes.

Rechtslage:

Nach § 6 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben auch min­der­jäh­rige Vollwaisen Anspruch auf Fa­milien­bei­hilfe, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist
und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

§ 6 Abs. 2 lit. a) FLAG 1967 normiert, dass volljährige Vollwaisen ua dann Anspruch auf Fa­milien­beihilfe haben, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a) bis c) zu­treffen und wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf aus­ge­bildet wer­den oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden.

Gemäß Abs. 2 lit. f) leg. cit. haben volljährige Vollwaisen bis längstens zur Vollendung des 25. Le­bensjahres Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie in dem Monat, in dem sie das 24. Le­bensjahr vollenden, den Präsenz- oder Aus­bil­dungs­dienst oder Zivil­dienst leisten oder da­vor geleistet haben, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Aus­bil­dungs­dienstes oder Zivil­dienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fach­schu­le fort­gebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben ua Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Rechtliche Erwägungen:

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Beschwerdeführer durch die im Rahmen seines Dienstverhältnisses zu absolvierende exekutivdienstliche Grundausbildung in Be­rufs­aus­bildung iSd FLAG 1967 steht und damit eine der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe vorliegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätig­keiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (VwGH 1.3.2007, 2006/15/0178, VwGH 20.2.2008, 2006/15/0076, VwGH 18.11.2008, 2007/15/0050). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Aus­bildungs­vor­schrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (VwGH 8.7.2009, 2009/15/0089). Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom 22.12.2011, 2009/16/0315, aus­ge­sprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs.. 1 lit b) FLAG 1967 ergibt, fällt unter eine Berufs­aus­bildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehr­beruf (VwGH 14.12.2015, Ro 2015/16/0005; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre: VwGH 26.5.2011, 2011/16/0077).

Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag (vgl. VwGH 18.11.1987, 87/13/0135). Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Absolvierung eines Unterrichtspraktikums auch ausgesprochen, dass dieses als typischer Fall einer Einschulung am Arbeitsplatz keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellt (VwGH 27.8.2008, 2006/15/0080).

Im gegenständlichen Fall stand der Beschwerdeführer jedoch beginnend mit 1. De­zem­ber 2018 in einem Dienstverhältnis zum Bund, in dessen Rahmen er eine arbeits­platz­spezifische Ausbildungsphase zu durchlaufen hat. Es kann also keine Rede davon sein, dass er eine Ausbildung ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeits­platz absolviert hat, sondern waren Bildungsschritte zu unternehmen, in deren Rahmen die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen erfolgt, die erforderlich sind, um (bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz) den Anforderungen des jeweiligen Auf­gaben­bereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen (vgl. § 2 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildung für den Exekutivdienst im Bun­des­mini­sterium für Inneres, BGBl II 153/2017 idgF).

In konsequenter Fortsetzung seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof nunmehr (vgl. VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203) auch ausgesprochen, dass die erfolgreiche Absolvierung einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase durch öffentlich Bedienstete keine Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienst­ver­hält­nis zur Folge hat und dem öffentlich Bediensteten (lediglich) die für seine erfolgreiche Ver­wen­dung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis vermittelt werden soll (vgl. die zit. ErläutRV zu § 66 VBG), worin bereits die Ausübung eines Berufs liegt. Der Umstand, dass der öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben er­forder­lichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, nimmt dem Dienstverhältnis auch nicht zum Teil die Qualität eines Berufs.

Damit ist aber zweifelsfrei geklärt, dass auch der Beschwerdeführer durch die Absolvierung der exekutivdienstlichen Grundausbildung in der Zeit ab 1. Dezember 2018 nicht (mehr oder wieder) in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 steht bzw. gestanden ist, sondern bereits einen Beruf ausübt.

Daran ändert auch nichts, dass das letztgenannte Erkenntnis zu einer "fremden- und grenzpolizeilichen Ausbildung" ergangen ist. Nicht zutreffend ist jedenfalls, dass sich der Verwaltungsgerichtshof "lediglich" auf eine Unterbrechung dieser Ausbildung bezogen hätte. Vielmehr ergibt sich aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes klar, dass diese sich auf die Zeit der Grundausbildung und sonstige Ausbildungsphasen beziehen.

Es kann auch keine Rede davon sein, dass der Verwaltungsgerichtshof für die Zeit der Grund- und der Ergänzungsausbildung Familienbeihilfe gewährt hätte. Vielmehr waren diese Zeiten überhaupt nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Mangels Vorliegens eines Anspruchsgrundes hatte der Beschwerdeführer somit ab De­zem­ber 2018 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht hat im vorliegenden Fall in Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, weshalb durch das Bundesfinanzgericht keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war. Die Revision war als unzulässig zu erklären.

 

 

Innsbruck, am 17. Jänner 2020

 

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