BFG RV/7200119/2009

BFGRV/7200119/20099.2.2018

Heranziehung als Haftender für hinterzogene Tabaksteuer

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2018:RV.7200119.2009

 

Beachte:
Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2018/16/0057. Zurückweisung mit Beschluss vom 15.5.2018.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch NN., über die Beschwerde vom 2. März 2009 gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Wien vom 18. Februar 2009, Zl. zzz, betreffend Haftung gemäß § 11 BAO zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid gemäß § 224 Abs. 1 BAO vom 18. Februar 2009, Zl. zzz, nahm das Zollamt Wien den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn Bf., im Grunde des § 11 BAO als Haftungspflichtigen für den durch XXX hinterzogenen Abgabenbetrag, nämlich € 7.353.000,00 an Tabaksteuer, in Anspruch und forderte ihn auf, diesen Betrag innerhalb eines Monats nach Bescheidzustellung zu entrichten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die (nunmehr als Beschwerde zu wertende) Berufung vom 2. März 2009.

Das Zollamt Wien wies diese Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 3. April 2009, Zl. xxx, als unbegründet ab.

Der Bf. stellte daraufhin mit Schriftsatz vom 21. April 2009 den Vorlageantrag.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte, wenn sie nicht selbst abgabepflichtig sind, für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Die Haftung nach § 11 BAO setzt eine Entscheidung im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren voraus, mit der der Verurteilte eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig schuldig gesprochen wurde. Der Täter oder andere an der Tat Beteiligte muss somit schon vor seiner Heranziehung zur Haftung nach § 11 BAO wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig verurteilt worden sein (VwGH 28.4.2009, 2006/13/0197). Die Haftung besteht bei allen vorsätzlichen Finanzvergehen, derentwegen eine rechtskräftige Bestrafung erfolgte, und zwar unabhängig davon, ob die Entscheidung im finanzbehördlichen Finanzstrafverfahren oder im gerichtlichen Strafverfahren ergangen ist (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, I, 142, VwGH 27.1.1999, 98/16/0411).

Die Haftung nach § 11 BAO trägt den Charakter einer Schadenersatzhaftung. (vgl. z.B. Ritz, BAO4, § 11 Tz 1, mit Hinweis auf Kopecky, Die Haftung im österreichischem Steuerrecht, Wien 1971, 62, der auch auf die Haftung nach § 11 BAO als "Besicherungsinstitut" hinweist). Es handelt sich um eine unbeschränkte Primärhaftung (vgl. z.B. Stoll, BAO-Kommentar, 144).

Der Bf. wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes H. vom ttmmjj, ZZZ, u.a. für schuldig erkannt, er habe von Mai 2004 bis Oktober 2004 gewerbsmäßig unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt, indem er im Rahmen der im Urteil unter Punkt a) genannten Tathandlungen in 30 Angriffen 86.000.000 Stück Zigaretten der Marke Memphis Classic nach vorschriftswidriger Einfuhr in das Zollgebiet der EU in das österreichische Steuergebiet verbrachte, ohne eine entsprechende Erklärung nach dem Tabaksteuergesetz abzugeben. Er habe dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung unter dem erschwerenden Umstand der Gewerbsmäßigkeit nach den §§ 11 dritter Fall, 33 Abs. 1 und 38 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen.

Der Bf. stellt in seiner Beschwerde vom 2. März 2009 die Verkürzung der Tabaksteuer und die im eben genannten Strafurteil enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen samt Beweiswürdigung für das vorliegende Abgabenverfahren ausdrücklich außer Streit.

Er stützt sein Beschwerdevorbringen vor allem auf den Einwand, die in Rede stehende Abgabenforderung sei im Konkursverfahren nicht angemeldet worden. Außerdem sei er völlig vermögenslos und beziehe ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von bloß etwa € 1.100,00.

Zum Konkursverfahren führt der Bf. im Wesentlichen aus (auszugsweise Wiedergabe):

„Mit Beschluss des Landesgerichtes H. vom TTMMJJ, GZ xXx wurde über mein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet und Dr. nn als Masseverwalter bestellt.

Festgehalten sei, dass es sich bei der vorliegenden Abgabenforderung um eine Konkursforderung handelt, welche von der Zollbehörde im Konkursverfahren nicht angemeldet wurde. Für die Abgrenzung zwischen Konkurs- und Masseforderung ist maßgeblich, wann die konkreten rechtswidrigen Handlungen sowie Verstöße gesetzt wurden (siehe Konecny/Schubert – Kommentar, § 46 Rz 192). Wie dem erstinstanzlichen Bescheid sowie dem genannten Strafurteil entnommen werden kann, wurden meinerseits die rechtswidrigen Handlungen sowie Verstöße im Zeitraum 2003 bis Oktober 2004, sohin vor Konkurseröffnung, begangen. Bei der vorliegenden Zollforderung handelt es sich somit eindeutig um eine Konkursforderung.

Fest steht, dass die vorliegende Konkursforderung im Konkursverfahren nicht angemeldet wurde.

Dies hat zur Konsequenz, dass die Bestimmung des § 197 IO zur Anwendung gelangt. Demnach haben Konkursgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, nur insoweit Anspruch auf die Zahlungsplanquote, als diese der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht. Ob die zu zahlende Quote der nachträglich vorgekommenen Forderungen der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht, hat das Konkursgericht auf Antrag beschlussmäßig zu entscheiden. Eine Exekution kann nur soweit stattfinden, als seitens des Konkursgerichtes ein Beschluss im genannten Sinne ergangen ist.

…“

Dem ist zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts-hofes die Behörde im Rahmen der (bei jeder Haftungsinanspruchnahme gebotenen) Ermessensübung die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigen kann (vgl. VwGH 16.12.1999, 97/16/0006). Persönliche Umstände wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder eine Vermögenslosigkeit des Haftenden stehen vielmehr in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (vgl. VwGH 25.6.1990, 89/15/0067; VwGH 28.4.2009, 2006/13/0197).

Es bleibt daher auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, entfaltet, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt (beispielsweise VwGH 17.12.1992, 91/16/0132). Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (VwGH 26.5.1993, 90/13/0155; VwGH 9.12.1992, 90/13/0281; u.a.). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (VwGH 7.5.1990, 88/15/0044), wobei die Bindung selbst dann besteht, wenn die maßgebliche Entscheidung rechtswidrig ist (VwGH 30.3.2000, 99/16/0141).

Der angefochtene Bescheid betrifft genau jene Mengen an vorschriftswidrig nach Österreich verbrachten Tabakwaren und die sich daraus ergebende Höhe an hinterzogener Tabaksteuer, die im erwähnten Urteil unter Pkt. c) genannt sind und ist daher auch aus dieser Sicht zu Recht ergangen.

Unter Bedachtnahme auf die Höhe der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten erweist sich die Haftungsinanspruchnahme des Bf. grundsätzlich im öffentlichen Interesse als notwendig und zweckmäßig.

Dabei war auch zu berücksichtigen, dass es sich beim Bf. laut dem o.a. Strafurteil um einen kriminell agierenden Täter handelt, dessen Beitrag es ermöglicht hat, ihm selbst und der gesamten Schmugglerbande, deren Mitglied er war, einen enormen Vermögensvorteil zu verschaffen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

 

 

Wien, am 9. Februar 2018

 

Stichworte