Keine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer bei Einbeziehung der innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung in eine Steuerhinterziehung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.5200053.2012
Beachte:
Revision eingebracht. Amtsrevision, soweit der Bescheid aufgehoben worden ist sowie Parteienrevision insoweit der Beschwerde keine Folge gegeben wurde. Beim VwGH anhängig zu Zl. Ra 2016/16/0059 und Ra 2016/16/0060. Parteienrevision: Mit Erk. v. 25.4.2017, Ra 2016/16/0059, als unbegründet abgewiesen. Amtsrevision: Zurückweisung mit Beschluss vom 25.4.2017.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. über die als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigende Berufung der Bfin , Adr , vertreten durch V. , Adr1 , gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt, vertreten durch Z. , vom 14. Juni 2011, Zahl ******/**** /03/2011, soweit dieser die Einfuhrumsatzsteuer betrifft, nach der am 1. März 2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung,
zu Recht erkannt:
1. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer zu den Zollanmeldungen
vom 03.02.2010, CRN 10AT930300IN8GT636, in Höhe von € 6.022,24,
vom 02.03.2010, CRN 10AT930300IN8N5J33, in Höhe von € 7.868,20,
vom 09.04.2010, CRN 10AT930300IN8XV2R4, in Höhe von € 7.045,48,
vom 19.05.2010, CRN 10AT930300IN97H9B9, in Höhe von € 2.550,35, und
vom 03.11.2010, CRN 10AT920000IVADKXP3, in Höhe von € 6.952,20
aufgehoben wird.
Der Gesamtbetrag an Einfuhrumsatzsteuer beträgt daher anstatt € 292.971,42 neu insgesamt € 262.532,95.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Gesamtgegenüberstellung:
| Einfuhrumsatzsteuer (B00) |
Bisher | € 292.971,42 |
Neu | € 262.532,95 |
Gutschrift | € 30.438,47 |
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist unzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Mit dem als "Mitteilung gem. Art. 221 (1) ZK" bezeichneten Bescheid vom 14. Juni 2011, Zahl ******/****/03/2011, teilte das Zollamt Feldkirch Wolfurt der Beschwerdeführerin in 18 Einfuhrfällen aus dem Zeitraum 3. Februar 2010 bis 18. Februar 2011 die buchmäßige Erfassung von Einfuhrumsatzsteuer in Höhe insgesamt € 292.971,42 mit und setzte gleichzeitig eine Abgabenerhöhung in Höhe von insgesamt € 6.048,61 fest, weil die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 nicht vorliegen würden. Eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht sei nicht erlaubt. Die Steuerschuld sei gemäß Art. 204 Abs. 1 ZK iVm § 2 Abs.1 ZollR-DG entstanden.
Dagegen wurde mit Eingabe vom 17. Juni 2011 der Rechtsbehelf der Berufung (nunmehr Bescheidbeschwerde) erhoben und die ersatzlose Aufhebung oder die Abänderung der Abgaben auf € 0,00 beantragt.
Begründend brachte die Beschwerdeführerin vor, dass das Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden sei und außerdem sämtliche Voraussetzungen für die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Verfahren 4200 vorliegen würden. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Regelung des Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 zu verweisen, wonach eine Lieferung selbst dann als steuerfrei anzusehen sei, wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen würden, die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtige Angaben des Abnehmers beruhe und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen habe können.
Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass den österreichischen Abgabenbehörden eine Kompetenz zur Vorschreibung einer allfälligen Umsatzsteuer fehle. Da die Empfänger Unternehmer in Bulgarien bzw. in Frankreich seien und die Waren in die Slowakei(?) befördert worden seien.
Das Zollamt wies die Berufung betreffend die Einfuhrumsatzsteuer mit Berufungsvorentscheidung vom 31. Jänner 2012, Zahl ******/**** /09/2011, gemeinsam mit vier weiteren Berufungen in ähnlich gelagerten Fällen als unbegründet ab.
In der Begründung führte das Zollamt zu den Berufungspunkten aus, dass die Waren in den freien Verkehr der Union gelangt seien. Da die Überführung in den freien Verkehr in Österreich erfolgt sei, sei auch Österreich gemäß Art. 215 Abs. 1 ZK für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer zuständig.
Unter Hinweis auf die Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates vom 5. Dezember 2011, GZen. ZRV/0032-Z2L/10 und ZRV/0130-Z2L/10, sowie auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in der Rs C-285/09 , "R", EU:C:2010:742, führte das Zollamt weiters aus, dass die Vertrauensschutzbestimmung des Art. 7 Abs. 4 UStG bei der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer nicht anwendbar sei und in den Fällen, in denen ernsthafte Gründe zu der Annahme bestehen, dass der mit der fraglichen Lieferung zusammenhängende innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland trotz gegenseitiger Amtshilfe und Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten der Zahlung der Mehrwertsteuer entgehen könnte, der Ausgangsmitgliedstaat grundsätzlich dem Lieferer der Gegenstände die Befreiung verweigern müsse und ihn zu verpflichten habe, die Steuer nachzuentrichten, um zu vermeiden, dass der fragliche Umsatz jeglicher Besteuerung entgehe. Da in den meisten Fällen die Amtshilfeersuchen ergeben hätten, dass der Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat der Zahlung der Mehrwertsteuer entgangen sei, sei die Vorschreibung zu Recht erfolgt.
Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 2. März 2012 der Rechtsbehelf der Beschwerde (nunmehr Vorlageantrag) erhoben. Auf den konkreten Beschwerdefall bezogen, führte die Beschwerdeführerin aus, dass im Abgabenbescheid auf eine angebliche Auskunft der bulgarischen Behörden verwiesen werde, wonach diese Firma die "IG-Erwerbe erklärt habe, die Firma aber nicht gefunden werden konnte". Daraus ergebe sich, dass der Empfänger A-Eood sogar steuerehrlich war und entsprechend die IG-Erwerbe erklärt habe. Warum in solchen Fällen ein Umsatzsteuer-Karussell zugrunde liegen solle, lasse sich keinesfalls ableiten.
Hinsichtlich des Empfängers M-Sarl sei das Unternehmen als "Missing Trader" bezeichnet worden. Eine Begründung hierfür gebe es nicht. Eine solche einer Überprüfung auf dem Rechtsmittelweg nicht zugänglichen Pauschalverurteilung sei nicht als ausreichende Sachverhaltsfeststellung zu würdigen.
Ohne Bezug zum konkreten Beschwerdefall führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass kein Sorgfaltsverstoß der Beschwerdeführerin und keine Verletzung der Vorschriften der Binnenmarktregelung des Umsatzsteuergesetzes vorliegen würden. Außerdem käme der Gutglaubensschutz nach Art. 7 Abs. 4 UStG zum Tragen. Zu Unrecht habe die Abgabenbehörde der Beschwerdeführerin den Abzug der Einfuhrumsatzsteuer verwehrt bzw. nicht von der Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 71a ZollR-DG Abstand genommen.
Die Festsetzung der Abgabenerhöhung wurde mit Berufungsentscheidung vom 11. Dezember 2012, GZ ZRV/0151-Z2L/12, im Nachhang zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 2012, Zl. 2012/16/0090, aufgehoben.
Die beantragte mündliche Verhandlung wurde am 1. März 2016 durchgeführt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
II. Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin, ein Speditionsunternehmen, beantragte im Zeitraum 3. Februar 2010 bis 18. Februar 2011 bei verschiedenen Zollstellen des Zollamtes Feldkirch Wolfurt in 13 Einfuhrfällen als indirekte Vertreterin der französischen Gesellschaft M-Sarl (UID FR46513811695) und in 5 Einfuhrfällen als indirekte Vertreterin der bulgarischen Gesellschaft A-Eood (UID BG200932177) die Überführung von Parfümeriewaren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 4200). Als Versender/Ausführer wurde im Feld 2 der Zollanmeldungen jeweils die S-AG in X., Schweiz, angegeben.
Die Abwicklung erfolgte dergestalt, dass die S-AG die Waren in deren Lager (offenes Zolllager) an den Frachtführer oder Empfänger übergeben hat. Der Transport bis zur österreichischen Grenze erfolgte im Versandverfahren (T1). Die Kosten für die Zollabwicklung bei der Einfuhrzollstelle wurden von der Beschwerdeführerin vom Frachtführer in bar kassiert. Die Beauftragung zur Anmeldung der Waren erfolgte ebenso über die S-AG. Die Beschwerdeführerin hatte keinen direkten Kontakt mit den Empfängern.
Die Zollanmeldungen wurden jeweils wie angemeldet angenommen und die Waren überlassen. Die Einfuhrumsatzsteuer wurde zunächst nicht festgesetzt.
Im Wege der Amtshilfe teilten die französischen Behörden der belangten Behörde zunächst am 24. Mai 2011 mit, dass die Informationen in deren Anfrage es ihnen ermöglicht habe, ein Unternehmen zu identifizieren, welches beträchtliche innergemeinschaftliche Erwerbe aus Deutschland, Großbritannien und der Schweiz über die Beschwerdeführerin getätigt habe.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 teilten die französischen Behörden unter Bezug auf das oben angeführte Amtshilfeersuchen weiters mit, dass M-Sarl in den Jahren 2009, 2010 und 2011 weder innergemeinschaftliche Erwerbe erklärt, noch Steuererklärungen eingereicht habe. Die Gesellschaft agiere als "Missing Trader".
Ein qualifiziertes Bestätigungsverfahren (Stufe 2) wurde am 29. November 2010 durchgeführt. Sieben der gegenständlichen Zollabfertigungen im Verfahren 4200 erfolgten bereits vor diesem Zeitpunkt. Mit Ausnahme der Zollabfertigungen vom 6. und 27. August 2010 stimmt die Anschrift zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mit der in den Zollanmeldungen erklärten Anschrift nicht überein. Zum Einfuhrfall vom 6. August 2010 wurde kein Beförderungsbeleg vorgelegt.
Zur A-Eood teilten die bulgarischen Behörden mit, dass sie eine Kontrolle an der erklärten Adresse vorgenommen hätten, die Gesellschaft aber dort nicht aufgefunden werden hätte können. Die tatsächliche Realisierung der Lieferungen habe daher nicht geprüft werden können. Im Verkaufsregister und in den Umsatzsteuererklärungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 30. November 2010 habe die Gesellschaft Erwerbe von der S-AG im Wert von BGN 291.901,25 erklärt. In diesem Zeitraum habe die Gesellschaft laut Umsatzsteuererklärungen und Verkaufsregister nur innergemeinschaftliche Erwerbe deklariert.
Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Gesellschaft wurde mit 8. April 2011 für ungültig erklärt.
Die Beförderung der Waren nach Frankreich bzw. Bulgarien erfolgte im Rahmen eines der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellten innergemeinschaftlichen Verbringens zur eigenen Verfügung.
III. Rechtslage:
Im Beschwerdefall ist gemäß § 323 Abs. 38 BAO die am 31. Dezember 2013 beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängige Beschwerde vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG 1994) unterliegt die Einfuhr von Gegenständen der Umsatzsteuer (Einfuhrumsatzsteuer). Eine Einfuhr liegt vor, wenn ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, ausgenommen die Gebiete Jungholz und Mittelberg, gelangt.
Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 lautet:
"(3) Steuerfrei ist die Einfuhr der Gegenstände, die vom Anmelder im Anschluß an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt."
Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, wurde dem Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 mit Wirkung 1. Jänner 2011 folgender Unterabsatz angehängt.
"Weiters ist Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer zum Zeitpunkt der Einfuhr den Zollbehörden die unter lit. a und b genannten Angaben zukommen lässt und den unter lit. c genannten Nachweis erbringt:
a) seine im Inland erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer seines Steuervertreters;
b) die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers im Falle der innergemeinschaftlichen Lieferung nach Art. 7 Abs. 1 oder seine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Falle des der Lieferung gleichgestellten Verbringens nach Art. 7 Abs. 2;
c) den Nachweis, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, vom Inland in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet zu werden."
Art. 7 UStG 1994 lautet auszugsweise:
"Art. 7. (1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) ... oder
c) ...
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.
(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gelten auch
1. das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes (Art. 3 Abs. 1 Z 1 und ...
(3). Die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist.
(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtige Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. In Abholfällen hat der Unternehmer die Identität des Abholenden festzuhalten."
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur - näher definierten - vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.
Die nach Art. 7 Abs. 3 UStG 1994 ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl. Nr. 401/1996 in der Fassung BGBl. Nr. 172/2010 lautet auszugsweise:
"Nachweis der Beförderung oder Versendung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
§ 1. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7 UStG 1994) muß der Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachweisen, daß er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat.
§ 2 ...
§ 3. (1) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:
1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung (§ 11, Art. 11 UStG 1994) und
2. durch einen Versendungsbeleg im Sinne des § 7 Abs. 5 UStG 1994, insbesondere durch Frachtbriefe, Postaufgabebescheinigungen, Konnossemente und dergleichen oder deren Doppelstücke.
(2) ...
§ 4. ...
Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
§ 5. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen muß der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachwiesen. Die Voraussetzungen müssen leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein.
§ 6. ...
§ 7. In den einer Lieferung gleichgestellten Verbringungsfällen (Art. 3 Abs.1 UStG 1994) hat der Unternehmer folgendes aufzuzeichnen:
1. die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des verbrachten Gegenstandes,
2. die Anschrift und die Umsatzsteuer-Identifiktionsnummer des im anderen Mitgliedstaates gelegenen Unternehmensteils,
3. den Tag des Verbringens und
4. die Bemessungsgrundlage nach Art. 4 Abs. 2 UStG 1994
§ 8. ..."
Die Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 (BMR) beruht auf der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABlEU Nr. L 347 vom 11. Dezember 2006 (im Folgenden: MwSt-SystRL).
Im Titel IX "Steuerbefreiungen" der MwSt-SystRL lautet unter Kapitel 1 "Allgemeine Bestimmungen" der Art. 131:
"Artikel 131
Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen."
Im Kapitel 4 "Steuerbefreiungen bei innergemeinschaftlichen Umsätzen" des Titels IX der MwSt-SystRL lautet Art. 138:
"Artikel 138
(1) Die Mitgliedstaaten befreien die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nicht steuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.
(2) Außer den in Absatz 1 genannten Lieferungen befreien die Mitgliedstaaten auch folgende Umsätze von der Steuer:
a) ...
b) ...
c) die Lieferungen von Gegenständen in Form der Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat, die gemäß Absatz 1 und den Buchstaben a und b des vorliegenden Absatzes von der Mehrwertsteuer befreit wäre, wenn sie an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt würde."
Im Kapitel 5 "Steuerbefreiungen bei der Einfuhr" des Titels IX der MwSt-SystRL lautet Art. 143 Buchstabe d):
"Artikel 143
Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
...
d) die Einfuhr von Gegenständen, die von einem Drittgebiet oder einem Drittland aus in einen anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung versandt oder befördert werden, sofern die Lieferung dieser Gegenstände durch den gemäß Art. 201 als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Art. 138 befreit ist;"
Mit Richtlinie 2009/69/EG des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zur Bekämpfung des Steuerbetrugs bei der Einfuhr vom 25. Juni 2009, ABlEU L 175 vom 4.7.2009, wurde dem Artikel 143 MwSt-SystRL folgender Absatz angefügt:
„(2) Die Steuerbefreiung gemäß Absatz 1 Buchstabe d ist in den Fällen, in denen auf die Einfuhr von Gegenständen eine Lieferung von Gegenständen folgt, die gemäß Artikel 138 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe c von der Steuer befreit ist, nur anzuwenden, wenn der Importeur zum Zeitpunkt der Einfuhr den zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats mindestens die folgenden Angaben hat zukommen lassen:
a) seine im Einfuhrmitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer oder die im Einfuhrmitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer seines Steuervertreters, der die Steuer schuldet;
b) die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer des Erwerbers, an den die Gegenstände gemäß Artikel 138 Absatz 1 geliefert werden, oder seine eigene MwSt.-Identifikationsnummer, die in dem Mitgliedstaat erteilt wurde, in dem die Versendung oder Beförderung der Gegenstände endet, wenn die Gegenstände gemäß Artikel 138 Absatz 2 Buchstabe c verbracht werden;
c) den Nachweis, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, aus dem Einfuhrmitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versandt zu werden.
Allerdings können die Mitgliedstaaten festlegen, dass der Nachweis nach Buchstabe c den zuständigen Behörden lediglich auf Ersuchen vorzulegen ist.“
Gemäß Art. 201 MwSt-SystRL wird bei der Einfuhr die Mehrwertsteuer von der Person oder den Personen geschuldet, die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt.
§ 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) lautet:
"§ 2. (1) Das im § 1 genannte Zollrecht der Union, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen (Zollrecht im Sinn des Artikels 1 des Zollkodex), gelten weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten unionsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist."
§ 26 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 bestimmt, dass für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß gelten, soweit im UStG nichts anderes bestimmt ist.
Art. 204 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABIEG Nr. L 302 vom 19. 10. 1992, S.1 (Zollkodex - ZK) lautet:
"(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht, wenn in anderen als den in Artikel 203 genannten Fällen
a) eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, oder
b) eine der Voraussetzungen für die Überführung einer Ware in das betreffende Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit aufgrund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht erfüllt wird,
es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.
(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Pflicht, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht mehr erfüllt wird, oder dem Zeitpunkt, in dem die Ware in das betreffende Zollverfahren übergeführt worden ist, wenn sich nachträglich herausstellt, dass eine der Voraussetzungen für die Überführung dieser Ware in das Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit aufgrund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht wirklich erfüllt war.
(3) Zollschuldner ist die Person, welche die Pflichten zu erfüllen hat, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben, oder welche die Voraussetzungen für die Überführung der Ware in dieses Zollverfahren zu erfüllen hat"
Gemäß § 71a ZollR-DG schuldet in den Fällen einer Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Artikel 6 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1994 eine nach Artikel 204 Abs. 1 ZK entstehende Einfuhrumsatzsteuerschuld auch der Anmelder, wenn dieser nicht bereits nach Artikel 204 Abs. 3 ZK als Schuldner in Betracht kommt.
Gemäß § 5 ZollR-DG hat derjenige, der im Verfahren der Zollbehörden eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nehmen will, dies geltend zu machen und das Vorliegen der hierfür maßgeblichen Voraussetzungen der Zollbehörde nachzuweisen. Wenn der Nachweis nach den Umständen nicht zumutbar ist, genügt die Glaubhaftmachung.
IV. Beweiswürdigung und rechtliche Erwägungen:
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt des Zollamtes und den Angaben der Beschwerdeführerin.
Die Parfümeriewaren sind durch ihre Anmeldung zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr (Verfahrenscode 4200) in das Inland eingeführt worden. Der Tatbestand der Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 3 zweiter Satz UStG 1994 ist daher ohne Zweifel erfüllt. Ob ein Gegenstand der Einfuhr nur zur Durchfuhr bestimmt ist oder später wieder ausgeführt werden soll bzw. ob er in der Folge in Österreich in den Wirtschaftskreislauf gebracht wird, ist ohne Bedeutung (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 1 Tz 442 mwN).
Soweit die Beschwerdeführerin eine Vorsteuerabzugsberechtigung für sich als Speditionsunternehmen beanspruchen möchte, ist darauf zu verweisen, dass Gegenstand des Verfahrens nicht der Vorsteuerabzug, sondern die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 ist. Davon abgesehen ist nach § 72a letzter Satz ZollR-DG die Einfuhrumsatzsteuer jedenfalls zu erheben, wenn eine Ware, die nicht von der Einfuhrumsatzsteuer befreit ist, unversteuert in den freien Verkehr übergeführt worden ist.
Aufgrund des gegebenen Sachverhalts ist davon auszugehen, dass in den gegenständlichen Einfuhrfällen ein der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes innergemeinschaftliches Verbringen zur eigenen Verfügung durch die von der Beschwerdeführerin vertretene französische bzw. bulgarische Warenempfängerin vorliegt.
Die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 findet bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann Anwendung, wenn die Waren im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar innergemeinschaftlich verbracht werden, da gemäß Art. 7 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 auch das einer Lieferung (Art. 7 Abs. 1 UStG 1994) gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes iSd Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 als innergemeinschaftliche Lieferung gilt.
Nach Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 handelt es sich dabei um ein Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.
Ein innergemeinschaftliches Verbringen liegt demnach vor, wenn - wie in den gegenständlichen Einfuhrfällen - der Empfänger der Lieferung die Verfügungsmacht über den Gegenstand bereits im Drittland mit Beginn der Beförderung oder Versendung übertragen bekommen hat, die Waren zur Einfuhr anmeldet und unmittelbar anschließend die Ware zu seiner eigenen Verfügung in einen anderen Mitgliedstaat als den Mitgliedstaat der Einfuhr verbringt (vgl. Mairinger, Einfuhrumsatzsteuerbefreiung bei anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung in AW-Prax 1995, 68).
A) Zollanmeldungen betreffend "M-Sarl"
Aus den im Wege der Amtshilfe übermittelten Informationen der zuständigen französischen Behörden vom 18. Oktober 2011 ergibt sich, dass die Gesellschaft in den Jahren 2009, 2010 und 2011 weder innergemeinschaftliche Erwerbe erklärte, noch Steuererklärungen eingereicht hat. Die Gesellschaft agiere als "Missing Trader".
Zwischen der von der Beschwerdeführerin indirekt vertretenen Verbringerin und Warenempfängerin besteht Personenidentität. Aus diesem Grund und angesichts des langen Zeitraumes, in welchem keine Steuererklärungen betreffend innergemeinschaftlicher Erwerbe abgegeben worden sind, ist objektiv gesehen davon auszugehen, dass die verantwortlich handelnden Personen der M-Sarl die Waren bewusst der Erwerbsbesteuerung in Frankreich entziehen wollten und auch entzogen haben.
Im Beschwerdeverfahren wurden von der Beschwerdeführerin weder Tatsachen aufgezeigt oder Nachweise vorgelegt, die gegen diese Annahme sprechen würden. Auch dem Abgabenakt ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich um einen Missbrauch der unionsrechtlichen Bestimmungen in Form eines Karussellbetruges handelt, denn eine Steuerhinterziehung liegt auch vor, wenn eine Person zwar die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 in Anspruch nimmt, die Waren in der Folge im Bestimmungsmitgliedstaat entgegen ihrer Verpflichtung jedoch nicht zur Erwerbsteuer anmeldet.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 18. Dezember 2014 in der Rs. C-131/13 , EU:C:2014:2455, Schoenimport "Italmoda" Mariano Previti vof, unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird (Rn 42), der Gerichtshof schon wiederholt entschieden habe, dass eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt sei (Rn 43), dass der Gerichtshof daraus in ständiger Rechtsprechung zum Vorsteuerabzugsrecht nach der Sechsten Richtlinie hergeleitet habe, dass die nationalen Behörden und Gerichte dieses Recht zu versagen haben, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass es in betrügerische Weise geltend gemacht wird (Rn 44), sich aus der Rechtsprechung ergebe, dass ein Missbrauch oder Betrug diese Folge auch für das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung hat (Rn 45).
Dies gelte nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dann, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begehe, sondern auch, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem betreffenden Umsatz an einem Umsatz beteilige, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorübergehenen oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangenen Steuerhinterziehung einbezogen war (Rn 50). Schließlich stellte der Gerichtshof auch klar, dass die Rechte ungeachtet der Tatsache versagt werden können, dass die Steuerhinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat als dem begangen worden sind, in dem diese Rechte beansprucht werden (Rn 69).
Wie der EuGH in diesem Urteil weiters ausführte, verbiete es die MwSt-SystRL nicht, in einem solchen Fall einem Steuerpflichtigen dieses Recht auch im Hinblick auf die besondere Funktion, die dem Recht auf Mehrwertsteuererstattung zur Gewährleistung der Neutralität der Mehrwertsteuer zukommt, zu versagen (Rn 48).
Der Empfangsmitgliedstaat wird in diesen Fällen auch nicht zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer zuständig, sondern kann lediglich die entsprechende Beträge an Erwerbsteuer nacherheben und den diesbezüglichen Vorsteuerabzug im Sinne der zitierten Rechtsprechung verwehren.
Aus alledem ergibt sich, dass der M-Sarl die Steuerbefreiung für das der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellte innergemeinschaftliche Verbringen in den gegenständlichen Einfuhrfällen versagt bleiben muss.
Damit liegt die Voraussetzung für eine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, nämlich das Vorliegen einer (steuerbefreiten) anschließenden innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. eines gleichgestellten innergemeinschaftlichen Verbringens, nicht vor.
Mit dem Hinweis auf Rn 42 des EuGH-Urteils Teleos u. a., vom 27. September 2007, Rs C-409/04 , EU:C:2007:548, vermag die Beschwerdeführerin nichts für sich zu gewinnen, da darin entgegen ihrer Ansicht nicht ausgesprochen worden ist, dass der Nachweis, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist und aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat, die einzige Voraussetzung für die Gewährung der Steuerfreiheit ist. Der Gerichtshof hat darin in ständiger Rechtsprechung vielmehr ausgesprochen, dass die zuständigen Behörden dies Liefermitgliedstaats nicht befugt sind, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diesen Gegenstand zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, um sicher zu stellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu einer Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (Rn 68). Der EuGH hat darin den Schutz des an einer Steuerhinterziehung nicht beteiligten gutgläubigen Lieferanten behandelt. Die Beschwerdeführerin war jedoch nicht Lieferantin und die Gutgläubigkeit der M-Sarl ist im Beschwerdefall zweifelslos nicht gegeben (vgl. VwGH 28.03.2014, 2012/16/0009).
Die Beschwerdeführerin als Anmelderin wird neben der von ihr vertretenen Warenempfängerin zur Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. b) ZK iVm § 2 Abs. 1 und § 71a ZollR-DG (vgl. VwGH 28.03.2014, 2012/16/0009). Auf deren guten Glauben kommt es nach dem Wortlaut des § 71a ZollR-DG nicht an.
Die vom Vertreter der Beschwerdeführerin weiters vertretene Rechtsansicht, dass in einem Fall der Gewährung der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, eine sich ex-post herausstellende Hinterziehung der Erwerbsteuer im Empfangsmitgliedstaat die Zollbehörde des Einfuhrmitgliedstaates nicht mehr berechtige die Einfuhrumsatzsteuer nachzuerheben, kann nicht gefolgt werden.
Nach Art. 78 ZK können die Zollbehörden nach der Überlassung der Waren von Amts wegen oder auf Antrag des Anmelders eine Überprüfung der Anmeldung vornehmen. Ergibt die nachträgliche Prüfung der Anmeldung, dass bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen und unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden ist, sind nach dessen Abs. 3 unter Beachtung der gegebenenfalls erlassenen Vorschriften die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten neuen Umstände zu regeln. Dies kann zu einer Erstattung, Nacherhebung oder einem gänzlichen oder teilweisen Erlass der Eingangsabgaben führen.
Folgerichtig war die zunächst unerhoben gebliebene Einfuhrumsatzsteuer nachträglich vorzuschreiben. Die ursprüngliche Annahme der Zollanmeldung wie angemeldet und Überlassung der Ware steht einer solchen Maßnahme nicht entgegen.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015, Rs. C-427/14 , EU:C:2015:803, "Veloserviss" für Recht erkannt, dass Art. 78 Abs. 3 ZK einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Möglichkeit der Zollbehörden einschränkt, eine erneute Prüfung vorzunehmen und daraus die Konsequenzen zu ziehen, indem eine neue Zollschuld festgesetzt wird (Rn 46). Eine Überprüfung der Zollanmeldungen kann daher sogar dann noch durchgeführt werden und eine entsprechende Nachforderung von Eingangsabgaben zur Folge haben, wenn bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Überprüfung stattgefunden hat. Es sind den Zollbehörden somit keine inhaltlichen, sondern nur zeitliche Grenzen gesetzt.
Die Beschwerdeführerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 berufen, weil es bei der innergemeinschaftlichen Verbringung an einem vom Lieferer verschiedenen Abnehmer mangelt, welcher unrichtige Angaben geliefert hätte (vgl. VwGH 28.3.2014, 2012/16/0009). Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich nicht um einen liefernden Unternehmer, welcher nach dem Wortlaut dieser Bestimmung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen geschützt wird.
Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Eingangsabgabe, für deren Erhebung grundsätzlich die Zollbehörden zuständig sind. Die Detailregelungen des materiellen und formellen Rechts erfolgen daher weitgehend nicht im Umsatzsteuergesetz, es sind vielmehr sinngemäß die Vorschriften für Zölle anzuwenden (§ 26 Abs. 1 UStG 1994). Dies gilt vor allem für die Frage der Entstehung und des Umfanges der Steuerschuld. Im Umsatzsteuergesetz sind hingegen die Bemessungsgrundlage (§ 5), die Befreiungen (§ 6 Abs. 4), der Steuersatz (§ 10) und der Vorsteuerabzug bei der Einfuhr (§ 12) geregelt (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 1 Tz 1; BFH 23.9.2009, VII R 44/08).
Der Vertreter der Beschwerdeführerin sieht nach seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung gegenständlich einen Anwendungsfall des EuGH-Urteils vom 21. Dezember 2011 in der Rs. C-499/10 , EU:C:2011:871 (Vlaamse Oliemaatschappij NV).
Dieses Urteil ist zu Art. 21 Abs. 4 der Sechsten MwSt-RL (nunmehr Art. 205 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. 11. 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - MwSt-SystRL) ergangen. Maßgeblich ist im vorliegendem Beschwerdefall jedoch Art. 201 der MwSt-SystRL, welcher dem früheren Art. 21 Abs. 4 der Sechsten MwSt-RL entspricht.
Im bereits oben zitierten Urteil des EuGH vom 27. September 2007 in der Rs. C-409/04 , EU:C:2007:548 ( Teleos plc u. a. ) hat der Gerichtshof ausgesprochen, dass der Argumentation (Rn 54), dass es nicht gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze, deren Beachtung der Gerichtshof gewährleiste, verstoße, wenn ein gutgläubig handelnder Einführer zur Zahlung der Zölle verpflichtet werde, die für die Einfuhr einer Ware geschuldet würden, in Bezug auf die der Ausführer eine zollrechtliche Zuwiderhandlung begangen habe, während der Einführer an dieser Zuwiderhandlung nicht beteiligt gewesen sei, auf das Ausgangsverfahren übertragbar sei, nicht gefolgt werden könne (Rn 55).
Bei der Erhebung von Zöllen auf Einfuhren aus Ländern außerhalb der Europäischen Union und bei der Erhebung von Mehrwertsteuer auf eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt es sich nicht um vergleichbare Sachverhalte (Rn 56).
Die auf den innergemeinschaftlichen Handel anwendbare Regelung legt die Zuständigkeitsverteilung für das Steuerwesen im Binnenmarkt fest und gestattet es der Finanzverwaltung, zur Zahlung der Mehrwertsteuer sowohl den Lieferanten als auch den Erwerber heranzuziehen, während im Rahmen der gemeinsamen Zollregelung die Zölle nur beim Einführer erhoben werden dürfen. Folglich kann die in Randnr. 54 des Urteils angeführte Rechtsprechung nicht auf die beim vorlegenden Gericht anhängige Rechtssache übertragen werden.
Im Urteil Faroe Seafood vom 14. Mai 1996 in den Rs C-153/94 und C-204/94 , EU:C:1996:198, führt der EuGH aus, dass die Nacherhebung auch dann nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, wenn die angeforderten Abgaben nicht mehr auf den Erwerber der eingeführten Erzeugnisse abgewälzt werden können. Denn es ist Sache der Wirtschaftsteilnehmer, im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehungen die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um sich gegen derartige Risiken abzusichern (Rn 114).
Es liegt außerdem im Wesen der Aufgaben eines Zollspediteurs, dass er sowohl für die Zahlung der Eingangsabgaben als auch für die Ordnungsmäßigkeit der von ihm bei den Zollbehörden eingereichten Unterlagen einzustehen hat. Dass in diesem Zusammenhang auch ein hoher Betrag bei ihm angefordert werden kann, gehört deshalb zu den von ihm übernommenen Risiken seiner gewerblichen Tätigkeit (Rn 115).
Sind die Anwendungsvoraussetzungen von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 nicht erfüllt, stehen demnach die sich aus dem Eigentumsrecht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen einer Nacherhebung von Eingangsabgaben durch die zuständigen Behörden auch dann nicht entgegen, wenn die Abgaben nicht mehr auf den Erwerber der eingeführten Erzeugnisse abgewälzt werden können und es sich um einen hohen Betrag handelt (Rn 116).
Im Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rs. C-97/95 , EU:C:1997:370 (Pascoal & Filhos Ld.), führte der Gerichtshof unter Bezug auf das Urteil Faroe Seafood aus (Rn 61), dass es nicht gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze verstößt, deren Beachtung der Gerichtshof gewährleistet, wenn ein gutgläubig handelnder Einführer zur Zahlung der Zölle verpflichtet wird, die für die Einfuhr einer Ware geschuldet werden, in Bezug auf die der Ausführer eine zollrechtliche Zuwiderhandlung begangen hat, während der Einführer an dieser Zuwiderhandlung nicht beteiligt war.
Im Urteil vom 14. November 2002 in der Rs. C-251/00 , EU:C:2002:655, Ilumitrónica, Rn 33 führt der Gerichtshof aus, dass selbst die Tatsache, dass ein Anmelder in gutem Glauben, mit Sorgfalt und in Unkenntnis einer Unregelmäßigkeit gehandelt hat, die die Erhebung von Zöllen verhinderte, die er ohne diese Unregelmäßigkeit nicht hätte entrichten müssen, ist auf seine Eigenschaft als Zollschuldner ohne Einfluss, die ausschließlich auf den Rechtswirkungen beruht, die an die Förmlichkeit der Anmeldung geknüpft sind.
Diese zum Zollrecht ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ist auch auf die Einfuhrumsatzsteuer übertragbar.
Im Urteil vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-273/12 , EU:C:2013:466, Harry Winston SARL , hat der Gerichtshof der Europäischen Union unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass die Einfuhrmehrwertsteuer und die Zölle hinsichtlich ihrer Hauptmerkmale insofern vergleichbar sind, als sie durch die Einfuhr in die Union und die sich anschließende Überführung in den Wirtschaftskreislauf der Mitgliedstaaten entstehen und sich diese Parallelität dadurch bestätige, dass Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 der MwSt-SystRL die Mitgliedstaaten ermächtige, den Steuertatbestand und die Entstehung des Steueranspruchs der Einfuhrmehrwertsteuer mit dem Tatbestand und der Entstehung des Anspruchs bei Zöllen zu verknüpfen (Rn 41).
Im Übrigen hat der EuGH im Urteil Vlaamse Oliemaatschappij NV in der Rs 499/10 , EU:C:2011:871, aber auch ausgesprochen (Rn 25), dass es nicht gegen das Unionsrecht verstößt, wenn von der zur Haftung herangezogenen Person gefordert wird, dass sie alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Tätigkeit nicht zur Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Ob diese Person die Sorgfalt eines verständigen Wirtschaftsteilnehmers beachtet hat, dass sie alle ihr zu Gebote stehenden Maßnahmen ergriffen hat, sind Kriterien, die im Rahmen der Feststellung zu berücksichtigen sind, ob diese Person als Gesamtschuldner herangezogen werden kann (Rn 26), was das nationale Gericht zu beurteilen hat (Rn 27).
Die Beschwerdeführerin hat zwar Zollanmeldungen für die M-Sarl bereits ab dem 6. August 2010 abgegeben, ein qualifiziertes Bestätigungsverfahren jedoch erst am 29. November 2010 und somit erst nach der siebenten Lieferung durchgeführt.
Im qualifizierten Bestätigungsverfahren (Stufe 2) wird die Gültigkeit einer von einem anderen Mitgliedstaat vergebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID-Nr.) in Verbindung mit einem bestimmten Namen und einer bestimmten Anschrift in einem anderen Mitgliedstaat geprüft. Trotzdem hat die Beschwerdeführerin unbeachtet gelassen, dass die mit der UID-Nr. verbundene Anschrift (xxxxxxxxxxx) mit Ausnahme der Abfertigungen am 6. und 27. August 2010 nicht mit der von ihr in den Zollanmeldungen angegebenen Anschrift der Warenempfängerin (nnnnnnnn) übereinstimmt.
Außedem sollen die Waren in einigen Fällen von einer Gesellschaft namens E. (E.*******) in Sannois übernommen worden sein. Das genannte Unternehmen beschäftigt sich mit der technischen Kontrolle von Fahrzeugen (Quelle: www.societe.com ). Die Adresse dieses Unternehmens (xxxxxxx) scheint in allen Rechnungen als Lieferadresse unter dem Namen der M-Sarl auf. Ein Hinweis auf die an dieser Adresse ansässigen E. findet sich nicht.
Diese Widersprüchlichkeiten hat die Beschwerdeführerin aber offensichtlich nicht dazu veranlasst, diese aufzuklären bzw. entsprechende Maßnahmen zu setzen, um zu verhindern, dass ihre Tätigkeit zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Die Beschwerdeführerin hat nach ihren Angaben nicht einmal direkten Kontakt mit den verantwortlich handelnden Personen der von ihr vertretenen Gesellschaft gehabt.
Außerdem ergibt sich aus den Fax-Kennungen einiger Frachtpapiere, in welchen das Datum 21. November 2011 und der Absender N. aufscheint, dass die Beförderungspapiere erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens besorgt worden sind. Zu der am 6. August 2010 abgefertigten Sendung fehlt das Beförderungsdokument gänzlich. Die Beschwerdeführerin hat deshalb auch die Verpflichtung aus § 18 Abs. 8 UStG 1994 in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung nicht eingehalten, wonach die zum Buchnachweis zählenden Unterlagen im Inland aufzubewahren sind.
Dergestalt kann nicht davon gesprochen werden, dass die Beschwerdeführerin alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass ihre Tätigkeit nicht zur Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.
Die Beschwerdeführerin vermag auch mit dem Hinweis auf die Urteile des EuGH C-18/13 , EU:C:2014:69 (Maks Pen Eood), C-285/11 , EU:C:2012:774 (Bonik Eood) und das bereits zitierte Urteil C-131/13 , EU:C:2014:2455 (Schoenimport "Italmoda" Mariano Previti vof) in Bezug auf den Begriff "Steuerpflichtiger" nichts für sich zu gewinnen. Der EuGH hat in diesen Urteilen jeweils den Schutz der an einer Steuerhinterziehung nicht beteiligten gutgläubigen Vertragspartner einer Lieferung behandelt. Die Beschwerdeführerin war jedoch weder Lieferantin noch Empfängerin der gegenständlichen Sendungen. Der in diesen Urteilen verwendete Begriff "Steuerpflichtiger" kann daher nicht auf die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Zollanmelderin übertragen werden.
Art. 204 ZK sieht eine Entstehung der Zollschuld bei objektiv vorliegenden Pflichtverstößen vor. Auf subjektive Elemente kommt es nicht an. § 71a ZollR-DG stellt ebenfalls nicht auf das Vorliegen subjektiver Tatbestandselemente ab.
Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. 3. 2014, 2012/16/0009 auch ausgesprochen, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Gutgläubigkeit in einem Verfahrens auf Erlass oder Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 239 ZK in Verbindung mit § 83 ZollR-DG zu prüfen sein mag, welches zum Erlöschen der Zollschuld auch nur gegenüber einem Gesamtschuldner führen kann (vgl. das Urteil EuGH vom 17. Februar 2011 in der Rs C-78/10 , EU:C:2011:93, Marc Berel u.a.). Erstattung bzw. Erlass der Eingangsabgaben ist aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Die Beschwerdeführerin regte im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, beim Gerichtshofder Europäischen Union zur Frage, ob in einem Fall wie dem gegenständlichen, bei dem der Spediteur aufgrund einer nationalen Vorschrift zur indirekten Vertretung gezwungen ist, die Vorschriften für die Überführung in das Verfahren 4200 erfüllt, keine Kenntnis von einer allfälligen Absicht des Empfängers, die Warenlieferung nicht der Erwerbsteuer im Empfangsland zuzuführen hat, also gutgläubig ist und auch nicht berechtigt ist, die dann vom Zollamt vorgeschriebene Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen, die Inanspruchnahme als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig ist, in eventu, ob sich der Spediteur als indirekter Vertreter auf den Gutglaubensschutz nach Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 berufen kann, einzuleiten.
Die Beschwerdeführerin als Speditionsunternehmen war jedoch keineswegs gezwungen, die gegenständlichen Zollanmeldungen in indirekter Vertretung abzugeben, um das Verfahren 4200 in Anspruch nehmen zu können. Mit entsprechender Vollmacht wäre ihr auch das Auftreten als direkte Vertreterin möglich gewesen. Welche Angaben in der Zollanmeldung zur Erlangung der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 zu machen sind - im Fall der direkten Vertretung ist die österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Lieferers/Verbringers der Waren anzugeben - ist von der Frage des zulässigen Vertretungsverhältnisses zu trennen. Die Wahlfreiheit der Beschwerdeführerin in Bezug auf das Vertretungsverhältnis ist entgegen dem Vorbringen gegeben.
Das Bundesfinanzgericht sieht aufgrund der vorliegenden Rechtsprechung keine Veranlassung den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens anzurufen.
Die Vorschreibung der zunächst unerhoben gebliebenen Einfuhrumsatzsteuer an einen der Gesamtschuldner ist jedenfalls dann begründet, wenn die Einhebung beim anderen Gesamtschuldner zumindest mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn die Abgabenforderung bei einem der Gesamtschuldner, zB infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens, uneinbringlich geworden ist, liegt darüber hinaus ein Ermessensspielraum für die Behörde gar nicht mehr vor (vgl. VwGH 26.6.2003, 2002/15/0301).
Die Gesellschaft wurde am 17. Juli 2012 gelöscht. Trotz Bestehens entsprechender Bestimmungen über die Amtshilfe zur Beitreibung von Forderungen ist die Zustellung eines entsprechenden Bescheides und die Einbringung der Abgabenschuld somit unmöglich. Somit erweist sich auch aus verwaltungsökonomischen Gründen und Gründen der Realisierbarkeit die Einhebung bei der Beschwerdeführerin als sachgerecht.
Im Übrigen ergibt sich die ermessenskonforme Heranziehung der Beschwerdeführerin als Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer bereits aus dem Normzweck des § 71a ZollR-DG.
B) Zollanmeldungen betreffend "A-Eood"
Zu diesen Einfuhrfällen teilten die zuständigen bulgarische Behörden in Beantwortung des Amtshilfeersuchen vom 29. März 2011 am 17. Mai 2011 mit, dass die Gesellschaft an der angegebenen Adresse nicht aufgefunden werden konnte, wodurch Realisierung der Lieferungen nicht geprüft werden habe können. Im Kaufregister und in den Umsatzsteuererklärungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 30. November 2010 habe das Unternehmen innergemeinschaftliche Erwerbe von der S-AG unter der UID Nr. ATU********* in Höhe von insgesamt BGN 291.901,25 erklärt. Im genannten Zeitraum habe die Gesellschaft nur innergemeinschaftliche Erwerbe erklärt.
Im Hinblick darauf, dass die letzte diese Warenempfängerin betreffende Zollanmeldung am 3. November 2010 abgegeben worden ist, die Gesellschaft aber erst im April 2011 nicht mehr an der angegebenen Anschrift aufgefunden werden konnte, die bulgarischen Behörden die Abgabe von Steuererklärungen im maßgeblichen Zeitraum aber bestätigten, liegen keine objektiven Umstände vor, aufgrund derer von einer Steuerhinterziehung auszugehen wäre. Auch die am 8. April 2011 verfügte Löschung der UID, wohl aus dem Grund, dass das Unternehmen von der Steuerbehörde an der angegebenen Anschrift nicht aufgefunden wurde, reicht für eine derartige Annahme nicht aus.
Das Verbringen der Waren nach Bulgarien wird vom Zollamt nicht bestritten. Es ist daher vom Vorliegen innergemeinschaftlicher Lieferungen in Form innergemeinschaftlichen Verbringens auszugehen. Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 liegen damit vor. Die nachträgliche Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 204 Abs. 1 ZK unter Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin nach § 71a ZollR-DG war daher in allen die A-Eood betreffenden Einfuhrfällen aufzuheben.
V. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Das Bundesfinanzgericht konnte sich bei den maßgeblichen Rechtsfragen auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Gerichtshofes der Europäischen Union stützen.
Innsbruck, am 16. März 2016
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Zoll |
betroffene Normen: | Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise: | EuGH 17.07.1997, C-97/95 |