VwGH Ra 2016/16/0060

VwGHRa 2016/16/006025.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, in der Revisionssache des Zollamtes Feldkirch Wolfurt gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 16. März 2016, Zl. RV/5200053/2012, betreffend Einfuhrumsatzsteuer (mitbeteiligte Partei: V GmbH in W, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft, in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4), den Beschluss gefasst:

Normen

Beförderungsnachweis innergemeinschaftliche Lieferungen 1996 §2;
Beförderungsnachweis innergemeinschaftliche Lieferungen 1996 §3 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
UStG 1994 Anh Art3 Abs1 Z1;
UStG 1994 Anh Art6 Abs3;
UStG 1994 Anh Art7 Abs2 Z1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Gesellschaft mbH (Mitbeteiligte), eine Spedition, reichte im Zeitraum vom 2. Februar 2010 bis zum 18. Februar 2011 als indirekte Vertreterin des jeweiligen Empfängers, in 13 Fällen eines französischen Unternehmens und in fünf Fällen eines bulgarischen Unternehmens, Anmeldungen zur Überführung von Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr ein und beantragte in der jeweiligen Anmeldung durch Verwendung des Codes 4200 in Feld 37 des Einheitspapiers die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994.

2 Mit Bescheid vom 14. Juni 2011 teilte das Zollamt Feldkirch Wolfurt der Mitbeteiligten gemäß Art. 221 des Zollkodex die buchmäßige Erfassung von gemäß Art. 204 Abs. 1 des Zollkodex in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes entstandenen Eingangsabgaben mit, weil die Voraussetzungen für die mit den erwähnten Anmeldungen geltend gemachte Steuerbefreiung jeweils nicht gegeben seien. Gemäß § 71a des Zollrechts-Durchführungsgesetzes sei auch der Anmelder Schuldner.

3 Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2011 erhob die Mitbeteiligte dagegen Berufung, welche das Zollamt mit Berufungsvorentscheidung vom 31. Jänner 2012 abwies, wogegen die Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 2. März 2012 Beschwerde erhob.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht den Bescheid des Zollamtes vom 14. Juni 2011, indem es den Eingangsabgabenbetrag in näher angeführtem Umfang verringerte. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

5 Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Soweit die Beschwerde die 13 Anmeldungen betraf, welche die Revisionswerberin als indirekte Vertreterin des französischen Unternehmens abgegeben hatte, erachtete das Bundesfinanzgericht die Beschwerde mit näherer Begründung als unbegründet.

7 Zu den fünf Anmeldungen, welche die Revisionswerberin zwischen dem 2. Februar 2010 und dem 3. November 2010 als indirekte Vertreterin des bulgarischen Unternehmens abgegeben hatte, gelangte das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG vorlägen, weshalb die buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer um die auf diese Anmeldungen entfallenden Beträge zu verringern gewesen sei.

8 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass im Feld 2 des jeweiligen Einheitspapiers die S. AG in der Schweiz als Versender/Ausführer angegeben gewesen sei. Die Abwicklung sei dergestalt erfolgt, dass die S. AG die Waren in deren Lager (offenes Zolllager) an den Frachtführer oder Empfänger übergeben habe. Die Beförderung bis zur österreichischen Grenze sei im Versandverfahren (T 1) erfolgt. Die Kosten für die Zollabwicklung bei der Einfuhrzollstelle seien von der Mitbeteiligten vom Frachtführer in bar kassiert worden. Die Beauftragung zur Anmeldung der Waren sei ebenso über die S. AG erfolgt. Die Mitbeteiligte habe keinen direkten Kontakt mit dem Empfänger gehabt.

9 Nachdem die Zollanmeldungen angenommen, die Waren überlassen und die Einfuhrumsatzsteuer nicht festgesetzt worden sei, hätten die bulgarischen Behörden dem Zollamt im Wege der Amtshilfe am 17. Mai 2011 mitgeteilt, dass sie eine Kontrolle an der erklärten Anschrift vorgenommen hätten, die Gesellschaft aber dort nicht hätte aufgefunden und geprüft werden können. Die tatsächliche Realisierung der Lieferungen habe daher nicht geprüft werden können. Im Verkaufsregister und in den Umsatzsteuererklärungen für den Zeitraum 1. Februar bis 30. November 2010 habe die Gesellschaft unter einer näher bezeichneten UID Erwerbe von der S. AG in näher angeführtem Wert erklärt. In diesem Zeitraum habe die Gesellschaft laut Umsatzsteuererklärungen und Verkaufsregister nur innergemeinschaftliche Erwerbe deklariert. Die Umsatzsteuernummer der Gesellschaft sei mit 8. April 2011 für ungültig erklärt worden.

10 Nach Ausführungen zur Rechtslage hielt das Bundesfinanzgericht fest, die Beförderung der Waren nach Bulgarien sei im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Verbringens zur eigenen Verfügung erfolgt.

11 Im Hinblick darauf, dass die letzte diese Warenempfängerin betreffende Zollanmeldung am 3. November 2010 abgegeben worden sei, die Gesellschaft aber erst im April 2011 an der angegebenen Anschrift nicht mehr habe aufgefunden werden können, die bulgarischen Behörden die Abgabe von Steuererklärungen aber bestätigt hätten, lägen keine objektiven Umstände vor, auf Grund derer von einer Steuerhinterziehung auszugehen wäre. Auch die am 8. April 2011 verfügte Löschung der UID, wohl aus dem Grund, dass das Unternehmen von der Steuerbehörde an der angegebenen Anschrift nicht habe aufgefunden werden können, reiche für eine derartige Annahme nicht aus. Das Verbringen der Waren nach Bulgarien werde vom Zollamt nicht bestritten.

12 Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG lägen daher vor.

13 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Zollamtes Feldkirch Wolfurt legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

14 Gemäß Art. 6 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1994 in der im Revisionsfall noch anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 756/1996, (im Folgenden: UStG) ist die Einfuhr der Gegenstände steuerfrei, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 leg. cit. buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.

15 Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt gemäß Art. 7 Abs. 2 Z 1 UStG auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Z 1 leg. cit. 16 Gemäß Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur - näher definierten -

vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.

17 §§ 2 und 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl. Nr. 401/1996, lauten:

"§ 2. In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung

(§ 11, Art. 11 UStG 1994),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der

Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein, und

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines

Beauftragten oder in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes

durch den Abnehmer durch eine Erklärung des Abnehmers oder seines

Beauftragten, daß er den Gegenstand in das übrige

Gemeinschaftsgebiet befördern wird.

§ 3. (1) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung

(§ 11, Art. 11 UStG 1994) und

2. durch einen Versendungsbeleg im Sinne des § 7 Abs. 5 UStG 1994, insbesondere durch Frachtbriefe, Postaufgabebescheinigungen, Konnossemente und dergleichen oder deren Doppelstücke.

(2) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Versendungsnachweis nach Absatz 1 zu führen, kann er den Nachweis auch nach § 2 führen."

18 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

19 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

20 Das Zollamt begründet die Zulässigkeit seiner Revision zunächst damit, dem Bundefinanzgericht sei Aktenwidrigkeit vorzuwerfen, weil es "den Umstand, dass die bulgarische Kontaktperson, worauf die Revisionswerberein wiederholt hingewiesen hat, für zwei bulgarische Firmen aufgetreten ist, in der Sachverhaltsdarstellung unerwähnt lässt." Dies gelte auch für das "Übergehen des Sachverhaltselements, wonach die Erwerbe im Verkaufsregister erklärt wurden". Welche Folgerungen aus der Erwähnung dieses Umstandes zu ziehen wären lässt das Zollamt jedoch offen, weshalb die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht dargelegt wird.

21 Weiters führt das Zollamt zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision an:

"Zum einen weicht das Bundesfinanzgericht vom Urteil des EuGH vom 7. Dezember 2010, C-285/09 , Rn 52 ab -  auf welches die

Revisionswerberin in der Berufungsvorentscheidung vom ... sowie in

der Stellungnahme vom 29. September 2014 mit ausführlicher Erläuterung hingewiesen hat -, wonach bereits das Vorliegen ernsthafter Gründe zu der Annahme, dass der mit der fraglichen Lieferung zusammenhängende Erwerb trotz gegenseitiger und Amtshilfe und Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden der betreffenden Mitgliedstaaten der Zahlung der Mehrwertsteuer entgehen könnte, ausreichend ist, um den Abgangsmitgliedstaat grundsätzlich zu verpflichten, die Befreiung zu verweigern."

22 Welche ernsthaften Gründe im Sinne dieser Rechtsprechung des EuGH das Zollamt allerdings im Revisionsfall gegeben sieht, lässt es in der Begründung der Zulässigkeit seiner Revision offen.

23 Die Zulässigkeit seiner Revision begründet das Zollamt weiters damit, das Bundesfinanzgericht habe mit einem späteren Erkenntnis die Beschwerde "der anderen und einer weiteren bulgarischen Firma ua. deshalb als unbegründet abgewiesen, weil diese - wenngleich noch zeitnaher - nicht aufgefunden werden konnten, die nachträglich beigebrachten Frachtbriefe nicht eindeutig und zweifelsfrei nachwiesen, an wen die Waren tatsächlich geliefert worden sind, und die Meldung der innergemeinschaftlichen Erwerbe durch deren gleichzeitige Aufnahme in die Verkaufsprotokolle zur Folge hatte, dass sie der Erwerbsbesteuerung entzogen wurden."

24 Mit dem Hinweis auf eine in einem anderen Verfahren allenfalls zu einem anderen Ergebnis gelangende Beweiswürdigung allein wird keine die Zulässigkeit der Revision begründende grob fehlerhafte und in unvertretbarer Weise die Rechtssicherheit beeinträchtigende Beweiswürdigung, nicht einmal eine bloße Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung im vorliegenden Verfahren aufgezeigt.

25 Schließlich stützt das Zollamt die Zulässigkeit seiner Revision darauf, der Verwaltungsgerichtshof habe sich noch nicht zu § 3 Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 geäußert. Im Revisionsfall habe die Mitbeteiligte in vier von fünf Fällen "Pseudo-CMR" vorgelegt, die eine Empfangsbestätigung gemäß § 2 Z 3 der Verordnung und in zwei Fällen möglicherweise Hinweise auf einen Transporteur enthalten. Das Zollamt habe Bedenken, ob es "beim gegebenen Sachverhalt" der Mitbeteiligten nicht möglich oder unzumutbar iSd § 3 Abs. 2 der Verordnung gewesen sein sollte, den Versendungsnachweis nach § 3 Abs. 1 der Verordnung zu führen. Auf diesen Zweifel sei das Bundesfinanzgericht nicht eingegangen.

26 Es kann im Revisionsfall dahin gestellt bleiben, welche verfahrensrechtliche Stellung der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH (vgl. die Urteile vom 27. September 2007 in der Rs. C-146/05 (Albert Collee) und vom 27. September 2012 in der Rs. C-587/10 (Vogtländische Straßen-, Tief- und Rohrleitungsbau GmbH Rodewisch (VSTR))) zukommt, wonach der buchmäßige Nachweis lediglich eine formelle Pflicht, aber keine materielle Voraussetzung der Steuerbefreiung ist (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 2. September 2009, 2005/15/0031, VwSlg 8.462/F, vom 20. Dezember 2012, 2009/15/0146, VwSlg 8.776/F, und vom 26. März 2014, 2011/13/0038).

27 Denn hinsichtlich der vom Zollamt aufgeworfenen Frage, ob der Mitbeteiligten im Revisionsfall die Nachweisführung nach § 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 401/1996 nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei, was gemäß § 3 Abs. 2 der Verordnung zur Nachweisführung nach § 2 der Verordnung führte, bleibt völlig im Dunkeln, worin die "Bedenken" des Zollamtes bestünden.

28 Somit wirft die Begründung der Zulässigkeit der Revision keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

29 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 25. April 2017

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