Einleitung
Im Folgenden werden die Bundesgesetze betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz näher erörtert.
Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen
Unterbrechung von verfahrensrechtlichen Fristen
In gerichtlichen Verfahren (Zivilprozesse, Außerstreitverfahren, Grundbuchs- und Firmenbuchverfahren, Exekutionsverfahren und Insolvenzverfahren) werden alle verfahrensrechtlichen Fristen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht abgelaufen sind oder nach dem Inkrafttreten zu laufen beginnen, bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen.
Alle Fristen beginnen daher mit 01.05.2020 neu zu laufen. Dies gilt für gesetzliche und richterliche Fristen. Es erfolgt mit dem 4.COVID-19-Gesetz eine Klarstellung für nach Tagen bemessenen Fristen. Der 01.05.2020 gilt als Tag des fristauslösenden Ereignisses (§ 125 ZPO). Damit endet eine Frist von 14 Tagen am 15.05.2020 und eine Frist von 28 Tagen am 29.05.2020.
Ausdrücklich ausgenommen sind Leistungsfristen und Fristen in Verfahren, in denen das Gericht über die Rechtmäßigkeit eines aufrechten Freiheitsentzuges, zB nach dem Unterbringungsgesetz oder nach dem Epidemiegesetz 1950 entscheidet.
Das Gericht kann im Einzelfall aber aussprechen, dass eine Frist nicht unterbrochen wird; und gleichzeitig mit Beschluss eine neue angemessene Frist festsetzen. Ein solcher Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 1 Abs 2).
Die Unterbrechung und der damit bedingte einheitliche Beginn des Laufes aller Fristen mit aus heutiger Sicht 01.05.2020 schafft Rechtsicherheit. Eine Frist von 2 Wochen oder 14 Tagen endet am 15.05.2020 und eine Frist von 4 Wochen oder 28 Tagen am 29.05.2020.
Hemmung von Verjährungsfristen
§ 2 ordnet eine Hemmung von Fristen für die Anrufung von Gerichten an. Die Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes bis zum Ablauf des 30.04.2020 wird in die Zeit, in der bei einem Gericht eine Klage oder ein Antrag zu erheben oder eine Erklärung abzugeben ist, nicht eingerechnet.
Nach den Erläuterungen betrifft dies Verjährungsfristen nach materiellem Recht oder unter anderem auch die Frist für die Vorlage von Unterlagen der Rechnungslegung, betroffen davon insbesondere die neunmonatige Offenlegungsfrist für Unterlagen nach § 277 Abs 1 UGB sowie die zweimonatige Frist für die Verhängung wiederholter Zwangsstrafen (§ 283 Abs 4 UGB), und die Frist für die Besitzstörungsklage nach § 454 ZPO.
Einschränkung von mündlichen Verhandlungen und gerichtliche Erledigungen
Solange aufgrund von COVID-19 Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit und für soziale Kontakte bestehen, sollen
- nur unbedingt notwendige Verhandlungen stattfinden,
- geeignete technische Kommunikationsmittel, etwa Videokonferenz oder aufgrund der Ausnahmesituation sogar Telefonkonferenzen, verstärkt zum Einsatz kommen und
- nur besonders dringende gerichtlichen Erledigungen abgefertigt werden.
- Zustellungen im elektronischen Rechtsverkehr werden weiter vorgenommen.
Weitere Regelungen des COVID-19-Justizbegleitgsetzes
Weitere Regelungen betreffen die mögliche Einstellung der Tätigkeit bestimmter Gerichte (§ 4), die Anpassung der Regelungen über das Wiederaufleben von Forderungen bei Verzug nach § 156a Abs 1 Insolvenzordnung (§ 5), längere Fristen im Zusammenschlussverfahren (§ 6) und Erleichterungen bei Unterhaltsvorschüssen (§ 7) und weitere weitreichende Verordnungsermächtigungen für die Bundesministerin für Justiz (§ 8).
Für Fristen im Insovenzverfahren ist in § 1 des 1.COVID-19Justiz-Begleitgesetzes nun ausdrücklich und entgegegen den Erläuterungen im Ausschussbericht zum 1. COVID-19-Justizbegleitgesetz nicht (mehr) anwandbar. § 7 des 2.COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes sieht nunmehr eigene Fristregelungen vor.
Schiedsverfahren
Auf Schiedsverfahren sind die Bestimmungen nicht anwendbar. Vielmehr obliegt es den Schiedsrichtern und Schiedsgerichten, wie sie mit COVID-19 umgehen. Schiedsinstitutionen haben bereits reagiert. Das Internationale Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC) hat auf seiner Webseite eine Checkliste zur Durchführung von (mündlichen) Verhandlungen veröffentlicht. Das Sekretariat des Internationalen Schiedsgerichtshofs der ICC hat mit 17.03.2020 bekanntgegeben, dass alle mündlichen Verhandlungen, die bis 13.04.2020 im ICC Hearing Center in Paris stattfinden hätten sollen, verschoben oder abberaumt wurden.
Vorkehrungen in Strafsachen
Im II. Hauptstück räumt das COVID-19 Justizbegleitgesetz der Bundesministerin für Justiz weitgehende Verordnungsermächtigungen in Strafsachen, im III. Hauptstück für den Strafvollzug ein.
Änderung der Exekutionsordnung
Durch das 2. COVID-19-Gesetz wird auch die Exekutionsordnung geändert. Der § 200b der Exekutionsordnung erlaubt nunmehr - unter bestimmten Umständen - auch die Aufschiebung der Exekution bei einer Epidemie oder Pandemie. Bislang war dies bereits bei einer Naturkatastrophe (Hochwasser, Lawine, Schneedruck, Erdrutsch, Bergsturz, Orkan, Erdbeben oder ähnliche Katastrophe vergleichbarer Tragweite).
Änderung der Strafprozessordnung 1975
Der neu eingefügte § 286 Abs 1a StPO erlaubt es, nach Maßgabe einer Verordnung der Bundesministerin für Justiz in Haftsachen auch den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über eine Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung im Wege einer Videokonferenz durchzuführen.
Änderung des Zustellgesetzes
Im Zustellgesetz erlaubt der neu eingefügte § 26a Erleichterungen, die Kontakte zwischen Zusteller und Empfänger vermeiden. Es ist nicht mehr erforderlich, dass der Übernehmer des Dokumentes die Übernahme auf dem Zustellnachweis durch seine Unterschrift bestätigt. Es genügt, das Dokument in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) einzulegen oder an der Abgabestelle zurückzulassen, so zB an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre). Der Empfänger ist dann durch schriftliche, mündliche (zB über die Gegensprechanlage oder durch die Wohnungstüre) oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Zustellung zu verständigen.
Die Beschränkungen für Zustellungen in gerichtlichen Verfahren (§3, vorletzter Satz 1.COVID-19-Justiz-Begleitgesetz) wird wieder aufgehoben und stattdessen im Nachfolgegesetz eine Verordnungsermächtigung erteilt.
Zusätzliche Regelungen
Weitere Bestimmungen schaffen im Zeitraum von 01.04.2020 bis 30.06.2020 Erleichterungen für von COVID-19-betroffene Mieter von Wohnungen (nicht Geschäftsraummiete, § 1, § 5 und § 6), für Verbraucherkredite (§ 2) für Verzugszinsen (§ 3) und sehen den Entfall von verschuldensunabhängigen Konventionalstrafen (§ 4) vor.