Änderung des ABGB (Kündigungsfristen Arbeiter) und AVRAG (Sonderbetreuungszeit)

GesetzgebungPersonalrechtSabaraJänner 2021

Verschiebung der Angleichung der Kündigungsfristen der Arbeiter an jene der Angestellten um ein halbes Jahr auf 1. 7. 2021; Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit im Ausmaß bis zu 4 Wochen im Zeitraum zwischen 1. 11. 2020 und 9. 7. 2021, auch Vereinbarung der Sonderbetreuungszeit möglich, 100%-iger Erstattungsanspruch des Arbeitgebers

Inkrafttreten

1.11.2020

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

3.1.2021

Betroffene Normen

ABGB, AVRAG

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Quelle

BGBl I 2020/131

Bundesgesetz, mit dem das ABGB und das AVRAG geändert werden, BGBl I 2020/131 vom 15. 12. 2020  (AA-85 BlgNR 27. GP ; AB 460 BlgNR 27. GP ; Initiativantrag 5. 11. 2020, 986/A BlgNR 27. GP )

Diese Gesetzesnovelle regelt einerseits die Verschiebung der per 1. 1. 2021 vorgesehenen Angleichung der Kündigungsfristen der Arbeiter an jene der Angestellten um ein halbes Jahr auf 1. 7. 2021, andererseits einen Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit für den Zeitraum 1. 11. 2020 bis zum Ende des Schuljahres 2020/21 sowie weitere Adaptierungen bei der Sonderbetreuungszeit.

Gegenüber dem Initiativantrag 986/A BlgNR 27. GP  kam es im Ausschuss für Arbeit und Soziales und im Plenum des Nationalrates noch zu weiteren Anpassungen, insbesondere bei der Sonderbetreuungszeit.

Insgesamt stellen sich die Änderungen in ABGB und AVRAG nun wie folgt dar:

1. Angleichung der Kündigungsfristen der Arbeiter an jene der Angestellten erst ab 1. 7. 2021

Mit der Änderung in § 1503 Abs 15 ABGB wird in Folge der COVID-19 Krisensituation und der dazu getroffenen gesetzlichen Maßnahmen vorgesehen, dass die mit BGBl I 2017/153 getroffene Angleichung der Kündigungsfristen der Arbeiter an jene der Angestellten (Arbeitnehmer-Angleichungspaket) um ein halbes Jahr verschoben wird und erst mit 1. 7.  2021 in Kraft tritt und auf Kündigungen Anwendung findet, die nach dem 30. 6. 2021 ausgesprochen werden.

Der Aufschub der Angleichung der Kündigungsfristen der Arbeiter an jene der Angestellten um ein halbes Jahr gilt auch für die Land- und Forstwirtschaft. Diese Angleichung wurde jedoch nicht in allen Landarbeitsordnungen nachvollzogen, sodass sich der Aufschub nur auf jene Landarbeitsordnungen beziehen kann, in denen die Angleichung erfolgt ist.

2. Änderungen bei der Sonderbetreuungszeit

2.1. Verlängerung und Rechtsanspruch

Die erstmals mit dem COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/12 eingeführte und seitdem mehrfach in einzelnen Punkten geänderte Sonderbetreuungszeit nach § 18b AVRAG wurde zuletzt für den Zeitraum von 1. 10. 2020 bis 28. 2. 2021 verlängert (siehe dazu: Verlängerung der Sonderbetreuungszeit). Diese mit der Novelle BGBl I 2020/107 getroffene Regelung wurde nunmehr mit Ende Oktober beendet.

Für den Zeitraum zwischen 1. 11. 2020 und 9. 7. 2021 (dem Ende des Schuljahres 2020/2021) wird die Sonderbetreuungszeit nunmehr als Rechtsanspruch des Arbeitnehmers gestaltet, wobei der Anspruch bis zu 4 Wochen beträgt (bisher: 3 Wochen). Der Arbeitgeber bekommt außerdem 100 % des fortgezahlten Entgelts erstattet (siehe auch Punkt 2.4.).

Da die neue Regelung unabhängig von den bisherigen Regelungen zur Sonderbetreuungszeit ist, sind bisher (im Frühjahr, in den Sommerferien oder im Oktober 2020) gewährte Zeiten einer Sonderbetreuungszeit nicht auf den 4-wöchigen Anspruch anzurechnen.

Die betroffenen Arbeitnehmer müssen wie bisher alle zumutbaren Vorkehrungen treffen, damit es zu keiner Arbeitsverhinderung kommt. Nach dem neu gefassten § 18b Abs 1 AVRAG müssen nun folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Rechtsansspruch besteht:

  • Die Einrichtungen müssen aufgrund behördlicher Maßnahmen teilweise oder vollständig geschlossen sein. Ein Lockdown allein bedingt demnach noch keinen Anspruch auf Sonderbetreuungszeit, da die Schulen während dieser Zeit weiterhin Betreuung anbieten.
  • Die Betreuung von Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, für die eine Betreuungspflicht besteht, muss notwendig sein.
  • Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber unverzüglich nach Bekanntwerden der Schließung zu verständigen.
  • Der Arbeitnehmer muss alles Zumutbare unternehmen, damit die vereinbarte Arbeitsleistung zustande kommt, dh er muss sich um alternative Kinderbetreuungseinrichtungen bemühen.

Hinweise
Bislang sah § 18b Abs 1 AVRAG vor, dass der Arbeitgeber die Sonderbetreuungszeit nur gewähren kann, wenn ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsleistung nicht für die Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich ist, keinen Anspruch auf Dienstfreistellung (zB nach § 8 Abs 3 AngG, § 1154b Abs 5 ABGB) zur Betreuung seines Kindes hat. Diese Einschränkungen entfallen nun für den Rechtsanspruch ab 1. 11. 2020.

2.2.  Sonderbetreuungszeit ohne Rechtsanspruch (Vereinbarungsmodell)

Durch einen Abänderungsantrag im Plenum des Nationalrates wurde außerdem festgelegt, dass zusätzlich zur Variante mit Rechtsanspruch auf eine Sonderbetreuungszeit es auch weiterhin möglich ist, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Sonderbetreuungszeit vereinbaren können, für die der Arbeitgeber ebenfalls einen Anspruch auf eine Vergütung des gesamten während der Sonderbetreuungszeit fortgezahlten Entgelts hat.

Aus den Erläuterungen zum Abänderungsantrag AA-85 BlgNR 27. GP geht hervor, dass die Vereinbarungsmöglichkeit insbesondere auch für die Zeit eines Lockdowns gilt, in der für Eltern eine alternative Kinderbetreuung in den Schulen und Kindergärten angeboten wird.

Hinweis
Für Schlüsselarbeitskräfte gibt es die Vereinbarungsmöglichkeit nicht. Der neue § 18b Abs 1 b AVRAG, der die Voraussetzungen für eine Vereinbarung regelt, besagt, dass die Vereinbarungsmöglichkeit nicht für Arbeitnehmer besteht, deren Arbeitsleistung für die Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich ist.


Analog zu den früheren Vereinbarungsversionen ist auch hier vorher zu prüfen, ob nicht ein bezahlter Dienstfreistellungsanspruch vorrangig besteht und daher erst im Falle des Nichtbestehens oder des Ausschöpfens von bezahlten Dienstfreistellungsansprüchen die Vereinbarung der Sonderbetreuungszeit möglich ist.

 

Für eine gemäß § 18b Abs 1b AVRAG  vereinbarte Sonderbetreuungszeit und Sonderbetreuungszeit mit Rechtsanspruch nach Abs 1 gilt insgesamt ein Höchstausmaß von vier Wochen im Zeitraum zwischen 1.11. 2020 und 9. 7. 2021.

2.3. Anspruch auch bei Absonderung des Kindes

Die Sonderbetreuungszeit gilt für die bereits bisher erfassten Betreuungssituationen sowie für einen neuen Betreuungsfall:

  • für die Betreuung von Kindern bis zum 14. Lebensjahr, für die eine Betreuungspflicht besteht, im Falle der Schließung von Kinderbetreuungs- und Ausbildungseinrichtungen,
  • für Angehörige von pflegebedürftigen Personen, wenn deren Pflege oder Betreuung in Folge des Ausfalls einer Betreuungskraft nach dem Hausbetreuungsgesetz (24-Stunden-Betreuung) nicht mehr sichergestellt ist,
  • wenn eine Betreuungspflicht für Menschen mit Behinderung besteht, deren Behinderteneinrichtung aufgrund behördlicher Maßnahmen geschlossen wird, oder aufgrund freiwilliger Maßnahmen die Betreuung von Menschen mit Behinderung zu Hause erfolgt,
  • für Angehörige von Menschen mit Behinderungen, die persönliche Assistenz in Anspruch nehmen, wenn die persönliche Assistenz in Folge von COVID-19 nicht mehr sichergestellt ist, sowie – neu – 
  • für den Fall, dass ein Kind bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, für das eine Betreuungspflicht besteht, nach § 7 Epidemiegesetz abgesondert wird, zB wegen eines Krankheits- oder Ansteckungsverdachts. Bei einer Absonderung eines erkrankten Kindes kann der Arbeitnehmer den Anspruch auf Sonderbetreuungszeit dann geltend machen, wenn kein Pflegefreistellungsanspruch mehr besteht.

Der Anspruch auf Sonderbetreuungszeit kann in Teilen geltend gemacht werden, auch tage- oder halbtageweise. Die Dauer wird vom jeweiligen Anlass abhängen. Insgesamt ist der Anspruch im Zeitraum von November 2020 bis zum Ende des Schuljahres 2020/2021 aber mit 4 Wochen begrenzt.

2.4. Kostenersatz von 100 % für Arbeitgeber

Gleichzeitig mit der Einführung des Rechtsanspruchs auf Sonderbetreuungszeit wird auch der Ersatzanspruch des Arbeitgebers auf 100 % des fortgezahlten Entgelts, gedeckelt mit der Höchstbeitragsgrundlage, erhöht. Auch bei der vereinbarten Sonderbetreuungszeit gebührt ein 100%-iger Kostenersatz. Der Anspruch des Arbeitgebers auf Vergütung ist gegenüber der Buchhaltungsagentur gegeben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Für die nähere Abwicklung des Vergütungsanspruchs einschließlich der erforderlichen Nachweise ergehen noch Richtlinien des BMAFJ.

In einem neuen § 18b Abs 1c AVRAG wird zudem verankert, dass eine zu Unrecht bezogene Vergütung (Rückerstattung) zurückgezahlt werden muss.

ergehen Richtlinien des BMAFJ. Die Finanzierung der Vergütungen des Bundes nach § 18b Abs 1 AVRAG erfolgt mit Budgetmitteln aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds nach dem COVID-19-FondsG.



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