Arbeitnehmer-Angleichungspaket

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrDezember 2019

Ab 1. 7. 2018: Angleichung der Rechtsstellung von Arbeitern und Angestellten im Bereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall; erhöhter Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall bereits nach einem Jahr; Entgeltfortzahlung über das Ende des DV hinaus bei einvernehmlicher Auflösung des DV im Krankenstand; zwingender Anspruch von Arbeitern auf Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderungen aus wichtigen persönlichen Gründen; Verdoppelung des Anspruchs von Lehrlingen auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall;

Ab 1. 1. 2021: Angleichung von Arbeitern und Angestellten bei den Kündigungsfristen

Inkrafttreten

1.1.2021

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

1.7.2018

Betroffene Normen

ABGB, AngG, BAG, EFZG, GANgG, HGHAngG, LAG

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Quelle

BGBl I 2017/153

Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Berufsausbildungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden, BGBl I 2017/153 vom 13. 11. 2017 (AA-243 BlgNR 25. GP ; 2306/A BlgNR 25. GP ).

Aktualisierte Fassung des in ARD 6575/16/2017 erschienenen Beitrags.

1. Überblick

In der letzten Sitzung der 25. Gesetzgebungsperiode hat der Nationalrat noch eine weitgehende Angleichung der Rechtsstellung von Arbeitern und Angestellten im Bereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall  (ab 1. 7. 2018) sowie bei den Kündigungsfristen (überwiegend ab 1. 1. 2021) beschlossen. Darüberhinaus kam es noch zu weiteren kleineren Änderungen iZm dem Entgeltfortzahlungsanspruch.

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2. Entgeltfortzahlungsanspruch

2.1. Neue Regelung für Angestellte ab 1. 7. 2018

Bereits mit 1. 7. 2018 kam es zu einer Angleichung der Entgeltfortzahlung der Angestellten bei Krankheit oder Unglücksfall an die Systematik der Entgeltfortzahlung der Arbeiter nach dem EFZG:

2.1.1. Erhöhter Anspruch bereits nach 1 Jahr

Der Grundanspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit (Unglücksfall) blieb unverändert und beträgt weiterhin, wenn die Dienstverhinderung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde, sechs Wochen. Neu ist, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von acht Wochen im Unterschied zur geltenden Rechtslage bereits nach einjähriger Dauer des Dienstverhältnisses entsteht (bisher entstand der höhere Fortzahlungsanspruch erst nach fünfjähriger Dauer des Dienstverhältnisses; § 8 Abs 1 AngG). Diese Ausweitung wurde auch für Arbeiterdienstverhältnisse beschlossen (siehe Pkt 2.2.).

2.1.2. Entfall der Wiedererkrankungsregelung

Weiters kam es zum Entfall der bislang geltenden „Wiedererkrankungsregelung" des § 8 Abs 2 AngG. Analog der schon bisher für Arbeiter geltenden Regelung gilt nunmehr auch für Angestellte, dass bei wiederholter Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insoweit besteht, als der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 8 Abs 1 AngG nicht ausgeschöpft ist, dh es kommt bei wiederholtem Krankenstand innerhalb eines Arbeitsjahres zu einer Zusammenrechnung der Anspruchszeiten.

Mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres entsteht der Anspruch wieder in vollem Umfang. Reicht daher eine Arbeitsverhinderung von einem Arbeitsjahr ins nächste Arbeitsjahr, steht mit Beginn des neuen Arbeitsjahres wieder der volle Entgeltfortzahlungsanspruch zu; dies gilt auch dann, wenn im alten Arbeitsjahr wegen Ausschöpfung des Anspruchs keine Entgeltfortzahlung mehr bestand.

2.1.3. Eigenständiger Anspruch bei Arbeitsunfällen

Im Fall von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten besteht nunmehr auch bei Angestellten (nach Vorbild des § 2 Abs 5 EFZG) der Anspruch auf das Entgelt pro Anlassfall ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung (Stichwort "zweiter Topf") grundsätzlich bis zur Dauer von acht Wochen und wächst nach 15 Dienstjahren auf 10 Wochen an (§ 8 Abs 2a AngG).

Bei wiederholten Dienstverhinderungen, die im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit stehen, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts innerhalb eines Arbeitsjahres nur insoweit, als die Dauer des Anspruches nach dem ersten oder zweiten Satz noch nicht erschöpft ist.

Ist ein Angestellter gleichzeitig bei mehreren Dienstgebern beschäftigt, so entsteht ein Anspruch nach diesem Absatz nur gegenüber jenem Dienstgeber, bei dem die Dienstverhinderung eingetreten ist; gegenüber den anderen Dienstgebern entstehen Ansprüche nach § 8 Abs 1 AngG.

2.1.4. Umstellung Arbeitsjahr/Kalenderjahr

Weiters wurde normiert, dass nunmehr auch bei Angestellten durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung vereinbart werden kann, dass sich der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht nach dem Arbeitsjahr, sondern nach dem Kalenderjahr richtet (§ 8 Abs 9 AngG).

In diesem Fall können die Vereinbarungen vorsehen, dass

  • Dienstnehmer, die während des Kalenderjahres eintreten, Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur bis zur Hälfte der in § 8 Abs 1 und 2a AngG genannten Dauer haben, sofern die Dauer des Arbeitsverhältnisses im Kalenderjahr des Eintritts weniger als sechs Monate beträgt;
  • der jeweils höhere Anspruch nach § 8 Abs 1 zweiter Satz und Abs 2a zweiter Satz AngG erstmals in jenem Kalenderjahr gebührt, in das der überwiegende Teil des Arbeitsjahres fällt;
  • die Ansprüche der im Zeitpunkt der Umstellung im Betrieb beschäftigten Dienstnehmer für den Umstellungszeitraum (Beginn des Arbeitsjahres bis Ende des folgenden Kalenderjahres) gesondert berechnet werden. Jedenfalls muss für den Umstellungszeitraum dem Dienstnehmer ein voller Anspruch und ein zusätzlicher aliquoter Anspruch entsprechend der Dauer des Arbeitsjahres im Kalenderjahr vor der Umstellung abzüglich jener Zeiten, für die bereits Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsverhinderung wegen Krankheit (Unglücksfall) gewährt wurde, zustehen.

2.1.5. Einvernehmliche Auflösung im Krankenstand

Die bisherige Rechtslage sah vor, dass im Falle der Kündigung, unberechtigten Entlassung bzw eines vom Arbeitgeber verschuldeten Austritts des Arbeitnehmers während eines Krankenstandes das Entgelt bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit weiterzuzahlen ist, wenngleich das Dienstverhältnis früher endet. Seit 1. 7. 2018 gebührt gemäß § 9 Abs 1 AngG die Entgeltfortzahlung über das Ende des Dienstverhältnisses auch dann, wenn das Dienstverhältnis im Krankenstand oder im Hinblick auf einen Krankenstand einvernehmlich beendet wird.

2.1.6. Inkrafttreten der Neuregelung

Die Neuerungen traten mit 1. 7. 2018 in Kraft und sind auf Dienstverhinderungen anzuwenden, die in Arbeitsjahren eingetreten sind, die nach dem 30. 6. 2018 beginnen. Für zu diesem Zeitpunkt laufende Dienstverhinderungen gelten die neuen Bestimmungen ab Beginn dieses Arbeitsjahres. Die Neuregelung soll damit Ersterkrankungen, aber auch bislang als Wiedererkrankungen behandelte Fälle erfassen.

Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (KV, Betriebsvereinbarung), die für Dienstnehmer günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung als die neue Regelung des § 8 Abs 1 AngG vorsehen, bleiben aufrecht. Sehen Normen der kollektiven Rechtsgestaltung für Dienstnehmer günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung als nach § 8 Abs 2 AngG („Wiedererkrankungsregelung“) in der bislang geltenden Fassung vor, gilt für die erfassten Dienstnehmer die alte gesetzliche Regelung bis zu einer Neuregelung weiter.

Die Neuregelung zur Verlängerung des Entgeltfortzahlungsanspruchs bei einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses im Krankenstand trat ebenfalls mit 1. 7. 2018 in Kraft und findet Anwendung auf einvernehmliche Beendigungen, die eine Beendigung des Dienstverhältnisses nach dem 30. 6. 2018 bewirken.

2.2. Änderungen bei Arbeitern

2.2.1. Erhöhter Anspruch bereits nach 1 Jahr

Analog zum AngG wurde in § 2 Abs 1 EFZG klargestellt, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch im Ausmaß von acht Wochen bereits nach einjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses entstehen soll (nach der alten Rechtslage entstand der höhere Fortzahlungsanspruch erst nach fünfjähriger Dauer des Dienstverhältnisses; § 2 Abs 1 EFZG).

Die Änderung trat mit 1. 7. 2018 in Kraft und ist auf Arbeitsverhinderungen anzuwenden, die in Arbeitsjahren eingetreten sind, die nach dem 30. 6. 2018 beginnen. Für zu diesem Zeitpunkt laufende Dienstverhinderungen gelten die neuen Bestimmungen ab Beginn dieses Arbeitsjahres.

2.2.2. Einvernehmliche Auflösung im Krankenstand

Wie bei den Angestellten wird auch für Arbeiter in § 5 EFZG vorgesehen, dass die Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung im Krankenstand über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus analog zur Arbeitgeberkündigung auch im Falle der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses gebührt. Diese Bestimmung findet Anwendung auf einvernehmliche Beendigungen, die eine Beendigung des Dienstverhältnisses nach dem 30. 6. 2018 bewirken.

2.2.3. Dienstverhinderung aus sonstigen wichtigen persönlichen Gründen

Seit dem Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2000 sind die gesetzlich geregelten Ansprüche hinsichtlich der Dienstverhinderung aus anderen wichtigen Verhinderungsgründen für Angestellte und Arbeiter inhaltlich gleich. Während jedoch die Regelung des § 8 Abs 3 AngG für Angestellte zwingend ist, war die Regelung für Arbeiter in § 1154b Abs 5 ABGB bislang durch Kollektivvertrag abdingbar. Das bedeutete, dass eine abschließende Regelung der sonstigen Arbeitsverhinderungsgründe in einem Kollektivvertrag für Arbeiter die Anwendung der Generalklausel des § 1154b Abs 5 ABGB aussgeschlossen hat.

Im Sinne einer Vereinheitlichung der Rechte der Arbeiter und der Angestellten wurde nun mit Wirksamkeit ab 1. 7. 2018 geregelt, dass auch die Bestimmung des § 1154b Abs 5 ABGB zwingend ist und durch KV nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann.

2.3. Änderungen bei Lehrlingen

Der Entgeltfortzahlungsanspruch von Lehrlingen im Krankheitsfall wurde ab Juli 2018 verdoppelt und erhält der Lehrling nunmehr acht - statt bisher vier - Wochen die volle Lehrlingsentschädigung und weitere vier Wochen (statt zwei) ein Teilentgelt in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der vollen Lehrlingsentschädigung und dem gesetzlichen Krankengeld.

Die Neuregelung trat mit 1. 7. 2018 in Kraft und ist auf Arbeitsverhinderungen anzuwenden, die in nach dem 30. 6. 2018 begonnenen Lehrjahren eingetreten sind.

3. Kündigungsfristen

3.1. Änderungen bei Angestellten

Die Kündigungsbestimmungen des § 20 AngG gelten nach derzeitiger Rechtslage nur dann, wenn die vereinbarte oder tatsächlich geleistete Arbeitszeit bezogen auf den Monat mindestens ein Fünftel des 4,3fachen der durch Gesetz oder Kollektivvertrag vorgesehenen wöchentlichen Normalarbeitszeit beträgt (zB 8 Stunden pro Woche bei einer Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden). Diese Einschränkung fiel bereits mit 1. 1. 2018 weg, sodass die Kündigungsbestimmungen im AngG ab diesem Zeitpunkt auf alle Angestellten unabhängig vom Ausmaß der Beschäftigung und auf Kündigungen, die nach dem 31. 12. 2017 ausgesprochen werden, Anwendung finden.

3.2. Änderungen bei Arbeitern

Die Kündigungsfristen und -termine für Arbeiterdienstverhältnisse sind derzeit in höchst komplexer Weise in Relation zur Dauer des Dienstverhältnisses, der Art der geschuldeten Dienste und je nach der Bemessung des Entgelts geregelt (§ 1159 bis § 1159c ABGB). Diese Bestimmungen sind zugunsten des Arbeitnehmers unabdingbar. Für Arbeiter iSd GewO 1859 kommen die Kündigungsregelungen des § 77 GewO 1859 zur Anwendung; diese Bestimmung ist im Unterschied zu den Kündigungsregeln des ABGB abdingbar, dh die 14-tägige Kündigungsfrist kann auch zu Ungunsten des Arbeiters geändert werden.

Im Sinne einer Harmonisierung und Anpassung der Rechte der Angestellten und Arbeiter werden nun ab 2021 die Kündigungsfristen der Arbeiter an jene der Angestellten angeglichen, Ausnahmen sind nur für Branchen mit überwiegend Saisonbetrieben (zB Tourismusbetrieb, Baugewerbe) vorgesehen. Konkret gilt ab 1. 1. 2021 Folgendes (§ 1159 ABGB neu):

  • Arbeitgeberkündigung:

    Mangels einer für den Arbeiter günstigeren Vereinbarung kann der Dienstgeber das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten 2. Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten 5. Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten 15. Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten 25. Dienstjahr auf fünf Monate. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen, abweichende Regelungen (und damit auch kürzere Kündigungsfristen) festgelegt werden.

    Die Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung nicht unter die genannte Dauer herabgesetzt werden, jedoch kann vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist am Fünfzehnten oder am Letzten des Kalendermonats endet.

  • Arbeitnehmerkündigung:

    Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung kann der Arbeiter das Dienstverhältnis mit dem letzten Tage eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden, doch darf die vom Dienstgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Arbeiter vereinbarte Kündigungsfrist. Durch KV können für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.

  • Ist das Dienstverhältnis nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs vereinbart, so kann es während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden.

Die neuen Kündigungsbestimmungen für Arbeiter in § 1159 ABGB sind zugunsten der Arbeitnehmer einseitig zwingend, dh sie können durch Dienstvertrag oder durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (KV, Betriebsvereinbarung) nur zum Vorteil des Arbeiters geändert werden.

Durch einen Abänderungsantrag im Nationalrat wurde das Inkrafttreten der Neuregelung von 2018 auf 1. 1. 2021 verschoben. Die neuen Kündigungsbestimmungen sind daher erst auf Beendigungen anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2020 ausgesprochen werden (auf davor ausgesprochene Kündigungen sind die bisher geltenden Bestimmungen [§ 1159a bis § 1159c ABGB bzw § 77 GewO 1859] weiter anzuwenden). Diese lange Legisvakanz soll es den Betrieben ermöglichen, sich auf die verlängerten Kündigungsfristen einzustellen.



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