Novelle des AuslBG

GesetzgebungPersonalrechtLass-KönczölJuli 2022

Änderungen bei der Mindestentlohnung für sonstige Schlüsselkräfte und bei der Punktevergabe für Qualifikationen, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse; Beschäftigungsbewilligungen für Spezialisten im Rahmen von Projekten; Einbeziehung von Stammmitarbeitern in das System der Rot-Weiß-Rot – Karte; Erleichterung des Arbeitgeberwechsels und Verbesserung der Mobilität von Inhabern der Blauen Karte EU

Inkrafttreten

1.10.2022

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

19.7.2022

Betroffene Normen

AMFG, AuslBG, FPG, NÄG

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Quelle

BGBl I 2022/106

Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert werden;  BGBl I 2022/106 vom 19. 7. 2022
(Regierungsvorlage 15. 6. 2022, 1528 BlgNR 27. GP ; Ministerialentwurf 28. 4. 2022, 195/ME BlgNR 27. GP )

1. Überblick

Mit der Novelle wird die Anwerbung von Fach- und Schlüsselkräften im globalisierten Standortwettbewerb zur Sicherung des Wohlstands und des Wirtschaftswachstums verbessert und so dem in vielen Wirtschaftsbereichen zunehmenden Mangel an Fachkräften nachhaltig begegnet. Unter Beibehaltung des One-Stop-Shop-Verfahrens bei den Aufenthaltsbehörden und beim AMS wird das Zulassungsverfahren gestrafft und die Digitalisierung des Verfahrens weiter vorangetrieben. Darüber hinaus wird die Richtlinie (EU) 2021/1883  [über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung und zur Aufhebung der RL 2009/50/EG des Rates] („Blaue Karte EU-Richtlinie“) umgesetzt.

Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen, die mit 1. 10. 2022 in Kraft treten, näher dargestellt.

2. Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte

Bei der Prüfung der Qualifikationen und Berufserfahrungen der Anwerber für eine Rot-Weiß-Rot – Karte wird die bisherige strenge Verknüpfung von Qualifikation und Berufserfahrung im Punktesystem laut den Anlagen A bis D zum AuslBG gelockert und die gesetzliche Mindestentlohnung für „sonstige Schlüsselkräfte“ altersunabhängig festgesetzt.

2.1. Punkteberechnung neu

Die Vergabe von Punkten wird nunmehr pro Halbjahr und nicht wie bisher pro Jahr erfolgen. Antragsteller erhalten jeweils einen Punkt für ein halbes Jahr Berufserfahrung, sodass weiterhin zwei Punkte pro Jahr Berufserfahrung erreicht werden können. Zudem werden die Englischkenntnisse als Nachweis von Sprachkenntnissen im Punktesystem besser bewertet und Deutschkenntnissen gleichgestellt, sofern im Unternehmen, in dem die Beschäftigung beabsichtigt ist, Englisch die vorherrschende Sprache ist.

Durch den Entfall des Wortes „ausbildungsadäquate“ [Berufserfahrung] wird klargestellt, dass für die Berufserfahrung auch dann Punkte zu vergeben sind, wenn diese nicht ausbildungsadäquat ist und die abgeschlossene Berufsausbildung oder Qualifikation nicht der angestrebten Beschäftigung entspricht. Der Nachweis, dass die ausländische Arbeitskraft die Voraussetzungen für das vom Betrieb aufgestellte Anforderungsprofil erfüllt, ist bei der Prüfung der Arbeitsmarktlage gemäß § 4b Abs 1 AuslBG im Rahmen eines Ersatzkraftstellungsverfahrens zu erbringen.

Für Fachkräfte in Mangelberufen wird das Punktesystem vereinfacht, indem für den Nachweis einer Berufsausbildung im Mangelberuf einheitlich 30 Punkte vergeben werden. Die Punktevergabe erfolgt damit unabhängig davon, ob für den beantragten Beruf eine Lehrausbildung, der Abschluss einer berufsbildenden Schule oder ein Studium erforderlich ist. Darüber hinaus erhalten in der Kategorie „Alter“ auch über 40-jährige Fachkräfte 5 Punkte, wodurch auch ältere Bewerber künftig leichter die erforderlichen Mindestpunkte erreichen können.

2.2. Mindestentlohnung

Die bisherige Praxis bei der Zulassung „sonstiger Schlüsselkräfte“ hat gezeigt, dass die derzeit verlangte Mindestentlohnung von 60 % der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage in Branchen mit niedrigeren Kollektivvertragslöhnen für Antragsteller über 30 Jahren zu hoch sein kann. Um Einstiegsbarrieren zu reduzieren, liegt daher in § 12b Z 1 und 2 AuslBG das gesetzliche Mindestbruttoentgelt auch bei über 30-Jährigen bei 50 % der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage (für 2022 € 2.835 brutto) zuzüglich Sonderzahlungen.

Bei Studienabsolventen wird die gesetzliche Mindestentlohnung gänzlich beseitigt, jedoch weiterhin zumindest dem ortsüblichen Entgelt inländischer Studienabsolventen mit vergleichbarer Tätigkeit und Berufserfahrung entsprechen.

2.3. Sprachnachweise

Das AMS hat bei der Prüfung von Sprachnachweisen bisher § 21a NAG herangezogen, wonach ein Sprachdiplom zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein darf. Das BVwG hat jedoch in mehreren Entscheidungen zutreffend eingewendet, dass § 21a NAG hinsichtlich der Rot-Weiß-Rot – Karte nicht anzuwenden und dem AuslBG eine derartige Einschränkung der Anerkennung von Sprachdiplomen nicht zu entnehmen sei. In einem neuen § 20d Abs 6 AuslBG wird nunmehr klargestellt, dass Sprachdiplome und Kurszeugnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht älter als fünf Jahre sein dürfen, um für die im Punktesystem erforderlichen Sprachkenntnisse herangezogen werden zu können.

2.4. Arbeitsmarktzugang für Projektmitarbeiter

Für besonders qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten (Spezialisten), die ohne Zuwanderungsabsicht zur Durchführung zeitlich befristeter Projekte, insbesondere im IT-Bereich, zusätzlich zum Stammpersonal vorübergehend beschäftigt werden sollen, wird die Möglichkeit geschaffen, die erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen für längstens 6 Monate zu erteilen (§ 4a AuslBG neu).

3. Arbeitsmarktzugang von Stammmitarbeitern

Die mit 1. 1. 2022 in Kraft getretene Stammsaisonierregelung wird dahingehend geändert, dass nicht die Beschäftigung in den Kalenderjahren 2017 bis 2021, sondern eine Beschäftigung in den jeweils vorangegangenen fünf Kalenderjahren für die Registrierung als Stammsaisonier ausschlaggebend ist.

Jene Saisonarbeitskräfte, die bereits als Stammsaisoniers beim AMS registriert sind, erhalten künftig ungeachtet ihres Alters und ihrer Qualifikation eine Rot-Weiß-Rot – Karte  (§ 12d AuslBG neu). Als Stammmitarbeiter gelten Saisonarbeitskräfte, die über zwei Kalenderjahre im selben Wirtschaftszweig als registrierte Stammsaisoniers (siehe § 5 Abs  6a oder 7 AuslBG) mindestens 7 Monate pro Kalenderjahr beschäftigt waren. Um auch im Falle eines späteren Arbeitgeberwechsels gute Voraussetzungen für eine neue Beschäftigung sicherzustellen, sollen die Stammmitarbeiter zumindest über Deutschkenntnisse auf A2-Niveau verfügen.

Darüber hinaus muss der Arbeitgeber dem Stammmitarbeiter mit dem Angebot eines unbefristeten Arbeitsvertrages eine auf Dauer ausgerichtete Beschäftigung in Aussicht stellen.

4. Zulassungsverfahren

Zur Straffung der Verfahren sieht das Regierungsprogramm vor, dass die Ersatzkraftprüfung beschleunigt und nach Möglichkeit innerhalb von 10 Tagen durchgeführt werden soll. Dementsprechend wird das Arbeitsmarktservice angehalten, die verpflichtende Arbeitsmarktprüfung zügig vorzunehmen.

Weiters sind Arbeitgeber künftig berechtigt, Anträge auf Rot-Weiß-Rot - Karten bei gleichzeitiger Antragstellung auch gleich für Familienangehörige des Ausländers einzubringen.

5. Neue Servicestelle Rot-Weiß-Rot – Karte

„Work in Austria“ wurde 2019 als Abteilung der zum BMDW ressortierenden Austrian Business Agency österreichische Industrieansiedlungs- und WirtschaftswerbungsgmbH (ABA) eingerichtet und soll künftig als Plattform für die Beratung und Hilfestellung bei der Zulassung von Fach- und Schlüsselkräften im Rahmen des Rot-Weiß-Rot – Karten Verfahrens fungieren. Unternehmen und Antragsteller sollen mit mehrsprachiger und digital unterstützter Information und Beratung bei der Einbringung von Anträgen auf Rot-Weiß-Rot – Karten unterstützt und begleitet werden (§ 20h AuslBG neu). Um diese Aufgaben bestmöglich erfüllen zu können, sollen die Mitarbeiter von „Work in Austria“ die notwendigen Informationen bei den zuständigen Behörden einholen und Einsicht in die Verfahrensakten nehmen können. Es wird klargestellt, dass die ABA mit ihrer Tätigkeit als Servicestelle ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke iSd Bundesabgabenordnung verfolgt, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird.

6. Umsetzung Blaue Karte EU-Richtlinie

Die Richtlinie (EU) 2021/1883  über die Blaue Karte EU muss bis spätestens 18. 11. 2023 in Österreich umgesetzt werden. Die RL sieht gegenüber der ursprünglichen, mit BGBl I 2011/25 umgesetzten Blue Card-Richtlinie 2009/50/EG , weitere Erleichterungen bei der Zulassung hochqualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten und ihrer Familienangehörigen vor:

  • Die behördlichen Verfahren bei einer Änderung der Beschäftigung werden mit § 20d Abs 2a AuslBG für Inhaber der Blauen Karte vereinfacht. Bei einem Arbeitgeberwechsel nach einer zwölfmonatigen Beschäftigung im selben Mitgliedstaat entfällt die Arbeitsmarktprüfung und die beantragte neue Beschäftigung kann sofort vorläufig aufgenommen werden. Liegt noch keine zwölfmonatige Beschäftigung vor, kann der Inhaber der Blauen Karte nach Ablauf einer Frist von 30 Tagen ab Antragstellung die beantragte neue Beschäftigung vorläufig aufnehmen. § 50a Abs 1 NAG sieht für Personen, die seit zumindest zwölf Monaten Inhaber einer Blauen Karte EU eines anderen Mitgliedstaates sind, eine gleichartig ausgestaltete Bestimmung zur beschleunigten Aufnahme der Beschäftigung bei ihrer Zulassung in Österreich vor.
  • Für bestimmte hochqualifizierte Tätigkeiten im IKT-Bereich wird kein Hochschul- oder Fachhochschulabschluss mehr benötigt; der Nachweis einer dreijährigen einschlägigen Berufserfahrung auf dem Niveau eines Hochschul- oder Fachhochschulabschlusses ist ausreichend.
  • Um die Attraktivität der Blauen Karte EU zu erhöhen, wird die Gehaltsschwelle des 1,5-fachen nunmehr auf das 1-fache des in Österreich gegebenen durchschnittlichen Brutto-Jahresgehalts abgesenkt.
  • Für Ausländer, die eine gültige Blaue Karte EU eines anderen Mitgliedstaates der EU innehaben, ist zur Ausübung einer geschäftlichen Tätigkeit im Bundesgebiet für eine Dauer von 90 Tagen eines Zeitraumes von 180 Tagen keine Entsendebewilligung oder Beschäftigungsbewilligung erforderlich, wenn die Tätigkeit in direktem Zusammenhang mit den geschäftlichen Interessen ihres in dem anderen Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgebers und ihren beruflichen Pflichten im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses zu dem Arbeitgeber steht. Als geschäftliche Tätigkeiten gelten die Teilnahme an internen oder externen Geschäftssitzungen, an Konferenzen oder Seminaren, an Verhandlungen über Geschäftsabschlüsse, Verkaufs- oder Vermarktungstätigkeiten, die Sondierung von Geschäftsmöglichkeiten oder die Teilnahme an Schulungen.
  • Die Arbeitsmarktprüfung entfällt, wenn ein Inhaber eines nationalen Aufenthaltstitels für eine hochqualifizierte Beschäftigung (Rot-Weiß-Rot – Karte) unter Beibehaltung des bisherigen Arbeitsplatzes auf eine Blaue Karte EU umsteigt
  • Entfall der Arbeitsmarktprüfung, wenn ein Inhaber eines nationalen Aufenthaltstitels für eine hochqualifizierte Beschäftigung (Rot-Weiß-Rot – Karte) unter Beibehaltung des bisherigen Arbeitsplatzes auf eine Blaue Karte EU umsteigt.

Alle übrigen Voraussetzungen für die Blaue Karte EU wurden bereits im Rahmen der Umsetzung der Vorgänger-Richtlinie aus 2009 im nationalen Migrationsrecht (AuslBG und NAG) verankert.

Alle übrigen Voraussetzungen für die Blaue Karte EU wurden bereits im Rahmen der Umsetzung der Vorgänger-Richtlinie aus 2009 im nationalen Migrationsrecht (AuslBG und NAG) verankert.



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