Aufhebung der Indexierung der Familienbeihilfe und der steuerlichen Absetzbeträge

GesetzgebungSteuerrechtBleyerJuli 2022

Aufhebung der Indexierung der Familienbeihilfe und der steuerlichen Absetzbeträge aufgrund des EuGH-Urteils vom 16. 6. 2022. 

Inkrafttreten

1.1.2019

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

28.7.2022

Betroffene Normen

EStG, FLAG

Betroffene Rechtsgebiete

Einkommensteuer, Familienbeihilfe

Quelle

BGBl I 2022/135

Bundesgesetz, mit dem das FLAG 1967 und das EStG 1988 geändert werden; BGBl I 2022/135, ausgegeben am 28. 7. 2022
 (NR 8. 7. 2022, 595/BNR 27. GP AB 30. 6. 2022, 1633 BlgNR 27. GP , IA 23. 6. 2022, 2678/A 27. GP )

1. Änderung des FLAG

1.1. Aufhebung der Indexierung der Familienbeihilfe

Der EuGH hat mit Urteil vom 16. 6. 2022, C–328/20 , ARD 6805/11/2022, ausgesprochen, dass die ab 1. 1. 2019 geltende Indexierung der Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den EWR oder der Schweiz aufgehalten haben oder aufhalten (vgl BGBl I 2018/83, zum Briefing), nicht dem EU-Recht entspricht.

§ 8a FLAG soll daher rückwirkend ab 1. 1. 2019 mit folgenden Maßgaben entfallen:

  • Die Nachzahlungen an Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig in Bulgarien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn oder Zypern aufgehalten haben oder aufhalten, erfolgen automationsunterstützt, soweit auf Grund der im Familienbeihilfenverfahren vorhandenen Daten eine Auszahlung durchführbar ist (insbesondere Vorhandensein einer aktuellen Kontonummer). Ist mangels Vorliegen von Daten keine Auszahlung durchführbar, ist ein Antrag auf Nachzahlung des Differenzbetrages an Familienbeihilfe zu stellen, wobei die Verjährungsbestimmungen des § 10 Abs 3 FLAG 1967 keine Anwendung finden. Demnach kann ein Antrag auch nach fünf Jahren gestellt und die Nachzahlung durchgeführt werden.
  • Familienbeihilfenbeträge für Kinder, die sich ständig in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz oder dem Vereinigten Königreich aufgehalten haben oder aufhalten, gelten bis zum 30. 6. 2022 in Bezug auf die Höhe als rechtmäßig zuerkannt und die Differenz auf die niedrigere Familienbeihilfe ist nicht zurückzuzuzahlen.

(Entfall des § 8a und § 53 Abs 4 FLAG, Änderung des § 14 FLAG und Anfügen von § 55 Abs 56 FLAG)

1.2. Aufhebung vergangener Familienleistungen

Die Abschnitte II und IIb sollen mit dem der Kundmachung des Bundesgesetzes folgenden Tages außer Kraft treten. Es erfolgt damit eine formale Aufhebung der Bestimmungen vergangener Familienleistungen (Kleinkindbeihilfe und Mutter-Kind-Paß-Bonus). (Entfall der Abschnitte II und IIb, Anfügen von § 55 Abs 55 FLAG)

1.3. Familienbeihilfe für Vertriebene aus der Ukraine

Personen, die aufgrund der kriegerischen Handlungen in der Ukraine vertrieben worden sind und in Österreich vorübergehend Schutz finden, sollen für ihre Kinder österreichische Familienleistungen erhalten, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Vertriebene begründen allerdings keinen Lebensmittelpunkt in Österreich, weshalb für die Dauer des Aufenthaltes in Österreich eine Fiktion des Lebensmittelpunktes geschaffen wird.

Die FLAG-Sonderbestimmung wird mit der Gültigkeit des vorübergehenden Aufenthaltrechtes nach der Vertriebenen-VO (ein Jahr bis 3. 3. 2023 und im Falle einer Verlängerung um ein weiteres Jahr bis längstens 3. 3. 2024) beschränkt. In Kraft tritt sie rückwirkend mit 12. 3. 2022. (§ 3 Abs 6 und Abs 7§ 55 Abs 57 FLAG)

2. Änderung des EStG

Der EuGH hat mit Urteil vom 16. 6. 2022, C–328/20 , ARD 6805/11/2022, ausgesprochen, dass die ab 1. 1. 2019 geltende Indexierung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den EWR oder der Schweiz aufgehalten haben oder aufhalten (vgl BGBl I 2018/62, zum Briefing), nicht dem EU-Recht entspricht. Von der Indexierung sind auch die familienbezogenen Absetzbeträge (Familienbonus Plus, Alleinverdiener-, Alleinerzieher-, Kinder- und Unterhaltsabsetzbetrag sowie Kindermehrbetrag) betroffen. Mit der Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988 soll dem Urteil des EuGH entsprochen werden:

2.1. Aufhebung der Indexierung des Kinderabsetzbetrages

Die Formulierung des § 33 Abs 3 FLAG soll derjenigen vor Einführung des Familienbonus Plus mit BGBl I 2018/62 entsprechen und mit 1. 1. 2019 in Kraft treten: Da der Kinderabsetzbetrag gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird, soll dessen Nachzahlung gleich wie die Nachzahlung der Familienbeihilfe behandelt werden:

  • Die Nachzahlungen des Kinderabsetzbetrages für Kinder, die sich ständig in Bulgarien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn oder Zypern aufgehalten haben oder aufhalten, erfolgen im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe automationsunterstützt, soweit auf Grund der im Familienbeihilfenverfahren vorhandenen Daten eine Auszahlung durchführbar ist (insbesondere Vorhandensein einer aktuellen Kontonummer).
  • Der Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz oder dem Vereinigten Königreich aufgehalten haben oder aufhalten, gilt bis zum 30.6. 2022 in Bezug auf die Höhe als rechtmäßig zuerkannt und die Differenz auf den niedrigeren Kinderabsetzbetrag soll nicht zurückzuzahlen sein.

(§ 33 Abs 3 und § 124b Z 409 EStG)

2.2. Aufhebung der Indexierung der familienbezogenen Absetzbeträge

Für den Familienbonus Plus, den Alleinverdiener-, Alleinerzieher- und den Unterhaltsabsetzbetrag sowie den Kindermehrbetrag sollen die Bestimmungen zur Indexierung ebenfalls entfallen und Folgendes gelten:

2.2.1. Niedriger indexierte Beträge

§ 33 Abs 3a, Abs 4 und Abs 7 EStG idF des Bundesgesetzes BGBl I 2022/135 sind für Kinder, die sich ständig in Bulgarien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn oder Zypern aufhalten, erstmalig anzuwenden, wenn

  • die Einkommensteuer veranlagt oder durch Veranlagung festgesetzt wird, bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2019. Die Änderung des Bundesgesetzes soll ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO darstellen; auf dieser Grundlage können die schon ergangenen Veranlagungsbescheide für die Kalenderjahre 2019 bis einschließlich 2021 rückwirkend geändert werden. Für diese Zeiträume sollen hinsichtlich der Rückzahlungen keine Anspruchszinsen gemäß § 205 BAO zustehen.
  • die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben wird, für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31. 12. 2021 enden. Wurden für derartige Lohnzahlungszeiträume § 33 Abs 3a und Abs 4 EStG idF BGBl I 2022/135 noch nicht berücksichtigt, hat der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer eine Aufrollung gemäß § 77 Abs 3 EStG so bald wie möglich, jedoch spätestens bis 30. 9. 2022 durchzuführen, sofern die technischen und organisatorischen Möglichkeiten dazu vorliegen. 

Hinweis 
Bei der Aufrollung ist ua auch Folgendes zu beachten: Durch das Teuerungs-Entlastungspaket, BGBl I 2022/93, wurde die Erhöhung des Familienbonus Plus von 1. 7. 2022 auf 1.1. 2022 vorverschoben.

2.2.2. Höher indexierte Beträge

Für Kinder, die sich ständig in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz oder dem Vereinigten Königreich aufhalten, sind § 33 Abs 3a, Abs 4 und Abs 7 EStG idF BGBl I 2022/135 erstmalig ganzjährig für das Kalenderjahr 2023 anzuwenden. 

Für das Kalenderjahr 2022 soll Folgendes vorgesehen werden:

  • In der Lohnverrechnung für das Kalenderjahr 2022 sollen die höher indexierten Beträge bis Juli 2022 berücksichtigt werden und danach die nicht indexierten Beträge.
  • Beim Familienbonus Plus und beim Unterhaltsabsetzbetrag sollen in der Veranlagung für das Kalenderjahr 2022 für die Kalendermonate Jänner bis Juli 2022 die höher indexierten Beträge und für die Kalendermonate August bis Dezember 2022 die einheitlich nicht indexierten Beträge herangezogen werden. Beim Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag sowie beim Kindermehrbetrag soll in der Veranlagung für das Kalenderjahr 2022 für die Kalendermonate Jänner bis Juli 2022 jeweils ein Zwölftel der höher indexierten Beträge und für die Kalendermonate August bis Dezember 2022 ein Zwölftel der einheitlich nicht indexierten Beträge herangezogen werden. 

(Entfall von § 33 Abs 3a Z 2 und Z 5, Abs 4 Z 4 und Z 5 und Abs 7 Z 2 und § 124b Z 410 EStG)

Hinweis 
Zur Indexierung im Jahr 2022 siehe die VO BGBl II 2022/309, Rechtsnews 32953.

2.3. Lohnkonto, Lohnzettel, amtliches Formular E30

Auf Grund der Aufhebung der Indexierung ist eine Bezugnahme auf den Wohnsitz für die korrekte Berechnung der Lohnsteuer nicht mehr notwendig, weshalb die diesbezüglichen Normen in den §§ 76, 84 und 129 EStG entfallen können. (§ 76 Abs 1, § 84 Abs 5 und § 129 Abs 2 EStG)

Hinweis
Siehe hierzu auch die Informationen auf der Website des BMF: EuGH-Urteil betreffend die Indexierung der steuerlichen Absetzbeträge (bmf.gv.at)



Stichworte