Normen
KStG 1988 §9 Abs1
KStG 1988 §9 Abs4
KStG 1988 §9 Abs5
UmgrStG 1991 §2 Abs3
UmgrStG 1991 §3 Abs1 Z4
UmgrStG 1991 §5 Abs1 Z1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022150032.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte GmbH ist ‑ nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) ‑ Rechtsnachfolgerin der P GmbH. Aus dem Gruppenfeststellungsbescheid vom 7. März 2018 ergibt sich, dass die P GmbH ab dem Jahr 2017 in die revisionsgegenständliche Unternehmensgruppe eingetreten ist.
2 Mit Bescheid vom 10. September 2018 wurde ein Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2017 für die P GmbH erlassen und ausgesprochen, dass ihr Ergebnis dem Gruppenträger zu 100 % zuzurechnen sei.
3 Mit Vertrag vom 26. September 2018 wurde das Gruppenmitglied P GmbH als übertragende Gesellschaft auf die mitbeteiligte GmbH als übernehmende Gesellschaft zum Stichtag 31. Dezember 2017 verschmolzen. In der Folge wurde die P GmbH im Firmenbuch gelöscht. Die mitbeteiligte GmbH war zum 31. Dezember 2017 noch kein Mitglied der Unternehmensgruppe. Sie war allerdings bereits seit dem Jahr 2000 eine 100%ige Tochtergesellschaft der Gruppenträgerin und jedenfalls am 26. September bereits Gruppenmitglied.
4 Mit Bescheid vom 13. Dezember 2018 hob das Finanzamt den Bescheid vom 10. September 2018 betreffend Feststellung Gruppenmitglied 2017 gemäß § 299 BAO auf; es stellte diesen Bescheid an die Mitbeteiligte als Rechtsnachfolgerin der P GmbH zu. Begründend führte das Finanzamt aus, die Verschmelzung eines Gruppenmitglieds auf eine nicht der Unternehmensgruppe angehörige Körperschaft führe bei Verschmelzungsstichtagen innerhalb der Mindestbestanddauer zum rückwirkenden Ausscheiden der übertragenden Körperschaft (§ 9 Abs. 5 und Abs. 10 KStG 1988). Der Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2017 sei daher aufzuheben und für 2017 eine Individualbesteuerung durchzuführen.
5 Mit Bescheid vom Februar 2019 wurde daraufhin gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 auch der Gruppenfeststellungsbescheid 2017 geändert und die Zugehörigkeit der mitbeteiligten GmbH zur Unternehmensgruppe rückwirkend ab der Veranlagung 2017 gemäß § 295a BAO iVm § 9 Abs. 10 Teilstr 3 KStG 1988 aufgehoben.
6 Gegen den Aufhebungsbescheid vom 13. Dezember 2018 erhob die Mitbeteiligte Beschwerde. Zur Begründung wird u.a. vorgebracht, die mitbeteiligte GmbH sei seit 2000 eine Tochtergesellschaft der Gruppenträgerin und sei ab dem Veranlagungsjahr 2018 in die Gruppe aufgenommen worden. Die finanzielle Verbindung zwischen diesen beiden Gesellschaften habe also schon seit dem Jahr 2000 bestanden und habe sich durch die Verschmelzung der P GmbH auf die Mitbeteiligte nicht geändert. Die in Rede stehende Verschmelzung sei also auf ein zu diesem Zeitpunkt bereits unmittelbar verbundenes Gruppenmitglied erfolgt. Die Gruppenträgerin sei nicht erst durch die Verschmelzung zu einer ausreichenden finanziellen Verbindung an der mitbeteiligten GmbH gekommen, welche bereits seit dem Jahr 2000 eine 100%ige Tochter der Gruppenträgerin sei.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde Folge. Begründend führte es aus, im Revisionsfall sei ein Gruppenmitglied auf eine zum Verschmelzungsstichtag (31. Dezember 2017) nicht zur Gruppe gehörende Tochter des Gruppenträgers verschmolzen worden. Zum Vertragserrichtungszeitpunkt (26. September 2018) sei die aufnehmende Gesellschaft jedoch bereits Teil der Gruppe gewesen (mit Wirkung für das Jahr 2018).
8 Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 4 KStG 1988 gälten nur Vermögensübertragungen innerhalb der Unternehmensgruppe nicht als Änderung der Voraussetzung für die Gruppenbildung. Werde daher ein Gruppenmitglied auf eine gruppenfremde Körperschaft verschmolzen, scheide das Gruppenmitglied ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Tag aus der Gruppe aus bzw. komme es bei Verschmelzungsstichtagen innerhalb der dreijährigen Mindestbestandsdauer des § 9 Abs. 10 KStG 1988 zu einer Rückabwicklung für das Gruppenmitglied. Gruppenmitglieder, welche im Rahmen der Umgründungsmaßnahme aus der Gruppe hinausverschmolzen würden, schieden demnach grundsätzlich aus der Unternehmensgruppe aus.
9 Dies solle nach Ansicht der Amtspartei auch im gegenständlichen Fall gelten, obwohl eine ausreichende finanzielle Verbindung mit der gruppenfremden übernehmenden Körperschaft bestehe und die übernehmende Körperschaft durch die Stellung eines rechtzeitigen Ergänzungsantrags mit 1. Jänner 2018 in die Unternehmensgruppe aufgenommen worden sei. Hierdurch werde nach Ansicht der Amtspartei zwar die übernehmende Körperschaft zum Gruppenmitglied, das übertragende Gruppenmitglied scheide jedoch dessen ungeachtet verschmelzungsbedingt aus der Unternehmensgruppe aus (Hinweis auf UmgrStR Rz 354).
10 Dagegen spreche nach Ansicht des BFG jedoch Folgendes: Umgründungen gälten mit Ablauf des vereinbarten Stichtages als durchgeführt. Die Verschmelzung zum 31. Dezember 2017 sei daher am 1. Jänner 2018 wirksam geworden. Da Umgründungen erst mit Ablauf des Umgründungsstichtages ertragsteuerlich wirksam würden, sei das übertragene Vermögen erst nach Ablauf des Umgründungsstichtages dem übernehmenden Rechtsträger ertragsteuerlich zuzurechnen. Wenn die gruppenfremde Körperschaft mit Wirkung ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Tag in die Gruppe aufgenommen werde, handle es sich nach Ansicht des BFG um die Übertragung von Vermögen innerhalb einer Unternehmensgruppe iSd § 9 Abs. 5 S 4 KStG und somit um den Fall einer „nahtlosen“ Gruppenzugehörigkeit des übertragenden Gruppenmitglieds (Hinweis auf Jann/Rittsteuer/Schneider in Kofler, UmgrStG10 KStG § 9 Rz 92). Dafür sprächen auch die ErlRV zum BudBG 2007 zu § 5 Abs. 1, wonach die Rückwirkungsfiktion auf Anteilsinhaberebene bei der Verschmelzung und Spaltung eingeführt worden sei, um bei der Gruppenbesteuerung unerwünschte Erschwernisse zu beseitigen (Hinweis auf ErlRV 43 BlgNR 23. GP , 25; Wiesner/Mayr, RdW 2007, 437).
11 Für den Fall der Verschmelzung des Gruppenträgers habe der Verwaltungsgerichtshof zwar in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2016, 2013/13/0066, eine restriktive Haltung eingenommen. Demnach begründe der Untergang des Gruppenträgers infolge Verschmelzung ein Ausscheiden des Gruppenträgers aus der Unternehmensgruppe. Das Ausscheiden des Gruppenträgers gehe nach § 9 Abs. 9 KStG 1988 mit der Beendigung der Unternehmensgruppe einher. Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs. 5 KStG 1988, wonach Umgründungen innerhalb der Gruppe für den Bestand der Gruppe unschädlich seien, greife nicht, weil es sich um eine Verschmelzung des Gruppenträgers auf eine Gesellschaft außerhalb der Gruppe handle.
12 Diese Rechtsprechung sei aber auf den gegenständlichen Fall nach Ansicht des BFG nicht anwendbar. Die Gruppe werde im gegenständlichen Fall nämlich nicht „nach oben“ erweitert. Im Revisionsfall sei die gruppenfremde übernehmende Gesellschaft mit Wirksamkeit zum 1. Jänner 2018 in die Unternehmensgruppe aufgenommen worden und es habe schon davor eine 100%ige Beteiligung des Gruppenträgers bestanden. Nach Ansicht des BFG liege dadurch eine ununterbrochene Gruppenzugehörigkeit des übertragenen Gruppenmitglieds bzw. des diesbezüglichen Vermögens vor. Demzufolge scheide die P GmbH nach Ansicht des BFG aufgrund der Verschmelzung nicht aus der Unternehmensgruppe aus. Ebenso führe eine Verschmelzung vor Ablauf der dreijährigen Mindestbestandsdauer im gegenständlichen Fall entgegen der Ansicht der Amtspartei zu keiner Rückabwicklung der Unternehmensgruppe, weil eine gruppeninterne Verschmelzung keine Bedeutung für die dreijährige Mindestzugehörigkeit einer Gesellschaft zur Gruppe habe, zumal sich das Vermögen auch nach der Verschmelzung in der Gruppe befinde.
13 Die Revision ließ das BFG zu. Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 4 KStG 1988 gälten nur Vermögensübertragungen innerhalb der Unternehmensgruppe nicht als Änderung der Voraussetzung für die Gruppenbildung. Ob diese Voraussetzung beim gegenständlichen Sachverhalt vorliege, sei vom Verwaltungsgerichtshof bisher nicht entschieden worden.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Finanzamts. Zu deren Zulässigkeit bringt die Amtsrevision vor, im Revisionsfall stelle sich die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bisher noch nicht beantwortete entscheidende Rechtsfrage, ob für die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 5 vierter Satz KStG 1988 eine nahtlose Gruppenzugehörigkeit von übertragender und übernehmender Körperschaft ausreichend oder eine zumindest kurzfristig überlappende Gruppenzugehörigkeit erforderlich sei.
15 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
17 Die Amtsrevision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
18 § 9 Abs. 5 KStG 1988 lautet:
„Die finanzielle Verbindung im Sinne des Abs. 4 muss während des gesamten Wirtschaftsjahres des jeweiligen Gruppenmitgliedes vorliegen. Erfüllen im Falle einer Beteiligungsgemeinschaft die Mitbeteiligten die Voraussetzungen des Abs. 4 zu Beginn des Wirtschaftsjahres des jeweiligen Gruppenmitglieds, kann die Beteiligungsgemeinschaft bis zum Gruppenantrag gebildet werden. Steuerlich wirksame rückwirkende Anteilserwerbe und Anteilsübertragungen im Sinne der Abgabenvorschriften sind auch für die Frage der finanziellen Verbindung maßgebend. Vermögensübertragungen innerhalb der Unternehmensgruppe gelten nicht als Änderung der Voraussetzungen für Gruppenverhältnisse, sofern die Unternehmensgruppe weiterhin finanziell verbunden bleibt.“
19 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Mai 2019, Ra 2018/13/0029, ausgesprochen hat, ist § 9 Abs. 5 letzter Satz KStG 1988 für Gesamtrechtsnachfolgen innerhalb der Gruppe von normativer Bedeutung.
20 Im Revisionsfall ist vor dem Hintergrund dieser Bestimmung strittig, ob es sich bei der revisionsgegenständlichen Verschmelzung des bisherigen Gruppenmitglieds P GmbH zum Stichtag 31. Dezember 2017 auf die mitbeteiligte Gesellschaft, die seit 1. Jänner 2018 Teil der Unternehmensgruppe ist, um eine „Vermögensübertragung innerhalb der Unternehmensgruppe“ handelt, auf die § 9 Abs. 5 letzter Satz KStG 1988 anwendbar ist.
21 Im Falle einer Verschmelzung nach Art. I UmgrStG hat die übertragende Körperschaft bei der Ermittlung des Gewinnes für das mit dem Verschmelzungsstichtag endende Wirtschaftsjahr das Betriebsvermögen mit dem Wert anzusetzen, der sich nach den steuerrechtlichen Vorschriften ergibt (§ 2 Abs. 1 UmgrStG). Die übernehmende Körperschaft hat nach § 3 Abs. 1 UmgrStG die zum Verschmelzungsstichtag steuerlich maßgebenden Buchwerte im Sinne des § 2 fortzuführen. Verschmelzungsstichtag ist gemäß § 2 Abs. 5 UmgrStG der Tag, zu dem die Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft aufgestellt ist, die der Verschmelzung zugrunde gelegt wird.
22 § 2 Abs. 3 UmgrStG regelt, dass das Einkommen der übertragenden Körperschaft so zu ermitteln ist, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Verschmelzungsstichtages erfolgt wäre. Nach § 3 Abs. 1 Z 4 UmgrStG gilt für die übernehmende Körperschaft § 2 Abs. 3 UmgrStG mit dem Beginn des auf den Verschmelzungsstichtag folgenden Tages. Diese Regelungen für die übertragende und die übernehmende Körperschaft gewährleisten einen nahtlosen Übergang in körperschaftsteuerlicher Hinsicht (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum UmgrStG in der Stammfassung, BGBl. Nr. 699/1991, 266 BlgNR 18. GP 16 f). Das unter Einsatz des übergehenden Vermögens erzielte Einkommen ist somit (erst) mit dem Beginn des auf den Verschmelzungsstichtag folgenden Tages der übernehmenden Körperschaft zuzurechnen. Das Vermögen wird ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Tag dem Rechtsnachfolger zugerechnet (VwGH 8.4.2022, Ro 2021/13/0015).
23 Daraus ergibt sich, dass im Revisionsfall aus ertragsteuerlicher Sicht das Vermögen der P GmbH mit Beginn des 1. Jänner 2018 auf die mitbeteiligte Gesellschaft übergegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt war die mitbeteiligte Gesellschaft ‑ wie das BFG zu Recht erkannt hat ‑ bereits Mitglied der gegenständlichen Unternehmensgruppe, ist sie dieser doch bereits mit Wirksamkeit 1. Jänner 2018 beigetreten.
24 Damit ist § 9 Abs. 5 letzter Satz KStG 1988 aber Genüge getan, da das betroffene Vermögen die Gruppe nie verlassen hat. Ein zeitlich überlappendes Bestehen von übertragender und übernehmender Gesellschaft ist nicht notwendig, ein nahtloser zeitlicher Anschluss ist ausreichend (ebenso Hirschler/Sulz/Oberkleiner, BFG Journal 2022, 191 ff).
25 Entscheidend für den im gegenständlichen Fall gegebenen nahtlosen Übergang ist allerdings, dass die mitbeteiligte GmbH von vornherein eine hinreichend finanziell verbundene Körperschaft (§ 9 Abs. 4 KStG 1988) gewesen ist und deshalb unabhängig von der gegenständlichen Verschmelzung ab dem Jahr 2018 Gruppenmitglied werden konnte und im Zeitpunkt des Abschlusses des Verschmelzungsvertrages auch bereits Gruppenmitglied gewesen ist. Läge hingegen der in der Revision des Finanzamtes angesprochene Fall vor, bei welchem die hinreichende finanzielle Verbindung erst durch die Verschmelzung auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Z 1 UmgrStG (rückwirkender Anteilserwerb) hergestellt wird, also gleichsam erst als Folge der Verschmelzung eintritt, könnte nicht mehr von einem nahtlosen Übergang im hier maßgeblichen Sinn ausgegangen werden.
26 Die Revision erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
27 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. Oktober 2022
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