Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Streitpunkt des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob die Verschmelzung eines Gruppenträgers (im Folgenden: C AG) mit der erstmitbeteiligten Partei (im Folgenden: C GmbH) im Rahmen eines Upstream-Mergers mit einer gruppenfremden Gesellschaft zur Beendigung der Gruppe führte.
2 Mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 sprach das Finanzamt aus, dem Antrag der C AG auf Feststellung einer Gruppe gem. § 9 Abs. 8 KStG 1988 werde stattgegeben und es werde dem Antrag entsprechend das Bestehen einer Gruppe zwischen der C AG als Gruppenträger und einzeln angeführten inländischen Gruppenmitgliedern ab der Veranlagung 2005 festgestellt.
3 Mit Bescheid vom 9. Februar 2009 ("Gruppenfeststellungsbescheid 2008") wurde der Bescheid vom 19. Dezember 2005 u.a. dahingehend abgeändert, dass für zwei weitere inländische Gruppenmitglieder (die FH GmbH und die F GmbH) ab der Veranlagung 2008 die Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe gelte.
4 Mit Bescheid vom 11. Oktober 2010 ("Gruppenfeststellungsbescheid 2009") wurde der Bescheid vom 19. Dezember 2005 weiter dahingehend abgeändert, dass die Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe für zwei (mit einem dritten Gruppenmitglied verschmolzene) Gruppenmitglieder (die TR GmbH und die TS GmbH) mit der Veranlagung 2009 ende.
5 Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2010 zeigte die C GmbH dem Finanzamt erstens an, dass die bisherige Gruppenträgerin (C AG) als übertragende Gesellschaft mit der C GmbH als aufnehmender Gesellschaft zum Verschmelzungsstichtag 30. Juni 2010 verschmolzen worden sei und die Gruppe als Folge der eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge mit der C GmbH als Gruppenträgerin fortgesetzt werde ("Anzeige der durch die Verschmelzung (...) verursachte(n) Änderung (...) gem. § 9 Abs. 9 KStG"). Zweitens stellte sie für den Fall, dass dieser "Anzeige sowie de(n) darin beschriebenen steuerlichen Wirkungen nicht gefolgt wird", "in eventu" den Antrag auf Feststellung einer Unternehmensgruppe mit der C GmbH als Gruppenträgerin ab dem Veranlagungsjahr 2010, wozu sie sinngemäß ausführte, die Gesamtrechtsnachfolge müsse dann, wenn es einer neuen Gruppenbildung bedürfe, zumindest bewirken, dass der C GmbH die Besitzzeiten der C AG vor dem Verschmelzungsstichtag zuzurechnen seien. Schließlich stellte sie drittens für den Fall, dass auch dem nicht gefolgt werde, "in eventu" den Antrag auf Feststellung einer Unternehmensgruppe mit der C GmbH als Gruppenträgerin ab dem Veranlagungsjahr 2011.
6 Mit Bescheid vom 15. April 2011 ("Gruppenfeststellungsbescheid 2008, Änderung gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 zu Bescheid vom 09.02.2009") änderte das Finanzamt den Bescheid vom 9. Februar 2009 dahingehend ab, dass die Zugehörigkeit der FH GmbH und der F GmbH zur Unternehmensgruppe "rückwirkend gem. (§) 295a BAO in Verbindung mit § 9 Abs. 10
3. Teilstrich KStG 1988 als aufgehoben" gelte. Begründend wurde dargelegt, die Gruppe sei durch die Verschmelzung der C AG mit der
C GmbH mit der Veranlagung 2009 beendet worden, sodass die FH GmbH und die F GmbH die Mindestzugehörigkeitsdauer von drei Jahren nicht erreicht hätten.
7 Mit Bescheid vom 2. Mai 2011 ("Bescheid über die Beendigung der Unternehmensgruppe, Änderung gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 zu Bescheid vom 11.10.2010 (sic)") sprach das Finanzamt folgendes aus:
"Gemäß Ihrem Antrag vom 22.12.2010 (sic) endet das Bestehen einer Unternehmensgruppe mit der Veranlagung 2009."
8 Begründend wurde dargelegt, durch die Verschmelzung des Gruppenträgers auf eine nicht der Unternehmensgruppe angehörende Körperschaft werde "die Unternehmensgruppe stets beendet, weil die Funktion des Gruppenträgers nicht auf eine Körperschaft außerhalb der Unternehmensgruppe übertragen werden kann".
9 Mit Bescheid vom 10. Mai 2011 stellte das Finanzamt - ohne die Rechtskraft des Bescheides vom 2. Mai 2011 abgewartet und ohne über den ersten Eventualantrag entschieden zu haben - das Bestehen der neuen Gruppe ab der Veranlagung 2011 fest.
10 Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2011 erhoben die C GmbH sowie die FH GmbH und die F GmbH gegen den Bescheid vom 15. April 2011 und die C GmbH sowie weitere Gruppenmitglieder gegen den Bescheid vom 2. Mai 2011 Berufung.
11 Mit Bescheid vom 27. Juni 2011, adressiert an die (nicht mehr existierende) C AG als Gruppenträger sowie an Gruppenmitglieder, wies das Finanzamt den "Antrag von der C AG" auf Feststellung einer Unternehmensgruppe ab dem Veranlagungsjahr 2010 ab. Zur Begründung wurde auf den Bescheid vom 10. Mai 2011 verwiesen. In dessen Begründung war u. a. dargelegt worden, für eine Gruppenbildung ab der Veranlagung 2010 sei die ausreichende finanzielle Verbindung zwischen der C GmbH und den Gruppenmitgliedern noch nicht gegeben. Mit Rücksicht auf den Verschmelzungsstichtag sei das Erfordernis des Vorliegens der finanziellen Verbindung während des gesamten Wirtschaftsjahres erst ab dem Jahr 2011 erfüllt.
12 Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2011 erhoben die C GmbH und Gruppenmitglieder Berufung gegen den Bescheid vom 27. Juni 2011.
13 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde - nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - den Berufungen gegen die Bescheide vom 15. April 2011 (im angefochtenen Bescheid: "Gruppenfeststellungsbescheid 2008") und vom 2. Mai 2011 (im angefochtenen Bescheid: "Gruppenfeststellungsbescheid 2009") statt. Sie hob diese Bescheide ersatzlos auf. Die Berufung der C GmbH gegen den Bescheid vom 27. Juni 2011 (im angefochtenen Bescheid: "Feststellung gemäß § 9 Abs. 8 KStG 1988 für 2010") wies die belangte Behörde zurück, weil der Bescheid nicht an die C GmbH adressiert gewesen war. Hinsichtlich der übrigen Berufungswerberinnen wies die belangte Behörde diese Berufung ab.
14 In der Begründung ihrer Entscheidung setzte sich die belangte Behörde damit auseinander, ob die Gruppenträgereigenschaft ein "höchstpersönliches Recht" darstelle, das im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge nicht auf den Rechtsnachfolger übergehe, und ob ein "Ausscheiden" des Gruppenträgers aus der Gruppe vorliege, was gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 zur Beendigung der Gruppe führe. Da - im Einklang mit im Schrifttum geäußerten Meinungen und entgegen der in Rz 354d der Umgründungssteuerrichtlinien 2002 zum Ausdruck gebrachten Ansicht -
beide Fragen zu verneinen seien, habe die Verschmelzung eine Übertragung der Gruppenträgerfunktion von der C GmbH auf die C AG (gemeint: von der C AG auf die C GmbH) bewirkt, womit die Gruppe "nahtlos fortgesetzt" worden sei. Die Bescheide vom 15. April 2001 und vom 2. Mai 2011 seien daher (ersatzlos) aufzuheben. Das "Eventualbegehren auf Gruppenbildung ab dem Veranlagungsjahr 2010" sei dadurch "grundsätzlich bedeutungslos" und die Berufung gegen den Bescheid vom 27. Juni 2011 "mangels Beschwer" abzuweisen. Besonderes gelte hier nur für die Berufung der C GmbH, an die der Bescheid nicht adressiert gewesen und deren Berufung daher zurückzuweisen sei. Auf die Feststellung der neuen Gruppe ab dem Veranlagungsjahr 2011 durch den (soweit ersichtlich, unbekämpft gebliebenen) Bescheid vom 10. Mai 2011 ging die belangte Behörde nicht näher ein.
Über die dagegen erhobene Amtsbeschwerde des Finanzamtes hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde und Erstattung einer gemeinsamen Gegenschrift durch die mitbeteiligten Parteien (C GmbH und Gruppenmitglieder) erwogen:
15 § 9 Abs. 5 letzter Satz und Abs. 9 erster und zweiter Teilstrich KStG 1988 lauten (seit dem 31. Dezember 2004 unverändert):
"§ 9. (...)
(5) (...) Vermögensübertragungen innerhalb der Unternehmensgruppe gelten nicht als Änderung der Voraussetzungen für Gruppenverhältnisse, sofern die Unternehmensgruppe weiterhin finanziell verbunden bleibt.
(...)
(9) Für Änderungen einer bestehenden Unternehmensgruppe gilt Folgendes:
- Jede Änderung ist vom betroffenen Gruppenmitglied bzw. vom betroffenen Gruppenträger dem für die Erhebung der Körperschaftsteuer des Antragstellers zuständigen Finanzamt (Abs. 8) innerhalb eines Monats anzuzeigen.
- Jedes Gruppenmitglied kann dem für den Antragsteller zuständigen Finanzamt (Abs. 8) gegenüber sein Ausscheiden aus der Unternehmensgruppe erklären. Erklärt der Gruppenträger sein Ausscheiden aus der Unternehmensgruppe, ist die Unternehmensgruppe beendet."
16 Im Vordergrund der Amtsbeschwerde stehen Fragen der Auslegung des § 19 Abs. 1 BAO über die Gesamtrechtsnachfolge im Abgabenrecht sowie ein Umkehrschluss aus § 9 Abs. 5 letzter Satz KStG 1988, wonach die hier streitgegenständliche Verschmelzung schädlich, weil nicht "innerhalb der Unternehmensgruppe" erfolgt sei. Das Untergehen des Gruppenträgers infolge der Verschmelzung sei ein "Ausscheiden" im Sinne des § 9 Abs. 9 zweiter Teilstrich und beende daher die Gruppe, weshalb es der Ausnahmebestimmung des § 9 Abs. 5 letzter Satz KStG 1988 bedürfe, um eine Gruppe - bei Verschmelzung innerhalb der Unternehmensgruppe - trotz Untergehens des Gruppenträgers fortsetzen zu können. Verwiesen wird, wie schon im Verfahren vor der belangten Behörde, auch auf ein Beispiel in den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Abgabensicherungsgesetz 2007, 270 BlgNR 23. GP 10, wo es im Zusammenhang mit der durch diese Novelle in § 9 Abs. 7 KStG 1988 vorgenommenen Schließung einer Besteuerungslücke beim umgründungsbedingten Untergang von Beteiligungen, auf die eine Firmenwertabschreibung vorgenommen wurde, im Einklang mit Rz 354d der Umgründungssteuerrichtlinien 2002 heißt, bei Verschmelzung des Gruppenträgers auf eine gruppenfremde Körperschaft gehe die Gruppe unter.
17 Die mitbeteiligten Parteien halten in ihrer Gegenschrift dem zuletzt erwähnten Hinweis - wie schon die belangte Behörde - entgegen, es handle sich um spätere Erläuterungen einer anderen als der hier auszulegenden Bestimmungen. Sie betonen wie die belangte Behörde, bei der Gruppenträgereigenschaft handle es sich um eine nachfolgefähige Rechtsposition, und erwidern auf den Umkehrschluss aus § 9 Abs. 5 letzter Satz KStG 1988, diese Bestimmung bedeute "eine begünstigte Erweiterung der Transaktionsmöglichkeiten über jene der Gesamtrechtsnachfolge hinaus". Dass der Untergang des Gruppenträgers durch Verschmelzung ein "Ausscheiden" im Sinne des § 9 Abs. 9 zweiter Teilstrich KStG 1988 sei, wird mit dem Argument der abgabenrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge bestritten. Hingewiesen wird auch auf die mit der Einführung der Gruppenbesteuerung verfolgten Ziele sowie darauf, dass es im Rahmen des früheren "Organschaftsregimes" sowie nach deutschem Recht in vergleichbaren Fällen zur nahtlosen Fortsetzung der Organschaft gekommen sei bzw. komme. Im Rahmen einer "verfassungsrechtlichen Betrachtung" wird der Standpunkt vertreten, eine unterschiedliche steuerliche Behandlung je nach Verschmelzungsrichtung (innerhalb der Gruppe oder auf eine gruppenfremde Körperschaft) sei sachlich ungerechtfertigt.
18 Im Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, 2009/15/0214, VwSlg 8759/F, hatte der Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden, ob die Verschmelzung des einzigen Gruppenmitgliedes mit dem Gruppenträger vor Erreichung der Mindestdauer von drei Jahren (§ 9 Abs. 10 KStG 1988) die Unternehmensgruppe "rückwirkend" beende. Der Verwaltungsgerichtshof bejahte dies und sprach aus, mit einem solchen Vorgang vor Erreichen der Mindestbestandsdauer sei "auch die Rückverrechnung des während des aufrechten Bestands der Gruppe vom Gruppenmitglied an den Gruppenträger zugerechneten Ergebnisses nach § 9 Abs. 10 Teilstrich 3 KStG 1988 verbunden". "Scheidet eine Körperschaft" innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt "aus der Unternehmensgruppe aus", so sind nach § 9 Abs. 10 dritter Teilstrich KStG 1988 jene steuerlich maßgebenden Verhältnisse herzustellen, die sich ohne Gruppenzugehörigkeit ergeben hätten.
19 Zu diesem im angefochtenen Bescheid an einer Stelle erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wurde in einer Besprechung des angefochtenen Bescheides von Krafft, UFS 2013, 241 (250 f), auf Sutters Besprechung des Erkenntnisses (ÖStZ 2013, 121 (122 f)) verwiesen, in der im Sinne der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht angedeutet worden sei, dass im Falle einer Verschmelzung kein "Ausscheiden" vorliegen dürfte. Da in dem Erkenntnis vom 18. Oktober 2012 "dadurch im Ergebnis keine Änderung eingetreten wäre", sei dieser Ansatz von Sutter aber "nicht weiterverfolgt" worden.
20 Dass ein Untergang durch Verschmelzung (im entschiedenen Fall: mit unstrittiger Beendigungswirkung, jedoch innerhalb der bis dahin bestandenen Gruppe) kein "Ausscheiden" bedeute, wäre nach den zutreffenden Ausführungen von Sutter aber eine Auslegung gewesen, die in dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall einer Anwendung des § 9 Abs. 10 KStG 1988 entgegengestanden wäre, zu einem gegenteiligen Ergebnis geführt hätte und mit dem Erkenntnis vom 18. Oktober 2012 daher verworfen wurde.
21 Für den vorliegenden Fall liegt darin die Bestätigung der vom Finanzamt vertretenen Ansicht, dass der Untergang des Gruppenträgers durch Verschmelzung (hier: mit einer gruppenfremden Gesellschaft) dessen "Ausscheiden" bedeutet und § 9 Abs. 5 letzter Satz KStG 1988 auch für Gesamtrechtsnachfolgen innerhalb der Gruppe von normativer Bedeutung ist. Greift diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht ein, so beendet ein den Gruppenträger betreffender Vorgang dieser Art daher die Unternehmensgruppe. Dem Finanzamt ist auch darin beizupflichten, dass die Unterschiede zwischen Organschaft und Gruppenbesteuerung zu Abweichungen in Bezug auf Einzelfragen wie die hier vorliegende führen können und das Erfordernis einer neuen Gruppenbildung nur im Falle einer Änderung, die nicht innerhalb der Gruppe stattfindet, keine gleichheitsrechtlichen Bedenken auslöst.
22 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
23 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 28. Juni 2016
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)