European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022150007.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Vater und die Mutter der Revisionswerberin waren je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft X, auf der sich ein Wohnhaus befand. Im Jahr 1967 erwarb der Vater das an die Liegenschaft angrenzende Grundstück Y. Dieses Grundstück, auf dem sich ein Schuppen für die Einlagerung von Gartenzubehör befand, wurde von der Familie als Garten genutzt.
2 Mit Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom 10. Juli 1986 schenkten die Eltern der Revisionswerberin das im gemeinsamen Eigentum stehende Grundstück X je zur Hälfte der Revisionswerberin und ihrer Schwester. Das im Alleineigentum des Vaters stehende Grundstück Y wurden ebenfalls je zur Hälfte der Revisionswerberin und ihrer Schwester geschenkt.
3 Der Vater der Revisionswerberin verstarb am 16. August 2003 und sein Hälfteanteil am Grundstück X sowie das in seinem Alleineigentum stehende Grundstück Y wurden von der Revisionswerberin und ihrer Schwester je zur Hälfte übernommen.
4 Mit Aufhebungsvereinbarung vom 2. Juni 2005 kamen die Revisionswerberin, ihre Mutter und ihre Schwester dahingehend überein, dass der Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom 10. Juli 1986 hinsichtlich des Hälfteanteiles der Mutter am Grundstück X aufgehoben wird. Mit Schenkungsvertrag vom selben Tag übertrug die Mutter der Revisionswerberin ihren Hälfteanteil am Grundstück X der Schwester der Revisionswerberin. Zwischen der Revisionswerberin und ihrer Schwester wurde am 2. Juni 2005 weiters ein Tauschvertrag betreffend die „Realteilung“ der Liegenschaften X und Y ohne Ausgleichszahlung abgeschlossen. Aufgrund dieser Vereinbarung wurde die Schwester der Revisionswerberin Alleineigentümerin des Grundstücks X (Verkehrswert für ihren Viertelanteil laut Tauschvertrag: 85.000 €) und die Revisionswerberin Alleineigentümerin des Grundstücks Y (Verkehrswert für ihren Hälfteanteil laut Tauschvertrag: 125.000 €).
5 Mit Vertrag vom 3. Juni 2014 tauschten die Revisionswerberin und ihre Schwester Flächen von je 39 m² ihrer im jeweiligen Alleineigentum stehenden Grundstücke X und Y. Eine Ausgleichszahlung wurde auch in diesem Fall nicht vereinbart.
6 Mit Kaufvertrag vom 6. Juni 2014 verkaufte die Revisionswerberin die in ihrem Alleineigentum stehende Liegenschaft Y (831 m²) um 720.000 €. Der Notar berechnete die Immobilienertragsteuer nach § 30 Abs. 3 EStG 1988.
7 In der Einkommensteuererklärung 2014, in welcher der Veranlagungsantrag nach § 30b Abs. 3 EStG 1988 gestellt wurde, wies die Revisionswerberin gemäß § 30 Abs. 4 EStG 1988 pauschal ermittelte Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen sowie die vom Notar im Rahmen des 2014 erfolgten Tausches und der Liegenschaftsveräußerung berechnete und entrichtete Immobilienertragsteuer aus.
8 Das Finanzamt setzte im Einkommensteuerbescheid 2014 die Einkommensteuer unter Miterfassung der Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen iSd § 30 EStG 1988 abweichend von der Erklärung fest, indem es nur insoweit von Altvermögen iSd § 30 Abs. 4 EStG 1988 ausging, als die Revisionswerberin Eigentum am Grundstück unmittelbar als Rechtsnachfolgerin nach ihrem Vater, also nicht durch die oben genannten Tauschverträge erworben hatte. Zur Begründung führte es auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die mit Vereinbarung vom 2. Juni 2005 erfolgte Teilung der Liegenschaften X und Y sei ‑ entgegen dem von der Revisionswerberin vertretenen Standpunkt ‑ keine steuerneutrale Realteilung, sondern ein steuerpflichtiger Anschaffungsvorgang (Tausch).
9 In einer gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 gerichteten Beschwerde rügte die Revisionswerberin, das Finanzamt habe die Anschaffungskosten der 2005 getauschten Grundstücke nicht mit den realen gemeinen Werten angesetzt. Zum Nachweis dafür legte sie der Beschwerde Auszüge des vom Fachverband der Immobilien‑ und Vermögenstreuhänder veröffentlichten Immobilienpreisspiegels bei. Weiters sprach sie sich gegen die Einstufung der mit Vereinbarung vom 2. Juni 2005 erfolgten Liegenschaftsteilung als steuerpflichtigen Anschaffungsvorgang aus.
10 Das Finanzamt erließ eine teilweise stattgebende Beschwerdevorentscheidung, woraufhin die Revisionswerberin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.
11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde ‑ wie zuvor das Finanzamt ‑ teilweise Folge.
12 Strittig sei, ob im Jahr 2005 eine steuerlich neutrale Realteilung oder ein steuerlich beachtlicher Grundstückstausch stattgefunden habe.
13 Nach dem Wortlaut des § 6 Z 14 lit. a iVm § 30 Abs. 1 letzter Satz EStG 1988 liege beim Tausch von Wirtschaftsgütern jeweils eine Anschaffung und eine Veräußerung vor; dadurch komme es auch zur Steuerpflicht eines Tauschvorganges. Nach diesen Tauschgrundsätzen unterliege auch ein Realteilungsvertrag iSd § 841 ABGB als Veräußerungsgeschäft potentiell der Steuerpflicht. Für Realteilungen gebe es allerdings eine Ausnahme von der Steuerpflicht: Wenn ein im Miteigentum von zwei oder mehr Personen stehendes Grundstück in der Form geteilt werde, dass jedes Teilgrundstück nach der Teilung im Alleineigentum eines der bisherigen Miteigentümer stehe (Realteilung), sei dieser Vorgang nicht als Tauschvorgang (und damit auch nicht als Anschaffung) zu beurteilen (Hinweis auf VwGH 22.6.1976, 529/74; und 28.11.2002, 2000/13/0155).
14 Voraussetzung für das Vorliegen einer Realteilung sei zudem, dass es sich bei der zu teilenden Liegenschaft um eine bewertungsrechtliche (wirtschaftliche) Einheit im Sinne des § 2 BewG handle.
15 Entscheidend sei daher, ob die Grundstücke X und Y eine wirtschaftliche Einheit gemäß § 2 BewG bildeten. Über die wirtschaftlichen Einheiten habe das Lagefinanzamt in einer (unter anderem auch für Grunderwerbsteuerzwecke bindenden) Weise abzusprechen (Hinweis auf VwGH 19.9.2001, 2001/16/0402, 0403). Dabei sei die Einheitsbewertung zum letzten, dem Erwerb vorangegangenen Feststellungszeitpunkt maßgebend. Bei zwei Einheitswertbescheiden sei nicht von einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne des § 2 Abs. 1 BewG auszugehen.
16 In Bezug auf die gegenständlichen Grundstücke lägen zwei rechtskräftige Einheitswertbescheide vor. Aufgrund der Bindungswirkung der Einheitswertbescheide könne im Revisionsfall keine wirtschaftliche Einheit vorliegen. Somit sei auch eine Realteilung der Grundstücke X und Y nicht möglich. Das zwischen der Revisionswerberin und ihrer Schwester im Jahr 2005 abgeschlossene Rechtsgeschäft stelle einen Tauschvorgang dar, bei dem als Anschaffungskosten des erhaltenen Grundstücks der gemeine Wert des hingegebenen Grundstücks anzusetzen sei. Der Beschwerde könne daher nur insoweit stattgegeben werden, als sie in Bezug auf den Tauschvorgang vom 2. Juni 2005 den Ansatz realer gemeiner Werte als Anschaffungskosten betreffe.
17 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur wirtschaftlichen Einheit zu § 2 Abs. 1 BewG iVm § 3 Abs. 2 GrEStG ergangen sei und Judikatur zur Realteilung einer wirtschaftlichen Einheit im Zusammenhang mit § 30 EStG 1988 fehle.
18 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende ordentliche Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
20 § 30 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, lautet:
„§ 30. (1) Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.“
21 Gemäß § 6 Z 14 lit. a EStG 1988 liegt beim Tausch von Wirtschaftsgütern jeweils eine Anschaffung und eine Veräußerung vor. Als Veräußerungspreis des hingegebenen Wirtschaftsgutes und als Anschaffungskosten des erworbenen Wirtschaftsgutes sind jeweils der gemeine Wert des hingegebenen Wirtschaftsgutes anzusetzen.
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. Juni 1976, 529/74, ausgesprochen, die Realteilung (Naturalteilung) eines im Miteigentum stehenden Wirtschaftsgutes sei einkommensteuerrechtlich nicht als Tausch anzusehen; es liege ‑ von Fällen eines Spitzenausgleiches und damit des Erwerbes zusätzlicher Grundstücksteile abgesehen ‑ keine Anschaffung bzw. Veräußerung vor. Das Erkenntnis stützt sich auf einen Beitrag von Priester in FR 1974, 257 ff; in diesem Beitrag wird ausgeführt (Seite 260), der Miteigentümer könne gemäß § 752 des deutschen BGB jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, mit der Folge, dass gemäß § 752 BGB eine Teilung in Natur vorzunehmen sei. Somit stelle aus wirtschaftlicher Sicht die Realteilung eines Grundstücks lediglich die Erfüllung des von vornherein bestehenden zivilrechtlichen Anspruchs auf Konkretisierung einer „realen Teilfläche“ dar. Bereits ab der Anschaffung des Gesamtgrundstücks durch Miteigentümer bestehe dieser gesetzliche Anspruch der Miteigentümer auf Teilung und Zuweisung von Alleineigentum. Für Grundstücke des Privatvermögens stelle die Erfüllung dieses von vornherein bestehenden zivilrechtlichen Anspruchs des Miteigentümers auf Konkretisierung eines „realen“ Teil-Grundstücks (im Alleineigentum) keinen Anschaffungs‑ oder Veräußerungsvorgang dar (vgl. ebenso Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 23 Rz 95 „Aufhebung von Miteigentum“; Wernsmann in Kirchhof/Söhn, EStG, § 23 Rn B 201 „Realteilung“).
23 Der von vornherein bestehende (primäre) Anspruch der Miteigentümer auf reale Teilung des im Miteigentum stehenden Grundstücks besteht gemäß § 843 ABGB auch im österreichischen Recht (vgl. OGH 14.6.2021, 5 Ob 109/21x; RS0013236; RS0004261). Dabei kann es sich ergeben, dass sich der Anspruch auf die Realteilung nicht nur auf eine einzelne, im Miteigentum stehende Parzelle bezieht, sondern auch auf mehrere, die gleichen Eigentumsverhältnisse aufweisende Parzellen, die eine wirtschaftliche Einheit bilden (OGH 16.6.1982, 3 Ob 538/82, RS0013858; OGH 21.12.1999, 5 Ob 89/99w, RS0013231).
24 Wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 2 Abs. 1 BewG ist bei bebauten und unbebauten Grundstücken in der Regel jedes Grundstück (VwGH 18.12.2013, 2010/13/0191). Es können aber auch mehrere, insbesondere nebeneinanderliegende Grundstücke mit identen Eigentumsverhältnissen eine wirtschaftliche Einheit bilden. Vermögensgegenstände können grundsätzlich nur dann eine wirtschaftliche Einheit bilden, wenn sie demselben Eigentümer gehören (VwGH 8.4.1991, 89/15/0134).
25 Im Revisionsfall bezieht sich der Teilungsvorgang nicht auf ein einziges Grundstück des Privatvermögens, sondern auf die ‑ nebeneinanderliegenden ‑ Grundstücke X und Y. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts befand sich das Grundstück X im Jahr 2005 zum Zeitpunkt der Teilung zu 25% im Eigentum der Revisionswerberin und zu 75% im Eigentum ihrer Schwester, wohingegen damals am Grundstück Y die Revisionswerberin und ihre Schwester mit je 50% beteiligt waren. Für die Grundstücke X und Y bestanden daher nicht idente Eigentumsverhältnisse. Schon aus diesem Grund können die beiden Grundstücke keine wirtschaftliche Einheit bilden, sodass ein entsprechender Naturalteilungsanspruch iSd § 843 ABGB nicht gegeben war. Es entspricht daher dem Gesetz, dass das Bundesfinanzgericht diesen Teilungsvorgang nicht als steuerneutrale Realteilung (Naturalteilung), sondern als Tausch iSd § 6 Z 14 EStG 1988 beurteilt hat.
26 Daher ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn das Bundesfinanzgericht die Einkünfte aus der privaten Grundstücksveräußerung nur hinsichtlich jenes Anteils am verkauften Grundstück Y pauschal nach § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 ermittelt hat, den die Revisionswerberin im Jahr 2003 unentgeltlich (unmittelbar) von ihrem Vater erworben hatte.
27 Die Revision erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
28 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 8. September 2022
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