Normen
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z6
BauRallg
ROG Slbg 2009 §57 Abs3
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022060016.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Landeshauptstadt Salzburg hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 16. Dezember 2021 wies der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg (Revisionswerber) den Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses auf einem näher genannten Grundstück gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 und 3 Salzburger Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG) aufgrund von Widersprüchen zum anzuwendenden Bebauungsplan ab. Das Bauvorhaben halte die verordnete Bauhöhe und die Bestimmungen über die Lage von Bauten im Bauplatz nicht ein; das „Giebelprivileg“ gemäß § 57 Abs. 3 zweiter Satz Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009) sei nur auf Giebel an der Stirnseite (schmälere Seite) von Gebäuden anwendbar, nicht aber ‑ wie beim gegenständlichen Bauvorhaben ‑ für solche an der Längsseite. Daher sei im vorliegenden Fall die Giebelwand sowohl bei der Beurteilung der Bauhöhe als auch der Abstände gemäß § 25 Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) zu berücksichtigen.
2 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) aufgrund einer Beschwerde des Mitbeteiligten den oben genannten Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Revisionswerber zurück. Eine ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.
Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, im anzuwendenden Bebauungsplan (rechtswirksam seit 1. Mai 1999) sei die Bauhöhe mit zwei oberirdischen Geschoßen begrenzt, die Geschoßflächenzahl sei mit 0,5 und die Grundflächenzahl mit 0,35 festgelegt worden; darüber hinaus sei eine Straßenfluchtlinie, der Verlauf der Gemeindestraße sowie eine Baufluchtlinie zur T-Straße verordnet worden. Weitere Bebauungsgrundlagen ‑ etwa eine maximale Firsthöhe, Firstrichtung oder Dachform ‑ seien für die Bauliegenschaft weder im Bebauungsplan noch in der Bauplatzerklärung festgelegt worden. Das projektierte Gebäude sehe ein Kellergeschoß, ein Erdgeschoß, ein Obergeschoß und ein Dachgeschoß vor; die Firstrichtung des Satteldaches verlaufe nord/südlich parallel zur schmäleren Gebäudeseite des rechteckigen (Haupt)Baukörpers; die Giebelbereiche seien an der längeren Gebäudeseite projektiert.
In seiner rechtlichen Beurteilung betreffend die Frage, ob das projektierte Dachgeschoß mit der Firstausrichtung parallel zur kürzeren Gebäudeseite die Umrissfläche gemäß § 57 Abs. 3 ROG 2009 einhalte, verwies das LVwG auf die Gesetzesmaterialien zur Vorgängerbestimmung dieser Regelung (§ 33 Abs. 3 zweiter Satz ROG 1992, BlgLT 118 10. GP 4. Session, S 100):
„Der neue zweite Satz im Abs. 3 stellt die Zulässigkeit der im Land Salzburg traditionellen Bauform des Satteldaches klar: Das Giebeldach an den beiden Stirnseiten ist (wie natürlich auch die Giebelmauern) von der 45°‑Beschränkung für Dächer (und sonstige Aufbauten) nicht betroffen. Das gleiche gilt auch für seitliche Giebel (bei Kreuzgiebel und ähnliche Dachformen). Die Ergänzung hat keine Auswirkungen auf den notwendigen Nachbarabstand: Für dessen Berechnung bleibt die Bauhöhe bis zu den Endpunkten der Dachtraufen maßgeblich.“
Daraus ergebe sich, dass ein Dachgeschoß, das sich innerhalb der in dieser Bestimmung näher beschriebenen Umrissfläche halte, nicht auf die Anzahl der oberirdischen Geschoße, die für die Bauhöhe maßgeblich sei, anzurechnen sei. Bei einer Höhenfestsetzung durch die Anzahl der Geschoße sei für die 45° zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche von einem 1,60 m über der Deckenoberkante des letzten Geschoßes liegenden Schnittpunkt der Außenwand mit der gedachten Umrissfläche auszugehen (§ 57 Abs. 3 letzter Satz ROG 2009 idF LGBl. Nr. 30/2009). Das Dachgeschoß zähle dann nicht als Geschoß, wenn es sich innerhalb dieser gedachten Umrissfläche halte.
Für die Auffassung des Revisionswerbers, dass dann, wenn der Dachfirst parallel zur kürzeren Gebäudeseite des grundsätzlich rechteckigen Gebäudes (13,30 m x 8,80 m) projektiert sei, kein Giebelbereich im Sinn des § 57 Abs. 3 ROG 2009 vorliege, finde sich im Gesetz keine Grundlage; auch die Gesetzesmaterialien, die sowohl auf Giebel an Stirnseiten als auch seitliche Giebel verwiesen, ließen nicht darauf schließen. Das Gesetz stelle allein auf den der Dachform entsprechenden Giebelbereich ab. Eine Einschränkung dahingehend, dass bei rechteckigen Baukörpern mit Satteldach die gedachte Umrissfläche zwingend an der längeren Gebäudeseite anzulegen sei, finde sich im Gesetz nicht. Aus den Projektunterlagen ergebe sich unter Beachtung der „Kniestockregelung“ (Hinweis auf https://360.lexisnexis.at/d/u_zivil_VwGH_2008_JWT_2007060147_200812_3026a13a06?origin=lk ) nicht, dass das fallbezogen projektierte Dachgeschoß nicht innerhalb der Umrissfläche im Sinn des § 57 Abs. 3 ROG 2009 liege. Das Dachgeschoß sei demnach nicht auf die Anzahl der oberirdischen Geschoße, die für die Bauhöhe maßgeblich sei, anzurechnen.
Die vom Revisionswerber vertretene Auslegung des § 57 Abs. 3 ROG 2009 käme einer nicht in den Bebauungsgrundlagen verordneten Firstrichtung gleich, was im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Baufreiheit nicht überzeuge. Das Fehlen von Bebauungsgrundlagen im gegebenen Zusammenhang bedeute, dass die Bauliegenschaft im Hinblick auf die Anordnung der Traufen bzw. der Giebelbereiche (Firstausrichtung) keiner allgemeinen Beschränkung unterworfen sei; durch eine einschränkende Gesetzesauslegung der Behörde dürfe die aus dem Grundrecht des Eigentums erfließende Baufreiheit nicht beschränkt werden.
Für die Berechnung des Mindestabstandes gemäß § 25 Abs. 3 BGG sei von der seitlichen Traufe auszugehen; der Giebelbereich einer Front sei nicht abstandsrelevant, sofern er innerhalb der Umrissfläche liege (Hinweis auf VwGH 9.3.1993, 92/06/0227; 21.10.2009, 2009/06/0136). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sei eine Abstandsverletzung des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens nicht zu erkennen.
In weiterer Folge begründete das LVwG die Zulässigkeit der Zurückverweisung an die Behörde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG.
Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage bestehe, ob das „Giebelprivileg“ im Sinn des § 57 Abs. 3 ROG 2009 bei Baukörpern mit Satteldach dann ausgeschlossen sei, wenn die Giebelfront an der längeren Gebäudeseite eines rechteckigen Baukörpers projektiert werde.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, in der als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ebenfalls die fehlende hg. Rechtsprechung zur Frage, ob das „Giebelprivileg“ auch zur Anwendung komme, wenn bei einem Satteldach die Giebelfront an der längeren Gebäudeseite eines rechteckigen Gebäudes projektiert sei, vorgebracht wird. Ergänzend führte der Revisionswerber aus, damit im Zusammenhang stehe die Auslegung des § 25 Abs. 3 BGG betreffend die Berechnung des Nachbarabstandes. Der Widerspruch des Bauvorhabens zum Bebauungsplan sei für den Revisionswerber unzweifelhaft gegeben gewesen, sodass im Sinn des § 8 Abs. 1 BauPolG kein weiteres Ermittlungsverfahren habe geführt werden müssen.
4 Die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision erweist sich angesichts des sowohl vom LVwG als auch vom Revisionswerber formulierten Zulässigkeitsvorbringens zum „Giebelprivileg“ als zulässig.
6 § 57 Abs. 3 ROG 2009, LGBl. Nr. 30/2009 lautet:
„Bauhöhe
§ 57
(1) ...
(3) Dächer und sonstige, höchstens eingeschoßige Aufbauten unbeschadet ihrer Konstruktion und Gestaltung dürfen unter Beachtung des zulässigen höchsten Punktes des Baues eine von der zulässigen höchsten Lage des obersten Gesimses oder der obersten Dachtraufe ausgehende, 45° zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche nicht überragen. Dies gilt nicht für den der Dachform entsprechenden Giebelbereich. Bei einer Höhenfestsetzung durch die Anzahl der Geschoße ist für die 45° zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche von einem 1,60 m über der Deckenoberkante des letzten Geschoßes liegenden Schnittpunkt der Außenwand mit der gedachten Umrissfläche auszugehen.
(4) ...“
7 Zur Auslegung des § 57 Abs. 3 ROG 2009 verweist der Revisionswerber auf dessen zweiten Satz („Dies gilt nicht für den der Dachform entsprechenden Giebelbereich.“), die dazu ergangenen Erläuternden Bemerkungen („Der neue zweite Satz im Abs. 3 stellt die Zulässigkeit der im Land Salzburg traditionellen Bauform des Satteldaches klar: Das Giebeldach an den beiden Stirnseiten ist (wie natürlich auch die Giebelmauern) von der 45°‑Beschränkung für Dächer (und sonstige Aufbauten) nicht betroffen.“) sowie die Definition von „Giebel“ und „Satteldach, Giebeldach“ in verschiedenen Bauwörterbüchern (Frommhold/Gareiß, Bauwörterbuch ‑ Begriffsbestimmungen aus dem Bauwesen, 2. Auflage, 1978, Seite 118: „Giebel, die meist dreieckige Abschlusswand an der Schmal‑(Stirn)Seite des Satteldaches“; „Giebeldach, Satteldach, nach zwei gegenüberliegenden Gebäudeseiten (meist Längsseiten) geneigtes Dach mit hochgeführten Giebelwänden an den zwei übrigen Seiten.“; Koepf/Binding, Bildwörterbuch der Architektur, 3. Auflage, 1999, Seite 392: „Satteldach, Giebeldach, eine aus zwei gegen einen gemeinsamen First ansteigenden Flächen bestehende Dachform, die an den Schmalseiten von Giebeln geschlossen wird) und dem Duden-online (Giebel: meist dreieckiger oberer Teil der Wand an der Schmalseite eines Gebäudes, der zu beiden Seiten vom schräg aufsteigenden Dach begrenzt wird). Zweck des § 57 ROG 2009 sei die Begrenzung der Höhenentwicklung von Gebäuden; auch aus teleologischen Überlegungen berücksichtige eine Anwendung des „Giebelprivilegs“ lediglich auf Giebelwände an der Schmalseite von Gebäuden die Interessen der Nachbarn insbesondere nach einem möglichst hohen Besonnungs- und Belichtungsgrad besser. Aus systematischer Sicht sei die Formulierung „der Dachform entsprechenden Giebelbereich“ als Ausnahme streng auszulegen. Vor dem Hintergrund des § 57 Abs. 3 zweiter Satz ROG 2009 entspreche es der Dachform eines Satteldaches, dass der Giebel an der Schmal-(Stirn)Seite liege. Das gegenständliche Bauvorhaben könne daher das „Giebelprivileg“ nicht für sich in Anspruch nehmen.
8 Nach der hg. Judikatur zu dem insofern inhaltsgleichen § 81 Abs. 2 letzter Satz der Bauordnung für Wien (BO) (vgl. VwGH 11.10.2011, 2009/05/0331) ist die Wortfolge „die der Dachfläche entsprechenden Giebelflächen“ nicht so auszulegen, dass nur eine tatsächliche, von der vorhandenen Dachform gebildete Giebelfläche außer Betracht zu bleiben hat (in diesem Fall hätte der Gesetzgeber die Regelung in diesem Sinn treffen müssen), sondern eine gedachte Giebelfläche, die innerhalb der zulässigen Dachform möglich ist. In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf den Begriff „Giebelfläche“ im Sinne des § 81 Abs. 1 bis 3 BO unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. September 1998, 95/05/0068, aus, dass ein Giebel dreieckig, segmentbogenförmig, abgetreppt, in mehreren Winkeln gebrochen oder kurvenförmig ausgebildet sein kann und das Gesetz auf die der Dachform entsprechende Giebelfläche abstellt, unabhängig davon, wie groß diese Giebelfläche ist.
§ 57 Abs. 3 zweiter Satz ROG 2009 stellt nicht auf bestimmte Dachformen ab. Auch wenn ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ der Giebel eines Satteldaches nicht an der Schmalseite des Gebäudes geplant ist, ändert dies nichts am Vorliegen eines Giebels im Sinn dieser Bestimmung. Dies entspricht auch dem fachlichen Sprachgebrauch, auf den ‑ da die bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften in Salzburg keine Definition der Begriffe „Giebel“ und „Giebelbereich“ enthalten ‑ abzustellen ist.
Laut „Bildwörterbuch der Architektur“ (Koepf/Binding, 4. Auflage, 2005, Seiten 218/219, 475) stellt ein Giebeldach ein Satteldach dar, wenn die Haupt‑ oder Straßenfront den Giebel zeigt; im Unterschied zum Traufendach, bei dem der Straße die Traufe zugekehrt ist. Im „Baulexikon“ (Wormuth/Schneider, 3. Auflage 2016, Seite 314, 254) werden als „traufenständig“ Gebäude bezeichnet, bei denen die Traufen des Daches parallel zur Straßenbegrenzung angeordnet sind; ein Satteldach wird als Dachform aus zwei sich im First schneidenden, gegeneinander geneigten Dachflächen beschrieben. Im „Bauwörterbuch“ von Frommhold/Gareiß (2. Auflage, Seite 118) wird das Giebeldach bzw. Satteldach definiert als ein nach zwei gegenüberliegenden Gebäudeseiten (meist Längsseiten) geneigtes Dach mit hochgeführten Giebelwänden an den zwei übrigen Seiten. Diese Definition enthält eine Relativierung („meist“) betreffend die Ausrichtung der Giebelwände. Das „Fachlexikon Begriffe im Bauprozess“ (Koczy/Nödl, 2022, Seite 462) beschreibt ein Satteldach als klassische Dachform, die aus zwei zueinander geneigten rechtwinkeligen Dachflächen besteht, die sich am Dachfirst treffen; die Neigung der beiden Dachflächen kann stark variieren und hängt auch von den Witterungsbedingungen ab. Der Definition im „Bildwörterbuch der Architektur“ von Koepf/Binding (4. Auflage, Seite 402) zufolge ist ein Satteldach bzw. Giebeldach eine aus zwei gegen einen gemeinsamen First ansteigenden Flächen bestehende Dachform, die an den Schmalseiten von Giebeln geschlossen wird.
Von den fünf eingesehenen einschlägigen Fachlexika sowie dem vom Revisionswerber zitierten Duden‑online geht nur das „Bildwörterbuch der Architektur“ von Koepf/Binding davon aus, dass bei einem Giebeldach die Giebel an den Schmalseiten des Gebäudes liegen.
Zusammenfassend kann daher auch aus den oben angeführten Definitionen nicht der Schluss gezogen werden, dass dem fachlichen Sprachgebrauch ein einheitliches Begriffsverständnis zugrunde liege, wonach der Giebel eines Satteldaches immer an der Schmalseite des Gebäudes liegen muss.
9 Aus den Gesetzesmaterialien (Das Giebeldach an den beiden Stirnseiten ist [wie natürlich auch die Giebelmauern] von der 45°‑Beschränkung für Dächer [und sonstige Aufbauten] nicht betroffen) ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen, weil diese nur aussagen, dass sich der Giebelbereich auf der Stirnseite befindet; dass die Stirnseite zwingend die kürzere Seite des Gebäudes sein muss, ergibt sich daraus nicht.
10 Die Revision verweist auf Grafiken („Bebauung Sonnenstudie, 03.05.22“), aus denen sich ergebe, dass die vom LVwG vertretene Auslegung des „Giebelprivilegs“ den Besonnungs- und Belichtungsgrad der Nachbargrundstücke negativ beeinflusse. Nachbarn hätten gemäß § 9 Abs. 1 Z 6 BauPolG 1997 ein subjektiv‑öffentliches Recht auf Einhaltung der Bauhöhe, welche durch § 57 ROG 2009 festgelegt werde. Giebelwände an der Längsseite von Gebäuden führten zu einer unverhältnismäßig hohen bzw. unzumutbaren Beeinträchtigung der Nachbarliegenschaften.
Die Grafiken der „Bebauung Sonnenstudie, 03.05.22“ veranschaulichen, dass ein Gebäude mit einer Giebelwand an der längeren Gebäudeseite ‑ unter Berücksichtigung des § 57 Abs. 3 ROG 2009 ‑ eine größere Gesamthöhe erreichen kann als ein Gebäude mit gleichem Grundriss, dessen Giebelwand jedoch an der Schmalseite projektiert ist. Der Umstand, dass die Festlegung der Bauhöhe auch den Nachbarinteressen an einer ausreichenden Belichtung und Besonnung dient, ändert nichts daran, dass weder der Gesetzestext, noch die Erläuterungen dazu noch auch der fachliche Sprachgebrauch darauf hindeuten, dass der Giebel eines Satteldaches immer an der Schmalseite des Gebäudes liegen muss. Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, die Bauhöhe so zu regeln, dass Planungen wie im vorliegenden Fall hintangehalten werden.
11 Aus § 57 Abs. 3 zweiter Satz ROG 2009 kann somit nicht abgeleitet werden, dass das „Giebelprivileg“ nicht auch auf ein Gebäude mit einem Satteldach, dessen Giebelwand an der längeren Gebäudeseite projektiert ist, anzuwenden ist.
12 Zum Nachbarabstand gemäß § 25 Abs. 3 BGG bringt der Revisionswerber abermals vor, das „Giebelprivileg“ dürfe im vorliegenden Fall nicht angewendet werden, sodass große Teile der Giebelwand die Umrissfläche überragten. Es seien „Mindestabstände zwischen 4.00 m und 4,04 m erforderlich. Die projektierten Abstände betragen aber zwischen 4,05 m und 4,34 m!“ Bei einem Abstand von 4.05 m ergebe sich eine zulässige Traufenhöhe von 5,40 m, von der die Umrissfläche von 45° zu berechnen sei. Jeder Punkt, der darüber liegenden lotrechten Giebelwand überschreite den zulässigen Mindestabstand; der höchste Punkt dieser Wand betrage 10,93 m.
13 Mit diesem Vorbringen legt der Revisionswerber nicht dar, dass unter Zugrundelegung der oben angeführten Definition des Giebels die Abstandsbestimmung gemäß § 25 Abs. 3 BGG iVm § 57 Abs. 3 ROG 2009 unterschritten wird.
14 Der Revisionswerber bringt in den Revisionsgründen nichts gegen die Aufhebung des Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an ihn vor. Auf diese Frage war vom Verwaltungsgerichtshof somit nicht einzugehen.
15 Aus den oben dargelegten Gründen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
16 Die Kostenentscheidung gründet sich ‑ im beantragten Umfang ‑ auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 31. Jänner 2023
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