VwGH Ro 2021/15/0017

VwGHRo 2021/15/001723.11.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Spittal Villach in 9500 Villach, Meister‑Friedrich‑Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 28. Juli 2021, Zl. RV/4100191/2020, betreffend Umsatzsteuer 2012 (mitbeteiligte Partei: H m.b.H. in G, vertreten durch Gerlinde Andritsch, Steuerberaterin in 9500 Villach, Völkendorfer Straße 16), zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1994 §12
UStG 1994 §12 Abs10
UStG 1994 §12 Abs11
UStG 1994 §12 Abs3
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021150017.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, erwarb am 15. September 2010 Wohnungseigentum an einer Penthousewohnung um 740.000 € zuzüglich 20 % Umsatzsteuer. In der Zeit zwischen Oktober 2010 und September 2011 nahm sie Adaptierungen an dem Objekt vor, sodass sich die Investitionskosten auf insgesamt 855.377,30 € zuzüglich 20 % Umsatzsteuer beliefen.

2 Die ausgewiesene Umsatzsteuer machte die mitbeteiligte Partei in den Wirtschaftsjahren 2010 und 2012 (Bilanzstichtag 30. September) als Vorsteuer geltend.

3 Das Finanzamt erließ im Anschluss an eine Außenprüfung vorläufige Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2012, in denen es die geltend gemachte Vorsteuer nicht anerkannte.

4 Einer dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei gab das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom 30. Juni 2018, Zl. RV/4100074/2013, keine Folge. Die mitbeteiligte Partei habe die Penthousewohnung im Wirtschaftsjahr 2010 im unfertigen Zustand erworben und bis 31. Mai 2011 uneingeschränkt benutzbar gemacht, um sie in der Folge dem Sohn der Lebensgefährtin ihres Gesellschafters H (im Folgenden nur mehr Sohn) unentgeltlich ohne erkennbaren Rechtsgrund zur Nutzung zu überlassen. Die mitbeteiligte Partei habe diese Absicht schon bei Erwerb der Wohnung wie auch bei der Beauftragung der Fertigstellungsarbeiten verfolgt und bis jedenfalls 27. März 2012 nicht geändert. Der Sohn habe die Wohnung ab 9. März 2011 zunächst als Nebenwohnsitz und ab 1. Juni 2011 als Hauptwohnsitz benützt. Erst nach Ankündigung einer Betriebsprüfung am 30. April 2012 habe der Sohn das erste Mal Miete an die mitbeteiligte Partei gezahlt.

5 Im Laufe des Verfahrens habe die mitbeteiligte Partei einen schriftlichen Mietvertrag vom 5. April 2012 vorgelegt, der Mietzahlungen von monatlich 1.500 € beginnend ab 1. Juli 2011 vorgesehen habe. Weiters habe die mitbeteiligte Partei zwei Rechnungen (jeweils vom 28. März 2012) übermittelt, in denen vom Sohn für den Zeitraum Juli 2011 bis Februar 2012 Mietzahlungen einschließlich Betriebskosten und Heizkosten von 15.725,21 € zuzüglich 10 % Umsatzsteuer und 703,10 € zuzüglich 20 % Umsatzsteuer verlangt worden seien.

6 Dass das ab April 2012 dokumentierte Mietverhältnis schon zuvor auf Grund einer entsprechenden mündlichen Vereinbarung bestanden habe, sei nicht glaubhaft. Weder seien tatsächliche Mietzahlungen noch nach außen zum Ausdruck kommende Zahlungsaufforderungen erfolgt. Die mitbeteiligte Partei habe nicht einmal Mietforderungen in Bezug auf das strittige „Penthouse am See“ gebucht. Die erste Mietforderung sei erst am 31. März 2012 nach erstmaliger Rechnungslegung verbucht worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe das behauptete Mietverhältnis zwischen der mitbeteiligten Partei und einer ihr nahestehenden Person keine in der Außenwelt erkennbaren „nachvollziehbaren Spuren“ hinterlassen.

7 Das Bundesfinanzgericht schließe daraus, dass die mitbeteiligte Partei zum Zeitpunkt der Anschaffung und der Fertigstellung der Penthousewohnung die Absicht gehabt habe, die Wohnung dem Sohn unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen. Die behauptete Barzahlung vom 2. Mai 2012 sei kurz nach Ankündigung der Betriebsprüfung erfolgt und kein glaubhafter Beweis für ein schon zuvor bestehendes Mietverhältnis. Nicht überzeugend sei in diesem Zusammenhang auch die Behauptung der mitbeteiligten Partei, die „Stundung des Mietzinses“ wäre auch unter Fremden erfolgt, weil die Mitbeteiligte Gegenforderungen gegen die „GmbH des Mieters“ gehabt habe. Zunächst sei schon nicht zu erkennen, aus welchem Grund die mitbeteiligte Partei das Recht hätte haben können, die angeblichen Mietforderungen gegen Verbindlichkeiten der „GmbH des Sohnes“ aufzurechnen. Jedenfalls habe die Mitbeteiligte alle Rechnungen der „GmbH des Sohnes“ innerhalb weniger Tage bezahlt, während der angebliche Mieter vom 1. Juli 2011 bis zumindest 1. Mai 2012 überhaupt keine Miete bezahlt habe.

8 Die mitbeteiligte Partei habe die Penthousewohnung im Rohzustand im September 2010 erworben und auf eigene Kosten bis 31. Mai 2011 fertiggestellt, um sie dem Gesellschafter H causa societatis zu überlassen. H habe seinerseits die Wohnung unentgeltlich einem Mitglied der Familie zur Verfügung gestellt. Bei der durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten unentgeltlichen und rechtsgrundlosen Überlassung der Wohnung handle es sich um eine Einkommensverwendung iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 (verdeckte Ausschüttung). Die darauf entfallenden Vorsteuern seien gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 nicht abziehbar (Hinweis auf VwGH 24.2.2011, 2007/15/0004).

9 Eine gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom 30. Juni 2018 gerichtete außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 3. September 2019, Ra 2018/15/0118, zurück, weil von der mitbeteiligten Partei keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgezeigt worden war.

10 Für die Frage des Vorsteuerabzugs ist ‑ so der Verwaltungsgerichtshof im angeführten Beschluss ‑ entscheidend, zu welchem Zweck (fremdübliche Vermietung oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung) die Wohnung angeschafft wurde.

11 Das Bundesfinanzgericht hat ‑ so der Verwaltungsgerichtshof weiters ‑ die Sachverhaltsfeststellung getroffen, dass die mitbeteiligte Partei die gegenständliche Penthousewohnung angeschafft habe, um sie unentgeltlich einem ihrer Gesellschafter zur Nutzung zu überlassen. Der mit 5. April 2012 datierte Mietvertrag sei im Lichte der Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfung zu sehen. Dass die anfängliche Wohnungsüberlassung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person auf Grund eines mündlichen Mietvertrages erfolgt sei, hielt das Bundesfinanzgericht für nicht glaubwürdig. Die behauptete Mietvereinbarung sei in keiner Weise nach außen in Erscheinung getreten. Insbesondere seien weder Mieten bezahlt noch (offene) Mietforderungen seitens der mitbeteiligten Partei verbucht worden. Dass dem Bundesfinanzgericht bei Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre, wird im Zulässigkeitsvorbringen, das sich ausschließlich auf den Inhalt des später abgeschlossenen schriftlichen Mietvertrages stützt, nicht dargelegt. Auch die Ausführungen, es liege nur einmal eine verspätete Mietzahlung vor, gehen an der Sachverhaltsfeststellung vorbei, wonach im Zeitpunkt der Anschaffung der Wohnung die Absicht bestanden habe, diese unentgeltlich einem Gesellschafter zu überlassen.

12 Nach Ergehen des Zurückweisungsbeschlusses vom 3. September 2019 erließ das Finanzamt endgültige Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 und 2012. Dem vor Ergehen des endgültigen Umsatzsteuerbescheides gestellten Antrag der mitbeteiligten Partei auf Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 im Ausmaß von 118.400 € (8/10 von 148.000 €) im Umsatzsteuerbescheid 2012 gab das Finanzamt keine Folge.

13 Eine Beschwerde gegen den endgültigen Umsatzsteuerbescheid 2012 wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin die mitbeteiligte Partei die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

14 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das das Bundesfinanzgericht der Beschwerde hinsichtlich der positiven Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 statt und führte zur Begründung aus:

15 Laut E‑Mail der steuerlichen Vertreterin der mitbeteiligten Partei vom 3. Dezember 2010 habe diese dem die Daten der UVA prüfenden Sachbearbeiter des Finanzamts mitgeteilt, dass die gegenständliche „Seewohnung“ (Penthouse) ab Frühjahr 2011 um eine Monatsmiete von 1.500 € dauervermietet werde, zumal die Vermietung erst nach Fertigstellung der Innenbereichsarbeiten möglich sei. Die Adaptierungs- und Fertigstellungsarbeiten hätten vornehmlich zwischen Oktober 2010 und Juli 2011 stattgefunden. Die im Wirtschaftsjahr 2010 im unfertigen Zustand erworbene Wohnung habe die Mitbeteiligte sohin bis spätestens Juni 2011 uneingeschränkt nutzbar gemacht. Seit März 2011 nutze der Sohn die Wohnung aufgrund eines mündlichen Mietvertrages um netto 1.500 € pro Monat. Ein schriftlicher Mietvertrag datiere vom 5. April 2012.

16 Vor diesem Hintergrund treffe das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Verfahren die Feststellung, dass die Mitbeteiligte die „Seewohnung“ mit der ‑ von ihr von Anbeginn bekundeten ‑ Absicht, diese für ihr Unternehmen zur Erzielung von Einkünften zu verwenden, erworben habe.

17 Wenn das Bundesfinanzgericht im vorangegangenen Verfahren erwogen habe, es sei nicht glaubhaft, dass das ab April 2012 dokumentierte Mietverhältnis schon zuvor aufgrund einer entsprechenden mündlichen Vereinbarung bestanden habe, sei diese seinerzeitige „Feststellung“ darauf zurückzuführen, dass in jenem Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht nicht die zusätzlichen Feststellungen getroffen worden seien, die dem gegenständlichen Verfahren zugrunde lägen. Entscheidend sei nämlich, dass die Mitbeteiligte für den Kauf der „Seewohnung“ eine mehrwertsteuergerechte Rechnung erhalten habe, die zum Vorsteuerabzug berechtige. Zudem ergebe sich aus dem E‑Mailverkehr vom Dezember 2010 zwischen der steuerlichen Vertreterin der mitbeteiligten Partei und dem Sachbearbeiter des Finanzamtes, dass die „Seewohnung“ ab Frühjahr 2011 vermietet werden solle. Folglich habe die mitbeteiligte Partei bereits für den Voranmeldungszeitraum September 2010 Vorsteuern geltend gemacht.

18 Für die Gesamtbeurteilung sei auch wesentlich, dass im schriftlichen Mietvertrag vom 5. April 2012 eine monatliche Nettomiete von 1.500 € festgelegt und dieser Betrag dem Finanzamt bereits mit E‑Mail vom Dezember 2010 bekannt gegeben worden sei. Das Bundesfinanzgericht könne daher die Tatsachenfeststellung treffen, dass die Mitbeteiligte die Seewohnung mit der Absicht erworben habe, diese für ihr Unternehmen und zur Erzielung von umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen zu verwenden.

19 Art. 187 der MwSt‑Richtlinie beziehe sich auf Fälle der Berichtigung der Vorsteuerabzüge, bei denen ein Investitionsgut, dessen Verwendung kein Abzugsrecht eröffne, später einer Verwendung zugeführt werde, die ein solches Recht gewähre (Hinweis auf EuGH vom 25. Juli 2018, Gmina Ryjewo, C‑140/17 ).

20 Das Bundesfinanzgericht bejahe nunmehr, dass die Mitbeteiligte die Seewohnung mit der Absicht der Erzielung von Einkünften erworben habe.

21 Das Finanzamt stelle ein Mietverhältnis ab April 2012 außer Streit. Indem das Finanzamt ab dem Wirtschaftsjahr 2012 das mit dem schriftlichen Mietvertrag festgehaltene Mietverhältnis als unstrittig anerkenne und besteuere, werde dokumentiert, dass die Seewohnung ab März 2012 „ohne Zweifel dem betrieblichen bzw. unternehmerischen Bereich zugerechnet“ werde.

22 Erfolge der Erwerb der Wohnung für das Unternehmen und sei deren Nutzung als nicht unternehmensfremd einzustufen gewesen, sondern dem nichtwirtwirtschaftlichen (nicht umsatzsteuerpflichtigen) Bereich zuzuordnen gewesen, so sei die tatsächliche Änderung der Verhältnisse mit der ab März 2012 vorgenommenen umsatzsteuerpflichtigen Behandlung der Mieteinnahmen im „nicht unternehmensfremden“ Bereich eingetreten.

23 Für das Erreichen des Grundsatzes der Neutralität der Umsatzsteuer sei die dargelegte „Einlagenentstrickung“ bzw. Einlagenentsteuerung notwendig. Somit sei gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 eine Vorsteuerkorrektur zu Gunsten der Mitbeteiligten in Höhe von 118.400 € vorzunehmen.

24 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil keine Judikatur zur Frage „einer ‚Einlagenbesteuerung‘ durch die Vornahme einer positiven Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994“ vorliege, Auch beziehe sich das EuGH‑Urteil vom 25. Juli 2018, Gmina Ryjewo, C‑140/17 , auf eine Körperschaft öffentlichen Rechts und sei eine Rechtsprechung betreffend „privatrechtliche“ Unternehmer noch nicht gegeben.

25 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

26 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

27 Für den Vorsteuerabzug sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistung maßgeblich. Sind in diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen erfüllt, kann der Vorsteuerabzug in voller Höhe vorgenommen werden (vgl. VwGH 30.9.2009, 2008/13/0174).

28 Nach den Bestimmungen des § 12 Abs. 10 bis 11 UStG 1994 kann eine Änderung der Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgeblich waren, nach den dort geregelten Voraussetzungen und innerhalb der dort angeführten Fristen zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzuges führen. Sowohl der Abs. 10 als auch der Abs. 11 verweisen auf den Abs. 3 des § 12 UStG 1994 und zeigen damit auf, dass die Änderung der „Verhältnisse“ in einer Änderung der Verwendung von Vorleistungen zur Ausführung der in § 12 Abs. 3 Z 1 bis 4 UStG 1994 genannten Umsätze gelegen sein muss.

29 § 12 Abs. 10 und 11 UStG 1994 lauten in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 22/2012:

„(10) Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwendet oder nutzt, in den auf das Jahr der erstmaligen Verwendung folgenden vier Kalenderjahren die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren (Abs. 3), so ist für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges durchzuführen.

Dies gilt sinngemäß für Vorsteuerbeträge, die auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten, aktivierungspflichtige Aufwendungen oder bei Gebäuden auch auf Kosten von Großreparaturen entfallen, wobei der Berichtigungszeitraum vom Beginn des Kalenderjahres an zu laufen beginnt, das dem Jahr folgt, in dem die diesen Kosten und Aufwendungen zugrunde liegenden Leistungen im Zusammenhang mit dem Anlagevermögen erstmals in Verwendung genommen worden sind.

Bei Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) tritt an die Stelle des Zeitraumes von vier Kalenderjahren ein solcher von neunzehn Kalenderjahren.

Bei der Berichtigung, die jeweils für das Jahr der Änderung zu erfolgen hat, ist für jedes Jahr der Änderung von einem Fünftel, bei Grundstücken (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) von einem Zwanzigstel der gesamten auf den Gegenstand, die Aufwendungen oder Kosten entfallenden Vorsteuer auszugehen; im Falle der Lieferung ist die Berichtigung für den restlichen Berichtigungszeitraum spätestens in der letzten Voranmeldung des Veranlagungszeitraumes vorzunehmen, in dem die Lieferung erfolgte.

(11) Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer für sein Unternehmen hergestellt oder erworben hat oder bei sonstigen Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, die Voraussetzungen, die für den Vorsteuerabzug maßgebend waren (Abs. 3), so ist, sofern nicht Abs. 10 zur Anwendung gelangt, eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung eingetreten ist.“

30 Die Zuführung von Gegenständen aus dem nichtunternehmerischen Bereich (Einlage aus dem Privatvermögen oder Überführung eines Gegenstandes vom nichtunternehmerischen Bereich einer Körperschaft in deren unternehmerischen Bereich) führt weder zu einem nachträglichen Vorsteuerabzug noch zu einer positiven Vorsteuerberichtigung (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 294; Schuchter/Kollmann, in Melhardt/Tumpel, UStG2 § 12 Rz 427; jeweils mit Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 11. Juli 1991, Lennartz, C‑97/90 , sowie mit weiteren Nachweisen).

31 Das Bundesfinanzgericht hat im nunmehr angefochtenen Erkenntnis ‑ im Gegensatz zu den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts im Erkenntnis vom 30. Juni 2018 ‑ festgestellt, dass die in Rede stehendende Penthousewohnung von der Mitbeteiligten von vornherein für die Erzielung umsatzsteuerpflichtiger Entgelte, nämlich für die Vermietung zu Wohnzwecken, angeschafft wurde.

32 Schon bei der Anschaffung und bei der Durchführung der Fertigstellungsarbeiten sei das Penthouse für eine Vermietung zu Wohnzwecken um einen monatlichen Mietzins von netto 1.500 € gewidmet gewesen. Die Vermietung an den Sohn des Gesellschafters um 1.500 € netto pro Monat habe mit März 2011 begonnen, also bereits bevor die letzten Fertigstellungsarbeiten ausgeführt waren. Der Vermietung ab März 2011 sei von Anfang an ein mündlicher Mietvertrag zugrunde gelegen. Ab April 2012 sei der Mietvertrag zudem schriftlich beurkundet worden. Da die Wohnung von Anbeginn zur Erzielung von Umsätzen in Form der steuerpflichtigen Vermietung zu Wohnzwecken gewidmet gewesen sei, was sich etwa auch aus einem E‑Mail vom Dezember 2010 an des Finanzamts ergebe, habe die Mitbeteiligte bereits für den Voranmeldungszeitraum September 2010 Vorsteuern geltend gemacht.

33 Das Bundesfinanzgericht geht im angefochtenen Erkenntnis davon aus, dass die Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 darin gelegen sei, dass das Finanzamt die Vermietung erst ab dem Wirtschaftsjahr 2011/2012 besteuere, also Umsatzsteuer für die Vermietung ab dem Wirtschaftsjahr 2011/2012 vorschreibe.

34 Die Art. 185 ff MwSt‑RL sehen eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges insbesondere für den Fall vor, dass sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrages berücksichtigt werden, (nach Abgabe der Steuererklärung) geändert haben.

35 Eine Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 und 11 UStG 1994 setzt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse voraus.

36 Die geänderte rechtliche Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts stellt keine Änderung der Verhältnisse dar, die zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 und 11 UStG 1994 führt. Dass das Bundesfinanzgericht im hier angefochtenen Erkenntnis den Sachverhalt rechtlich anders würdigt als im Erkenntnis vom 30. Juni 2018, stellt keine Änderung im hier maßgeblichen Sinn dar. Eine solche Änderung liegt auch nicht in der ab März 2012 vorgenommenen umsatzsteuerpflichtigen Behandlung der Mieteinnahmen durch das Finanzamt. Vielmehr hat ‑ beurteilt auf der Grundlage des im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhaltes ‑ der Vorsteuerabzug (nach Maßgabe der Rechnungslegung) bereits im Zeitpunkt der Anschaffung der Wohnung bzw. der Durchführung der Sanierungsarbeiten bestanden.

37 Im gegenständlichen Fall sind die für den Vorsteuerabzug grundsätzlich maßgeblichen Verhältnisse seit dem Zeitpunkt des Leistungsbezuges durch die Mitbeteiligte sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht gerade unverändert geblieben, weshalb nach der bestehenden Gesetzeslage kein Raum für eine Vorsteuerberichtigung bleibt (vgl. wiederum VwGH 18.12.2017, Ra 2016/15/0084).

38 Die Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 und 11 UStG 1994 dient nämlich nicht der Korrektur fehlerhafter Entscheidungen betreffend die ursprüngliche Vorsteuerabzugsberechtigung, die aufgrund rechtskräftiger Veranlagung verfahrensrechtlich unabänderlich geworden sind und hinsichtlich derer gerade keine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist (vgl. nochmals VwGH 18.12.2017, Ra 2016/15/0084).

39 Das Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018, Gmina Ryjewo, C‑140/17 , betrifft den Bezug von Waren und Dienstleistungen zur Errichtung eines Gebäudes durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts, wobei es entscheidend darauf ankam, dass das Gebäude zunächst für nicht zu besteuernde Tätigkeiten verwendet wurde und später der Nutzung für eine umsatzsteuerpflichtige Betätigung zugeführt wurde. Im gegenständlichen Fall hat das Bundesfinanzgericht aber die Feststellung getroffen, dass das Penthouse von vornherein der Erzielung von Umsätzen durch eine steuerpflichtige Vermietung zu Wohnzwecken gedient hat.

40 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 23. November 2022

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