VwGH Ro 2020/10/0010

VwGHRo 2020/10/001031.5.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision der X, vertreten durch die Rihs Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 9. Dezember 2019, Zl. VGW‑101/056/16574/2018‑18, betreffend Abweisung eines Antrags auf Genehmigung der Statuten einer Kultusgemeinde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien; nunmehr Bundesministerin für Frauen und Integration), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020100010.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 2. Oktober 2018 wies die belangte Behörde den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Genehmigung der Statuten der „Y der X“ nach § 23 Abs. 1 Islamgesetz 2015 (IslamG 2015) ab. Begründet wurde die Abweisung damit, dass der gesicherte Bestand und die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit gemäß § 8 Abs. 3 IslamG 2015 nicht angenommen werden könnten und dass die Statuten nicht § 8 Abs. 4 Z 1, 3 und 7 leg. cit. entsprächen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.

3 Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht mit fehlender Rechtsprechung zur Frage der „Prüfpflicht der Behörde im Rahmen des § 8 Islamgesetz im Gegensatz zum Recht der Religionsgesellschaften zur selbständigen Besorgung ihrer inneren Angelegenheiten“. Eine Prüfpflicht „über die Genehmigung der Religionsgesellschaft hinausgehend (Kultusgemeinden)“ sei ebenso wenig geklärt. Ferner sei die Frage des Prüfumfangs und der Kontrolldichte bei der Genehmigung „(vorab nach § 5 Abs. 1 Islamgesetz, wobei dessen Anwendbarkeit fraglich ist und nach § 5 Abs. 2 Islamgesetz mit der „Voraus“‑Wirkung bereits auf das Prüfverfahren bei der Genehmigung)“ in Bezug auf die Frage, ob die Voraussetzungen nach § 8 IslamG 2015 vorlägen, unklar. Es sei auch unklar, ob das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 und § 6 Abs. 2 IslamG 2015 „bei einem Antrag wie gegenständlich vorliegend“ geprüft werden dürfe. Auch die Auslegung der einzelnen Bestimmungen des § 8 Abs. 4 IslamG 2015 ‑ wieder vor dem Hintergrund der Frage, in welchem Umfang eine Prüfpflicht bestehe ‑ sei von grundsätzlicher Bedeutung.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob die revisionswerbende Partei unter anderem Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschluss vom 23. Februar 2021, E 320/2020‑15, ab.

5 Gegen das angefochtene Erkenntnis richtet sich außerdem die vorliegende ordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Aufwandersatz.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

9 Die revisionswerbende Partei hat auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen, wenn die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für die Beurteilung deren Zulässigkeit nicht ausreicht oder die revisionswerbende Partei andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben erachtet (vgl. VwGH 25.3.2020, Ro 2020/10/0005, 0006).

10 In der Revision wird zur Zulässigkeit ergänzend zu der oben wiedergegebenen Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes vorgebracht, es fehle Rechtsprechung zur Frage des grundlegenden Zusammenhangs/Unterschieds zwischen der Genehmigung der Statuten einer Kultusgemeinde gemäß § 23 Abs. 1 IslamG 2015 und der Erlangung der Rechtspersönlichkeit einer nach innerreligionsgemeinschaftlichen Regeln mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Einrichtung für den staatlichen Bereich durch Anzeige gemäß § 23 Abs. 4 leg. cit. Weiters fehle Rechtsprechung zur Frage, ob der belangten Behörde über die Befugnis zur Genehmigung von Statuten hinaus im Genehmigungsverfahren eine materielle Prüfbefugnis im Zusammenhang mit den Bestimmungen „abseits des § 8 Abs. 4 Islamgesetz“ zukomme. Falls ja, fehle außerdem Rechtsprechung zur Frage, welche anderen, über eine formale Prüfung der Statuten gemäß § 8 Abs. 4 IslamG 2015 hinausgehenden Kriterien (etwa bezüglich der Sicherung des Bestandes und der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit gemäß § 8 Abs. 3 IslamG 2015, des Namensrechts gemäß § 9 leg. cit., des „Inlandsfinanzierungsgebots“ des § 6 Abs. 2 IslamG 2015) die belangte Behörde im Genehmigungsverfahren zu prüfen habe. Außerdem rügt die revisionswerbende Partei ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 1993, 92/10/0123, wonach sich die Genehmigung von Statuten ausschließlich auf eine formale Überprüfung der förmlichen gesetzlichen Voraussetzungen des § 6 Anerkennungsgesetz über die Bestellung der außenvertretungsbefugten Organe beschränke.

11 In Bezug auf die Revisionszulässigkeit bedarf es einer Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem konkreten Sachverhalt und der darauf basierenden rechtlichen Beurteilung (vgl. VwGH 2.8.2018, Ra 2018/05/0198, mwN). Jedenfalls ist eine konkrete Bezugnahme auf den Revisionsfall herzustellen (vgl. VwGH 2.5.2016, Ra 2016/16/0028, mwN). Diese Konkretisierung obliegt auch im Falle einer ordentlichen Revision, wenn sie nicht schon der Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision entnommen werden kann, dem Revisionswerber (vgl. VwGH 22.1.2019, Ro 2018/05/0023; 27.9.2018, Ro 2017/10/0028).

12 Weder das Verwaltungsgericht noch die revisionswerbende Partei legen in ihren Zulässigkeitsbegründungen konkret dar, welche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG, von deren Lösung das Schicksal der vorliegenden Revision abhängt, vom Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen wäre. Ein pauschales oder nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung reicht nicht aus, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2019/10/0087, mwN). Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Revisionen nicht zuständig (vgl. VwGH 21.11.2019, Ro 2018/10/0022 bis 0027, mwN).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ‑ in jeder Lage des Verfahrens ‑ mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

15 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 31. Mai 2021

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