VwGH Ro 2019/16/0017

VwGHRo 2019/16/001711.3.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der W Limited in W (Gibraltar), vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. April 2018, Zl. RV/7104839/2017, betreffend Wettgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten), den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §115 Abs1
BAO §167 Abs2
B-VG Art133 Abs4
GebG 1957 §33 TP17 Abs1 Z1
GebG 1957 §33 TP17 Abs2
UStG 1994 §6 Abs1 Z9 litd sublitaa
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1
12010E056 AEUV Art56
62004CJ0513 Kerckhaert und Morres VORAB
62008CO0156 Vollkommer VORAB
62015CC0591 The Gibraltar Betting and Gaming Association / The Queen Schlussantrag

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019160017.J00

 

Spruch:

Die Revision wird ‑ soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses richtet ‑ zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesfinanzgericht über die Beschwerden der Revisionswerberin (einer Gesellschaft mit Sitz in Gibraltar, die eine Online‑Glücksspiel- und Wettplattform betreibt) gegen die Festsetzung von Wettgebühren (Spruchpunkt 1.) und gegen die Festsetzung der Glücksspielabgabe (Spruchpunkt 2.) durch das damalige Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel ab. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig.

2 Mit Erkenntnis vom 23. Juli 2020, Ro 2018/17/0006, hob der Verwaltungsgerichtshof ‑ über Revision des Finanzamts ‑ Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf.

3 Mit Beschluss vom 21. September 2020, Ro 2019/17/0007, erklärte der Verwaltungsgerichtshof die Revision ‑ soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses richtet ‑ als gegenstandslos und stellte das Verfahren ein.

4 Soweit sich die Revision gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, erachtet sich die Revisionswerberin in Ausführung des Revisionspunktes „in ihrem Recht verletzt, nicht zur Zahlung von [...] Wettgebühren herangezogen zu werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind“.

5 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden.

7 Das Bundesfinanzgericht hat die ordentliche Revision gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses mit der Begründung zugelassen, es sei zwar durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, dass sowohl die inländische Wohnsitzadresse als auch die inländische IP‑Adresse Indizien für die „Teilnahme vom Inland aus“ darstellten. Nicht geklärt sei allerdings, ob sich das Finanzamt bei der Festsetzung von Wettgebühren auch auf nur eines der genannten Indizien stützen dürfe.

8 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist die Frage, ob eine Wette im Inland abgeschlossen wurde oder ob dem gleichkommend (§ 33 TP 17 Abs. 2 GebG) an einer Wette vom Inland aus teilgenommen wurde, ein als Ergebnis der Beweiswürdigung festzustellender Sachverhalt, der den zur Gebührenpflicht führenden Tatbestand verwirklicht, und können zu einer solchen Sachverhaltsfeststellung sowohl die Registrierung des Users mit einer inländischen Wohnanschrift als auch die Zuordnung der Wette zu einer inländischen IP‑Adresse als Indiz dafür dienen, dass sich der Wettteilnehmer dabei im Inland befunden hat (vgl. VwGH 6.7.2020, Ro 2018/17/0005; 28.2.2020, Ra 2019/16/0060, mwN).

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat mittlerweile auch zur Frage, ob die Teilnahme vom Inland aus auf nur ein Indiz (z.B. die Registrierungsadresse) gestützt werden kann, klargestellt, dass die Gewichtung einzelner Indizien und somit auch die Sachverhaltsfeststellung auf ein Indiz zu stützen und ein anderes Indiz im Wege der Beweiswürdigung zu verwerfen, in seiner Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausgeht und damit in der Regel keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darstellt (vgl. nochmals VwGH 6.7.2020, Ro 2018/17/0005; 28.2.2020, Ra 2019/16/0060).

10 Dass das Bundesfinanzgericht im Revisionsfall die konkrete Beweiswürdigung in einer unvertretbaren, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise vorgenommen hätte, zeigt die Revisionswerberin in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf, führt sie doch selbst aus, dass es ihr aus Datenschutzgründen nicht möglich sei, konkret für einzelne Fälle durch nähere Angaben zum Spieler und zu dessen Aufenthaltsort während des Spiels dem Indiz des Wohnsitzes entgegen zu treten und sie lediglich allgemeine Angaben, etwa zum Prozentsatz der Spieler mit einer ausländischen IP‑Adresse machen könne, wobei eine solche aber kein verlässliches Kriterium für den Aufenthaltsort während des Spiels sei.

11 Das Bundesfinanzgericht begründet die Zulässigkeit der Revision weiters bloß allgemein mit der Frage der Unionsrechtskonformität der Besteuerung von Online‑Wetten. Im Zulässigkeitsvorbringen der Revision wird dazu näher ausgeführt, die Wettgebühren verstießen gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV, weil sie zu einer Doppelbesteuerung grenzüberschreitend tätiger Anbieter im In- und Ausland führten und der Tatbestand der „Teilnahme vom Inland aus“ nur ausländische Wettanbieter treffe.

12 Dem ist, wie das Bundesfinanzgericht unter Bezugnahme auf die Schlussanträge des Generalanwalts vom 19. Jänner 2017, C‑591/15 , The Gibraltar Betting and Gaming Association, Rn. 86, 93, zu Recht ausführt, entgegen zu halten, dass § 33 TP 17 Abs. 2 GebG, der die Teilnahme an dem Rechtsgeschäft Wette vom Inland aus dem Wettabschluss im Inland gleichstellt, unterschiedslos Online‑Wetten in- und ausländischer Anbieter erfasst. § 33 TP 17 Abs. 2 GebG stellt lediglich auf die Teilnahme vom Inland aus ab und gilt für alle Wettanbieter gleichermaßen, die auf dem österreichischen Markt wirtschaftlich tätig sind, unabhängig von ihrem Ansässigkeitsort. Soweit eine (allfällige) Doppelbesteuerung gerügt wird, wäre eine solche aber keine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV, sondern nur Folge des Grundsatzes, dass Mitgliedstaaten aus ihrer Steuerhoheit eine Besteuerungsbefugnis erwächst (vgl. nochmals die Schlussanträge des Generalanwalts 19.1.2017, C‑591/15 , The Gibraltar Betting and Gaming Association, Rn. 87, mit Verweis auf EuGH 14.11.2006, C‑513/04 , Kerckhaert und Morres, Rn. 21).

13 Soweit zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht wird, die Wettgebühren verstießen gegen Art. 401 der RL 2006/112/EG (MwStSystRL), weil sie wesentliche Merkmale einer Mehrwertsteuer aufwiesen, ist auf § 6 Abs. 1 Z 9 lit. d) sublit. aa) UStG 1994 zu verweisen, wonach „die mit Wetten gemäß § 33 TP 17 Abs. 1 Z 1 GebG 1957 [...] unmittelbar verbundenen Umsätze“ von der Umsatzsteuer befreit sind, sodass eine Kumulierung der Wettgebühren gemäß § 33 TP 17 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 leg. cit. mit der Umsatzsteuer ausscheidet. Hinzu kommt, dass Wettgebühren schon deshalb nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, weil sie keine allgemeinen Steuern sind, die darauf abzielen, die Gesamtheit der wirtschaftlichen Vorgänge in einem Mitgliedstaat zu erfassen und nicht im Rahmen eines Produktions- und Vertriebsprozesses erhoben werden, bei dem vorgesehen ist, dass auf jeder Stufe die auf den vorhergehenden Stufen dieses Prozesses bereits entrichteten Beträge abgezogen werden können (vgl. etwa EuGH 27.11.2008, C‑156/08 , Monika Vollkommer, Rn. 31 ff).

14 Eine Revision hängt nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ab, wenn sich die Rechtsfrage innerhalb des vom Revisionswerber durch den Revisionspunkt selbst definierten Prozessthemas stellt. Die Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses, auch der Zulässigkeit einer Revision, hat daher im Rahmen des Revisionspunktes zu erfolgen und sich auf das dort geltend gemachte Recht zu beschränken (vgl. etwa VwGH 14.1.2020, Ro 2018/16/0046, mwN).

15 In der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision spricht die Revisionswerberin auch die Einbeziehung von Boni und Freispielen in die Bemessungsgrundlage der Wettgebühren an. Soweit damit die Höhe der Bemessungsgrundlage bekämpft wird, bewegt sich die Revision außerhalb des im Rahmen des Revisionspunktes (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG) geltend gemachten subjektiven Rechts „nicht zur Zahlung von [...] Wettgebühren herangezogen zu werden“. Im Rahmen des durch den Revisionspunkt abgesteckten Prozessthemas, welches eine Bestreitung der Gebührenfestsetzung für einzelne Wetten dem Grunde nach erfasst, stellt sich die von der Revisionswerberin im Zusammenhang mit der Höhe der Bemessungsgrundlage aufgeworfene Rechtsfrage nicht (vgl. etwa VwGH 28.2.2020, Ra 2019/16/0060; sowie nochmals VwGH 14.1.2020, Ro 2018/16/0046, mwN).

16 Insgesamt liegt somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor.

17 Die Revision war daher ‑ soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses richtet ‑ gemäß § 34 Abs. 1 VwGG unter Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung zurückzuweisen.

Wien, am 11. März 2022

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