VwGH Ro 2019/10/0026

VwGHRo 2019/10/002630.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien (nunmehr: Bundesministerin für Frauen und Integration) in Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 11. Februar 2019, Zl. VGW‑101/V/014/11867/2018‑5, betreffend Aufhebung der Rechtspersönlichkeit einer Kultusgemeinde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien; mitbeteiligte Partei: 1. X der Y, vertreten durch die RIHS Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13; 2. Y in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56
AVG §8
AVG §9
B-VG Art18
IslamG 2015 §23
IslamG 2015 §23 Abs2
IslamG 2015 §4
IslamG 2015 §5
IslamG 2015 §5 Abs1 Z1
IslamG 2015 §5 Abs2 Z1
IslamG 2015 §5 Abs2 Z2
IslamG 2015 §5 Abs2 Z3
IslamG 2015 §5 Abs2 Z4
IslamG 2015 §6 Abs1
IslamG 2015 §7
IslamG 2015 §7 Z2
IslamG 2015 §8
IslamG 2015 §8 Abs1
IslamG 2015 §8 Abs3
IslamG 2015 §8 Abs4
IslamG 2015 §9
StGG Art15
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019100026.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 27. Mai 2016 genehmigte der Bundeskanzler gemäß § 23 Abs. 1 Islamgesetz 2015 (IslamG 2015) die Statuten der „X der Y“ (in der Folge: X).

2 Mit Schreiben vom 10. August 2017 „beantragte“ die Y u.a. die Aufhebung der Rechtspersönlichkeit der X.

3 Mit Schreiben vom 25. April 2018 forderte der revisionswerbende Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien (in der Folge: Bundesminister) die X auf, zu den durchgeführten ‑ näher dargestellten ‑ Erhebungen Stellung zu nehmen. Das bisherige Ermittlungsverfahren ergebe, dass der Bestand der Kultusgemeinde auf Dauer nicht gesichert sei und sie ihre rechtlichen Verpflichtungen, wie sie sich aus dem Gesetz, der Y‑Verfassung und den bewilligten Statuten der Kultusgemeinde ergäben, nicht erfülle. Die X werde „eingeladen zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens bis zum 11. Mai 2018 Stellung zu nehmen“.

4 Die X führte ‑ nach Fristerstreckung ‑ mit Stellungnahme vom 18. Mai 2018 aus, dass eine Aufhebung der Rechtspersönlichkeit „durch bzw. für den staatlichen Bereich“ rechtswidrig wäre.

5 Mit an die Y gerichtetem Bescheid vom 7. Juni 2018 hob der Bundesminister die Rechtspersönlichkeit der X gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 und Z 2 IslamG 2015 auf. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

6 Begründend führte der Bundesminister aus, durch den Rückgang der mindestens erforderlichen zehn auf nunmehr sechs Moscheeeinrichtungen sei der Bestand der X auf Dauer nicht mehr gesichert, weshalb die Rechtspersönlichkeit der X gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 iVm § 8 Abs. 1 und 3 IslamG 2015 aufzuheben sei. Außerdem komme die X ihren Verpflichtungen aufgrund der Verfassung der Y, insbesondere zur Führung eines Mitgliederverzeichnisses und zur Vorlage aussagekräftiger Finanzunterlagen nicht nach, weshalb die Rechtspersönlichkeit der X gemäß § 5 Abs. 2 Z 3 und 4 iVm § 8 Abs. 3 IslamG 2015 aufzuheben sei. Weiters verbreite eine der X zurechenbare näher bezeichnete Moscheeeinrichtung eine Auslegung des Islam, die im Gegensatz zu in Österreich verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten Dritter, insbesondere von Frauen auf Gleichbehandlung, stehe. Sie stelle eine Gefährdung der Rechte Dritter und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar und verstoße gegen die positive Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft. Für die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse der Muslime in Österreich sei diese Moscheeeinrichtung nicht geeignet. Es sei somit die Rechtspersönlichkeit der X gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 iVm § 5 Abs. 1 Z 1 IslamG 2015 aufzuheben.

7 Der Bescheid vom 7. Juni 2018 wurde der Y und der X zugestellt.

8 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 15. Juni 2018 wies der Bundesminister die von der X erhobene Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung mangels Parteistellung zurück.

9 Mit Erkenntnis vom 29. Juni 2018 hob das Verwaltungsgericht Wien (VwG) den Bescheid vom 15. Juni 2018 sowie den Ausspruch des Bescheides vom 7. Juni 2018, dass die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen werde, auf.

10 Mit Schreiben vom 29. Juni 2018 teilte die Y mit, dass die X ihren formellen Voraussetzungen nun nachgekommen sei und die Y daher am Bestehen der Rechtspersönlichkeit der X festhalte.

11 Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2018 erhob die X Beschwerde gegen den Bescheid vom 7. Juni 2018.

12 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 11. Februar 2019 hob das VwG ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ den Bescheid auf und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig.

13 Zur Frage der Parteistellung der X führte das VwG aus, durch die mit Bescheid ausgesprochene Aufhebung ihrer Rechtspersönlichkeit werde ohne jeden Zweifel ein subjektives Recht der X berührt, da diese Sachentscheidung unmittelbar und massiv in die Rechtssphäre der X eingreife. Der X komme daher Parteistellung im Verfahren zu.

14 Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begründete das VwG im Wesentlichen damit, dass der Bundesminister keine an die X gerichtete Aufforderung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes (innerhalb einer von der Behörde zu bestimmenden, angemessenen Frist) erlassen habe. Die Aufhebung der Rechtspersönlichkeit setze eine solche Verfahrensanordnung und deren Nichtbefolgung voraus. Soweit der Bundesminister argumentiere, der Bestand der Kultusgemeinde sei auf Dauer nicht mehr gesichert, ziehe er ausschließlich die Anforderungen der Y‑Verfassung heran, weshalb auch in Hinblick auf diesen Vorwurf eine Aufforderung hätte ergehen müssen. Mangels erfolgter Verfahrensanordnungen erweise sich die Aufhebung der Rechtspersönlichkeit der X als rechtswidrig. Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung stützte das VwG auf § 24 Abs. 4 VwGVG.

15 Die Zulässigkeit der Revision begründete das VwG damit, dass sowohl zur Frage der Parteistellung einer Kultusgemeinde während des Aberkennungsverfahrens nach dem IslamG 2015 als auch zur Aberkennung deren Rechtspersönlichkeit selbst bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

16 Die vorliegende ordentliche Amtsrevision vom 14. März 2019 bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es liege zur Frage der Parteistellung in Angelegenheiten der Aberkennung der Rechtspersönlichkeit nach dem IslamG 2015 bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

17 Die X und die Y erstatteten im vom VwG geführten Vorverfahren jeweils eine Revisionsbeantwortung. Die X beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Die Revision erweist sich schon in Hinblick auf die Frage der Parteistellung von Kultusgemeinden in Verfahren zur Aberkennung ihrer Rechtspersönlichkeit nach dem IslamG 2015 als zulässig.

19 Art. 15 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG), RGBl. Nr. 142/1867, lautet:

Artikel 15. Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig, bleibt im Besitze und Genusse ihrer für Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde, ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.“

20 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die äußeren Rechtsverhältnisse islamischer Religionsgesellschaften ‑ Islamgesetz 2015, BGBl. I Nr. 39/2015, lauten:

Voraussetzungen für den Erwerb der Rechtsstellung

§ 4. (1) Eine Islamische Religionsgesellschaft bedarf für den Erwerb der Rechtspersönlichkeit nach diesem Bundesgesetz eines gesicherten dauerhaften Bestandes und der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit. Der gesicherte dauerhafte Bestand ist gegeben, wenn der Antragsteller eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft ist und über eine Anzahl an Angehörigen von mindestens 2 vT der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung verfügt. Den Nachweis hat der Antragsteller zu erbringen.

(2) Einnahmen und Vermögen dürfen ausschließlich für religiöse Zwecke, wozu auch in der religiösen Zielsetzung begründete gemeinnützige und mildtätige Zwecke zählen, verwendet werden.

(3) Es muss eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat bestehen.

(4) Es darf keine gesetzwidrige Störung des Verhältnisses zu den bestehenden gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften sowie sonstigen Religionsgemeinschaften bestehen.

Versagung und Aufhebung der Rechtspersönlichkeit

§ 5. (1) Der Bundeskanzler hat den Erwerb der Rechtspersönlichkeit zu versagen, wenn

1. dies im Hinblick auf die Lehre oder deren Anwendung zum Schutz der in einer demokratischen Gesellschaft gegebenen Interessen der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist; dies ist insbesondere bei Aufforderung zu einem mit Strafe bedrohten gesetzwidrigen Verhalten, bei einer Behinderung der psychischen Entwicklung von Heranwachsenden, bei Verletzung der psychischen Integrität und bei Anwendung psychotherapeutischer Methoden, insbesondere zum Zwecke der Glaubensvermittlung, gegeben,

2. eine Voraussetzung nach § 4 fehlt,

3. die Verfassung dem § 6 nicht entspricht.

(2) Die Bundesregierung hat die Anerkennung der Religionsgesellschaft mit Verordnung, der Bundeskanzler die Rechtspersönlichkeit einer Kultusgemeinde mit Bescheid aufzuheben, wenn

1. eine für den Erwerb der Rechtsstellung maßgebliche Voraussetzung nach § 4, außer der Anzahl an Angehörigen, bzw. § 8 nicht mehr vorliegt,

2. ein Versagungsgrund gemäß Abs. 1 vorliegt, sofern trotz Aufforderung zur Abstellung des Aberkennungsgrundes dieser fortbesteht,

3. ein verfassungswidriges oder statutenwidriges Verhalten trotz Aufforderung zur Abstellung fortbesteht, oder

4. mit der Anerkennung verbundene Pflichten trotz Aufforderung nicht erfüllt werden.

(3) Nach der Kundmachung der Verordnung, mit welcher die Aufhebung der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit erfolgte, ist binnen drei Werktagen ein Feststellungsbescheid über die Gründe zu erlassen, der den Namen der Religionsgesellschaft und die zuletzt zur Außenvertretung befugten Organe zu enthalten hat und an diese zuzustellen ist.

(4) Die Versagung oder Aufhebung der Rechtsstellung ist im Internet auf einer für den Bereich ‚Kultusamt‘ einzurichtenden Homepage öffentlich zugänglich zu machen.

...

Aufgaben einer Religionsgesellschaft

§ 7. Einer Religionsgesellschaft obliegen insbesondere

1. die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder, soweit sie über den Wirkungsbereich einer Kultusgemeinde hinausreichen; sie ist religionsgesellschaftliche Oberbehörde;

2. die Vorlage der Verfassung der Religionsgesellschaft und von Statuten der Kultusgemeinden, deren Änderungen sowie Änderungen in der Zusammensetzung der Organe an den Bundeskanzler;

3. die Vorlage von nach innerreligionsgesellschaftlichem Recht mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Einrichtungen für die Erlangung der Rechtspersönlichkeit auch für den staatlichen Bereich, deren vertretungsbefugten Organe und Organwalter sowie deren Änderungen an den Bundeskanzler.

Kultusgemeinden

§ 8. (1) Kultusgemeinden sind Teile einer islamischen Religionsgesellschaft, die zugleich selbstständige Körperschaften öffentlichen Rechts sind. Sie haben für die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder und für die Bereitstellung der dafür erforderlichen Einrichtungen zu sorgen.

(2) Die Kultusgemeinden können zur Erfüllung der in Abs. 1 genannten Aufgaben Einrichtungen gründen, führen oder bestehende Einrichtungen zu solchen der Kultusgemeinde erklären. Gemeinsame Einrichtungen mehrerer Kultusgemeinden können nur im allseitigen Einvernehmen und mit Zustimmung der Religionsgesellschaft gegründet werden.

(3) Kultusgemeinden können nur gegründet werden, wenn deren Bestand und wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit gesichert ist und die Religionsgesellschaft der Gründung zustimmt.

(4) Jede Kultusgemeinde hat sich ein Statut zu geben, welches um die Wirkung für den staatlichen Bereich sicher zu stellen

1. Name und eine Kurzbezeichnung der Kultusgemeinde, wobei die Religionsgesellschaft klar erkennbar und eine Verwechslung mit anderen Kirchen oder Religionsgesellschaften, Vereinen, Einrichtungen, Kultusgemeinden oder anderen Rechtsformen ausgeschlossen sein muss,

2. den Sitz der Kultusgemeinde,

3. Bestimmungen über Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft,

4. die Rechte und Pflichten der Mitglieder,

5. Regelungen über die innere Organisation, insbesondere über ein Mitgliedsverzeichnis,

6. Regelungen über die Art der Bestellung, Dauer der Funktionsperiode und Abberufung der Organe,

7. Regelungen über die Aufbringung der Mittel, deren Verwaltung und über die Rechnungslegung,

8. Regelungen über die Schlichtung von Streitigkeiten innerhalb der Kultusgemeinden, und

9. Regelungen über die Erzeugung und Änderung des Statuts

enthalten muss.

(5) Bei Auflösung einer Kultusgemeinde haben die zuletzt tätigen Organe im Einvernehmen mit der Religionsgesellschaft über das Vermögen zu bestimmen.

...

3. Abschnitt

Rechte und Pflichten der ‚Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich‘

Namensrecht und Schutz der religiösen Bezeichnungen

§ 9. (1) Die Religionsgesellschaft hat das Recht, einen Namen im Rahmen der in § 6 Abs. 1 Z 1 genannten Grenzen zu wählen.

(2) Die Namen der Religionsgesellschaft und der Kultusgemeinden sowie alle daraus abgeleiteten Begriffe dürfen nur mit Zustimmung der Religionsgesellschaft oder Kultusgemeinde verwendet werden.

(3) Bezeichnungen, die geeignet sind gegenüber außenstehenden Dritten den Eindruck einer rechtlichen Verbindung zu einzelnen Einrichtungen der Religionsgesellschaft, einer Kultusgemeinde oder ähnlicher Institutionen außerhalb Österreichs herzustellen, dürfen nur mit Zustimmung der Religionsgesellschaft verwendet werden.

(4) Bei Verstößen gegen diese Bestimmungen haben die Religionsgesellschaft und jede betroffene Kultusgemeinde das Recht, einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zur Beendigung des rechtswidrigen Zustandes an den Bundeskanzler zu stellen, wenn nicht strafgesetzliche Bestimmungen anzuwenden sind. Über den Antrag ist binnen vier Wochen zu entscheiden.

5. Abschnitt

Zusammenwirken von Religionsgesellschaften und Staat

Rechtswirksamkeit innerreligionsgesellschaftlicher Entscheidungen

§ 23. (1) Die Verfassung einer Religionsgesellschaft, die Statuten von Kultusgemeinden sowie in diesen begründete Verfahrensordnungen, insbesondere Kultusumlagenordnung und Wahlordnung, und deren Änderungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Bundeskanzlers.

(2) Die aufgrund der Verfassung und der Statuten zur Außenvertretung befugten Organe sowie die Religionsdienerinnen und -diener sind dem Bundeskanzler unverzüglich nach der Wahl bzw. Bestellung von der Religionsgesellschaft (§ 7 Z 2) zur Kenntnis zu bringen.

(3) Änderungen von Regelungen gemäß Abs. 1 und Bestellungen von vertretungsbefugten Organen treten erst mit dem Tag der Bestätigung durch den Bundeskanzler in Kraft. Sie sind von diesem im Internet auf einer für den Bereich ‚Kultusamt‘ einzurichtenden Homepage öffentlich zugänglich zu machen.

(4) Nach innerreligionsgesellschaftlichem Recht mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Einrichtungen erlangen für den staatlichen Bereich Rechtspersönlichkeit des öffentlichen Rechts mit dem Tag des Einlangens der durch die Religionsgesellschaft ausgefertigten Anzeige beim Bundeskanzler, der das Einlangen schriftlich zu bestätigen hat. Die Anzeige muss den Wirkungsbereich der Rechtsperson und jene Personen, welche sie nach außen vertreten enthalten.

...“

21 Vorauszuschicken ist, dass sich die Zuständigkeit des Bundesministers aus der gemäß Art. 77 Abs. 3 B‑VG iVm § 1 Abs. 2 BMG erfolgten Übertragung der sachlichen Leitung in Kultusangelegenheiten vom Bundeskanzler an den Bundesminister ergibt (vgl. die entsprechenden Entschließungen des Bundespräsidenten vom 21. Dezember 2017, BGBl. II Nr. 406/2017; 8. Jänner 2018, BGBl. II Nr. 3/2018; 5. Juni 2019, BGBl. II Nr. 146/2019).

Zur Frage der Parteistellung:

22 Der Bundesminister bestreitet in der Revision die Parteistellung der X und führt aus, die Kultusgemeinde sei Teil der Religionsgesellschaft und die Organisation der Religionsgesellschaft stelle eine innere Angelegenheit gemäß Art. 15 StGG dar, woraus folge, dass nur der Religionsgesellschaft Parteistellung in einem Verfahren zur Auflösung einer Kultusgemeinde zukommen könne. Es werde nicht bestritten, dass subjektive Rechte der Kultusgemeinde von der Auflösung berührt würden, jedoch müssten diese Rechte von der Religionsgesellschaft wahrgenommen werden. Die Gründung einer Kultusgemeinde falle nicht ausschließlich in den Bereich der inneren Angelegenheiten einer Religionsgesellschaft, sondern umfasse auch eine staatliche Komponente. Die Vorlage der Statuten der Kultusgemeinde obliege der Religionsgesellschaft. Der Kultusgemeinde komme weder im Gründungsverfahren noch im Auflösungsverfahren Parteistellung zu. Die Bestimmungen des IslamG 2015 seien im Lichte des Art. 15 StGG auszulegen, weshalb die Organisationshoheit der Religionsgesellschaft zu berücksichtigen sei. Andernfalls würde sich die Freiheit der Ausgestaltung der organisatorischen Struktur darin erschöpfen, diese einmalig zu Beginn festzulegen. In weiterer Folge wären im Fall von Streitigkeiten über innerreligionsgesellschaftliche Strukturen staatliche Einrichtungen zur Entscheidung berufen, was nicht mit Art. 15 StGG vereinbar wäre.

23 Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art. 15 StGG darf das den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften durch Art. 15 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Ordnung und selbständigen Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten nicht durch einfaches Gesetz beschränkt werden und ist den staatlichen Organen in den inneren Angelegenheiten der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften jede Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung genommen. Für die Vollziehung ergibt sich daraus das Verbot, in die inneren Angelegenheiten von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften einzugreifen (vgl. VfGH 13.3.2019, E 3830‑3832/2018-24, E 4344/2018‑20, mwN).

24 Der Gegenstand der inneren Angelegenheiten ergibt sich wesensmäßig aus dem Aufgabenbereich der betreffenden Religionsgesellschaft. Der Bereich der inneren Angelegenheiten im Sinne des Art. 15 StGG ist daher nur unter Bedachtnahme auf das Wesen der Religionsgesellschaften nach deren Selbstverständnis erfassbar (vgl. VfSlg. 11.574/1987). Daher kann der Bereich der inneren Angelegenheiten naturgemäß nicht erschöpfend aufgezählt werden. Lehre und Judikatur stellen zumeist darauf ab, dass innere Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft jene sind, die den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen ohne Autonomie die Religionsgesellschaften in der Verkündigung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze eingeschränkt wären (vgl. VfSlg. 16.395/2001, mwN).

25 Zu den „inneren Angelegenheiten“ gehören neben der Sittenlehre und dem Kultus jedenfalls auch Verfassung und Organisation einer Kirche (vgl. VfSlg. 19540/2011, mwN).

26 Mit Erkenntnis vom 5.7.1993, 92/10/0123, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass Regelungen in Statuten, die sich Kultusgemeinden geben müssen, zum Teil eine Doppelnatur haben, weil sie zwar auch Angelegenheiten aus dem Innenverhältnis der Kirche oder Religionsgesellschaft regeln, sich aber nicht darin erschöpfen, sondern auch Wirkungen für den Außenbereich entfalten. Da Kirchen und Religionsgesellschaften mit der Anerkennung Rechtspersönlichkeit mit Wirkung für den staatlichen Bereich erlangten, juristische Personen aber nur durch ihre Organe handeln könnten, müsse die Kirche oder Religionsgesellschaft über diesbezügliche, auch im Außenbereich erkennbare und wirksame Regelungen verfügen. Solche Regelungen seien damit nicht mehr ausschließlich innere Angelegenheiten der Kirche oder Religionsgesellschaft.

27 Auch bei der Gründung einer Kultusgemeinde handelt es sich ‑ wie der Bundesminister selbst in der Revision zutreffend ausführt ‑ nicht ausschließlich um eine innere Angelegenheit einer Religionsgesellschaft iSd Art. 15 StGG. Gemäß § 8 Abs. 1 IslamG 2015, das schon nach seinem Langtitel nur die „äußeren Rechtsverhältnisse“ islamischer Religionsgesellschaften regelt, sind Kultusgemeinden Teile einer islamischen Religionsgesellschaft, die zugleich selbständige Körperschaften öffentlichen Rechts sind. Dieser Status verleiht den Kultusgemeinden Rechtspersönlichkeit für den staatlichen Bereich. Aufgrund dieser Außenwirkung berührt die Gründung von Kultusgemeinden nicht nur die innere Organisation der Religionsgesellschaft, sondern enthält auch eine staatliche Komponente. Stützt sich aber die staatliche Komponente gerade auf die der Kultusgemeinde zukommende Rechtspersönlichkeit für den staatlichen Bereich, ist eine solche Komponente umgekehrt auch beim Verlust dieser Rechtspersönlichkeit zu bejahen.

28 Soweit daher eine gesetzliche Regelung die Rechtspersönlichkeit einer Kultusgemeinde für den staatlichen Bereich betrifft, greift sie insoweit nicht in den durch Art. 15 StGG geschützten Bereich der inneren Angelegenheiten der Religionsgesellschaft ein.

29 Ob einer Person in einem bestimmten Verfahren Parteistellung zukommt, regelt grundsätzlich § 8 AVG im Zusammenhang mit den jeweils zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften. Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht ausdrücklich die Rechtsvorschriften nennen, aus denen sich subjektive Rechte ergeben, oder gar ausdrücklich regeln, wem in einem bestimmten Verfahren kraft subjektiven Rechts Parteistellung zukommt, ist im Wege der Auslegung zu prüfen, ob durch die maßgeblichen Rechtsvorschriften nur eine Rechtspflicht der Behörde oder auch ein subjektives Recht einer bestimmten Person begründet wird. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es wesentlich auf den Zweck der Norm an (vgl. VwGH 29.9.2017, Ro 2016/10/0043).

30 Im Zweifel ist ein subjektives Recht und damit eine Befugnis zur Rechtsverfolgung immer dann zu vermuten, wenn nicht ausschließlich öffentliche Interessen, sondern zumindest auch das Interesse einer im Besonderen betroffenen und damit von der Allgemeinheit abgrenzbaren Person für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend war. Diese Voraussetzung ist jedenfalls (u.a.) dann gegeben, wenn ein die bestehenden (öffentlich- oder privatrechtlich begründeten) subjektiven Rechte belastender Rechtsgestaltungs- oder Feststellungsbescheid erlassen werden soll (vgl. VwGH 21.1.2014, 2010/04/0078).

31 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Zusammenhang mit einem Rücknahmeverfahren einer Hausapothekenbewilligung ausgesprochen, dass derjenige, dessen Rechtsbefugnis zurückgenommen werden soll, ein Recht darauf hat, dass der Eintritt der Bedingungen, die zum Rechtsverlust führen, in einem gesetzmäßigen Verfahren unter seiner Mitwirkung festgestellt wird (vgl. VwGH 19.12.1989, 87/08/0259).

32 Das Verfahren zur Aufhebung der Rechtspersönlichkeit einer Kultusgemeinde führt zur Erlassung eines Bescheides, der in bestehende subjektive Rechte der rechtsfähigen ‑ und damit parteifähigen ‑ Kultusgemeinde eingreift. Aus diesem Eingriff in eine bestehende Rechtsposition kann die betroffene Kultusgemeinde ein subjektives Recht darauf ableiten, dass diese Aufhebung nur bei Vorliegen der dafür geforderten Voraussetzungen erfolgt; sie hat daher auch das Recht, an diesem Verfahren als Partei teilzunehmen.

33 Dem steht nicht entgegen, dass der Verfassungsgerichtshof in einem Beschluss, mit dem die Behandlung der Beschwerden der Gründer einer Kultusgemeinde einerseits und der „Kultusgemeinde in Gründung“ andererseits gegen die Versagung der Parteistellung abgelehnt wurde, unter Berufung auf den Grundsatz der selbständigen Verwaltung der inneren Angelegenheiten einer Religionsgesellschaft gemäß Art. 15 StGG die Auffassung vertreten hat, dass bei der Genehmigung der Statuten einer Kultusgemeinde nur der anerkannten Religionsgesellschaft Parteistellung zukomme (VfGH 28.2.2019, E 1874‑1875/2018‑12), handelt es sich dabei doch nicht um die Aberkennung einer bestehenden Rechtspersönlichkeit, sondern um die Genehmigung von ‑ gemäß § 7 Z 2 IslamG 2015 von der Religionsgesellschaft dem Bundeskanzler vorzulegenden ‑ Statuten einer Kultusgemeinde.

34 Dagegen spricht auch nicht die Systematik des IslamG 2015:

35 Kultusgemeinden sind berechtigt, Einrichtungen zu gründen, zu führen oder bestehende Einrichtungen zu solchen einer Kultusgemeinde zu erklären (vgl. § 8 Abs. 2 IslamG 2015). Bei Auflösung einer Kultusgemeinde bestimmen die zuletzt tätigen Organe im Einvernehmen mit der Religionsgesellschaft über das Vermögen (vgl. § 8 Abs. 5 IslamG 2015). Bei Verstößen gegen das Namensrecht und den Schutz der religiösen Bezeichnungen wird Kultusgemeinden gemäß § 9 Abs. 4 IslamG 2015 ausdrücklich das Recht eingeräumt, einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zur Beendigung des rechtswidrigen Zustandes zu stellen. Im Zusammenhang mit der Aufhebung der Rechtspersönlichkeit ist schließlich gesetzlich in bestimmten Fällen vorgesehen, dass die Kultusgemeinde vor der Aufhebung ihrer Rechtspersönlichkeit aufgefordert wird, ihr Verhalten abzustellen bzw. zu ändern (vgl. § 5 Abs. 2 IslamG 2015).

36 Ergänzend ist auf die Materialien zu §§ 7 und 8 IslamG 2015 zu verweisen (vgl. ErläutRV 446 BlgNR 25. GP  5): Danach soll § 7 die Aufgaben einer Religionsgesellschaft normieren und dadurch klarstellen, „welche Aufgaben in der Außenvertretung zumindest von der Religionsgesellschaft wahrzunehmen“ sind. Es soll in diesen Belangen „Klarheit für die Vertretungsbefugnis nach außen“ geschaffen werden. § 8 hebe „die Einrichtung von Kultusgemeinden für die Außenvertretung“ auf eine anderen Gemeinschaften entsprechende rechtliche Ebene. Aus diesen auszugsweise wiedergegebenen Erläuterungen leuchtet klar eine gewollte Aufteilung der Außenvertretung hervor. Dementsprechend sind gemäß § 23 Abs. 2 IslamG 2015 dem Bundesminister die aufgrund der Verfassung (einer Religionsgesellschaft, s. § 6 Abs. 1 leg. cit.) und der Statuten (einer Kultusgemeinde, s. § 8 abs. 4 leg. cit.) zur Außenvertretung befugten Organe zur Kenntnis zu bringen.

37 Es ist daher nicht zutreffend, dass sich aus der Systematik des IslamG 2015 ergibt, dass ausschließlich die Religionsgesellschaft in sämtlichen Angelegenheiten zur Wahrung der Interessen der Kultusgemeinde berechtigt bzw. verpflichtet wäre. Vielmehr manifestiert sich darin die eigene Rechtssphäre der Kultusgemeinden, die ihre Angelegenheiten auch selbst nach außen vertreten. Das VwG ging daher zutreffend davon aus, dass die X Parteistellung im Verfahren hat und zur Beschwerdeerhebung legitimiert war.

Zur Rechtmäßigkeit der Aberkennung der Rechtspersönlichkeit:

38 Der Bundesminister bringt im Rahmen der Revisionsgründe außerdem vor, die Aufhebung der Rechtspersönlichkeit der Kultusgemeinde (vom Bundesminister als „Auflösung der Kultusgemeinde“ bezeichnet) gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 IslamG 2015 habe ohne „Aufforderung zur Abstellung“ zu erfolgen. Das VwG habe bezüglich der Anzahl der Moscheeeinrichtung unrichtigerweise den falschen Tatbestand des § 5 Abs. 2 IslamG 2015 geprüft: Das Nichterreichen der Anzahl der erforderlichen Moscheeeinrichtungen nach der Y‑Verfassung sei vom VwG unrichtigerweise als „verfassungswidriges Verhalten“ im Sinne der Z 3 leg. cit. qualifiziert worden. Dies sei unzutreffend, da eine Kultusgemeinde lediglich aufgefordert werden könne, ihr „statutenwidriges Verhalten“, nicht jedoch ihr gegen die Verfassung der Religionsgesellschaft verstoßendes Verhalten abzustellen. Die Einhaltung der Verfassung der Religionsgesellschaft stelle jedenfalls eine innere Angelegenheit einer Religionsgesellschaft dar. Art. 15 StGG verbiete es, dass eine Behörde das Verhalten der Kultusgemeinde in Bezug auf die Einhaltung der Verfassung der Religionsgesellschaft prüfe. Im Zusammenhang mit der Frage des Bestandes der Kultusgemeinde (§ 5 Abs. 2 Z 1 iVm § 8 Abs. 3 IslamG 2015) sei es allerdings zulässig, an Elemente der Verfassung der Religionsgesellschaft anzuknüpfen. Es werde damit nicht die Einhaltung innerreligiöser Normen überprüft, sondern die Beurteilung des Rechtsbegriffs „Bestand“ an den Kriterien der Religionsgesellschaft (Art. 19 Abs. 3 Y‑Verfassung) gemessen.

39 Zur Rechtsgrundlage des § 5 Abs. 2 Z 2 IslamG 2015 verweist der Bundesminister darauf, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit der Frage beschäftigt habe, ob die Aufforderung des Bundesministers mit Schreiben vom 25. April 2018 als Verfahrensanordnung im Sinne des § 5 Abs. 2 Z 2 IslamG 2015 anzusehen sei.

40 Schließlich habe das Verwaltungsgericht auch zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weil die Anzahl der Moscheeeinrichtungen, die der X zugeordnet werden könnten, strittig sei. Der Sachverhalt sei daher nicht festgestanden. Überdies hätte auch der Rechtsirrtum des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die vom Bundesminister angewandten Rechtsgrundlagen und die Qualifikation des Schreibens vom 25. April 2018 geklärt und festgestellt werden können, ob die X weiterhin am Zustand der Rechtswidrigkeit festgehalten habe, und es hätten die Vorwürfe in Bezug auf eine näher genannte Moschee geklärt werden können.

41 Diesbezüglich erweist sich die Revision als begründet.

42 Das VwG begründete die Aufhebung des Bescheides damit, dass keine Verfahrensanordnungen erfolgt seien. Auch mit dem Vorbringen, es seien nicht ausreichend Moscheeeinrichtungen vorhanden, habe sich der Bundesminister auf § 5 Abs. 2 Z 3 IslamG 2015 gestützt, da die Anforderungen der Y‑Verfassung herangezogen worden seien.

43 Dazu ist auszuführen, dass der Bundesminister die X mit Schreiben vom 25. April 2018 „eingeladen“ hat, „zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens bis zum 11. Mai 2018 Stellung zu nehmen“. Der Schriftsatz enthält die typischen Merkmale eines Schreibens zur Einräumung von Parteiengehör; es werden die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt und eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Eine konkrete Aufforderung zur Abstellung der Verwirklichung eines Aberkennungsgrundes ist diesem Schreiben dagegen nicht zu entnehmen. Der Beurteilung des VwG, es sei keine Aufforderung iSd § 5 Abs. 2 Z 2 IslamG 2015 erfolgt, weshalb die Aufhebung der Rechtspersönlichkeit auf dieser Rechtsgrundlage rechtswidrig sei, ist daher nichts entgegenzusetzen.

44 Zu § 5 Abs. 2 Z 1 IslamG 2015, auf welchen sich der Bundesminister sowohl im Spruch als auch in der Begründung des Aufhebungsbescheides stützt, ist aber auszuführen, dass die Rechtspersönlichkeit einer Kultusgemeinde mit Bescheid aufzuheben ist, wenn eine für den Erwerb der Rechtsstellung maßgebliche Voraussetzung nach § 8 leg. cit. nicht mehr vorliegt. § 8 Abs. 3 IslamG 2015 normiert, dass Kultusgemeinden nur gegründet werden können, wenn deren Bestand und wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit gesichert sind und die Religionsgesellschaft der Gründung zustimmt. Bei der Beurteilung, wann der Bestand und die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit als gesichert gelten, ist ‑ wovon auch der Bundesminister zutreffend ausgegangen ist ‑ auf die diesbezüglichen Regelungen in der Y‑Verfassung zurückzugreifen. Art. 19 Abs. 3 Y‑Verfassung legt fest, dass der Bestand einer Kultusgemeinde und die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit als gesichert gelten, wenn sie zumindest zehn Moscheeeinrichtungen betreibt und zum Zeitpunkt der Gründung über wenigstens 1.000 Mitglieder verfügt. Anders als das VwG vermeint, handelt es sich bei der Nichteinhaltung dieser Vorgabe nicht um eine Verletzung des § 5 Abs. 2 Z 3 IslamG 2015, wonach ein „verfassungswidriges“ oder „statutenwidriges Verhalten“ trotz Aufforderung zur Abstellung fortbesteht, sondern um das Fehlen einer für den Erwerb der Rechtsstellung maßgeblichen Voraussetzung nach § 8 IslamG 2015. Für diesen Fall der Aufhebung der Rechtspersönlichkeit ist aber nach § 5 Abs. 2 Z 1 IslamG 2015 keine Aufforderung zur Abstellung vorgesehen.

45 Das VwG hat in Bezug auf den vom Bundesminister (auch) herangezogenen Aufhebungsgrund des § 5 Abs. 2 Z 1 IslamG 2015 keine Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen nach § 8 IslamG 2015 getroffen, sondern den Bescheid schon deshalb als rechtswidrig aufgehoben, weil keine Aufforderung zur Abstellung erfolgt sei. Damit hat das VwG die Rechtslage verkannt.

46 Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG erweist sich vor dem Hintergrund der fehlenden Feststellungen insbesondere zur (strittigen) Anzahl der Moscheeeinrichtungen als rechtswidrig wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften.

47 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen der vorrangig wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 30. Jänner 2020

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte