VwGH Ro 2019/09/0001

VwGHRo 2019/09/000129.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die Revision der Disziplinaranwältin beim Bundesministerium für Inneres, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2018, W170 2174559- 1/20E, betreffend eine Disziplinarangelegenheit nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde: Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Mag. Vinzenz Fröhlich, Dr. Maria Christina Kolar-Syrmas und Dr. Armin Karisch, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 15/I; weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37
BDG 1979 §95 Abs2
StPO 1975 §192
StPO 1975 §198
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019090001.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht nach Einholung eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen und Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Mitbeteiligten, einen 1971 geborenen Exekutivbeamten, von dem wider ihn erhobenen Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 und § 126 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) frei. Dies begründete es unter anderem damit, dass es dem Mitbeteiligten an der Schuldfähigkeit gemangelt habe, weil er infolge einer Geisteskrankheit nicht in der Lage gewesen sei einzusehen, dass er mit seiner Handlung eine Dienstpflichtverletzung begehe.

2 Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig, weil es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage einer differenzierten Betrachtung der Schuldfähigkeit hinsichtlich gerichtlich strafbarer Handlungen und Dienstpflichtverletzungen fehle. 3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der Disziplinaranwältin; der Mitbeteiligte und die belangte Behörde erstatteten Revisionsbeantwortungen.

4 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Auch bei Erhebung einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision hat die revisionswerbende Partei von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern sie der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder sie eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (siehe VwGH 22.5.2019, Ro 2019/09/0002, mwN).

6 Die vorliegende Revision enthält keine eigenen Darlegungen zur Zulässigkeit der Revision; mit der vom Verwaltungsgericht ausgeführten Zulassungsbegründung wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weil von deren Lösung eine Entscheidung über die Revision abhinge:

7 Wenn das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung im Zusammenhang mit der als grundsätzlich erachteten Rechtsfrage auf den Beschluss und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 2014, Ra 2014/09/0014, bzw. vom 5. September 2013, 2013/09/0076, verweist, wonach im Disziplinarverfahren eine Bindung an ein rechtskräftiges verurteilendes Strafurteil im Hinblick auf die objektive wie auch die subjektive Tatseite bestehe, übersieht es nämlich, dass im vorliegenden Fall das Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten zur Gänze - teilweise nach Durchführung einer Diversion - eingestellt wurde. Wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend ausführte, hatte es daher den Sachverhalt nur dahingehend zu untersuchen, ob eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung vorlag (siehe dazu VwGH 29.11.2007, 2005/09/0155; 4.4.2001, 98/09/0137); eine Bindung an einen vom Strafgericht festgestellten Sachverhalt im Sinn des § 95 Abs. 2 BDG 1979 bestand somit nicht (VwGH 6.11.2012, 2012/09/0044; 18.9.2008, 2007/09/0383).

8 Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich demgemäß bei der Beurteilung der disziplinären Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Mitbeteiligten auf das von ihm zu diesem Zweck im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des medizinischen Sachverständigen stützen. Vormalige gutachterliche Äußerungen zur strafrechtlichen Schuldfähigkeit waren nämlich nicht zur Grundlage einer im Rahmen des § 95 Abs. 2 BDG 1979 zu beachtenden gerichtlichen Entscheidung gemacht worden. Eine Unschlüssigkeit des Gutachtens wird von der revisionswerbenden Partei nicht substantiell behauptet. Ob ein Gutachten in seiner konkreten Ausgestaltung zu Recht als schlüssig qualifiziert wurde oder welchem von mehreren, einander widersprechenden Gutachten das Gericht folgt, stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zudem im Regelfall eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, die die Zulässigkeit einer Revision nicht begründet (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2018/09/0148, ua; 25.10.2018, Ra 2018/09/0117, ua). 9 Da in der Revision auch andere grundsätzliche Rechtsfragen nicht aufgezeigt werden, war sie nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren mit - in jeder Lage des Verfahrens zu fassendem - Beschluss zurückzuweisen.

10 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. Jänner 2020

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