VwGH Ro 2018/12/0014

VwGHRo 2018/12/00143.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Berger, über die Revision der Berufungskommission der Stadt Bregenz, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Reichsstraße 7 (Seegarten), gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 8. Juni 2018, LVwG-308- 1/2018-R9, betreffend Ruhebezugzulage gemäß § 82 Abs. 1 Gemeindebedienstetengesetz (mitbeteiligte Partei: C S in B), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §6;
ABGB §7;
ASVG §292 Abs4 litc;
AVG §56;
B-VG Art18;
GdAngG Vlbg 2005 §62;
GdBedG Vlbg 1988 §79 Abs1 idF 2015/052;
GdBedG Vlbg 1988 §82 Abs1 idF 2011/025;
GdBedG Vlbg 1988 §82 Abs2 idF 2011/025;
GdBedRuhebezugVersorgungsgenusszulagenV Vlbg 2018 §1 Abs1;
MSG Vlbg 2010 §1 Abs3 lita;
MSV Vlbg 2010 §1 Abs1;
PG 1965 §26 Abs1;
PG 1965 §26 Abs4 lita;
PG 1965 §26;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018120014.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenersatzbegehren der revisionswerbenden Partei wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte steht in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zur Landeshauptstadt Bregenz. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 22. Mai 2017 wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf Gewährung einer Ruhebezugzulage vom 25. April 2017 nach § 82 Abs. 1 des Vorarlberger Gesetzes über das Dienstrecht jener Gemeindebediensteten, für die nicht das Gemeindeangestelltengesetz 2005 gilt (Gemeindebedienstetengesetz 1988), abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Mitbeteiligten wurde mit Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz vom 28. November 2017 ebenso abgewiesen.

2 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge gegeben und dem Mitbeteiligten eine Ruhebezugzulage zuerkannt. Das LVwG stellte den anzuwendenden Richtsatz für den Mitbeteiligten, seine Ehefrau und zwei Kinder sowie das monatliche Gesamteinkommen des Revisionswerbers (monatlicher (Brutto‑)Ruhebezug zuzüglich der Nebengebührenzulage zuzüglich des Sockelbetrages sowie der Kinderzulage für zwei Kinder jeweils in näher genannter Höhe) sowie die Tatsache fest, dass das Einkommen bei Nichtberücksichtigung der (anteiligen) Sonderzahlung nicht die Höhe des angeführten Mindestbetrages erreiche. Rechtlich führte das LVwG zu der strittigen Rechtsfrage, ob die Sonderzahlungen des Revisionswerbers zur Berechnung des monatlichen Gesamteinkommens - auf das in der Regelung über die Gewährung einer Ruhebezugzulage nach § 82 Abs. 1 Gemeindebedienstetengesetz ausdrücklich Bezug genommen werde - miteinzubeziehen sei oder nicht, aus, dass der Begriff des "monatlichen Gesamteinkommens" weder im Gemeinde- noch im Landesdienstrecht definiert werde. Das Bundesdienstrecht enthalte dazu jedoch eine sehr ausführliche Definition. Sofern die belangte Behörde Ausführungen zur Regierungsvorlage über eine Änderung des Gemeindeangestelltengesetzes tätige, welche sich auf das Jahr 1962 bezöge, übersehe sie, dass die derzeit geltende Bestimmung des § 82 Abs. 1 Gemeindebedienstetengesetz nicht mit der damaligen Bestimmung des § 56 Abs. 1 Gemeindeangestelltengesetz übereinstimme: Während § 56 Abs. 1 leg. cit. auf den monatlichen Ruhegenuss bzw. den Differenzbetrag "zwischen dem Ruhegenuß und dem Mindestsatz" abgestellt habe, gebühre nach der nunmehr geltenden Regelung des § 82 Abs. 1 leg. cit. ein Betrag "in der Höhe des Unterschiedes zwischen dem monatlichen Gesamteinkommen und dem Mindestsatz". Aufgrund der unterschiedlich formulierten Gesetzestexte könne daher bei der Klärung der Frage, ob eine Sonderzahlung unter das monatliche Gesamteinkommen falle, nicht auf die in der Regierungsvorlage enthaltenen Erläuterungen aus dem Jahre 1962 zurückgegriffen werden. Ein Wortvergleich zeige, dass die derzeit geltende Bestimmung des § 82 Gemeindebedienstetengesetz mit der Bestimmung des § 80 Abs. 1 und 2 Gemeindebedienstetengesetz 1972 übereinstimme. In den näher bezeichneten Materialien zu diesem Gesetz werde ausgeführt, dass der Gesetzesentwurf im Interesse der Gleichbehandlung der Gemeindebeamten und deren Hinterbliebenen im Wesentlichen die Bundesregelungen übernehme. Gemäß § 26 Abs. 4 lit. a Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340 (im Folgenden: PG 1965), würden Sonderzahlungen für Zwecke der Ermittlung des monatlichen Gesamteinkommens nicht als Einkünfte gelten. Auch in der Vorgängerbestimmung zu § 26 PG 1965 hätten Sonderzahlungen nicht zum monatlichen Gesamteinkommen gezählt. Wenn der Landesgesetzgeber bei der Bestimmung der Ruhegenusszulage im Jahr 1972 vom Bundesgesetzgeber Abweichendes hätte regeln wollen, hätte dieser nicht die bislang verwendete Wortwahl aufgeben müssen; seitdem werde nicht mehr auf den Differenzbetrag zwischen dem monatlichen Ruhegenuss und dem Mindestsatz, sondern - wie beim Bund - auf den Differenzbetrag zwischen dem monatlichen Gesamteinkommen und dem Mindestsatz abgestellt. Die Ausführungen des Berichtes über die Abänderung des Gemeindeangestelltengesetzes könnten hiefür jedenfalls nicht herangezogen werden. In Anbetracht des Umstandes, dass bei der Erlassung des § 80 Gemeindebedienstetengesetz über die Ruhegenusszulage im Jahr 1972 in den Erläuterungen darauf hingewiesen worden sei, dass der Gesetzesentwurf im Interesse der Gleichbehandlung der Gemeindebeamten und deren Hinterbliebenen die im PG 1965 enthaltenen Bundesregelungen "im Wesentlichen" übernehme, sei nach Ansicht des LVwG bei der Auslegung des Begriffs des monatlichen Gesamteinkommens, welcher in § 82 Abs. 1 Gemeindebedienstetengesetz nach wie vor verwendet werde, auf die Bestimmung des § 26 Abs. 4 lit. a PG 1965 zurückzugreifen. Demnach würden Sonderzahlungen, die neben den Ruhe- oder Versorgungsbezügen gebührten, nicht als Einkünfte gelten, die bei der Ermittlung des monatlichen Gesamteinkommens einberechnet werden dürften. Die ordentliche Revision wurde vom LVwG zur Klärung dieser Rechtsfrage zugelassen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision der belangten Behörde. Sie führt aus, dass das LVwG fälschlicherweise Sonderzahlungen des Ruhebezugsberechtigten nicht zum monatlichen Gesamteinkommen zähle. Zunächst sei eine Wortinterpretation durchzuführen; ein Gesamteinkommen sei das gesamte während eines Jahres erzielte Einkommen, das 14 Mal jährlich ausbezahlt werde. Lasse man die vom LVwG vorgenommene historische Interpretation außer Acht, komme man schon nach der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung zum Ergebnis, dass es keinen Hinweis darauf gebe, die Sonderzahlungen nicht zum Gesamteinkommen zu zählen. Auch eine teleologische Interpretation führe zu keinem anderen Ergebnis; Zweck des § 82 Gemeindebedienstetengesetz sei es, zu verhindern, dass der Beamte des Ruhestandes weniger als den in dieser Bestimmung definierten Mindestsatz erhalte. Die Bestimmung sei mit der Ausgleichszulage des ASVG vergleichbar. Da die Ruhebezugzulage zwölf Mal gewährt werde, müsse als Parameter ein monatliches Gesamteinkommen herangezogen werden. Das Gesetz sei daher auch ausreichend bestimmt. Bei den erwähnten Gesetzesbestimmungen des Bundes seien die Sonderzahlungen im Gesetzestext offensichtlich explizit deshalb ausgenommen, weil sonst niemand auf die Idee käme, dass das "Weihnachts- und Urlaubsgeld" nicht zum monatlichen Gesamteinkommen gerechnet werde. Die vom LVwG herangezogene historische Interpretation sei unrichtig, da in § 26 PG 1965 von einer Ergänzungszulage die Rede sei, hier gehe es um eine Ruhebezugzulage. Die Vorarlberger Regelung unterscheide sich deutlich von jener des Bundes und anderer Bundesländer. Es sei daher von einer Wortinterpretation auszugehen.

4 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zulässige ordentliche Revision erwogen:

5 Die Rechtslage stellt sich dar wie folgt:

§ 79 Gemeindebedienstetengesetz, LGBl. für Vorarlberg

Nr. 49/1988 idF Nr. 52/2015, lautet auszugsweise:

"Ruhebezug

(1) Dem Gemeindebeamten des Ruhestandes gebühren ein monatlicher Ruhebezug sowie nach Maßgabe der §§ 62 und 65 des Gemeindeangestelltengesetzes 2005 Sonderzahlungen und Kinderzulagen.

...

..."

§ 82 Gemeindebedienstetengesetz, LGBl. für Vorarlberg

Nr. 49/1988 idF LGBl. Nr. 25/2011, lautet:

"Ruhebezugzulage

(1) Dem Gemeindebeamten des Ruhestandes, dessen monatliches Gesamteinkommen die Höhe des Mindestsatzes gemäß Abs. 2 nicht erreicht, gebührt auf Antrag eine monatliche Ruhebezugzulage in der Höhe des Unterschiedes zwischen dem monatlichen Gesamteinkommen und dem Mindestsatz. In das Gesamteinkommen ist das Einkommen des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners einzurechnen.

(2) Der Mindestsatz ist unter Bedachtnahme auf den für den Lebensunterhalt notwendigen Aufwand von der Landesregierung durch Verordnung festzusetzen. Für den Ehegatten bzw. eingetragenen Partner und für jedes Kind, für das eine Kinderzulage gewährt wird, sind entsprechende Steigerungsbeträge vorzusehen."

6 § 62 des Gesetzes über das Dienstrecht der Gemeindeangestellten, LGBl. für Vorarlberg Nr. 19/2005, lautet:

"Sonderzahlung

Dem Gemeindeangestellten gebührt für jedes Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung in der Höhe von 50 v.H. des durchschnittlichen Monatsbezuges in diesem Zeitraum. Steht ein Gemeindeangestellter während des Kalendervierteljahres, für das die Sonderzahlung gebührt, nicht ununterbrochen im Genuss des vollen Monatsbezuges, so gebührt ihm als Sonderzahlung nur der entsprechende Teil. Als Monat der Auszahlung gilt beim Ausscheiden aus dem Dienststand der Monat des Ausscheidens."

7 Die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Mindestsätze für die Bemessung der Ruhebezugzulage und der Versorgungsgenusszulage für die Gemeindebeamten und deren Hinterbliebene (Gemeindebeamten-Ruhebezug- und Versorgungsgenusszulagenverordnung), LGBl. Nr. 102/2017, lautet auszugsweise:

"§ 1

(1) Der Mindestsatz für die Bemessung der Ruhebezugzulage (§ 82 Abs. 2 des Gemeindebedienstetengesetzes 1988) beträgt 909,42 Euro. Der Mindestsatz erhöht sich für den Ehegatten um 454,10 Euro und für jedes Kind, für das eine Kinderzulage gewährt wird, um 140,32 Euro.

(2) ..."

8 Der Entwurf des Gemeindebedienstetengesetzes, 26. Beilage im Jahre 1971 des XXI. Vorarlberger Landtages (499 ff), der in § 79 eine "Ruhegenusszulage" regelte, die gebührte, sofern das monatliche Gesamteinkommen die Höhe des Mindestsatzes nicht erreichte, lautete:

"Der vorliegende Gesetzesentwurf baut auf dem Gemeindeangestelltengesetz, LGBl. Nr. 1/1963, auf. Aus diesem Grunde kann von einer ausführlichen Erläuterung der einzelnen Bestimmungen des Entwurfes abgesehen werden. In den nachstehenden Bemerkungen wird daher vornehmlich auf jene Gesetzesstellen aufmerksam gemacht, die Änderungen gegenüber der bisherigen Regelung beinhalten oder aus anderen Gründen eines Hinweises bedürfen. ...

6. und 7. Abschnitt:

Der Bundesgesetzgeber hat im Pensionsgesetz 1965 die Pensionsansprüche der Bundesbeamten und die Versorgungsbezüge der Hinterbliebenen neu geregelt. Der Gesetzesentwurf übernimmt im Interesse der Gleichbehandlung der Gemeindebeamten und deren Hinterbliebenen im wesentlichen diese Bundesregelung.

Im Hinblick auf die vor kurzem im Bundesgesetzblatt verlautbarte Novelle zum Pensionsgesetz 1965 sind im Entwurf ebenfalls die verbesserten Sätze für den Witwen- und Waisenversorgungsgenuß vorgesehen".

9 Das in den Materialien erwähnte Gemeindeangestelltengesetz sah in § 56 ebenfalls eine monatliche Ruhegenusszulage für einen Gemeindebeamten vor, dessen "monatlicher Ruhegenuß den Mindestsatz gem. Abs. 2 nicht erreicht(e)". Die Materialien hiezu (12. Beilage im Jahre 1962 des XIX. Vorarlberger Landtages, 111 - 112) lauten:

"Der neue Text sieht die Gewährung einer Ruhegenußzulage vor, wenn der Ruhegenuß unter einem bestimmten Mindestsatz liegt. Die Einführung der Ruhegenußzulage hat den Zweck, dem Gemeindebeamten des Ruhestandes ein bestimmtes Mindesteinkommen zu gewährleisten, um ihn jedenfalls nicht der öffentlichen Fürsorge zur Last fallen zu lassen. Es handelt sich hiebei um eine gleichartige Regelung, wie sie der Bund im Bundesgesetz über die Gewährung von Ergänzungszulagen an Empfänger von Ruhe(Versorgungs)bezügen des Bundes, BGBl. Nr. 198/1959 in der Fassung BGBl. Nr. 283/1960 und Nr. 57/1962, geschaffen hat. Beim Bund beträgt der Mindestsatz derzeit für den Ruhestandsbeamten 750 S und erhöht sich für die Ehefrau um 320 S und für jedes zu berücksichtigende Kind um 200 S. Auch im ASVG. (§ 292) ist eine gleichartige Zulage vorgesehen. Die vorgeschlagene Regelung ist jedoch wesentlich einfacher als die des Bundes, weil sie insbesondere die sehr komplizierten Vorschriften über die Ermittlung und Berücksichtigung des Gesamteinkommens außer Betracht läßt. Dies erscheint im Hinblick auf die sehr geringe Zahl der zu erwartenden Fälle vertretbar. Ferner ist zu bemerken, daß der Mindestsatz im Interesse der Dauerhaftigkeit der Regelung nicht in Schillingbeträgen ausgedrückt, sondern die Festsetzung desselben dem Verordnungsweg überlassen wird. Klargestellt sei auch, daß die Ruhegenußzulage einen Teil des Bezuges darstellt und daher bei der Bemessung der Sonderzahlungen zu berücksichtigen ist."

10 Im vorliegenden Fall ist strittig, wie der Begriff "monatliches Gesamteinkommen" in § 82 Gemeindebedienstetengesetz zu verstehen ist.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch im öffentlichen Recht bei einer Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind. Nach § 6 ABGB darf Gesetzen in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Diese Bestimmung verweist somit zunächst auf die Bedeutung des Wortlautes in seinem Zusammenhang. Dabei ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt. Dafür müssen die objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses statt des subjektiven Verständnishorizonts der einzelnen Beteiligten im Vordergrund stehen. Die Bindung der Verwaltung an das Gesetz nach Art. 18 B-VG bewirkt einen Vorrang des Gesetzeswortlautes aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation der Norm. Dies bedeutet bei Auslegung von Verwaltungsgesetzen einen Vorrang der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung sowie äußerste Zurückhaltung gegenüber der Anwendung sogenannter "korrigierender Auslegungsmethoden" (vgl. näher VwGH 23.2.2001, 98/06/0240).

12 Bereits aus dem Wortsinn der Regelung des § 82 Abs. 1 Gemeindebedienstetengesetz ergibt sich eindeutig, dass ein "monatliches Gesamteinkommen" jede Zahlung erfasst, die dem Ruhebezugzulagenwerber aus was immer für einem Rechtstitel oder sonstigem Anlass in Geld oder Geldeswert zufließt und geeignet ist, daraus den für den "Lebensunterhalt" notwendigen Aufwand gemäß § 82 Abs. 2 Gemeindebedienstetengesetz zu bestreiten (vgl. zum Begriff des "Einkommens" etwa die hg. Rechtsprechung zu § 49 PG 1965: VwGH 9.7.1991, 90/12/0110, zum Kärntner DRG:

VwGH 14.5.1998, 94/12/0250; vgl. auch zum Vorarlberger Mindestsicherungsgesetz: VwGH 24.6.2015, 2012/10/0107, mwN).

13 Sofern das LVwG die Materialien zur Auslegung des "monatlichen Gesamteinkommens" heranzieht, ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass der Wortlaut des Gemeindeangestelltengesetzes 1963 ein anderer war, als jener des (auf dem - nach den Materialien 26. Blg. im Jahre 1971 des XXI. Vorarlberger Landtages S 499 - zuvor genannten Gesetz "aufbauenden") Gemeindebedienstetengesetzes 1972 bzw. des nunmehr geltenden Gemeindebedienstetengesetzes 1988: Der Gesetzeswortlaut hat bezüglich des heranzuziehenden Einkommens nämlich eine Ausdehnung erfahren, weil ein "Gesamteinkommen" den zuvor als Vergleichseinheit heranzuziehenden "Ruhegenuss" mitumfasst, über diesen jedoch insofern hinausgeht, als auch ein vom Ruhegenuss abweichendes Einkommen zu berücksichtigen ist. Zudem betonen die Materialien zu § 80 Gemeindebedienstetengesetz 1972 (S 505), dass zwar im Interesse der Gleichbehandlung der Gesetzestext der Bundesregelung übernommen werde; dies jedoch nur "im wesentlichen"; die vom LVwG zu Interpretationszwecken herangezogene Ausnahmebestimmung des § 26 Abs. 4 lit. a PG 1965 wurde jedoch gerade nicht in den Gesetzestext übernommen.

14 Anders als der Bundesgesetzgeber in § 26 PG 1965 (bzw. auch in § 292 Abs. 4 lit. c ASVG) hat der Vorarlberger Gesetzgeber also gerade keine explizite Ausnahme der Sonderzahlung von der Hinzurechnung zum monatlichen Gesamteinkommen vorgesehen. Vielmehr zeigt gerade die Regelung der Ausnahmebestimmung in § 26 Abs. 4 lit. a PG 1965, dass auch der Bundesgesetzgeber vom Verständnis der Sonderzahlung als Teil des "monatlichen Gesamteinkommens" in § 26 Abs. 1 PG 1965 ausgegangen ist, da er andernfalls die Ausnahme in § 26 Abs. 4 lit. a PG 1965 nicht hätte treffen müssen.

15 Dem steht auch nicht entgegen, dass der Landesgesetzgeber in § 82 Abs. 2 Gemeindebedienstetengesetz angeordnet hat, dass der Mindestsatz unter Bedachtnahme auf den für den Lebensunterhalt notwendigen Aufwand von der Landesregierung festzusetzen ist. Sinn und Zweck der Regelung ist es, dass der Beamte des Ruhestandes nicht der "öffentlichen Fürsorge zur Last" fallen soll (vgl. die Materialien zur Ruhegenusszulage im Gemeindeangestelltengesetz 1963, 12. Blg. im Jahr 1962 des XIX. Vorarlberger Landtages). Der "Lebensunterhalt" ist im § 1 Abs. 3 lit. a Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 64/2010, iVm. § 1 Abs. 1 der Mindestsicherungsverordnung, LGBl. Nr. 71/2010, näher geregelt. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage, ob ein Einkommen einen Anspruch auf die - der Mindestsicherung vorangehende - Sozialhilfe mindern oder zum Erlöschen bringen kann, ausgesprochen, dass das "tatsächliche" Einkommen des Hilfeempfängers wesentlich ist. Dieses kann nur ein solches sein, das zur Befriedigung des Lebensbedarfes des Hilfeempfängers zur Verfügung steht. Es ist daher bei der Prüfung der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen von einem umfassenden Einkommensbegriff auszugehen, der alle Einkünfte des Hilfe Suchenden umfasst, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen (vgl. VwGH 29.6.1999, 97/08/0101; etwa zu den Familienzuschlägen im AlVG: VwGH 14.5.2007, 2005/10/0187). Da die Sonderzahlungen dem Mitbeteiligten tatsächlich zufließen, sind sie ein ihm zur Verfügung stehendes Einkommen, das ihm zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung steht und das ihm auch bei der Berechnung der Mindestsicherung anzurechnen wäre.

16 Die Sonderzahlungen sind in weiterer Folge auch nicht nur in jenen Monaten anzurechnen, in denen sie gewährt werden, sondern gleichmäßig auf die Monate eines Jahres umzulegen:

17 Ist der gemäß § 82 Abs. 1 Gemeindebedienstetengesetz normierte und in der Gemeindebeamten-Ruhebezug- und Versorgungsgenusszulagenverordnung näher ausgestaltete Mindestsatz monatsbezogen und soll er als Vergleichsbasis zur Beurteilung des für den Lebensunterhalt erforderlichen Einkommens dienen, so sind Feststellungen über die Höhe der Einkünfte des Gemeindebeamten des Ruhestandes für jeden Monat erforderlich. So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa bei der Feststellung der Höhe des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens im Zusammenhang mit der Gewährung eines Versorgungsbezuges ausgesprochen, dass bei einer solchen Berechnung von einem Durchschnitt eines Zeitraumes (im Regelfall ein Jahr) auszugehen ist, sodass ein Zufallsergebnis wegen unterschiedlicher Höhe der Leistungen verhindert werde (VwGH 23.1.2008, 2007/12/0001). Auch bei der Berechnung der Ausgleichszulage nach dem ASVG wird bei Ermittlung des Nettoeinkommens aus unselbständiger Tätigkeit bei infolge Sonderzahlungen ungleich hohen Monatseinkünften auf das auf einen Monatsdurchschnitt umzulegende Jahreseinkommen abgestellt (OGH 18.7.2017, 10 ObS 72/17m). Bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit ist ebenso der Monatsdurchschnitt der vom Versicherten erzielten Jahreseinkünfte maßgeblich (OGH 27.5.2003, 10 ObS 130/03w).

18 Da das LVwG die Anrechnung der Sonderzahlungen auf das monatliche Gesamteinkommen aufgrund einer unrichtigen Rechtsaufassung daher zu Unrecht unterlassen hat, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

19 Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat der Revisionswerber im Fall einer Amtsrevision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz.

Wien, am 3. Oktober 2018

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