Normen
FSG 1997 §24 Abs2;
FSG 1997 §26 Abs3 Z1;
FSG 1997 §26 Abs3;
FSG 1997 §32;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z4;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs2e;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018110003.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde, in Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde vom 27. März 2017 und nach durchgeführter mündlicher Verhandlung, die Lenkberechtigung des Revisionswerbers für die Klassen A, B, B+E, C1, C1+E, C, C+E und F gemäß (u.a.) § 26 Abs. 3 Z 1 FSG für die Dauer von zwei Wochen (gerechnet ab 12. Juni 2017) entzogen.
2 Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
3 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber sei mit rechtskräftiger Strafverfügung vom 9. Jänner 2017 wegen Übertretung des § 20 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 2e StVO 1960 bestraft worden, weil er am 1. Dezember 2016 ein Kraftfahrzeug im Ortsgebiet gelenkt und dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 57 km/h überschritten habe (Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen). Die Geschwindigkeit sei mit einem mobilen Radar (nähere Typenbezeichnung) gemessen worden.
4 Im Führerscheinverfahren bestehe Bindung an die in Rechtskraft erwachsene Bestrafung des Revisionswerbers, weil das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung bei einer Übertretung des § 99 Abs. 2e StVO 1960 zum Tatbild gehöre (Hinweis auf VwGH 21.8.2014, Ra 2014/11/0027).
5 Der Revisionswerber habe in der Beschwerde und in der durchgeführten Verhandlung beantragt, von der Entziehung der Lenkberechtigung - betreffend die Klasse F - abzusehen, dies aufgrund des § 24 Abs. 2 FSG in analoger Anwendung des § 24 Abs. 1 letzter Satz leg. cit. 6 § 24 Abs. 1 letzter Satz FSG sehe zwar das Absehen von der Entziehung der Lenkberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen für die Klasse AM, nicht aber für die Klasse F vor.
7 Auch eine Anwendung des § 24 Abs. 2 FSG komme nicht in Betracht. Zwar berechtige die Klasse F zum Lenken bestimmter Fahrzeuge mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 50 km/h, sodass mit solchen Fahrzeugen ein qualifiziertes Geschwindigkeitsdelikt gemäß § 99 Abs. 2e StVO 1960 (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb desselben um mehr als 50 km/h) "kaum möglich" sei.
8 Doch beziehe sich die "Sinnesart" iSd § 7 Abs. 1 FSG (Verkehrszuverlässigkeit) nicht nur auf einzelne Klassen von Kraftfahrzeugen (Hinweis auf VwGH 11.7.2000, 2000/11/0011). Daher habe der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 23.5.2003, 2003/11/0126) als Folge einer qualifizierten Geschwindigkeitsüberschreitung iSd § 7 Abs. 3 Z 4 FSG (nach dem letztzitierten Erkenntnis: beim Lenken eines Motorrades) ein Lenkverbot auch für vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge (mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h) als rechtmäßig angesehen.
9 Die Zulässigkeit der Revision wurde damit begründet, dass Judikatur zur Frage, ob eine Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß § 7 Abs. 3 Z 4 iVm § 26 Abs. 3 FSG zur Entziehung der Lenkberechtigung speziell für der Klasse F führen könne, fehle.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
14 Nach der ständigen hg. Judikatur (vgl. aus vielen VwGH 24.2.2015, Ro 2014/05/0097, VwGH 24.3.2016, Ro 2016/11/0005) hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet.
15 In der Revision wird ergänzend zu der im angefochtenen Erkenntnis enthaltenen Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen von der hg. Judikatur (etwa VwGH 20.9.2017, Ro 2014/11/0082) wegen Nichteinhaltung der gebotenen Gliederung der Begründung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts ins Treffen geführt.
16 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. das vom Revisionswerber zitierte, wenngleich noch zur Begründung eines Bescheides ergangene Erkenntnis) liegt ein zur Aufhebung führender Begründungsmangel vor, wenn die Begründung der Entscheidung die Trennung in die erforderlichen Begründungselemente in einer Weise vermissen lässt, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird.
17 Richtig ist zwar, dass die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses eine formale Gliederung (festgestellter Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung) nicht aufweist. Die obige Wiedergabe dieser Begründung zeigt aber, dass dadurch weder die Rechtsverfolgung durch die Partei noch die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt ist, sodass aus diesem Grund noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt (vgl. etwa VwGH 22.3.2018, Ra 2018/11/0020).
18 Auch mit dem Hinweis, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob eine qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitung iSd § 7 Abs. 3 Z 4 iVm § 26 Abs. 3 FSG (und die daraus resultierende Verkehrsunzuverlässigkeit) zur Entziehung der Lenkberechtigung auch der Klasse F führen könne, wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt:
19 Hintergrund dieser Frage ist nämlich (wie sich aus den wiedergegebenen Ausführungen des angefochtenen Erkenntnisses, denen sich die Revision betreffend ihre Zulässigkeit insoweit anschließt, ergibt), ob es nach der Begehung einer qualifizierten Geschwindigkeitsüberschreitung der Entziehung bzw. Einschränkung der Lenkberechtigung auch der Klasse F bedarf, obwohl mit Fahrzeugen der Klasse F aufgrund der gesetzmäßigen Anforderungen an solche Fahrzeuge (Bauartgeschwindigkeit) qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitungen kaum begangen werden können.
20 Diese Überlegung ist jedoch, wie sich aus nachstehenden Ausführungen ergibt, für die aus Anlass einer begangenen qualifizierten Geschwindigkeitsüberschreitung zu prüfende Entziehung der Lenkberechtigung nicht entscheidend:
21 Das FSG (hier in der Fassung BGBl. I Nr. 15/2017) lautet auszugsweise:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu
lenken (§§ 8 und 9),
4. fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind
(§§ 10 und 11) und
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht
auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer
Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer
Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch
rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit
oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente
beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken
von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer
Handlungen schuldig machen wird.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat
insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im
Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;
...
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die
Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1
Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde
entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen,
Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.
...
Bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann von der Entziehung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs. 3 Z 7 besitzt.
(2) Die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klasse zusammenhängt. Die Entziehung bestimmter Klassen ist, wenn zumindest noch eine weitere Lenkberechtigung aufrecht bleibt, in den Führerschein einzutragen. Eine Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B zieht jedenfalls eine Entziehung für die Klassen C (C1) CE(C1E), D(D1) und DE(D1E) nach sich, eine Entziehung einer der Klassen C (C1) CE(C1E), D(D1) oder DE(D1E) zieht die Entziehung der jeweils anderen Klasse nach sich.
...
§ 26. ...
(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1 oder 2 vorliegt - hat die Entziehungsdauer
1. zwei Wochen,
... zu betragen."
22 Die Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers erfolgte wegen des Wegfalls seiner Verkehrszuverlässigkeit. Dafür ist gemäß § 7 Abs. 1 FSG maßgebend, ob bei der betreffenden Person (u.a.) aufgrund einer erwiesenen bestimmten Tatsache (fallbezogen:
qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß § 7 Abs. 3 Z 4 FSG) angenommen werden muss, dass sie "wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr" (oder - fallbezogen nicht relevant - durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand) gefährden wird.
23 Entscheidend für den Wegfall der Verkehrszuverlässigkeit (und folglich für die Entziehung der Lenkberechtigung) ist somit nicht (bloß) der Umstand, ob der Betreffende das gleiche Delikt wiederholen werde (oder mit dem Fahrzeug der betreffenden Klasse wiederholen werden könne), sondern die aus der Deliktsbegehung hervortretende Sinnesart des rücksichtslosen Verhaltens im Straßenverkehr (vgl. etwa aus der hg. Judikatur VwGH 21.10.2004,
2002/11/0166: "Verkehrsunzuverlässigkeit, somit ... die
charakterliche, durch eine negative Einstellung zur Verkehrssicherheit geprägte Sinnesart").
24 Dass der Revisionswerber durch die Begehung des qualifizierten Geschwindigkeitsdelikts (Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 57 km/h) ein - massiv - rücksichtsloses Verhalten und eine diesbezügliche Sinnesart gezeigt hat, liegt auf der Hand. Ebenso liegt es auf der Hand, dass auch mit einem Fahrzeug der Klasse F ein rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr möglich ist.
25 Es entspricht daher auch (bestehender) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Nichteignung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit beim Lenken von Kraftfahrzeugen mit einer geringen Bauartgeschwindigkeit nicht anders zu beurteilen ist als bei anderen Kraftfahrzeugen (und daher bei fehlender Verkehrszuverlässigkeit auch § 24 Abs. 2 FSG nicht zur Anwendung gelangt: vgl. VwGH 23.5.2006, 2004/11/0230, betreffend die damals von § 32 FSG erfassten vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge).
26 Da somit das behauptete Fehlen von Judikatur nicht vorliegt, werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
27 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. August 2018
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