VwGH Ro 2017/15/0018

VwGHRo 2017/15/001831.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des J S in Ü, vertreten durch die Fusseis Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 63, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 19. Jänner 2017, Zl. RV/5100806/2015, betreffend Einkommensteuer 2011, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §485;
ABGB §521;
EStG 1988 §29 Z3;
EStG 1988 §4 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017150018.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 1. Dezember 2014 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2011 fest. Es berücksichtigte dabei Einkünfte aus Leistungen in Höhe von 120.000 EUR. In der Begründung führte das Finanzamt hiezu aus, der Revisionswerber habe ein Wohnrecht an einer näher genannten Liegenschaft gehabt. Im Jahr 2011 habe er gegen eine Ablösezahlung in Höhe von 120.000 EUR auf dieses Wohnrecht verzichtet. Entgelte für den Verzicht auf die Ausübung eines Wohnrechts seien gemäß § 29 Z 3 EStG 1988 zu erfassen.

2 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte zusammengefasst geltend, das als Wohnungsrecht eingeräumte Nutzungsrecht sei ein vermögenswertes Recht. Ablösezahlungen, die als Gegenleistung für die endgültige Aufgabe von vermögenswerten Rechten wie Fruchtgenussrechte geleistet würden, führten nicht zu steuerpflichtigen Einkünften, wenn diese außerhalb der Spekulationsfrist verwirklicht würden. Dem Revisionswerber sei mit Übergabevertrag im Jahr 1991 das Wohnungsrecht eingeräumt worden. Im Jahr 2011 habe er gegen eine Abfindung in Höhe von 118.000 EUR auf dieses Wohnungsrecht verzichtet.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18. März 2015 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2011 ab. Die Einkünfte aus Leistungen wurden nunmehr mit 118.000 EUR angesetzt.

4 Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung durch das Verwaltungsgericht.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht den Einkommensteuerbescheid ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

6 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe des Verfahrensgangs - im Wesentlichen aus, mit Notariatsakt vom August 1991 sei u.a. ein Haus von den Eltern an die Schwester des Revisionswerbers übergeben worden. In dieser Vereinbarung sei ein Wohnungsrecht an die Eltern sowie an den Revisionswerber vereinbart worden. Danach stehe dem Revisionswerber allein das Recht der Bewohnung von Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer und zwei Kinderzimmern zu. Mit diesem Wohnungsrecht sei das Recht der Mitbenützung des Badezimmers und des WCs im Obergeschoß verbunden. Solange das Wohnungsrecht bestehe, hätten die Wohnungsberechtigten zu allen Erhaltungs-, Erneuerungs- und allgemeinen Betriebskosten beizutragen. Der Revisionswerber dürfe während der Dauer seines Wohnungsrechts eine Ehegattin oder Lebensgefährtin und eigene Kinder mitwohnen lassen. Beim vorzeitigen Ableben des Revisionswerbers bestehe das Wohnungsrecht für die Ehegattin oder Lebensgefährtin samt Kindern so lange weiter, bis das jüngste Kind das 25. Lebensjahr vollendet habe, dies allerdings gegen Zahlung eines ortsüblichen Mietzinses. Vereinbart worden sei die grundbücherliche Sicherstellung dieses Wohnungsrechts als Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten des Revisionswerbers.

7 Der Revisionswerber habe - laut Melderegister - diese Wohnung bis Mai 2005 als Hauptwohnsitz genutzt. Ab diesem Zeitpunkt werde als Hauptwohnsitz die Anschrift eines neu errichteten Eigenheims angeführt. Der Schwager des Revisionswerbers habe von Februar 2005 bis August 2011 seinen Hauptwohnsitz an dieser Anschrift gemeldet gehabt. Der Revisionswerber habe die Wohnung dem Schwager unentgeltlich und ohne vertragliche Regelung überlassen. Der Schwager habe lediglich die Betriebskosten zu leisten gehabt. Eine Zustimmung zu dieser Überlassung sei nicht festgehalten worden, sei aber von der Eigentümerin (der Rechtsnachfolgerin der Schwester) akzeptiert worden.

8 Aufgrund einer Verkaufsabsicht der Rechtsnachfolgerin der Schwester habe diese das Wohnungsrecht des Revisionswerbers gegen Zahlung von 118.000 EUR abgelöst. Die Wohnung sei in der Folge vermietet worden; im März 2014 sei das Haus verkauft worden.

9 Im Grundbuch sei das Recht als "Wohnungsrecht" eingetragen worden; auch im Übergabsvertrag sei die Berechtigung als "Wohnungsrecht" bezeichnet worden. Strittig sei, ob die Ablösezahlung für das "Wohnungsrecht" ein Wohnungsgebrauchsrecht oder ein Fruchtgenussrecht betroffen habe.

10 Der Verzicht auf das Wohnungsrecht stelle jedenfalls eine in einem Unterlassen bestehende Leistung dar; die Entgeltlichkeit führe zu Einkünften aus sonstigen Leistungen im Sinne des § 29 Z 3 EStG 1988, dies aber nur dann, wenn der Vorgang nicht als Veräußerung eines Vermögensgegenstandes oder eine einem Veräußerungsvorgang gleichzuhaltende Vermögensumschichtung anzusehen sei.

11 Die Dienstbarkeit der Wohnung werde im Zweifel als höchstpersönliche, für die Lebensdauer des Berechtigten wirksame Befugnis eingeräumt. Der Verzicht auf ein höchstpersönliches Recht sei eine Leistung im Sinne des § 29 Z 3 EStG 1988, weil höchstpersönliche Rechte zivilrechtlich nicht übertragen werden könnten und deshalb keine Wirtschaftsgüter darstellten.

12 Der Revisionswerber habe zwar die Wohnung seinem Schwager überlassen. Er habe aber keinen Fruchtgenuss erlangt, weil er die Wohnung dem Schwager unentgeltlich überlassen habe und auch die Wohnrechtsgeber keine Einwendungen gegen diese Vorgehensweise gehabt hätten.

13 Es sei von einem bloßen Wohnungsgebrauchsrecht auszugehen. Daher handle es sich um die Aufgabe eines höchstpersönlichen Rechts; das Entgelt sei nach § 29 Z 3 EStG 1988 zu besteuern. Es könne aber die - im Zuge der Einräumung des Wohnungsrechts - übernommene Verbindlichkeit (180.000 S, also 13.081 EUR) als Anschaffungskosten bzw. Werbungskosten der Entschädigung berücksichtigt werden. Die Einkünfte aus Leistungen ergäben sich daher mit 104.919 EUR.

14 Eine Revision sei zulässig, weil zur Abgrenzung von Wohnungsgebrauchsrecht zu Wohnungsfruchtgenussrecht nur Rechtsprechung des OGH vorliege.

15 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. 16 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

 

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Die Revision ist aus dem vom Bundesfinanzgericht angeführten Grund zulässig, sie ist aber nicht begründet.

19 Gemäß § 29 Z 3 EStG 1988 zählen Einkünfte aus Leistungen zu den sonstigen Einkünften iSd § 2 Abs. 3 Z 7 EStG 1988.

20 Die Servitut der Wohnung ist nach § 521 ABGB "das Recht, die bewohnbaren Teile eines Hauses zu seinem Bedürfnisse zu benützen. Sie ist also eine Servitut des Gebrauches von dem Wohngebäude. Werden aber jemandem alle bewohnbaren Teile des Hauses, mit Schonung der Substanz, ohne Einschränkung zu genießen überlassen; so ist es eine Fruchtnießung des Wohngebäudes".

21 Das ABGB regelt demnach das Wohnrecht nicht als eigene Dienstbarkeit, sondern als Gebrauch oder Fruchtgenuss an Wohnräumen, je nachdem, ob sie nur zum persönlichen Bedarf oder ohne diese Einschränkung benützt werden dürfen. Welches dieser beiden Rechte vorliegt, ist eine Auslegungsfrage des einzelnen Falles. Bei einem selbständigen Gebäude (entgegen dem Revisionsvorbringen: nicht bloß eines Gebäudeteils; vgl. OGH 11.5.1999, 5 Ob 135/99k) spricht die Vermutung für Fruchtgenuss, bei Überlassung einer einzelnen Wohnung ist hingegen im Zweifel ein bloßes Gebrauchsrecht anzunehmen (vgl. RIS-Justiz RS0011588). Zum Wesen eines Fruchtgenussrechts gehört es, dass der Berechtigte die überlassenen Teile des Hauses ohne Einschränkung auf seine Bedürfnisse benützen und daher auch an Dritte überlassen darf (vgl. RIS-Justiz RS0011826).

22 Während die Übertragung eines Fruchtgenussrechts ("der Ausübung nach" oder auch "der Substanz nach") zulässig ist, ist die Dienstbarkeit des Gebrauchs hingegen selbst der Ausübung nach unübertragbar (vgl. Spath in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 485 Rz 2 f; vgl. auch - zur Verwertung im Rahmen eines Exekutionsverfahrens - OGH 21.7.2004, 3 Ob 88/04v).

23 Nach den im angefochtenen Erkenntnis geschilderten Bestimmungen des Übergabsvertrags wurde dem Revisionswerber auf Lebensdauer ein "Wohnungsrecht" an näher genannten Zimmern mit Mitbenützung von weiteren Zimmern eingeräumt, wobei auch ausdrücklich geregelt wurde, dass er während der Dauer seines Wohnungsrechts eine Ehegattin oder Lebensgefährtin und Kinder mitwohnen lassen dürfe. Diese Regelungen lassen erkennen, dass dem Revisionswerber nur Räumlichkeiten in einem Umfang eingeräumt wurden, die seinem persönlichen Bedarf entsprachen. Wenn ausdrücklich geregelt wurde, dass bestimmte Personen aufgenommen werden dürften, so spricht dies dagegen, dass die Räumlichkeiten - ohne Zustimmung des Eigentümers - auch an andere Personen überlassen werden dürften. Damit ist der Beurteilung des Bundesfinanzgerichts nicht entgegenzutreten, dass es sich im vorliegenden Fall um ein Wohnungsgebrauchsrecht handelte.

24 Eine Leistung iSd § 29 Z 3 EStG 1988 kann in einem Tun, einem Dulden oder einem Unterlassen bestehen. Eine Leistung im Sinne dieser Bestimmung ist jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist, einem anderen einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Die Veräußerung von Vermögensgegenständen und die einem Veräußerungsvorgang gleichzuhaltende Vermögensumschichtung kann aber nicht auch als Leistung iSd § 29 Z 3 EStG 1988 angesehen werden (vgl. etwa VwGH 28.5.2009, 2007/15/0200, mwN; sowie VwGH 27.4.2017, Ra 2015/15/0067, mwN).

25 Der Verzicht auf ein höchstpersönliches Recht ist grundsätzlich nicht als Veräußerungsvorgang zu werten, da höchstpersönliche Rechte zivilrechtlich nicht übertragen werden können (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2017, § 29 Tz 41, mwN). Nicht übertragbare Rechte sind auch keine Wirtschaftsgüter (vgl. Doralt et al, EStG17, § 4 Tz 32).

26 Da es sich beim vorliegenden Wohnungsrecht um ein nichtübertragbares Gebrauchsrecht handelte, ist die Aufgabe dieses Wohnungsrechts nicht als Veräußerungsvorgang zu beurteilen (oder einem solchen gleichzuhalten); es liegt damit kein Veräußerungstatbestand vor. Da aber ein Tun, Dulden oder Unterlassen gegen Entgelt vorliegt, durch welches einem anderen ein wirtschaftlicher Vorteil eingeräumt wird, liegt eine Leistung iSd § 29 Z 3 EStG 1988 vor.

27 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

28 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 31. Jänner 2018

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