VwGH Ro 2016/18/0004

VwGHRo 2016/18/000429.7.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision der S A D in W, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Jänner 2016, Zl. W170 2116339- 1/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3;
AVG §73 Abs1;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §8 Abs1;
VwRallg;
AsylG 2005 §3;
AVG §73 Abs1;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §8 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine syrische Staatsangehörige, brachte am 24. November 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz ein, über den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Folgenden keine Entscheidung traf.

2 Am 10. Juli 2015 erhob die Revisionswerberin deshalb Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde), die mit dem angefochtenen Erkenntnis - mangels überwiegenden Verschuldens des BFA an der Verzögerung - als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, "ob eine Massenfluchtbewegung für das Bundesamt eine Grundlage darstellt, davon auszugehen, dass dieses kein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung der Verfahrenserledigung trifft", nicht vorliege.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die nicht zulässig ist.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, ist die Revision somit - ungeachtet der Zulassung durch das Verwaltungsgericht - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 21. März 2016, Ro 2016/03/0006).

6 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. etwa VwGH vom 27. Juni 2016, Ra 2016/18/0047, mwN).

7 Im vorliegenden Fall wurde die Revision mit der Begründung zugelassen, dass zur Frage des Verschuldens des BFA an der Säumnis der Erledigung im Falle eines Massenzustroms von Asylwerbern Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Auch die Revision macht im Wesentlichen diese Rechtsfrage geltend und beruft sich darauf, dass in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Hinweis einer Behörde auf ihre Überlastung der Geltendmachung einer Verletzung der Entscheidungspflicht nicht entgegenstand.

8 Mittlerweile hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Mai 2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004, erkannt, dass die durch den massiven Zustrom von Schutzsuchenden in der jüngeren Vergangenheit bewirkte Ausnahmesituation, die auch für das BFA eine extreme Belastung darstellt, sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheidet. Die Verpflichtung der Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist, müsse in einer solchen Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen. Die Ausnahmesituation unterscheide sich sohin deutlich von den bisher vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung vorgefundenen Ausgangslagen. Eine Säumnis des BFA, die alleine auf eine derartige Belastungssituation zurückzuführen sei, könne eine Abweisung der Säumnisbeschwerde mangels überwiegenden Verschuldens der Behörde an der Säumnis nach § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG begründen.

9 Es liegt somit bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die auch im vorliegenden Verfahren strittige Rechtsfrage vor, anhand derer im Einzelfall zu beurteilen ist, ob die Verzögerung in der Erledigung des Antrags auf internationalen Schutz im Sinne des § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht revisibel (vgl. etwa VwGH vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033).

10 Im gegenständlichen Fall ging das BVwG - mit näherer Begründung - davon aus, dass die außergewöhnliche Belastung des BFA, die allein zu der Verzögerung in der Erledigung des Antrags des Revisionswerbers geführt hat und ein überwiegendes Verschulden der Behörde ausschließt, bereits ab September 2014 vorgelegen ist. Dass diese Beurteilung nach dem bisher Gesagten unzutreffend wäre und eine Revision zulässig machen würde, vermag die Revision nicht darzulegen.

11 Die Revision war deshalb wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juli 2016

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