Normen
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §1 Abs1;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §1 Abs2;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §2 Abs1;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §2;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §3;
RAO 1868 §1 Abs2 litf;
RAPG 1985 §1;
RAPG 1985 §13;
RAPG 1985 §2 Abs2;
RAPG 1985 §20;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §1 Abs1;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §1 Abs2;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §2 Abs1;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §2;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §3;
RAO 1868 §1 Abs2 litf;
RAPG 1985 §1;
RAPG 1985 §13;
RAPG 1985 §2 Abs2;
RAPG 1985 §20;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen einen Bescheid des Plenums des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer statt, hob diesen Bescheid auf und anerkannte die Teilnahme der Mitbeteiligten an einem näher bezeichneten Seminar über "Schadenersatz- und Privatversicherungsrecht" in L als Ausbildungsveranstaltung im Sinne der Richtlinie für die Ausbildung von Rechtsanwaltsanwärtern (RL-RAA) im Ausmaß von vier Ausbildungshalbtagen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde zugelassen.
2 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, die Vorträge des Seminars hätten Fachwissen (insbesondere) mit Bezug zu den beruflichen Aufgaben eines Rechtsanwalts durch ausreichend qualifizierte Referenten geboten. Als Zielgruppe seien in erster Linie Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter angesprochen worden. Dass vorwiegend höchstgerichtliche Judikatur zur Vermittlung des Fachwissens herangezogen worden sei, gehöre zum guten Standard von praxisrelevanten Ausbildungsveranstaltungen und sei als Teil des "Handwerkszeugs" von Rechtsanwälten zu betrachten, weil die Auslegung höchstgerichtlicher Rechtsprechung für die realistische Einschätzung der Prozesschancen wichtig sei und eine für den Anwaltsberuf grundlegende Fähigkeit darstelle. Das von der Mitbeteiligten besuchte Seminar sei daher mit vier anrechenbaren Ausbildungshalbtagen als Ausbildungsveranstaltung anzuerkennen.
3 Die Zulässigkeit der Revision begründete das LVwG damit, dass zum einen - soweit ersichtlich - keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vorliege, ob Veranstaltungen, die Judikaturvorträge des Obersten Gerichtshofes zum Inhalt hätten, als Ausbildungsveranstaltungen gemäß der RL-RAA anzuerkennen seien. Zum anderen stelle sich in Bezug auf § 26 RAO die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht geklärte Frage nach der Zulässigkeit der "Abweisung" einer Vorstellung durch das Plenum des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer, wie sie im vorliegenden Fall mittels des angefochtenen Bescheides vorgenommen worden sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision des Plenums des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer. Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das LVwG habe die Revision zu Recht zugelassen, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Seminare, die sich auf die Darstellung der aktuellen Judikatur des Obersten Gerichtshofes aus einem bestimmten Fachbereich beschränken und sich nicht bloß an Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter richteten, als Ausbildungsveranstaltung im Sinne des § 2 RL-RAA anzuerkennen seien.
5 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie unter anderem beantragt, die Revision zurückzuweisen. Entgegen dem Zulässigkeitsausspruch des LVwG und dem Vorbringen zur Zulässigkeit in der Revision liegen die Voraussetzungen für eine zulässige Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG im gegenständlichen Fall nicht vor:
6 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG nicht vor, ist die Revision somit - ungeachtet der Zulassung durch das Verwaltungsgericht - gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl VwGH vom 26. Juni 2014, Ra 2014/03/0005).
8 Zu den auch im gegenständlichen Verfahren strittigen Rechtsfragen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Jänner 2016, Ro 2015/03/0044, ausführlich Stellung genommen. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen.
9 Hervorzuheben ist daraus lediglich, dass als Ausbildungsveranstaltungen für Rechtsanwaltsanwärter auch solche anzuerkennen sind, die ein breit gestreutes Grundlagenwissen nur in Teilbereichen des Zivil- oder Strafrechts oder des öffentlichen Rechts anbieten, soweit die dort vermittelten Inhalte nicht nur punktuelles Detailwissen zu einzelnen Rechtsfragen darstellen, sondern diese Rechtsfragen in einen für den Auszubildenden nachvollziehbaren Zusammenhang gestellt werden und damit ein repräsentativer Querschnitt über die maßgeblichen Rechtsfragen dieses Fachgebiets geliefert wird. Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, wurde vom LVwG zumindest sinngemäß festgestellt und ist im Revisionsverfahren auch nicht strittig.
10 Problematisiert wird lediglich der Umstand, dass bei dem in Rede stehenden Seminar vorwiegend theoretisches Fachwissen durch Anführung der einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung vermittelt worden sei und die Zielgruppe des Seminars nicht nur Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter gewesen sei. Die revisionswerbende Partei vermeint deshalb, dass das Seminar den Bezug zu den für die Anerkennung als Ausbildungsveranstaltung im Sinne der RL-RAA erforderlichen Fertigkeiten eines Rechtsanwalts habe vermissen lassen.
Zu dieser Rechtsfrage hat der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis ausgesprochen, dass nach § 2 Abs 1 RL-RAA nur solche Ausbildungsveranstaltungen anzuerkennen sind, die neben Kenntnissen auch Fähigkeiten im Sinne der Erfordernisse des § 1 RAPG vermitteln, die für die Rechtsanwaltsprüfung und die Ausübung des Berufs eines Rechtsanwalts erforderlich sind. Allerdings ist die Trennlinie zwischen der Vermittlung von "abstraktem Fachwissen" einerseits und der Schulung von Kenntnissen und Fähigkeiten für den Rechtsanwaltsberuf andererseits nicht leicht zu ziehen, zumal der umfassende Aufgabenbereich eines Rechtsanwalts unter anderem auch die Falllösung im Rahmen einer Rechtsberatung, Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung umfasst, was wiederum entsprechende Kenntnisse der betroffenen Rechtsmaterie voraussetzt. Wird das Fachwissen in der zu beurteilenden Veranstaltung in einer Art und Weise dargeboten, dass es auch für die rechtsanwaltlichen Aufgabenstellungen verwertbar ist, reicht dies für die Anerkennung als Ausbildungsveranstaltung jedenfalls aus, und zwar selbst dann, wenn in der Veranstaltung nicht spezifisch auf Rechtsanwälte bzw Rechtsanwaltsanwärter und ihre Tätigkeitsbereiche eingegangen wird.
11 Es liegt somit Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den strittigen Rechtsfragen vor, anhand derer sich auch der gegenständliche Fall lösen lässt. Das LVwG hat sich bei seiner Entscheidung von diesen höchstgerichtlichen Leitlinien, die erst nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses dargelegt wurden, auch nicht entfernt, sondern sie im Ergebnis beachtet. Seine Beurteilung der Umstände des Einzelfalls ist im Übrigen nicht revisibel (vgl etwa VwGH vom 1. September 2015, Ra 2015/03/0060).
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
13 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. März 2016
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