VwGH Ra 2016/18/0047

VwGHRa 2016/18/004727.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision des S A, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2016, Zl. L502 2120199- 1/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §73;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
VwGVG 2014 §8 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §73;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
VwGVG 2014 §8 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 23. März 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der den Verfahrensakten zufolge mit 24. März 2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingebracht wurde. Am 26. März 2015 wurde das Verfahren zugelassen, in weiterer Folge entschied das BFA über den Antrag jedoch nicht.

2 Am 29. November 2015 brachte der Revisionswerber Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) ein.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab; die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe - abgesehen von seinen mündlichen Angaben im Rahmen der Erstbefragung - keine Urkunden zum Nachweis seiner Identität vorgelegt. In seiner Säumnisbeschwerde finde sich kein Vorbringen, weshalb ihm dies nicht möglich gewesen sei. Aus Sicht des BVwG sei daher diese Säumigkeit der Sphäre des Revisionswerbers zuzurechnen und als Mitverschulden an der Verfahrensdauer zu berücksichtigen gewesen. Darüber hinaus sei in maßgeblicher Weise in Betracht zu ziehen, dass das BFA mit einem "explosionsartigen Anstieg" der Zahl der Anträge auf internationalen Schutz im Geschäftsjahr 2015 auf ein so hohes Niveau konfrontiert gewesen sei, welches es der Behörde in nachvollziehbarer Weise erschwert habe, diese Anträge binnen der Frist nach § 73 AVG zu erledigen. Vor dem Hintergrund der nicht in diesem (näher dargelegten) Ausmaß vorhersehbaren, insofern auch außerhalb der Einflusssphäre der Behörde gelegenen und auch nicht ad hoc mit organisatorischen Vorkehrungen zu bewältigenden Überlastung sei dem BFA im vorliegenden Fall kein Verschulden an der Nichterledigung des Antrags des Revisionswerbers vorzuwerfen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision hat der Verwaltungsgerichtshof im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision -

bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH vom 26. Juni 2014, Ra 2014/03/0005, und daran anschließend etwa VwGH vom 14. September 2015, Ra 2014/17/0009, und vom 4. März 2016, Ra 2015/11/0114).

5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der gegenständlichen außerordentlichen Revision vor, bisher sei in der Judikatur die Frage nicht behandelt worden, ob eine Steigerung der Anzahl der Asylanträge eine Säumigkeit der belangten Behörde rechtfertige. Darüber hinaus weiche das angefochtene Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung insofern ab, als Arbeitsüberlastung als solche Säumigkeit nicht exkulpiert habe. In die rechtliche Beurteilung sei nicht miteinbezogen worden, dass ein Organisationsverschulden bestehe, wenn von Seiten des Staates nicht die entsprechenden personellen und sonstigen Vorkehrungen getroffen würden, um mit dem erhöhten Arbeitsanfall zu Rande zu kommen.

6 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf:

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24. Mai 2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004, auf dessen Begründung des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass die extrem hohe Zahl an asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren für das BFA - ungeachtet der vom Bund getroffenen bzw. weiterhin zu treffenden personellen Maßnahmen zur Verfahrensbewältigung - unzweifelhaft eine extreme Belastungssituation darstellt, die sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheidet.

Diese Ausnahmesituation unterscheidet sich sohin auch deutlich von den bisher vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung vorgefundenen Ausgangslagen.

Es kann dem Verwaltungsgericht daher nicht entgegen getreten werden, wenn es - wie im vorliegenden Fall, d.h. eines spätestens ab dem Jahr 2015 bei der belangten Behörde anhängig gewordenen Asylverfahrens - bei der Verschuldensbeurteilung die außergewöhnlich Belastungssituation der belangten Behörde in besonderer Weise ins Kalkül zieht.

7 Die vom Revisionswerber aufgeworfene Rechtsfrage ist somit bereits geklärt. Da in der Revision auch darüber hinausgehend keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2016

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