VwGH Ro 2016/18/0001

VwGHRo 2016/18/00013.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision des A G in W, vertreten durch Dr. Hans-Peter Kandler, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 53a/1/5, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 2015, Zl. W149 1433213-1/29E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
32013L0032 IntSchutz-RL Art20 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §13a;
AVG §19 Abs1;
BFA-VG 2014 §52 Abs2 idF 2015/I/070;
BFA-VG 2014 §52 Abs2;
BFA-VG 2014 §52 idF 2015/I/070;
BFA-VG 2014 §52;
B-VG Art18;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RO2016180001.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Sachverhalt und Revisionsverfahren

1 Der Revisionswerber, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 11. Mai 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der vom Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - BFA) mit Bescheid vom 11. Februar 2013 gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 nach Somalia ausgewiesen.

2 Für das Beschwerdeverfahren wurde dem Revisionswerber mit Verfahrensanordnung vom 12. Februar 2013 ein Rechtsberater zur Seite gestellt und er erhob in der Folge Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid.

3 Mit Schreiben vom 6. Juli 2015 setzte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Revisionswerber von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung am 17. August 2015 in Kenntnis und forderte ihn zum persönlichen Erscheinen bei der Verhandlung auf. Am 13. Juli 2015 erhielt der Revisionswerber vom BVwG die zusätzliche Information, dass ihm die Teilnahme seines Rechtsberaters an der mündlichen Verhandlung freistehe und er sich - falls er dessen Teilnahme wünsche - umgehend mit diesem in Verbindung setzen solle. Der Rechtsberater sei darüber nachrichtlich verständigt worden.

4 Am 17. August 2015 fand vor dem BVwG in Anwesenheit des Revisionswerbers eine mündliche Verhandlung statt, an der kein Rechtsberater teilnahm. Im Rahmen des Beweisverfahrens wurde der Revisionswerber insbesondere zu seinen Fluchtgründen und zu seinem Gesundheitszustand einvernommen. Am Ende des Beweisverfahrens gab der Revisionswerber - zusammengefasst - an, vom beigegebenen Rechtsberater nicht ausreichend unterstützt worden zu sein.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 als unbegründet ab. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das BFA zurückverwiesen. Die ordentliche Revision ließ das BVwG zu.

6 Begründend führte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - aus, was die Abwesenheit des Rechtsberaters in der mündlichen Verhandlung trotz ausdrücklichen Ersuchens des Revisionswerbers anbelange, erachte das BVwG dieses Vorbringen zwar als glaubwürdig, es könne im Versäumnis der Rechtsberatung aber kein schwerer Verfahrensmangel erkannt werden. Zum einen könne darin kein Verfahrensfehler des BFA gesehen werden, zum anderen sehe § 52 Abs. 2 letzter Satz BFA-VG keine Rechtsfolge für eine pflichtwidrige Unterlassung des Rechtsberaters in Bezug auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor. Durch § 48 Abs. 9 BFA-VG sei lediglich festgelegt, dass im Falle von wiederholten und beharrlichen Pflichtverletzungen durch einzelne mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Personen die Betrauung derselben vom Bundesminister aufgehoben und deren Befugnisse widerrufen werden könnten. Diese Rechtsfolge sei die einzige im Gesetz ausdrücklich vorgesehene. Eine weitere ergebe sich daraus, insbesondere für das BVwG, nicht. Eine Rechtsfolge in Bezug auf das Verfahren vor dem BVwG lasse sich auch nicht aus einer unionsrechtskonformen Auslegung ableiten. Die Bestimmung des § 52 BFA-VG gehe nämlich über die in der Richtlinie 2013/32/EU vorgesehenen Regelungen insofern hinaus, als Rechtsberater amtswegig zu bestellen sind. Da dies angesichts der in der RL 2013/32/EU normierten Mindeststandards, die lediglich ein Unterschreiten derselben verbieten, zulässig sei, erscheine eine unionsrechtskonforme Interpretation im Sinne einer Rechtsfolge in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens vor dem BVwG nicht zwingend zu sein. Durch die Bestimmung des § 52 BFA-VG seien nämlich die notwendigen Maßnahmen getroffen worden, um eine bestmögliche und europäischen Regelungen entsprechende Unterstützung von beschwerdeführenden Asylwerbern in Verfahren betreffend internationalen Schutz zu gewährleisten. Das BVwG habe schließlich durch seine Manuduktion in der mündlichen Verhandlung sichergestellt, dass der Revisionswerber seine Rechte umfassend wahrnehmen könne.

7 In der Sache führte das BVwG aus, dem Revisionswerber sei zwar darin Glauben zu schenken, dass er vor seiner Flucht von der Al-Shabaab verschleppt worden sei und diese Gruppe ihn und seine Söhne habe zwingen wollen, sich ihnen anzuschließen. Es könne jedoch nicht als erwiesen angesehen werden, dass der Revisionswerber vor seiner Flucht aus Somalia einer Verfolgung durch die Al-Shabaab wegen seiner Weigerung, seine Söhne und Töchter an die Al-Shabaab auszuliefern, ausgesetzt gewesen sei. Es seien auch keine Indizien ersichtlich, dass er im Falle einer Rückkehr einer derartigen oder einer anderen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein könnte. Seine Furcht, von der Al-Shabaab aus Rache wegen mangelnder Kooperation getötet zu werden, sei zwar angesichts der Länderfeststellungen nachvollziehbar, entscheidend für die Asylgewährung sei jedoch die begründete Furcht vor einer aktuellen Verfolgung. Davon sei nicht mehr auszugehen, weil die Al-Shaabab nicht mehr die Gebietshoheit über die Heimatregion des Revisionswerbers habe. Auch subsidiärer Schutz sei dem Revisionswerber nicht zu gewähren, weil er bei Rückkehr eine verbesserte allgemeine Sicherheitslage und ein soziales Netzwerk vorfinde; die Krankheiten des Revisionswerbers seien aktuell nicht lebensbedrohlich und rechtfertigten daher nicht die Annahme, dass bei einer Rückkehr des Revisionswerbers Art. 2 oder Art. 3 EMRK verletzt würden.

8 Die Zulässigkeit der Revision begründete das BVwG damit, dass die Auslegung des § 52 Abs. 2 letzter Satz BFA-VG im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer trotz entsprechenden Ersuchens eines Beschwerdeführers unbegründeten Nichtteilnahme des Rechtsberaters an einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG in Verfahren über den internationalen Schutz unklar sei. Insbesondere sei nicht auszuschließen, dass dieser Verstoß auf das Verfahren vor dem BVwG rechtlich Einfluss nehmen könnte. Diesbezüglich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Sie macht zusammengefasst geltend, das BVwG habe das Fernbleiben des Rechtsberaters bei der mündlichen Verhandlung zu Unrecht nicht als schweren Verfahrensfehler angesehen. Es habe übersehen, dass das BVwG nicht nur Verfahrensfehler des BFA aufzugreifen habe, sondern auch selbst dafür sorgen müsse, dass das Beschwerdeverfahren nach den rechtsstaatlich dafür vorgesehenen Garantien ablaufe. Zu diesen Garantien gehöre auch das Recht auf Teilnahme eines Rechtsberaters an der mündlichen Verhandlung, welches durch das BVwG sicherzustellen gewesen wäre. Das BVwG hätte daher die Verhandlung unterbrechen und dem Revisionswerber die Möglichkeit geben müssen, mit einem Rechtsberater an der Verhandlung teilzunehmen. Das Institut der Rechtsberatung im Asylverfahren korrespondiere mit jenem der Verfahrenshilfe in anderen Rechtsgebieten. Aus den unionsrechtlichen Vorgaben ergebe sich, dass zur Wahrung eines effektiven Zugangs zum Verfahren ein solches Rechtsschutzinstitut zwingend sei. In Zivil- und Strafrechtssachen dürfe in Fällen notwendiger Vertretung eine Verhandlung dann nicht durchgeführt werden, wenn kein Vertreter anwesend sei. Auch im Hinblick darauf hätte das BVwG von der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung Abstand nehmen müssen. Es könne im Hinblick auf die durch Art. 47 Grundrechtcharta (GRC) gewährleisteten Garantien auch nicht nachvollzogen werden, dass das BVwG einen Verfahrensfehler verneine, weil das Gesetz keine Sanktion für das Fernbleiben des Rechtsberaters nenne. Durch eine solche Sichtweise werde der Rechtsschutz komplett ausgehöhlt und erreiche nicht einmal ein Mindestmaß an faktischer Effizienz. Dem könne auch nicht durch den Hinweis auf die gesetzlich vorgesehene Manuduktionspflicht des Gerichts begegnet werden, zumal diese nicht geeignet sei, das Erfordernis der Rechtsvertretung zu ersetzen. Zudem seien fallbezogen wesentliche Aspekte mit dem Revisionswerber nicht erörtert worden. So hätte der Revisionswerber bei entsprechender Unterstützung durch den Rechtsberater sein Vorbringen in der Verhandlung zur Bedeutung seiner Erkrankung für die Gewährung subsidiären Schutzes - mit näher dargestellten Argumenten - konkretisieren können. Er hätte auch darlegen können, dass ihm trotz des Umstandes, dass die Al-Shabaab nicht mehr die Gebietshoheit über seine Heimatregion ausübe, bei Rückkehr Verfolgung durch die Al-Shabaab drohen würde. Allein aus dem Umstand, dass die Al-Shabaab nicht mehr die Hoheit über ein Gebiet ausübe, lasse sich nämlich nicht ableiten, dass die Verfolgungsgefahr nicht mehr aktuell sei. Der Revisionswerber und enge Familienangehörige seien in der Vergangenheit monatelang von Al-Shabaab inhaftiert gewesen bzw. es seien Familienangehörige von dieser Gruppierung getötet worden. Der Revisionswerber habe sich auch wiederholt der Al-Shabaab widersetzt. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass der Revisionswerber von den Mitgliedern dieser Gruppe noch immer wiedererkannt und bestraft werden würde. Ungeachtet dieser Relevanzdarstellung zum geltend gemachten Verfahrensmangel vertrete die Revision aber die Rechtsansicht, dass der Verstoß gegen § 52 Abs. 2 letzter Satz BFA-VG einen absoluten Verfahrensmangel darstelle, welcher unabhängig von den Auswirkungen im konkreten Einzelfall zu einer Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses führen müsse.

10 Das BFA hat keine Revisionsbeantwortung erstattet. II. Rechtslage

11 § 52 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015 (BFA-VG) lautet in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung auszugsweise wie folgt:

"Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 52. (1) Das Bundesamt hat den Fremden oder Asylwerber bei (...) zurück- oder abweisenden Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen.

(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs. 1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beschaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben Fremde in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Rückkehrentscheidung, eine Entscheidung gemäß § 2 Abs. 4 bis 5 oder § 3 GVG-B 2005 oder eine Anordnung zur Außerlandesbringung auf deren Ersuchen auch zu vertreten. In Verfahren über internationalen Schutz sowie über die Anordnung von Schubhaft haben Rechtsberater auf Ersuchen des Fremden an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

(...)"

12 Artikel 20 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), ABl. L 180/60 (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie) lautet:

"Artikel 20

Unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Rechtsbehelfsverfahren

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Rechtsbehelfsverfahren nach Kapitel V auf Antrag unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt wird. Diese umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers."

 

III. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Die Revision ist im Sinne des Zulassungsausspruchs des

BVwG zulässig; sie ist auch begründet.

14 Vorweg ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof

mit Erkenntnis vom 9. März 2016, G 447-449/2015-13, in § 52 Abs. 2 BFA-VG die Wortfolge "gegen eine Rückkehrentscheidung, eine Entscheidung gemäß § 2 Abs. 4 bis 5 oder § 3 GVG-B 2005 oder eine Anordnung zur Außerlandesbringung" als verfassungswidrig aufgehoben hat. Die Aufhebung tritt allerdings erst mit Ablauf des 31. Dezember 2016 in Kraft und ist für den vorliegenden Fall daher noch nicht maßgeblich.

15 Nach § 52 BFA-VG in der gegenständlich anzuwendenden Fassung ist dem Asylwerber (u.a.) bei einer abweisenden Entscheidung des BFA über seinen Antrag auf internationalen Schutz amtswegig ein Rechtsberater zur Seite zu stellen, der ihn bei der Einbringung einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren unterstützt und berät, und der nach § 52 Abs. 2 letzter Satz BFA-VG in Verfahren über internationalen Schutz auf Ersuchen des Asylwerbers an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen hat.

16 Unionsrechtlicher Hintergrund dieser Norm ist Art. 20 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten im Rechtsmittelverfahren sicherzustellen haben, dass einem Asylwerber auf Antrag unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt wird, welche zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers umfasst.

17 Die Unterstützung von Asylwerbern im Rechtsmittelverfahren durch einen (unentgeltlichen) Rechtsberater, der auf ihr Ersuchen auch an der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht teilzunehmen hat, ist somit einfachgesetzlich und unionsrechtlich vorgesehen. Der Verfassungsgerichtshof hat dazu bereits wiederholt ausgesprochen, dass mit der Rechtsberatung (bzw. ähnlichen Rechtsschutzeinrichtungen nach früheren asylrechtlichen Vorschriften) den besonderen Bedürfnissen von Asylwerbern - insbesondere hinsichtlich des sprachlichen und rechtlichen Verständnisses der im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG zu berücksichtigenden (rechtlichen) Fragestellungen - Rechnung getragen werde (vgl. VfGH vom 25. Juni 2009, U 561/09, VfSlg. 18.809/2009). Die gesetzlichen Vorschriften, die eine Unterstützung des Asylwerbers durch den Rechtsberater im Beschwerdeverfahren vorsehen, sind daher ein wichtiger Teil des effektiven Rechtsschutzes, der nach Art. 47 GRC auch im Asylverfahren gewahrt werden muss.

18 Nach § 52 Abs. 2 letzter Satz BFA-VG ist die Teilnahme des Rechtsberaters an der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG auf Ersuchen des Fremden verpflichtend vorgesehen. Soweit der Asylwerber daher ein entsprechendes Ersuchen äußert, liegt es nicht im Belieben des Rechtsberaters, die Teilnahme an der Verhandlung abzulehnen; dem Ersuchen des Asylwerbers ist vielmehr nachzukommen, weil die (unterstützende) Teilnahme des Rechtsberaters in diesem Fall gesetzlich geboten ist. Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung ließe sich unter Bedachtnahme auf den damit verfolgten Zweck nur dann rechtfertigen, wenn sichergestellt ist, dass der Asylwerber in der Verhandlung ohnedies (etwa durch einen frei gewählten Rechtsanwalt) rechtlich vertreten ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt gegenständlich aber nicht vor.

19 Aufgrund der aus dem rechtsstaatlichen Prinzip einerseits und den einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften andererseits resultierenden Verfahrensgarantien ist es - entgegen der Rechtsansicht des BVwG - auch Sache des Verwaltungsgerichtes dafür Sorge zu tragen, dass das einem Asylwerber zustehende Recht auf einen Rechtsberater tatsächlich in Anspruch genommen werden kann (vgl. in diesem Sinne bereits VfGH vom 21. September 2011, U 860/11, VfSlg. 19.490/2011). Zu diesem Zweck hat es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Asylwerber - nach den Feststellungen des BVwG - das Ersuchen um Teilnahme an den Rechtsberater vor der Verhandlung gestellt hatte, diesem aber vom Rechtsberater unentschuldigt nicht entsprochen worden ist, von der Möglichkeit des § 19 Abs. 1 AVG, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 17 VwGVG sinngemäß anzuwenden ist, Gebrauch zu machen und das nötige Erscheinen des Rechtsberaters durch förmliche Ladung zu bewirken.

20 Indem das BVwG eine solche Vorgangsweise unterließ und das Verfahren zu einem Abschluss brachte, ohne dem Revisionswerber die gesetzlich vorgesehene Unterstützung durch den Rechtsberater einzuräumen, belastete es das Beschwerdeverfahren mit einem Verfahrensmangel. Daran ändert auch nichts, dass das BVwG im vorliegenden Fall - ausweislich der Verfahrensakten - bemüht war, seiner Manuduktionspflicht zu entsprechen, zumal diese mit der Unterstützung durch einen Rechtsberater nicht gleichgesetzt werden kann.

21 Ausgehend vom Vorbringen in der Revision lässt sich auch nicht von vornherein ausschließen, dass bei unterstützender Teilnahme des Rechtsberaters an der Verhandlung zusätzliches Vorbringen erstattet worden wäre, mit dem sich das BVwG hätte auseinander setzen müssen und das unter Umständen zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte führen können.

22 Es liegt daher fallbezogen ein relevanter Verfahrensmangel vor, weshalb nicht beurteilt werden muss, ob der Verstoß gegen § 52 Abs. 2 letzter Satz BFA-VG im Sinne des Revisionsvorbringens auch ohne Prüfung der Relevanz wahrzunehmen wäre.

23 Das angefochtene Erkenntnis war aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

24 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

25 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 3. Mai 2016

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte