VwGH Ro 2015/21/0025

VwGHRo 2015/21/00253.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des D S zuletzt in W, vertreten durch Mag. Johannes Wutzlhofer, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Rusterstraße 62/1/4, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Februar 2015, Zl. W147 2012664- 1/11E, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

BFA-VG 2014 §22a Abs1 idF 2015/I/041;
BFA-VG 2014 §22a Abs1 Z2 idF 2015/I/041;
BFA-VG 2014 §22a Abs1;
BFA-VG 2014 §22a Abs2 idF 2015/I/041;
BFA-VG 2014 §34 Abs3 Z3;
BFA-VG 2014 §34;
BFA-VG 2014 §40 Abs1 Z1;
BFA-VG 2014 §40 Abs1;
BFA-VG 2014 §40 Abs4;
BFA-VG 2014 §7 Abs1 Z3;
B-VG Art130 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §39 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §46;
FrPolG 2005 §82 Abs1;
FrPolG 2005 §82 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird, soweit damit die Beschwerde gegen die nach dem Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. September 2014 vorgenommene weitere Anhaltung des Revisionswerbers zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Revision wird im Übrigen, nämlich soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. September 2014 richtet, als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber, der sich damals mit einem serbischen Reisepass ausgewiesen hatte, wurde am 22. September 2014 um 21.00 Uhr von Organen einer Polizeiinspektion im Gemeindegebiet von Ebenfurth gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) festgenommen, weil er bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1a FPG - nicht rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet im Hinblick auf die Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung - auf frischer Tat betreten worden sei. Anschließend wurde er zur Polizeiinspektion Sollenau verbracht.

Um 22.29 Uhr übermittelte sodann ein davor kontaktiertes Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) per Email einen schriftlichen Auftrag, den Revisionswerber gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG "umgehend" festzunehmen, weil die Erlassung eines Auftrags zur Abschiebung beabsichtigt sei. Weiters wurde von Seiten des BFA angeordnet, den Revisionswerber nach der Festnahme in das Polizeianhaltezentrum Wiener Neustadt zu überstellen und am nächsten Tag um 10.00 Uhr dem BFA (der Regionaldirektion Niederösterreich in Traiskirchen) vorzuführen. Zweck der dort beabsichtigten Einvernahme des Revisionswerbers sei - einem Aktenvermerk des BFA vom 22. September 2014 zufolge - die Prüfung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und der "etwaigen" Durchführung der Abschiebung innerhalb von 72 Stunden nach der Festnahme, wofür keine Schubhaft erforderlich sei.

Dem entsprechend wurde der Revisionswerber noch in derselben Nacht, nämlich am 23. September 2014 um 01.15 Uhr, in das Polizeianhaltezentrum Wiener Neustadt eingeliefert und am nächsten Morgen zur Vernehmung nach Traiskirchen gebracht, die von 11.55 Uhr bis 12.40 Uhr dauerte. Dabei wurde dem Revisionswerber abschließend mitgeteilt, es sei beabsichtigt, ihn "längstens binnen 72 Stunden" abzuschieben. Nach der Vernehmung wurde der Revisionswerber über Auftrag des BFA "zwecks Abschiebung" in das Polizeianhaltezentrum Wien überstellt. Weiters erging in Bezug auf den Revisionswerber vom BFA noch ein mit 23. September 2014 datierter, an die Landespolizeidirektion Wien gerichteter "Abschiebeauftrag - Luftweg" (geplanter Abflug nach Belgrad: 24. September 2014, 20.45 Uhr).

Mit Bescheid vom 24. September 2014 erließ das BFA gegen den Revisionswerber (u.a.) eine Rückkehrentscheidung samt dreijährigem Einreiseverbot, wobei einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Entsprechend dem Abschiebeauftrag wurde der Revisionswerber sodann am selben Tag gegen 12.30 Uhr vom Polizeianhaltezentrum Wien zum Flughafen Wien/Schwechat gebracht; der Abflug erfolgte schließlich um 21.55 Uhr.

Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2014 erhob der Revisionswerber (vertreten durch einen bevollmächtigten Rechtsberater) eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Maßnahmenbeschwerde, und zwar

1. unter Berufung auf § 22a Abs. 1 Z 1 BFA-VG gegen die am 22. September 2014 gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG vorgenommene Anordnung der Festnahme durch das BFA und

2. unter Berufung auf § 22a Abs. 1 Z 2 BFA-VG gegen die Anhaltung gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG sowie

3. unter Berufung auf § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG "gegen den Auftrag zur Abschiebung gemäß § 46 FPG".

Inhaltlich wurde in der Beschwerde zu den beiden erstangeführten Punkten zusammengefasst geltend gemacht, ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG solle nach der Intention des Gesetzgebers erst dann ergehen, wenn die Abschiebung nach § 46 FPG auch tatsächlich möglich und durchführbar sei. Das sei "zum Zeitpunkt des Festnahmeauftrags" mangels durchsetzbarer aufenthaltsbeendender Maßnahme nicht der Fall gewesen. Die sich auf den rechtswidrigen Festnahmeauftrag gründende nachfolgende Anhaltung des Revisionswerbers gemäß § 40 Abs. 1 iVm Abs. 4 BFA-VG sei daher ebenfalls rechtswidrig.

Zum letzten Punkt der Anfechtungserklärung relevierte die Beschwerde, die Abschiebung sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 46 FPG rechtswidrig gewesen. Insbesondere habe der Revisionswerber seine Bereitschaft zum freiwilligen Verlassen des Bundesgebietes mit dem ihm zur Verfügung gestandenen PKW eines Freundes mehrfach geäußert und er habe auch über die dafür notwendigen Barmittel verfügt. Er habe kein strafrechtliches Verhalten gesetzt, sodass eine Überwachung der Ausreise auch nicht aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. Februar 2015 wies das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung "die Beschwerde" gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als "unzulässig" zurück. Dazu sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

Das BVwG stellte aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit den Zeugenaussagen der beteiligten Beamten fest, gegenüber dem Revisionswerber sei eine Festnahme nach den Bestimmungen des BFA-VG nicht ausgesprochen worden. In der rechtlichen Beurteilung bezog sich das BVwG dann zunächst auf § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG, wonach ein Fremder das Recht habe, das BVwG mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist oder wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde. Da jedoch - so folgerte das BVwG - gegenüber dem Revisionswerber keine Festnahme gemäß den Bestimmungen des BFA-VG ausgesprochen worden sei, fehle die Legitimation zur Beschwerdeführung vor dem BVwG. Im Übrigen sei "festzuhalten", dass das BFA-VG keine gesonderte Möglichkeit der Anfechtung eines Festnahmeauftrages vorsehe. Da "die gewillkürte Vertretung" die Beschwerde ausdrücklich aufrecht gehalten habe, sei diese - so das BVwG resümierend - infolge Unzuständigkeit "spruchgemäß" zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende (wie sich aus dem Weiteren ergibt: zulässige) Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen hat:

1. Rechtslage

Folgende Bestimmungen sind zum weiteren Verständnis maßgeblich:

1.1. BFA-VG:

"Bundesverwaltungsgericht

§ 7. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

...

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

..."

"Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

  1. 1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
  2. 2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

    3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde."

    "Festnahmeauftrag

§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn ...

(2) ...

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

...

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

..."

"Festnahme

§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

...

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen."

1.2. FPG:

"Sachliche Zuständigkeit im Inland

§ 5. (1) Den Landespolizeidirektionen obliegt

  1. 1. die Besorgung der Fremdenpolizei (§ 2 Abs. 2);
  2. 2. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
  3. 3. die Führung von Verwaltungsstrafverfahren nach diesem Bundesgesetz;
  4. 4. die Verhängung von Verwaltungsstrafen nach § 112 und
  5. 5. die Vorschreibung von Kosten nach § 113.

(1a) Dem Bundesamt obliegt

1. die Anordnung der Abschiebung, die Feststellung der Duldung und die Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten gemäß dem 7. Hauptstück,

2. die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück und

3. die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück."

"Festnahme und Anhaltung

§ 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerlässlichen Vorführung vor die Landespolizeidirektion festzunehmen und bis zu 24 Stunden anzuhalten, wenn

1. sie ihn bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 120 auf frischer Tat betreten oder

..."

"Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind."

"Gelinderes Mittel

§ 77. (1) Das Bundesamt hat ...

...

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten."

"Beschwerdeverfahren gegen Festnahme und Anhaltung gemäß § 39 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht

§ 82. Der Fremde hat das Recht, das Landesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

  1. 1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist, oder
  2. 2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde."

    2. Zur Beschwerde gegen den "Auftrag zur Abschiebung":

    Im Kopf des angefochtenen Beschlusses wurde die vom BVwG zurückgewiesene Beschwerde dahin umschrieben, dass sie sich "gegen die Festnahme und die Anhaltung" richtet; der auch in Beschwerde gezogene Auftrag zur Abschiebung wurde nicht erwähnt. Auch in der Begründung wurde vom BVwG auf die Maßnahmenbeschwerde, soweit dort das Vorliegen der Voraussetzungen für die Abschiebung nach § 46 FPG bestritten wurde, nicht eingegangen. Es finden sich daher auch keine Argumente, weshalb die Beschwerde insoweit mangels Zuständigkeit des BVwG "unzulässig" sein sollte. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die an das BVwG gerichtete Maßnahmenbeschwerde in diesem Umfang noch unerledigt ist. Folgerichtig enthält auch die Revision keine Ausführungen zu diesem Thema.

    Diesbezüglich ist noch anzumerken, dass sich die Beschwerde insoweit bei verständiger Würdigung der dazu erstatteten Begründung nicht gegen den Auftrag zur Abschiebung, sondern gegen deren Vornahme selbst zu richten scheint (vgl. idS zur Bekämpfung eines Festnahmeauftrages das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2012, Zl. 2010/21/0378). Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG, auf den sich die gegenständliche Beschwerde zu diesem Punkt auch ausdrücklich bezogen hatte, entscheidet das BVwG über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt (u.a.) gemäß dem

    7. Hauptstück des FPG, in dem sich der die Abschiebung regelnde § 46 FPG befindet. Es ist daher auch weiterhin zulässig, im Wege einer solchen Beschwerde die Rechtmäßigkeit einer Abschiebung als Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt (nunmehr:) durch das BVwG prüfen zu lassen (vgl. das zur bis 31. Dezember 2013 geltenden Rechtslage ergangene hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2012, Zl. 2012/21/0085, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 20. Oktober 2011, Zl. 2010/21/0056). Darauf dürfte der Revisionswerber mit seiner Beschwerde - auch wenn zu diesem Punkt ein entsprechendes ausdrückliches Begehren iSd § 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG fehlt - zielen, soweit dort das Vorliegen der Voraussetzungen für die Abschiebung nach § 46 FPG bestritten wurde.

    3. Zur Beschwerde gegen den Festnahmeauftrag:

    Dem schon genannten Erkenntnis vom 25. Oktober 2012, Zl. 2010/21/0378, lässt sich die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes entnehmen, dass die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht komme, zumal auch § 82 Abs. 1 FPG (in der damals maßgeblichen Stammfassung) einen selbständigen Anfechtungsgegenstand "Festnahmeauftrag" nicht kenne. Das entsprach offenbar auch der Absicht des Gesetzgebers bei der Schaffung der entsprechenden - mittlerweile vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen (siehe unten) - Nachfolgeregelung des § 22a Abs. 1 BFA-VG.

    Trotzdem vertrat der Revisionswerber sowohl in der Beschwerde als auch in der Revision unter Bezugnahme auf das genannte Erkenntnis die Meinung, der Auftrag zur Festnahme sei im vorliegenden Fall selbständig anfechtbar, und zwar deshalb, weil dem schriftlichen Auftrag keine Festnahme gefolgt sei. In diesem Fall müsse eine gesonderte Anfechtung des rechtswidrig ergangenen Festnahmeauftrags möglich sein.

    Zunächst ist dazu vorauszuschicken, dass diese Argumentation eindeutig erkennen lässt, dass der Festnahmeauftrag selbst in Beschwerde gezogen wurde. Im Übrigen wurde zwar eine dem Auftrag des BFA entsprechende Festnahme nach § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG im vorliegenden Fall gegenüber dem Revisionswerber nicht formell ausgesprochen, der Revisionswerber wurde aber in der Folge doch entsprechend den Aufträgen des BFA bis zu seiner Außerlandesbringung zwangsweise angehalten. Damit wurde der Festnahmeauftrag zumindest faktisch umgesetzt. Diese Anhaltung ist aber unbestritten mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar. Bei dieser Ausgangslage besteht somit kein Rechtsschutzbedürfnis für eine selbständige Anfechtbarkeit des keinem (neuerlichen) Vollzug zugänglichen Festnahmeauftrages vom 22. September 2014.

    Diesbezüglich erfolgte die Zurückweisung der Beschwerde durch das BVwG somit im Ergebnis zu Recht. Die Revision war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    4. Zur Beschwerde gegen die weitere Anhaltung nach dem Festnahmeauftrag:

    Die Beschwerde des Revisionswerbers richtete sich schließlich noch gegen seine nach dem Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. September 2014 "bis zum 24.09.2014" vorgenommene weitere "Anhaltung gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG". Insoweit wies das BVwG die Beschwerde wegen Unzuständigkeit mit dem Argument zurück, es sei keine Festnahme gemäß den Bestimmungen des BFA-VG gegenüber dem Revisionswerber ausgesprochen und er sei demzufolge auch nicht unter Berufung auf das BFA-VG angehalten worden. Es fehle daher nach § 22a Abs. 1 BFA-VG die Legitimation, das BVwG mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung anzurufen.

    Dem ist nicht zu folgen:

    Der Auffassung des BVwG liegt offenbar die Annahme zu Grunde, die hier in Rede stehende Anhaltung hätte sich weiterhin auf § 39 Abs. 1 Z 1 FPG gegründet und für eine dagegen gerichtete Maßnahmenbeschwerde wäre gemäß § 82 Z 2 FPG das Landesverwaltungsgericht zuständig. Dem BVwG ist zwar zuzugestehen, dass nach den unbestrittenen Feststellungen keine neuerliche, auf einen anderen Grund gestützte Festnahme gegenüber dem Revisionswerber ausgesprochen und daher dem Festnahmeauftrag des BFA vom 22. September 2014 nicht förmlich entsprochen wurde. Es kann aber überhaupt kein Zweifel bestehen, dass die Sicherheitsorgane in der Folge mit der weiteren Anhaltung des Revisionswerbers bis zur Abschiebung am 24. September 2014 sowie mit der in dieser Zeit vorgenommenen Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Wiener Neustadt, Vorführung vor das BFA in Traiskirchen und anschließenden Verbringung in das Polizeianhaltezentrum Wien entsprechend den Aufträgen des BFA gehandelt haben und sich die in Beschwerde gezogene Anhaltung daher offenbar auf die Bestimmungen der §§ 34, 40 BFA-VG als Rechtsgrundlage stützen sollte. Für eine weitere Anhaltung des Revisionswerbers nach § 39 Abs. 1 Z 1 FPG über die dort vorgesehene Höchstdauer von 24 Stunden hinaus bestehen keine Anhaltspunkte, zumal jedenfalls den vorgelegten Akten auch keine Hinweise auf ein gegen den Revisionswerber wegen Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 120 FPG geführtes Strafverfahren zu entnehmen sind.

    Der Verfassungsgerichtshof hat zwar mit Erkenntnis vom 12. März 2015, G 151/2014 u.a., § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden seien (siehe dazu die Kundmachung des Bundeskanzlers unter BGBl. I Nr. 41/2015). Auf die aufgehobene Bestimmung des § 22a Abs. 1 Z 2 BFA-VG lässt sich die Zuständigkeit des BVwG zur Behandlung einer Beschwerde gegen eine "unter Berufung auf das BFA-VG" erfolgte Anhaltung daher nicht (mehr) stützen. Jedoch bietet ohnehin schon § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG dafür eine ausreichende Grundlage, weil danach das BVwG über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG, in dem sich die §§ 34, 40 BFA-VG befinden, entscheidet.

    Der angefochtene Beschluss war daher, soweit damit die Beschwerde gegen die nach dem Festnahmeauftrag des BFA vom 22. September 2014 vorgenommene weitere Anhaltung des Revisionswerbers zurückgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Von der Durchführung der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 und 6 VwGG abgesehen werden.

    Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

    Wien, am 3. September 2015

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