VwGH Ro 2015/21/0017

VwGHRo 2015/21/001719.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, über die Revision des J V, zuletzt in W, geboren am 2. Dezember 1979, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 26, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. Dezember 2014, Zl. W171 2016299-1/5E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §22a Abs1 idF 2015/I/041;
BFA-VG 2014 §22a Abs1;
BFA-VG 2014 §22a Abs2 idF 2015/I/041;
BFA-VG 2014 §22a Abs2;
BFA-VG 2014 §22a Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
BFA-VG 2014 §22a Abs1 idF 2015/I/041;
BFA-VG 2014 §22a Abs1;
BFA-VG 2014 §22a Abs2 idF 2015/I/041;
BFA-VG 2014 §22a Abs2;
BFA-VG 2014 §22a Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

1. Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

Gegen den wegen kurz nach seiner Einreise im Februar 2014 begangenen gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilten Revisionswerber, einen chilenischen Staatsangehörigen, besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt achtjährigem Einreiseverbot.

Der Revisionswerber wurde aus der Strafhaft im Zuge der sogenannten "Weihnachtsbegnadigung" am 17. Dezember 2014 entlassen, jedoch über Auftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum überstellt, um die für den 18. Dezember 2014 geplante Flugabschiebung nach Chile vorzunehmen. Da jedoch die spanischen Behörden für den notwendigen Zwischenaufenthalt in Madrid keine Genehmigung erteilten, musste der Flug wieder storniert werden.

Hierauf wurde gegen den Revisionswerber mit Bescheid des BFA vom 17. Dezember 2014 die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG angeordnet. Daran anschließend wurde umgehend neuerlich die Abschiebung des Revisionswerbers, nunmehr für den 26. Jänner 2015 via Paris und in Begleitung von drei Sicherheitskräften, organisiert.

Die gegen den Schubhaftbescheid und die "andauernde Anhaltung in Schubhaft" erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 23. Dezember 2014 gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG ab (Spruchpunkt A.I.). Unter einem stellte es gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vorlägen (Spruchpunkt A.II.). Weiters wies das BVwG den Antrag des Revisionswerbers auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG ab (Spruchpunkt A.III.). Schließlich wurde die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (Spruchpunkt B.)

Gegen dieses Erkenntnis (Spruchpunkt A.) erhob der Revisionswerber sowohl Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als auch Revision an den Verwaltungsgerichtshof;

Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Zu Punkt 1.

Mit Erkenntnis vom 12. März 2015, G 151/2014 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden seien (siehe dazu die Kundmachung des Bundeskanzlers unter BGBl. I Nr. 41/2015).

Infolge dessen stellte der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom selben Tag, E 20/2015-5, fest, dass der Revisionswerber durch Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in seinen Rechten verletzt worden sei. Unter einem hob er daher diesen Spruchpunkt auf. Im Übrigen wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, nach seiner Anhörung die Revision in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Ein solcher Fall der formellen Klaglosstellung liegt (u.a.) dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung - wie hier - durch den Verfassungsgerichtshof aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde (vgl. etwa aus der letzten Zeit den hg. Beschluss vom 23. April 2015, Ro 2014/21/0051, Punkt 1.). Dem trat der Vertreter des Revisionswerbers auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegen.

Die Revision war daher, soweit sie sich gegen Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, in Anwendung der genannten Bestimmung des VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Schon deshalb war dem Revisionswerber Aufwandersatz in Höhe von EUR 1.106,40 zuzusprechen, was sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 55 erster Satz VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 gründet.

Zu Punkt 2.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision in dieser Hinsicht ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG (vgl. Spruchpunkt B. des angefochtenen Erkenntnisses) nicht gebunden.

In der vorliegenden Revision wird offenbar davon ausgegangen, dass sie vor dem Hintergrund des Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014, E 4/2014-11, betreffend § 22a Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig sei, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den dort angesprochenen Fragen - Rechtsnatur der Schubhaftbeschwerde, Einbringungsstelle und Einbringungsfrist - fehle. Diese Fragen betreffen aber in erster Linie den ohnehin vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Spruchpunkt A.I. und sie sind von diesem Gerichtshof vor dem maßgeblichen verfassungsrechtlichen Hintergrund mittlerweile in dem oben genannten Erkenntnissen vom 12. März 2015 (siehe ergänzend auch noch das Erkenntnis vom selben Tag, E 4/2014-17) auch umfassend geklärt worden. Die verfahrensrechtliche Grundlage für den hier gegenständlichen Fortsetzungsausspruch (§ 22a Abs. 3 BFA-VG) wurde vom Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang aber als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen (siehe Rz 63 des Erkenntnisses vom 12. März 2015, G 151/2014 u.a).

Dem sonstigen Revisionsvorbringen, mit dem eine Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft geltend gemacht wird, ist zu erwidern, dass das diesbezüglich vom BVwG unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles erzielte Ergebnis angesichts des - wegen der gravierenden Straffälligkeit des Revisionswerbers bestehenden - besonders großen öffentlichen Interesses an der effektiven Sicherung seiner Abschiebung und des Fehlens eines festen Wohnsitzes in Österreich jedenfalls vertretbar ist. Insoweit liegt daher ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Derartige einzelfallbezogene Beurteilungen sind nämlich im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurden - nicht revisibel (vgl. den hg. Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Die Revision, die nach dem Gesagten keine für die Lösung des vorliegenden Falles (noch) relevanten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt, war daher in Anwendung dieser Bestimmung, soweit das Verfahren nicht einzustellen war, zurückzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2015

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