VwGH Ro 2014/21/0051

VwGHRo 2014/21/005123.4.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des A M in S, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Jänner 2014, Zl. I403 2000252-1/2E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

Normen

BFA-VG 2014 §22a Abs1
BFA-VG 2014 §22a Abs1 idF 2015/I/041
BFA-VG 2014 §22a Abs2
BFA-VG 2014 §22a Abs2 idF 2015/I/041
BFA-VG 2014 §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art140 Abs1
B-VG Art140 Abs7
EURallg
FrPolG 2005 §76
FrPolG 2005 §76 Abs1
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4
FrPolG 2005 §76 Abs5
VwGG §33 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
32013R0604 Dublin-III Art28

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RO2014210051.J00

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Soweit sich die Revision gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, wird sie als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

2. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein libanesischer Staatsangehöriger, reiste am 3. Jänner 2014 aus der Schweiz kommend in das Bundesgebiet ein. Am 8. Jänner 2014 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag wurde über ihn gemäß § 76 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG mit sofort in Vollzug gesetztem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung der Anordnung zur Außerlandesbringung und der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die nach § 22a Abs. 1 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) gegen die Verhängung der Schubhaft und die Anhaltung seit dem 8. Jänner 2014 erhobene Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 4 FPG ab (Spruchpunkt I). Mit Spruchpunkt II. wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Kostenersatz abgewiesen. Mit Spruchpunkt III. stellte das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22a Abs. 3 BFA‑VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Mit Spruchpunkt IV. wurde die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für zulässig erklärt.

Gegen dieses Erkenntnis hat der Revisionswerber die vorliegende Revision sowie eine Beschwerde gemäß Art. 144 B‑VG an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

Zu Punkt 1.

Auf Grund der Beschwerde des Revisionswerbers stellte der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. März 2015, E 4/2014, fest, dass der Revisionswerber durch Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen (nämlich der mit Erkenntnis vom selben Tag, G 151/2014 u.a., aufgehobenen Abs. 1 und 2 des § 22a BFA‑VG) in seinen Rechten verletzt worden sei. Unter einem hob er daher ‑ nur ‑ diesen Spruchpunkt auf.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, nach seiner Anhörung die Revision in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Ein solcher Fall der formellen Klaglosstellung liegt (u.a.) dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung ‑ wie hier ‑ durch den Verfassungsgerichtshof aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde (vgl. etwa den Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2013/21/0102). Dem trat die Vertreterin des Revisionswerbers auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegen.

Die Revision war daher, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, in Anwendung der genannten Bestimmung des VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Zu Punkt 2.

Den Fortsetzungsausspruch (Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses) hat das Bundesverwaltungsgericht spruchgemäß lediglich auf § 22a Abs. 3 BFA‑VG, somit auf eine ausschließlich verfahrensrechtliche Norm gestützt; in der Begründung wurde außerdem auf § 76 Abs. 2 Z 4 FPG Bezug genommen, nicht aber auf Art. 28 der Dublin III-Verordnung.

Vor diesem Hintergrund gleicht der vorliegende Revisionsfall in den entscheidungswesentlichen Gesichtspunkten jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 24. März 2015, Ro 2014/21/0080, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird des Näheren auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Aus den dort angestellten Erwägungen ist auch Spruchpunkt III. des vorliegenden Erkenntnisses mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts behaftet.

Die Abweisung des Kostenersatzbegehrens des Revisionswerbers stützte das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass er unterlegene Partei gewesen sei. Diese Auffassung ist vor dem Hintergrund der ‑ rückwirkenden (vgl. etwa den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. November 2014, E 873/2014) ‑ Aufhebung des Spruchpunktes I. durch den Verfassungsgerichtshof und des im vorliegenden Erkenntnis zu Spruchpunkt III. erzielten Ergebnisses nicht tragfähig, sodass sich auch der Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses als rechtswidrig erweist.

Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit es nicht bereits auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes aus dem Rechtsbestand ausgeschieden ist, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. April 2015

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