VwGH Ro 2015/07/0014

VwGHRo 2015/07/001430.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstr. 17-19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 27. November 2014, Zl. LVwG-2/50/18-2014, betreffend Überprüfung der Emissionen gemäß § 10 Abs. 5 Emissionszertifikategesetz 2011 (mitbeteiligte Partei: ZGesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 24), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RO2015070014.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Folgender Sachverhalt steht außer Streit:

Die mitbeteiligte Partei betreibt am Standort G. das dem Emissionzertifikategesetz 2011 (EZG 2011) unterliegende Kalkwerk G. Unmittelbar neben diesem Kalkwerk befindet sich am Werksgelände der mitbeteiligten Partei eine Anlage der O. GmbH, welche nicht dem EZG 2011 unterliegt. An diese liefert die mitbeteiligte Partei einen Großteil des produzierten Stückkalks und das Abgas des Kalkwerkes G. In der Anlage der O. GmbH wird daraus synthetisches Calciumcarbonat (precipitated calcium carbonate, in der Folge PCC) hergestellt, das in weiterer Folge als Ausgangsstoff für die Herstellung von Papier und anderen Industrieprodukten dient.

Die Anlage der O. GmbH steht in einem technischen Anlagenverbund mit dem Kalkwerk G. der mitbeteiligten Partei, da die PCC-Produktion zwingend die kontinuierliche Verfügbarkeit der Rohstoffe Branntkalk und CO2 erfordert.

Neben dem Branntkalk (CaO) liefert die mitbeteiligte Partei auch Ofenabgas (CO2) in einem geschlossenen Rohrleitungssystem in die Produktionsanlage der O. GmbH. Aus beiden Ausgangsstoffen (CaO und CO2) stellt die O. GmbH in weiterer Folge das PCC her. Dabei wird CO2 chemisch umgewandelt und im Produkt PCC dauerhaft als Feststoff gebunden.

Jenes CO2, welches der O. GmbH für ihren chemischen Produktionsprozess zur Verfügung gestellt wird, wird zu keinem Zeitpunkt in die Atmosphäre emittiert bzw. freigesetzt. Das nicht eingebundene CO2 wird durch das Kalkwerk G. der mitbeteiligten Partei tatsächlich über Kamine an die Atmosphäre abgegeben. Die tatsächliche CO2-Emission in die Atmosphäre betrug im Betriebsjahr 2013 51.611t.

In den von der mitbeteiligten Partei der Bezirkshauptmannschaft Hallein (BH) vorgelegten Überwachungskonzepten wird das an die O. GmbH gelieferte und in der Folge chemisch umgewandelte und dauerhaft gebundene CO2 von der Gesamtmenge der CO2-Emissionen der Anlage Kalkwerk G. mit der Begründung in Abzug gebracht, dass es nicht in die Atmosphäre emittiert werde.

2 Mit Bescheid vom 9. Dezember 2013 wurde das Überwachungskonzept der mitbeteiligten Partei von der BH gemäß § 6 Abs. 1 und 2 EZG 2011 zur Kenntnis genommen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

3 Aufgrund dieses rechtskräftigen Bescheides erstattete die mitbeteiligte Partei am 27. März 2014 die Emissionsmeldung für das Jahr 2013 in Übereinstimmung mit dem genehmigten Überwachungskonzept. In Reaktion darauf meldete die revisionswerbende Partei mit Schreiben vom 1. April 2014 "begründete Zweifel im Sinne des § 10 Abs. 5 EZG 2011 an der Richtigkeit der Emissionsmeldung" an.

4 Zu diesem Schreiben nahm die mitbeteiligte Partei am 15. April 2014 Stellung und legte dar, warum das in der Anlage der O. GmbH im Feststoff eingebundene CO2 eindeutig nicht unter den Begriff der Emissionen im Sinne des Emissionshandelssystems falle und folglich von diesem nicht erfasst werde. Zudem verwies die mitbeteiligte Partei ausdrücklich darauf, dass mit Bescheid der BH vom 9. Dezember 2013 der Abzug der bei der PCC-Produktion als Feststoff eingebundenen CO2-Mengen genehmigt sei und infolge der Rechtskraft Bindungswirkung sowohl für die Mitbeteiligte als auch für die revisionswerbende Partei entfalte. Gleichzeitig wurde die Feststellung dahingehend beantragt, dass hinsichtlich der durch die PCC-Produktion nicht emittierten, sondern als Feststoff gebundenen CO2-Mengen alle Voraussetzungen für eine hinkünftige Berücksichtigung in der österreichischen Treibhausgasinventur bestünden, somit das durch die PCC-Produktion nicht emittierte, sondern als Feststoff gebundene CO2 in der österreichischen Treibhausinventur künftig berücksichtigt werde.

5 Mit Bescheid vom 17. April 2014 legte die revisionswerbende Partei aufgrund des § 10 Abs. 5 EZG 2011 die Emissionen des Kalkwerkes G. der mitbeteiligten Partei für das Jahr 2013 "mit

104.856 Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalent" fest. Gleichzeitig wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei vom 15. April 2014 auf "Feststellung einer hinkünftigen Berücksichtigung von PCC in der österreichischen Treibhausgasinventur" abgewiesen.

6 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg. Dieses gab mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 27. November 2014, Zl. LVwG-2/50/18-2014, der Beschwerde Recht und änderte unter anderem den Spruch des angefochtenen Bescheides der revisionswerbenden Partei mit Spruchpunkt 1. dahingehend ab, dass es anstelle "104.856 Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalent" nunmehr

"51.611 Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalent" zu lauten habe. Das Landesverwaltungsgericht erklärte eine ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung formulierte das Landesverwaltungsgericht wie folgt:

"Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies deshalb, da zur Frage, ab welchem Zeitpunkt Kenntnisnahmebescheide nach § 6 Abs. 1 EZG 2011 und Genehmigungsbescheide nach § 6 Abs. 2 EZG 2011 wirksam werden, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt. Die die Berichtsjahre 2008 und 2009 betreffenden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 24.7.2014, 2011/07/0011, und 24.7.2014, 2011/07/0242) beziehen sich auf Bescheide nach § 6 Abs. 1 EZG, mit denen ein Überwachungskonzept genehmigt, und nicht, wie im vorliegenden Fall, zur Kenntnis genommen wurde. Zur Bestimmung des § 6 Abs. 2 EZG 2011 liegt - soweit überblickbar - noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor."

7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft eine Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 27. November 2014 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufheben.

Zur Zulässigkeit der Revision formuliert die revisionswerbende Partei zwei weitere Gründe, aus denen sich ihrer Meinung nach die Zulässigkeit der Revision ergäbe:

8 Zum ersten Grund hält die revisionswerbende Partei zusammengefasst wie folgt fest:

"Hätte sich sohin das Landesverwaltungsgericht Salzburg an der für einen rechtlich gleich gelagerten Fall bereits bestehenden höchstgerichtlichen Judikatur, nämlich eben an dem vorerwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. 07. 2014, Zl. 2011/07/0011, orientiert, hätte es zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der vorerwähnte Bescheid der (...) BH (...) vom 09.12.2013 nicht vor dessen Rechtskraft Rechtswirksamkeit entfalten konnte, und daher schon allein aus diesem Grunde für das Jahr 2013 die von der gegenständlichen Anlage der mitbeteiligten Partei an die Anlage der Firma O. weitergeleiteten CO2-Mengen von den Emissionen der Anlage der mitbeteiligten Partei nicht abgezogen werden dürfen."

9 Als zweiten Zulässigkeitsgrund führt die revisionswerbende Partei ins Treffen, das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe den, vom Verwaltungsgerichtshof in dessen einhelliger Rechtsprechung stets zugrunde gelegten, fundamentalen "Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts" gänzlich außer Acht gelassen. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg wäre nämlich verpflichtet gewesen, die im vorliegenden Fall relevanten und im Rahmen der Ausführung der Revisionsgründe noch näher darzustellenden, unmittelbar anwendbares Unionsrecht bildenden, einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 601/2012 der Kommission vom 21. Juni 2012 (MVO) unmittelbar anzuwenden. Da sich aus diesen Bestimmungen - wie ebenfalls im Rahmen der Ausführung der Revisionsgründe noch ausführlich dargestellt werde - ergebe, dass im gegenständlichen Fall ein Abzug der aus der Anlage der mitbeteiligten Partei an die benachbarte Anlage der O. GmbH weitergeleiteten CO2-Emissionen (die sogenannte "Senke") nicht erfolgen dürfe, hätte das Landesverwaltungsgericht Salzburg bei rechtsrichtiger Vorgangsweise daher diese Emissionen der Anlage der mitbeteiligten Partei für das Jahr 2013 mit 104.856 Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalent festsetzen müssen.

10 Dazu erstattete die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung und zwei weitere Äußerungen.

11 Die revisionswerbende Partei erstattete schließlich mit Eingabe vom 20. Februar 2017 eine Urkundenvorlage.

12 Da die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG (Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung) vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen ist, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, wenn die zu beantwortende Rechtsfrage durch Rechtsprechung des EuGH bereits - wenngleich erst nach Einbringung der Revision - geklärt wurde (vgl. etwa VwGH vom 20. Dezember 2014, Ro 2014/03/0049, mwN).

13 Genau dieser Fall liegt hier vor. In seinem Urteil vom 19. Jänner 2017, C-460/15 , betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtes Berlin nach Art. 267 AEUV in dem Verfahren Schaefer Kalk GmbH & Co. KG gegen die Bundesrepublik Deutschland entschied der EuGH, dass "Art. 49 Abs. 1 Satz 2 und Anhang IV Abschnitt 10 Unterabschnitt B der Verordnung (EU) Nr. 601/2012 der Kommission vom 21. Juni 2012 über die Überwachung von und die Berichterstattung über Treibhausgasemissionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (...) insoweit ungültig (sind), als sie das für die Herstellung von PCC an eine andere Anlage weitergeleitete Kohlendioxid (CO2) unabhängig davon, ob es in die Atmosphäre freigesetzt wird oder nicht, systematisch in die Emissionen der Anlage zum Brennen von Kalk einbeziehen."

14 Die Ausgangslage im Verfahren zu C-460/15 vor dem EuGH unterscheidet sich in keinem Punkt von der Situation der mitbeteiligten Partei, aus deren dem Emissionshandelssystem unterliegenden Anlage zum Brennen von Kalk in G. Branntkalk und CO2 an die nicht dem Emissionshandelssystem unterworfene Anlage der O. GmbH übergeben wird, die daraus PCC herstellt und dadurch die Emissionen der Kalkproduktion vermindert.

15 Damit ist im angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 27. November 2014 die Reduktion von 104.856 Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalent auf

51.611 Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalent zu Recht erfolgt. 16 Die in der Zulässigkeitsbegründung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg angeführte und auch von der revisionswerbenden Partei ins Treffen geführte Frage der Wirksamkeit eines Kenntnisnahmebescheids spielt angesichts des erwähnten Urteils des EuGH für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses keine Rolle mehr. Durch dieses Urteil steht fest, dass die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg im Ergebnis richtig ist. Damit ist aber die Entscheidung über die Revision nicht mehr von der Beantwortung dieser Frage abhängig, weshalb sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung mehr ist.

17 Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war die Revision daher - in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

18 Von der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG abzusehen.

19 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG - im Besonderen § 51 VwGG - in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordung.

Wien, am 30. März 2017

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