VwGH Ro 2014/09/0016

VwGHRo 2014/09/001619.5.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Revision 1. der S Bauges.m.b.H. in L, 2. des AF in I, beide vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Tirol Landesgeschäftsstelle Innsbruck vom 27. Dezember 2013, LGSTi/II/08 114-3627124-706/2013-I, betreffend Versagung einer Beschäftigungsbewilligung (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

31964D0732 AssozAbk Türkei Art2 Abs1;
31972R2760 ZusProt FinanzProt AssAbk Türkei Art41 Abs1;
31972R2760 ZusProt FinanzProt AssAbk Türkei Art41;
62001CJ0317 Abatay VORAB;
62005CJ0016 Tum und Dari VORAB;
62006CJ0228 Soysal und Savatli VORAB;
62007CJ0092 Kommission / Niederlande;
62009CJ0300 Toprak und Oguz VORAB;
62010CJ0186 Oguz VORAB;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
ARB1/80 Art13;
AuslBG §4 Abs1 idF 1994/314;
AuslBG §4 Abs1 idF 2011/I/025;
AuslBG §4 Abs3 idF 1994/314;
AuslBG §4 Abs3 idF 2011/I/025;
AuslBG §4 idF 1994/314;
AuslBG §4 idF 2011/I/025;
EURallg;
NAG 2005 §20 Abs4;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §21;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der erstrevisionswerbenden Partei auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Zweitrevisionswerber, einen türkischen Staatsangehören, gemäß § 4 Abs. 3 Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) und Art. 13 des Assoziierungsabkommens EWG - Türkei, Assoziationsratsbeschluss (ARB) 1/80 sowie Art. 41 des Zusatzprotokolls ab.

In der Begründung des angefochtenen Bescheids führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass der Zweitrevisionswerber nach den Angaben im Antrag vom 12. Juni 2013 seit 2. Mai 2013 über eine bis 2. Mai 2014 gültige "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) verfüge. Er halte sich seit 1. Mai 2013 in Österreich auf, wo seine Eltern, österreichische Staatsbürger, seit 35 Jahren lebten und beschäftigt seien. Als berufliche Tätigkeit sei "Bauhilfsarbeiter" auf einem Arbeitsplatz im Betrieb der erstrevisionswerbenden Partei mit Beschäftigungsort in L und einer Bruttoentlohnung (ohne Zulagen) von EUR 10,79 pro Stunde bei einer Arbeitszeit von 39 Wochenstunden angegeben worden.

In erster Instanz sei die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung mit der Begründung abgelehnt worden, dass der Regionalbeirat diese nicht einhellig befürwortet habe und auch keine der sonstigen in § 4 Abs. 3 AuslBG genannten Voraussetzungen vorlägen.

Nach Wiedergabe maßgeblicher gesetzlicher Bestimmungen führte die belangte Behörde rechtlich weiter aus, dass die sogenannte "Stillhalteklausel" des Art. 13 ARB 1/80 (bzw. Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls) allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen verbiete, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (bzw. der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs) durch türkische Staatsangehörige strengeren Voraussetzungen unterworfen würden, als sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ARB 1/80 im jeweiligen Mitgliedsstaats gegolten hätten. In Österreich sei daher das Datum des Beitritts zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 maßgeblich. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des EuGH dürften die Mitgliedstaaten im Sinne der Stillhalteklausel nach Inkrafttreten des ARB 1/80 erlassene günstigere Bestimmungen für türkische Staatsangehörige auch nicht mehr verschlechtern.

Dem Berufungsvorbringen, dass § 4 Abs. 3 AuslBG in der geltenden Fassung zum maßgeblichen Zeitpunkt 1. Jänner 1995 "in dieser Form" noch nicht Bestandteil des damaligen Ausländerbeschäftigungsgesetzes gewesen sei, hielt die belangte Behörde entgegen, dass ihrer Ansicht nach die seit 1. Juli 1994 in Kraft gestandene Bestimmung des § 4 Abs. 6 Z 1 AuslBG idF BGBl. Nr. 314/1994 jener in § 4 Abs. 3 Z 1 AuslBG entspreche, die der Ablehnung zugrunde gelegt worden sei. Bereits zum 1. Jänner 1995 hätten aufgrund der Vorgängerbestimmung des § 4 Abs. 6 Z 1 AuslBG (über bestehende Kontingente hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen) Beschäftigungsbewilligungen (insbesondere) nur dann erteilt werden dürfen, wenn - nach Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen der Abs. 1 und Abs. 3 - gemäß Z 1 leg. cit. die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung durch den Regionalbeirat einhellig befürwortet worden sei. Die aktuelle Fassung des § 4 Abs. 3 Z 1 AuslBG stelle daher keine neue Beschränkung oder Bedingung für den Zugang zum Arbeitsmarkt, die durch Art. 13 ARB 1/80 und das Zusatzprotokoll untersagt wären, dar. Die einhellige Befürwortung durch den Regionalbeirat sei bereits bei Inkrafttreten des ARB 1/80 Bestandteil des § 4 AuslBG gewesen. Eine Verschlechterung könne in der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Bestimmung daher nicht erblickt werden.

 

Über die dagegen erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:

§ 4 VwGbk-ÜG lautet (auszugsweise):

"Verwaltungsgerichtshof

§ 4. (1) Ist ein Bescheid, gegen den eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung beim Verwaltungsgerichtshof zulässig ist, vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen worden, läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde gegen diesen Bescheid nicht bereits bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann gegen ihn vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 in sinngemäßer Anwendung des Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Wurde gegen einen solchen Bescheid vor Ablauf des 31. Dezember 2013 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben und läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG.

...

(5) Die Revision gemäß den Abs. 1 bis 3 ist unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Die Revision gegen den Bescheid einer unabhängigen Verwaltungsbehörde oder einer Behörde gemäß Art. 20 Abs. 2 Z 2 oder 3 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung ist unzulässig, wenn die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen. Eine solche Revision hat gesondert die Gründe zu enthalten, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen. Ob eine solche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, ist vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen. Für die Behandlung der Revision gelten die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe, dass statt der Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung die Revision als unzulässig zurückgewiesen werden kann. Für Revisionen gegen Bescheide anderer als der im zweiten Satz genannten Verwaltungsbehörden gelten die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht.

..."

Im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 31. Dezember 2013 ist bei der Behandlung der Revision nach § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG das VwGG in seiner bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Die revisionswerbenden Parteien machen zusammengefasst geltend, dass durch die nun in jedem Fall vorausgesetzte einhellige Zustimmung des Regionalbeirates, die nach der Rechtslage zum 1. Jänner 1995 nur nach einem Überschreiten der Landeshöchstzahlen erforderlich gewesen sei, der Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt für türkische Arbeitnehmer entgegen der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 des Zusatzprotokolls unzulässig erschwert worden sei. Diese Revisionsausführungen sind berechtigt.

Die Bestimmung des § 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) BGBl. Nr. 218/1975 in der am 1. Jänner 1995 in Kraft gestandenen Fassung des BGBl. Nr. 314/1994 lautet:

"Beschäftigungsbewilligung

Voraussetzungen

§ 4. (1) Die Beschäftigungsbewilligung ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

(2) Die Beschäftigungsbewilligung für einen Lehrling ist zu erteilen, wenn die Lage auf dem Lehrstellenmarkt dies zuläßt und wichtige Gründe bezüglich der Lage und Entwicklung des übrigen Arbeitsmarktes nicht entgegenstehen.

(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf weiters nur erteilt werden, wenn

1. der Arbeitgeber den Ausländer auf einen (Anm.: richtig: einem) Arbeitsplatz seines Betriebes beschäftigen wird, wobei eine Zurverfügungstellung des Ausländers an Dritte unbeschadet des § 6 Abs. 2 nicht als Beschäftigung im eigenen Betrieb gilt;

2. das inländische ärztliche Zeugnis oder ein gleichzuhaltendes ärztliches Zeugnis ausländischer Stellen vorliegt, sofern dies gemäß § 5 Abs. 1 vorgesehen ist;

3. das Zeugnis über eine ergänzende ärztliche Untersuchung vorliegt, sofern dies gemäß § 5 Abs. 2 vorgesehen ist;

4. die Gewähr gegeben erscheint, daß der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält;

5. bei erstmaliger Beschäftigung des Ausländers im Bundesgebiet, sofern es sich nicht um einen Grenzgänger mit Wohnsitz im benachbarten Ausland handelt, die rechtsverbindliche Erklärung eines Unterkunftgebers, daß dem Ausländer eine für Inländer ortsübliche Unterkunft zu Verfügung gestellt wird, vorliegt, aus der hervorzugehen hat

a) die Größe und Ausstattung der Unterkunft, die Zahl der Mitbenützer sowie

b) das Benützungsentgelt, und der Arbeitgeber bestätigt, daß ihm keine Umstände bekannt sind, die gegen die Richtigkeit der in der Erklärung gemachten Angaben sprechen;

6. die Erklärung über die Verständigung des Betriebsrates oder der Personalvertretung von der beabsichtigten Einstellung des Ausländers vorliegt;

7. der Ausländer zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 466/1992, berechtigt ist, ausgenommen im Fall des Antrages auf Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung;

8. bei grenzüberschreitend überlassenen Arbeitskräften die Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes vorliegt;

9. die Vereinbarung über die beabsichtigte Beschäftigung (§ 2 Abs. 2) nicht auf Grund einer gemäß dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl. Nr. 31/1969, unerlaubten Arbeitsvermittlung zustande gekommen ist und der Arbeitgeber dies wußte oder hätte wissen müssen;

10. keine wichtigen Gründe in der Person des Ausländers vorliegen, wie wiederholte Verstöße infolge Ausübung einer Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung während der letzten zwölf Monate;

11. die Beschäftigung, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nicht bereits begonnen hat;

12. der Arbeitgeber während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung nicht trotz Ablehnung eines Antrages oder ohne einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung eingebracht zu haben, wiederholt Ausländer beschäftigt hat;

13. bei Vorliegen einer Maßnahme im Sinne des § 14 der Ausländer im Heimatstaat angeworben wurde;

14. bei erstmaliger Beschäftigung des Ausländers im Bundesgebiet, sofern es sich nicht um einen Grenzgänger mit Wohnsitz im benachbarten Ausland handelt, das Benützungsentgelt für die Unterkunft des Ausländers im Verhältnis zur Art der Unterkunft und damit zum Wert der Leistung in keinem auffallenden Mißverhältnis steht;

15. der Arbeitgeber nicht wiederholt seine Meldeverpflichtung hinsichtlich des Beginns (§ 26 Abs. 5 Z 1) oder der Beendigung (§ 26 Abs. 5 Z 2) der Beschäftigung eines Ausländers verletzt hat;

16. der Arbeitgeber nicht hinsichtlich dieses oder eines vergleichbaren Arbeitsplatzes innerhalb von sechs Monaten vor oder im Zuge der Antragstellung

a) die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, ausgesprochen hat oder

b) die Einstellung eines für den konkreten Arbeitsplatz geeigneten Arbeitnehmers, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, abgelehnt hat,

es sei denn, der Arbeitgeber macht glaubhaft, daß die Kündigung oder die Ablehnung der Einstellung nicht aufgrund des Alters des Arbeitnehmers erfolgt ist.

(4) Der Bundesminister für soziale Verwaltung kann durch Verordnung festlegen, daß von der Beibringung der Erklärung nach Abs. 3 Z 5 abgesehen werden kann, wenn es sich um Ausländer handelt, bei denen auf Grund der besonderen Art ihrer beruflichen Tätigkeit oder sonstiger Umstände angenommen werden kann, daß sie über für Inländer ortsübliche Unterkünfte verfügen.

(5) Soweit Kontingente (§ 12) festgesetzt sind, entfallen die Prüfung der Voraussetzungen nach Abs. 1 und die Anhörung der kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer gemäß § 20 Abs. 2. Soweit Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) festgesetzt sind, entfällt bis zum Erreichen von 80 vH der Landeshöchstzahl unter Anrechnung der geltenden Befreiungsscheine, Arbeitserlaubnisse, Beschäftigungsbewilligungen und Sicherungsbescheinigungen die Prüfung der Voraussetzungen nach Abs. 1.

(6) Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind.

(7) Beschäftigungsbewilligungen dürfen, soweit eine Höchstzahl für das gesamte Bundesgebiet festgesetzt ist, nur unter der zusätzlichen Voraussetzung erteilt werden, daß diese Höchstzahl nicht überschritten wird.

(8) Über Höchstzahlen gemäß § 13 hinaus kann der Bundesminister für Arbeit und Soziales bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände in Einzelfällen Beschäftigungsbewilligungen erteilen. Sonst dürfen über die Höchstzahlen gemäß § 13 hinaus Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn der Bundesminister für Arbeit und Soziales dies durch Verordnung für einzelne Berufsgruppen oder Berufsarten oder für den Fall außergewöhnlicher Verhältnisse auf lokalen Arbeitsmärkten festlegt.

(9) Bei Vorliegen einer Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes entfallen die Prüfung der Voraussetzungen nach Abs. 1 und 6 und die Anhörung der kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, des Regionalbeirates und des Landesdirektoriums.

(10) Abs. 3 Z 4 ist hinsichtlich einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 4 als erfüllt anzusehen, wenn die Beschäftigung keine Gefährdung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der inländischen Arbeitnehmer mit sich bringt. Eine Gefährdung ist anzunehmen, wenn die Einkünfte des Gesellschafters, beginnend mit der Aufnahme seiner Tätigkeit, unter dem ortsüblichen Entgelt inländischer Arbeitnehmer liegen, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben."

Bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides lautete

§ 4 AuslBG BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2012:

"Beschäftigungsbewilligung

Voraussetzungen

§ 4. (1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine

Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und

1. der Ausländer über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG oder dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, verfügt, das die Ausübung einer Beschäftigung nicht ausschließt, oder seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen ist und über einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht gemäß den §§ 12 oder 13 AsylG 2005 verfügt oder gemäß § 46a FPG geduldet ist und zuletzt gemäß § 1 Abs. 2 lit. a vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen war,

2. die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält,

3. keine wichtigen Gründe in der Person des Ausländers vorliegen, wie wiederholte Verstöße infolge Ausübung einer Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung während der letzten zwölf Monate,

4. die Beschäftigung, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nicht bereits begonnen hat,

5. der Arbeitgeber während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung nicht wiederholt Ausländer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes beschäftigt hat,

6. die Vereinbarung über die beabsichtigte Beschäftigung (§ 2 Abs. 2) nicht aufgrund einer gemäß dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl. Nr. 31/1969, unerlaubten Arbeitsvermittlung zustande gekommen ist und der Arbeitgeber dies wusste oder hätte wissen müssen,

7. der Arbeitgeber den Ausländer auf einem Arbeitsplatz seines Betriebes beschäftigen wird, wobei eine Zurverfügungstellung des Ausländers an Dritte unbeschadet des § 6 Abs. 2 nicht als Beschäftigung im eigenen Betrieb gilt,

8. die Erklärung über die Verständigung des Betriebsrates oder der Personalvertretung von der beabsichtigten Einstellung des Ausländers vorliegt und

9. der Arbeitgeber nicht hinsichtlich des antragsgegenständlichen oder eines vergleichbaren Arbeitsplatzes innerhalb von sechs Monaten vor oder im Zuge der Antragstellung

a) einen Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, gekündigt hat oder

b) die Einstellung eines für den konkreten Arbeitsplatz geeigneten Arbeitnehmers, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, abgelehnt hat,

es sei denn, er macht glaubhaft, dass die Kündigung oder die Ablehnung der Einstellung nicht aufgrund des Alters des Arbeitnehmers erfolgt ist.

(2) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen ausländischen Lehrling zu erteilen, wenn die Lage auf dem Lehrstellenmarkt dies zulässt (Arbeitsmarktprüfung), keine wichtigen Gründe hinsichtlich der Lage und Entwicklung des übrigen Arbeitsmarktes entgegenstehen und die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 bis 9 vorliegen.

(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf dem Arbeitgeber bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen gemäß Abs. 1 und 2 nur erteilt werden, wenn

  1. 1. der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet oder
  2. 2. die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf seine fortgeschrittene Integration geboten erscheint oder

    3. der Ausländer einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" eines anderen Mitgliedstaates besitzt oder bereits rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist und die Voraussetzungen für eine Beschäftigung als Fachkraft gemäß § 12a oder als Schlüsselkraft gemäß § 12b erfüllt oder

    4. der Ausländer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind (einschließlich Stief- und Adoptivkind) eines Ausländers gemäß Z 3 ist oder

    5. der Ausländer gemäß § 5 befristet beschäftigt werden soll oder

    6. der Ausländer Schüler oder Studierender ist (§§ 63 und 64 NAG) oder

  1. 7. der Ausländer Betriebsentsandter ist (§ 18) oder
  2. 8. der Ausländer Rotationsarbeitskraft ist (§ 2 Abs. 10) oder
  3. 9. der Ausländer gemäß § 69a NAG besonderen Schutz genießt oder
  4. 10. für den Ausländer bereits eine Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes oder gemäß § 40a Abs. 2 des Landarbeitsgesetzes 1984 vorliegt oder

    11. die Beschäftigung aufgrund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung ausgeübt werden soll oder

    12. der Ausländer einer Personengruppe angehört, für die auch nach Überziehung der Bundeshöchstzahl eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden darf (Abs. 4 und § 14 Abs. 3).

(4) Nach Überziehung der Bundeshöchstzahl dürfen weitere Beschäftigungsbewilligungen nur mehr für Ausländer erteilt werden, die Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609, haben oder aufgrund eines Bundesgesetzes, allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder sonstiger zwischenstaatlicher Vereinbarungen oder aufgrund einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 zu einer Beschäftigung zuzulassen sind.

(5) Bei Vorliegen einer Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes oder gemäß § 40a Abs. 2 des Landarbeitsgesetzes 1984 entfallen die Arbeitsmarktprüfung nach Abs. 1 und die Anhörung der kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, des Regionalbeirates und des Landesdirektoriums (§ 20 Abs. 2 und 3).

(6) Bei der Beschäftigung eines Gesellschafters gemäß § 2 Abs. 4 gilt Abs. 1 Z 2 nur dann als erfüllt, wenn die Beschäftigung die Lohn- und Arbeitsbedingungen inländischer Arbeitnehmer nicht gefährdet. Eine Gefährdung ist anzunehmen, wenn die Einkünfte des Gesellschafters, beginnend mit der Aufnahme seiner Tätigkeit, unter dem ortsüblichen Entgelt inländischer Arbeitnehmer liegen, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben.

(7) Die Arbeitsmarktprüfung gemäß Abs. 1 und 2 entfällt bei

1. Familienangehörigen gemäß Abs. 3 Z 4, sofern sie bereits zwölf Monate rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen sind,

2. Schülern und Studierenden (§§ 63 und 64 NAG) für eine Beschäftigung, die zehn Wochenstunden und nach Abschluss des ersten Studienabschnitts eines Diplomstudiums bzw. nach Abschluss eines Bachelor-Studiums 20 Wochenstunden nicht überschreitet,

  1. 3. Studienabsolventen (§ 12b Z 2),
  2. 4. Fachkräften hinsichtlich einer Beschäftigung in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf,
  3. 5. Ausländern, die besonderen Schutz genießen (Abs. 3 Z 9) und
  4. 6. registrierten befristet beschäftigten Ausländern (§ 5 Abs. 1)."

    Die hier wesentliche Novellierung des § 4 AuslBG erfolgte bereits mit der Novelle BGBl. I Nr. 25/2011. Die Materialien (RV 1077 BlgNR 24. GP, S 9) führen in diesem Zusammenhang aus:

    "Zu Art. 1 Z 9 und 18 (§§ 4 und 14 AuslBG):

    Seit 1990 werden aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 13 Landeshöchstzahlen festgesetzt, die stets ab ihrer Kundmachung überschritten waren und das - mit Ausnahme weniger, sehr kurzer Zeiträume - in der Regel auch während des gesamten Jahres blieben. Damit wurde sichergestellt, dass nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen ein generell erschwertes Zulassungsverfahren zur Anwendung kam, in dem nur für bestimmte Ausländergruppen, an deren Beschäftigung arbeitsmarkt- oder integrationspolitische Interessen bestehen, Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen. Über diesen Steuerungsmechanismus wurde insbesondere vor der Einführung der quotenpflichtigen Zuwanderung im Rahmen der neueren Fremdengesetze eine strenge Neuzulassungspolitik abgesichert, die vor allem die dauerhafte Neuzuwanderung unqualifizierter Arbeitskräfte außerhalb des Familiennachzugs ausschloss. Diese Steuerungsfunktion soll nunmehr primär das im Abschnitt IIa (§§ 12 ff.) vorgesehene neue kriteriengeleitete Zuwanderungsmodell übernehmen. Ergänzend dazu sollen in einem von Landeshöchstzahlen unabhängigen Verfahren Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden können, wobei jedoch die allgemeinen Bewilligungsvoraussetzungen einschließlich der Arbeitsmarktprüfung gleich bleiben und auch die Bewilligungsmöglichkeiten - wie schon im bisherigen 'erschwerten Zulassungsverfahren' - auf bestimmte Sachverhalte oder Personengruppen, deren Beschäftigung arbeitsmarkt- oder integrationspolitisch notwendig ist, eingeschränkt werden. Dadurch wird die Festsetzung jährlicher Landeshöchstzahlen entbehrlich und die diesbezügliche Verordnungsermächtigung des Bundesministers für Arbeit, Soziales Konsumentenschutz kann entfallen.

    Die Bundeshöchstzahl und die Verordnungsermächtigung zur Festlegung weiterer Personengruppen, für die nach Überschreitung der Bundeshöchstzahl Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen (Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung - BHZÜV), bleiben hingegen bestehen (§ 14 Abs. 3). Mit der Bundeshöchstzahl soll - wie bisher - nur der Anteil der bewilligungspflichtig beschäftigten Ausländer (und nicht der Anteil aller beschäftigten Ausländer) am gesamten Arbeitskräftepotenzial begrenzt werden. Da Bürger der EU-8-Mitgliedstaaten ab der Arbeitsmarktöffnung im Mai 2011 nicht mehr bewilligungspflichtig sind und daher nicht mehr auf die Bundeshöchstzahl angerechnet werden, ist eine Herabsetzung von 8 auf 7 % geboten.

    § 4 Abs. 3 Z 2 bis 12 zählt jene Sachverhalte und Personengruppen taxativ auf, wo bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen - auch ohne einhellige Zustimmung des Regionalbeirates (Abs. 3 Z 1) - Beschäftigungsbewilligungen zu erteilen sind. In diesen Katalog werden zwei neue Gruppen - nämlich ausländische Schüler und Studenten (Z 6) und Ausländer mit besonderem Schutz (Z 9) - aufgenommen."

    Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seinem Urteil vom 15. November 2011, C-256/11 , Rs Dereci ua., zur Auslegung des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 (ARB 1/80) über die Entwicklung der Assoziation, die durch das von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits am 12. September 1963 in Ankara unterzeichnete und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685) im Namen der Gemeinschaft geschlossene, gebilligte und bestätigte Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (im Folgenden: Assoziierungsabkommen) sowie des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 (ABl. L 293, S. 1) im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls (im Folgenden: Zusatzprotokoll) festgehalten (siehe Randnr. 4 ff), dass das Assoziierungsabkommen nach seinem Art. 2 Abs. 1 zum Ziel hat, eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien unter voller Berücksichtigung der Notwendigkeit zu fördern, dass hierbei der beschleunigte Aufbau der türkischen Wirtschaft sowie die Hebung des Beschäftigungsstandes und der Lebensbedingungen des türkischen Volkes gewährleistet werden. Nach Art. 12 des Assoziierungsabkommens vereinbarten die Vertragsparteien, sich von den Artikeln (39 EG), (40 EG) und (41 EG) leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen. In Art. 13 des Abkommens wurde vereinbart, sich von den Artikeln (43 EG) bis (46 EG) und (48 EG) leiten zu lassen, um untereinander die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aufzuheben.

    Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.

    Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls, das nach seinem Art. 62 Bestandteil des Assoziierungsabkommens ist, sieht vor, dass die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen werden.

    Der EuGH führte in dem genannten Urteil vom 15. November 2011 in den Randnrn. 88 ff weiter aus:

    "88 Nach ständiger Rechtsprechung ist die in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthaltene Stillhalteklausel zwar nicht aus sich heraus geeignet, türkischen Staatsangehörigen allein auf der Grundlage des Unionsrechts ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen, und kann ihnen auch weder ein Recht auf freien Dienstleistungsverkehr noch ein Recht zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verschaffen; eine solche Klausel verbietet jedoch allgemein die Einführung neuer Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung dieser wirtschaftlichen Freiheiten durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn galten, als das Zusatzprotokoll in Bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat in Kraft trat (vgl. Urteil vom 19. Februar 2009, Soysal und Savatli, C-228/06 , Slg. 2009, I-1031, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    89 Eine Stillhalteklausel, wie sie Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthält, hat nämlich nicht die Wirkung einer materiell-rechtlichen Vorschrift, die das maßgebliche materielle Recht unanwendbar macht und an dessen Stelle tritt, sondern stellt eine gleichsam verfahrensrechtliche Vorschrift dar, die in zeitlicher Hinsicht festlegt, nach welchen Bestimmungen der Regelung eines Mitgliedstaats die Situation eines türkischen Staatsangehörigen zu beurteilen ist, der in einem Mitgliedstaat von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen will (vgl. Urteil Tum und Dari, Randnr. 55, und Urteil vom 21. Juli 2011, Oguz, C- 186/10 , noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 28).

    90 In diesem Zusammenhang ist Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls darauf gerichtet - damit die Voraussetzungen einer schrittweisen Herstellung der Niederlassungsfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten und der Republik Türkei nicht erschwert werden -, günstige Bedingungen für ihre schrittweise Verwirklichung zu schaffen, indem er den innerstaatlichen Stellen das absolute Verbot auferlegt, durch eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen neue Hindernisse für die Ausübung dieser Freiheit einzuführen. Diese Bestimmung erweist sich somit als notwendige Ergänzung zu Art. 13 des Assoziierungsabkommens, in dessen Rahmen sie die für die schrittweise Beseitigung der innerstaatlichen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit unerlässliche Vorbedingung bildet (vgl. Urteil Tum und Dari, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    91 Auch wenn während eines ersten Abschnitts der schrittweisen Herstellung dieser Freiheit bereits bestehende innerstaatliche Einschränkungen auf dem Gebiet der Niederlassungsfreiheit beibehalten werden können, ist infolgedessen darauf zu achten, dass kein neues Hindernis eingeführt wird, damit die schrittweise Einführung dieser Freiheit nicht zusätzlich behindert wird (vgl. Urteil Tum und Dari, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    92 In Bezug auf eine nationale Bestimmung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an türkische Arbeitnehmer hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass daher gewährleistet sein muss, dass sich die Mitgliedstaaten nicht von dem verfolgten Ziel entfernen, indem sie von Bestimmungen abgehen, die sie nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 in ihrem Gebiet zugunsten der Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer erlassen haben (Urteil vom 9. Dezember 2010, Toprak und Oguz, C-300/09 und C-301/09 , noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55).

    93 Überdies hat der Gerichtshof die Ansicht vertreten, dass Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 dahin auszulegen ist, dass eine Verschärfung einer Bestimmung, die eine Erleichterung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats für die Bedingungen der Ausübung der Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer geltenden Bestimmung vorsah, eine 'neue Beschränkung' im Sinne dieses Artikels darstellt, auch wenn diese Verschärfung die genannten Bedingungen im Vergleich zu denen, die sich aus der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats geltenden Bestimmung ergeben, nicht verschlechtert (vgl. in diesem Sinne Urteil Toprak und Oguz, Randnr. 62).

    94 Angesichts der übereinstimmenden Auslegung des mit Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls und Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 verfolgten Ziels ist davon auszugehen, dass sich die Tragweite der in diesen Bestimmungen enthaltenen Stillhalteverpflichtung entsprechend auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs oder der Freizügigkeit der Arbeitnehmer erstreckt, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Toprak und Oguz, Randnr. 54), so dass gewährleistet sein muss, dass sich die Mitgliedstaaten nicht von dem mit den Stillhalteklauseln verfolgten Ziel entfernen, indem sie Bestimmungen ändern, die sie nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 oder des Zusatzprotokolls in ihrem Gebiet zugunsten der genannten Freiheiten türkischer Staatsangehöriger erlassen haben."

    Im Zusammenhang mit türkischen Arbeitnehmern hat der Verwaltungsgerichtshof (vgl. aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2007/18/0430) bereits unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH judiziert, dass die Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens danach nicht nur auf die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierten türkischen Staatsangehörigen anzuwenden ist (vgl. grundlegend das Urteil vom 21. Oktober 2003, C-317/01  - Abatay u.a. und C-369/01  - N. Sahin (in der Folge kurz "Urteil Abatay"), Randnr. 73 ff (insb. Randnr. 83), sowie etwa das Urteil vom 9. Dezember 2010, C- 300/09  - Toprak, und C-301/09  - Oguz, Randnr. 45); allerdings muss die Absicht vorhanden sein, sich in den Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaates zu integrieren (vgl. abermals das Urteil Abatay, Randnr. 89 ff; s. auch das Urteil vom 29. April 2010, C-92/07  - Europäische Kommission gegen Niederlande, Randnr. 49, wonach Art. 13 ARB 1/80 der Einführung neuer Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit einschließlich solchen entgegensteht, die die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme jener türkischen Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats betreffen, die dort von dieser Freiheit Gebrauch machen wollen). Ferner kann sich auf die Stillhalteklausel nur berufen, wer die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und gegebenenfalls der Beschäftigung beachtet hat. Die Klausel entfaltet jedoch unmittelbare Wirkung und schließt bezüglich der in ihren Geltungsbereich fallenden türkischen Staatsangehörigen die Anwendbarkeit aller neu eingeführten Beschränkungen aus (vgl. zum Ganzen das zu § 20 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ergangene Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2008/21/0304, mwN).

    In dem ebenfalls betreffend die Versagung einer Beschäftigungsbewilligung ergangenen Erkenntnis vom 26. Juni 2012, Zl. 2010/09/0234, war die Frage, ob die Stillhalteklausel nach Art. 13 ARB 1/80 der Anwendung der erst nach dem 1. Jänner 1995 in Kraft getretenen, in § 4 Abs. 2 Z 7 AuslBG und § 64 Abs. 2 NAG vorgesehenen Beschränkungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt von Studenten türkischer Staatsangehörigkeit entgegenstand, im Hinblick auf das Ergebnis nicht mehr näher zu prüfen.

    Für den hier zu beurteilenden Fall der Voraussetzungen zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ist festzuhalten, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt am 1. Jänner 1995 zunächst im Rahmen von festgesetzten Landeshöchstzahlen neben einer Arbeitsmarktprüfung (§ 4 Abs. 1 AuslBG idF BGBl. Nr. 314/1994) lediglich allgemeine Bewilligungsvoraussetzungen (Abs. 3 leg. cit.) für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu erfüllen waren. Bis zum Erreichen von 80 vH festgesetzter Landeshöchstzahlen hatte überdies die Arbeitsmarktprüfung nach Abs. 1 zu entfallen (Abs. 5 leg. cit.). Erst bei Überschreiten bestehender Kontingente und der festgesetzten Landeshöchstzahlen kam ein insofern erschwertes Zulassungsverfahren (Abs. 6 leg. cit.) zur Anwendung, als Beschäftigungsbewilligungen - bei Vorliegen der zuvor genannten Kriterien - nur an bestimmte Ausländergruppen oder aber bei einhelliger Zustimmung des Regionalbeirates zu erteilen waren.

    Nach der oben dargestellten Novellierung des § 4 AuslBG wurde am Erfordernis der Erfüllung der allgemeinen Bewilligungsvoraussetzungen und der Durchführung einer Arbeitsmarktprüfung festgehalten, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zusätzlich aber in jedem Fall entweder von der Zustimmung des Regionalbeirates oder vom Vorliegen besonderer Sachverhalte oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe abhängig gemacht.

    Bereits aus dieser Gegenüberstellung ist leicht zu erkennen, dass die Voraussetzungen zur Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung angehoben wurden. Diese Absicht ergibt sich im Übrigen bereits aus der oben wiedergegebenen Regierungsvorlage, wurde doch gerade deshalb auf die weitere Festsetzung von Landeshöchstzahlen verzichtet, weil nun "- wie schon bisher im 'erschwerten Zulassungsverfahren' -" (in jedem Fall) auf bestimmte Personengruppen und Sachverhalte abgestellt wurde.

    Mit anderen Worten wurde durch die Novelle daher bewirkt, dass nun vor Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in jedem Fall eine Prüfung nach dem (vormals) "erschwerten Zulassungsverfahren" vorzunehmen ist, während dies zuvor nur bei Überschreitung bestehender Kontingente und der Landeshöchstzahlen vorgesehen war. Nochmals anders gewendet bedeutet dies nichts anderes, als dass vor der Novellierung des § 4 AuslBG ein Arbeitnehmer - vor Überschreiten der Landeshöchstzahl - die Möglichkeit der Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung auch ohne Vorliegen eines besonderen Sachverhalts, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ausländergruppe oder der einhelligen Zustimmung des Regionalbeirats hatte, während dies seither nicht mehr möglich ist, weil in jedem Fall das "erschwerte Zulassungsverfahren" zu durchlaufen ist.

    Es sind somit, wie sich dem Ausgeführten zwanglos entnehmen lässt, die Voraussetzungen, unter welchen eine Beschäftigungsbewilligung auszustellen ist, durch die mit BGBl. I Nr. 25/2011 nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 erfolgte Novellierung des § 4 AuslBG erschwert worden. Dies widerspricht in Bezug auf türkische Arbeitnehmer - wie den Zweitrevisionswerber - jedoch Art. 13 ARB 1/80. Wie bereits ausgeführt, entfalten die Klauseln des Art. 13 ARB 1/80 und des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen unmittelbare Wirkung und schließen bezüglich der in ihren Geltungsbereich fallenden türkischen Staatsangehörigen die Anwendbarkeit aller neu eingeführten Beschränkungen aus (vgl. auch das Erkenntnis vom 23. Mai 2012, Zl. 2008/22/0507, mwN). Die belangte Behörde hätte die Ablehnung des Antrags auf Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung daher im vorliegenden Fall nicht auf das Fehlen einer einhelligen Zustimmung des Regionalbeirates - aber auch nicht auf das Fehlen einer anderen in § 4 Abs. 3 AuslBG aufgezählten besonderen Voraussetzung - stützen dürfen. Vielmehr hätte sie es im vorliegenden Fall ohne die seit 1995 eingetretenen Erschwerungen - weil die nicht mehr festgesetzte Landeshöchstzahl nicht überschritten werden kann - bei der allgemeinen Prüfung der Arbeitsmarktlage und der allgemeinen Voraussetzungen des Abs. 1 zu belassen gehabt.

    Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG.

    Wien, am 19. Mai 2014

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte