Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Der Erstmitbeteiligte ist - ebenso wie der Zweitmitbeteiligte - Eigentümer mehrerer Wohnungen des Hauses K.-Gasse 29 in Wien. Auch die Revisionswerberin ist Eigentümerin einer Wohnung in diesem Haus, deren Eigentum an sie von ihrer Mutter auf Grund eines Schenkungsvertrages vom 10. August 2006 im Jahr 2006 grundbücherlich übertragen wurde (vgl. den in den Verwaltungsakten erliegenden diesbezüglichen Grundbuchsauszug).
Am 22. Jänner 2007 unterfertigte die Revisionswerberin eine drucksortenförmige Vollmachtsurkunde, der zufolge sie als Miteigentümerin der Liegenschaft die Verwaltung ihrer Miteigentumsanteile an die Immobilienverwalterin S.KG (im Folgenden: S.) übertrug und S. zu einer Reihe von Vertretungshandlungen bevollmächtigte, die in dieser Urkunde folgendermaßen umschrieben sind (die Durchstreichungen entsprechen jenen der in den Verwaltungsakten erliegenden Vollmachtsurkunde):
"(...) und denselben bevollmächtige(n), mich (uns) in allen auf die Verwaltung dieser Liegenschaft bezüglichen Geschäften und Rechtshandlungen auch vor Gericht und Behörden zu vertreten, insbesondere Wohn- und Geschäftsräume usw. unter Festsetzung des Mietzinses samt Nebengebühren zu vermieten und für die notwendigen Reparaturen Aufträge zu erteilen; Zahlungen zu leisten, Geld oder Geldeswert, Mietzinse samt Nebengebühren sowie mit der verwalteten Liegenschaft in Zusammenhang stehende Steuerguthaben jedweder Art in Empfang zu nehmen und darüber rechtswirksam zu quittieren;
gerichtliche Schriftstücke, Baubescheide und andere Zustellungen zu übernehmen und deren Empfang rechtswirksam zu bestätigen;
Kündigungen des Hausbesorgers sowie Aufkündigungen von Mietern auszusprechen, entgegenzunehmen und zurückzuziehen sowie Delogierungen und grundbücherliche Eintragungen zu erwirken; alle Maßnahmen zur behördlichen Festsetzung von Nutz- und Mietwerten, zur gerichtlichen Eintreibung von Mietzinsen samt Nebengebühren, zur Erhöhung der Hauptmietzinse, zu Räumungen, zu gerichtlichen Aufkündigungen sowie zur Vertretung in allen jenen Fällen, in welchen ich (wir) Antragsteller bin (sind), durchzuführen und Vergleiche darüber zu schließen; alle Vertragsverhandlungen zur Wahrung der Interessen vor Steuerbehörden zu unternehmen; mich (uns) in sämtlichen baubehördlichen Verfahren zu vertreten, insbesondere in meiner (unserer) Eigenschaft als Anrainer im Bewilligungsverfahren, Instandsetzungsverfahren und im Verfahren betreffend Konsenswidrigkeiten; schließlich alle sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft notwendig und zweckmäßig sind. Ich (wir) räume(n) dem Vollmachtsträger das Recht ein, im Rahmen seines Vollmachtsverhältnisses einen Stellvertreter zu bestellen. Im baubehördlichen Verfahren gilt diese Vollmacht, sofern der bevollmächtigte Verwalter keine physische Person ist, für denjenigen, der zur Vertretung der Verwaltungsgesellschaft nach außen gesetzlich befugt ist.
Zugleich verspreche(n) ich (wir), alle gemäß dieser Vollmacht unternommenen Schritte und Maßnahmen zu genehmigen, gleichviel, ob diese durch den Vollmachtsträger selbst oder durch von ihm bestellte Stellvertreter gesetzt werden, und hiefür den Vollmachtsträger bzw. die von ihm bestellten Stellvertreter schadlos zu halten.
(...)"
Mit dem von S. namens der Miteigentümer der genannten Liegenschaft unterfertigten Ansuchen vom 24. Jänner 2007 wurde beim Magistrat der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) die Erteilung einer Baubewilligung für einen Dachgeschosszubau für mehrere neue Wohnungen und Terrassen sowie für diverse weitere bauliche Herstellungen und Änderungen in diesem Haus beantragt.
Mit Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den
18. Bezirk vom 31. Jänner 2008 wurden gemäß § 69 Abs. 1 lit. f und m der Bauordnung für Wien (BO) für dieses Bauvorhaben näher genannte Abweichungen von den Bebauungsvorschriften für zulässig erklärt. Dieser Bescheid wurde der Immobilienverwalterin
S. als Vertreterin der Bauwerber und Grundmiteigentümer zugestellt.
Mit Bescheid des Magistrates vom 22. Februar 2008 wurde unter Spruchpunkt I. gemäß § 70 BO iVm §§ 68, 69 Abs. 8 leg. cit. und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes die Bewilligung erteilt, die bestehende Dachkonstruktion des Straßen- und des Gartentraktes zu entfernen, zweigeschossige Dachgeschosszubauten für insgesamt fünf neue Wohnungen mit zugehörigen Terrassen sowie zwei Stiegenaufgänge auf die darüber liegende Dachterrasse zu errichten, ein Satteldach des näher bezeichneten, bestehenden Stiegenhauses zu entfernen und eine Terrasse herzustellen sowie ein bestehendes Flachdach als Terrasse auszuführen; ferner Teile des zweiten und dritten Stockes abzubrechen, die verbleibenden Flächen als Dachterrassen auszubilden, einen Aufzugschacht mit Erschließungsgängen in allen Geschossen, im Erdgeschoss ein Nebengebäude (Müllraum) und an einer weiteren Seite einen Aufzugschacht zu errichten; darüber hinaus im Erdgeschoss und ersten Stock Balkone und Stiegenaufgänge und im zweiten und dritten Stock und in den Dachgeschossen Terrassen bzw. Balkone herzustellen sowie in allen Geschossen Änderungen der Raumeinteilung und Raumwidmung sowie Wohnungszusammenlegungen durchzuführen, sodass insgesamt anstelle von bisher 36 Wohnungen nunmehr 26 Wohnungen entstünden. Unter diesem Spruchpunkt wurde auch gemäß § 71 BO die Bewilligung gegen jederzeitigen Widerruf erteilt, an der Südfront des Gartentraktes eine Wendeltreppe herzustellen.
Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurden gemäß § 1 Abs. 1 des (Wiener) Gebrauchsabgabegesetzes 1966 die Gebrauchserlaubnis für die Benützung des öffentlichen Grundes einschließlich des darüber befindlichen Luftraumes und gemäß § 82 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 die Bewilligung zur Benützung der Straße einschließlich des darüber befindlichen Luftraumes jeweils für die näher beschriebenen vorspringenden Elemente erteilt. Unter Spruchpunkt III. des Bescheides wurde hiefür eine einmalige Gebrauchsabgabe festgesetzt.
Dieser Bescheid wurde an die Immobilienverwalterin S. als Vertreterin der Bauwerber und Grundmiteigentümer am 3. März 2008 zugestellt.
Mit Schreiben vom 15. April 2013 stellte die Revisionswerberin durch ihren Rechtsvertreter an den Magistrat den Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides vom 22. Februar 2008 mit der Begründung, dass ihr die Baubewilligung bisher nicht zugestellt worden sei und eine bloße Hausverwaltungsvollmacht die Hausverwaltung nicht zur Vertretung im Bauverfahren, soweit es um Um- und Zubauten gehe, berechtige.
Der Erstmitbeteiligte nahm zu diesem Antrag mit Schriftsatz vom 16. April 2013 dahin Stellung, dass die Revisionswerberin die Immobilienverwalterin S. mit der (dem Schriftsatz beiliegenden) Vollmacht vom 22. Jänner 2007 auch zur Übernahme von Baubescheiden bevollmächtigt und die zum damaligen Zeitpunkt bevollmächtigte Immobilienverwalterin den gegenständlichen Baubescheid an die Revisionswerberin weitergeleitet habe. Vom relevierten Zustellmangel könne daher nicht ausgegangen werden.
Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2013 ergänzte der Erstmitbeteiligte seine Stellungnahme und legte eine Reihe von Unterlagen, darunter die mit 28. Juni 2007 datierte Vollmachtsurkunde, der zufolge die Revisionswerberin dem Rechtsanwalt Dr. W. Verwaltungs- und Prozessvollmacht hinsichtlich ihrer Liegenschaftsanteile erteilt und ihn überdies ermächtigt habe, sie (u.a.) in allen Angelegenheiten vor Verwaltungsbehörden zu vertreten und Zustellungen aller Art anzunehmen, dies eingeschränkt auf Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verwaltung dieser Liegenschaft, jeweils in Kopie vor. Dazu brachte der Erstmitbeteiligte in diesem Schriftsatz (u.a.) vor, dass Dr. W. von der Revisionswerberin mit einer Prozessvollmacht ausgestattet worden sei, das Original des Baubewilligungsbescheides vom alten Verwalter S. dem neuen Verwalter Dr. W. übergeben worden sei und die Revisionswerberin mit der genannten Vollmacht Dr. W. auch zur Entgegennahme von Zustellungen von Baubewilligungen ermächtigt habe.
Zu diesen beiden Schriftsätzen des Erstmitbeteiligten nahm die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 11. Juni 2013 Stellung, worin sie u.a. vorbrachte, es sei zwischen der Einreichung (Stellung des gegenständlichen Bauansuchens) im Februar 2007 und der Erlassung des Baubewilligungsbescheides vom 22. Februar 2008 zu einem Hausverwalterwechsel gekommen. Mit Schreiben vom 3. Juli 2007 seien die Miteigentümer von Dr. W. von einem angeblichen Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 28. Juni 2007 informiert worden, wonach Dr. W. mit Wirkung vom 1. Juli 2007 zum neuen Verwalter bestellt worden sei. Das gleichzeitig übermittelte diesbezügliche (offenbar mit 28. Juni 2007 datierte) Vollmachtsformular habe die Revisionswerberin am 5. August 2007 übermittelt. Als nächstes sei ein Schreiben des Dr. W. vom 14. Dezember 2007 eingelangt, in dem dieser darüber berichtet habe, dass sich die Vorverwaltung weigere, die Verwaltungsunterlagen herauszugeben, und dass er daher "in Abstimmung mit der Mehrheit der Eigentümer" empfohlen habe, die Verwaltung zum Jahreswechsel auslaufen zu lassen, sodass nun die Verwaltung endgültig zum 1. Jänner 2008 von ihm übernommen würde. Mit Schreiben vom 25. Jänner 2008 sei (von Dr. W. der Revisionswerberin) mitgeteilt worden, dass er die Verwaltung ab 1. Jänner 2008 nunmehr auch im Einvernehmen mit der Vorverwaltung (S.) übernommen habe. Aus dem Schreiben des Dr. W. ergebe sich eindeutig, dass dieser auch von der Revisionswerberin ausschließlich als Verwalter der Liegenschaft bevollmächtigt worden sei. Bemerkenswert sei jedenfalls, dass die Zustellung (des Baubewilligungsbescheides) an die Immobilienverwaltung S. zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als diese jedenfalls über keine wirksame Vollmacht mehr verfügt habe. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass eine wirksame Zustellung des gegenständlichen Baubewilligungsbescheides an die Revisionswerberin nicht erfolgt sei.
In einem Schreiben vom 5. August 2013 hielt der Magistrat fest, die Baubehörde sei in den Jahren 2007 und 2008 irrtümlich davon ausgegangen, dass die Revisionswerberin als Vollmachtgeberin und Grundmiteigentümerin mit der vorgelegten Vollmacht vom 22. Jänner 2007 die Immobilienverwalterin S. vollumfänglich zur Vertretung im Baubewilligungsverfahren gemäß § 70 BO bevollmächtigt habe. Tatsächlich habe die Vollmacht vom 22. Jänner 2007 nur die Vertretung in allen auf die Verwaltung dieser Liegenschaft bezüglichen Geschäften und Rechtshandlungen und somit nicht das gegenständliche Baugenehmigungsverfahren zur Bewilligung der (näher genannten) Bauführungen umfasst, weil diese Bauführungen keine Maßnahmen der Verwaltung darstellten. Der Baubewilligungsbescheid vom 22. Februar 2008 sei demnach der Revisionswerberin nicht rechtswirksam zugestellt worden. Deren Zustellantrag sei daher zu entsprechen und ihr dieser Bescheid einschließlich des Bauausschussbescheides zuzustellen.
In der Folge wurden die genannten Bescheide über Veranlassung des Magistrates an den Rechtsvertreter der Revisionswerberin am 12. August 2013 zugestellt.
Mit der am 26. August 2013 zur Post gegebenen Berufung erklärte die Revisionswerberin, den Baubewilligungsbescheid vom 22. Februar 2008 hinsichtlich der Abschnitte I. und II. anzufechten, weil kein liquider Nachweis ihrer Zustimmung zur Bauführung vorgelegen und die Hausverwaltung in diesem Zusammenhang von ihr niemals bevollmächtigt worden sei.
Nach Erstattung der weiteren Stellungnahme des Erstmitbeteiligten vom 9. Oktober 2013 wurde der Revisionswerberin von der Berufungsbehörde mit Schreiben vom 16. Oktober 2013 zur Auffassung, dass die Vollmacht vom 22. Jänner 2007 die Zustellung des Baubewilligungsbescheides an die Immobilienverwalterin S. am 3. März 2008 umfasst habe, Parteiengehör eingeräumt.
Im Schriftsatz vom 4. November 2013 hielt die Revisionswerberin an ihrem bisherigen Standpunkt fest und verwies insbesondere auf ihre Eingabe vom 11. Juni 2013.
Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien (im Folgenden: Bauoberbehörde) vom 11. Dezember 2013 wurde die Berufung der Revisionswerberin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Dazu führte die Bauoberbehörde (u.a.) aus, entgegen der Berufung sei auf Grund des Wortlautes der Vollmachtsurkunde (vom 22. Jänner 2007) davon auszugehen, dass die Immobilienverwalterin S. zum Einschreiten für die Revisionswerberin als Bauwerberin und Miteigentümerin der Liegenschaft im Baubewilligungsverfahren ermächtigt gewesen sei, sodass die Empfangnahme des Baubewilligungsbescheides von dieser Vollmacht gedeckt und bereits die erste Zustellung im Jahr 2008 rechtswirksam gewesen sei. Dies ergebe sich aus dem weiten Wortlaut der Vollmacht, wonach die Revisionswerberin die Immobilienverwalterin nicht nur zur Verwaltung der Liegenschaft ("... mich (uns) in allen auf die Verwaltung dieser Liegenschaft bezüglichen Geschäften und Rechtshandlungen auch vor Gericht und Behörden zu vertreten ..."), sondern im Folgenden auch dazu ermächtigt habe, "... gerichtliche Schriftstücke, Baubescheide und andere Zustellungen zu übernehmen und deren Empfang rechtswirksam zu bestätigen ..." sowie ferner "... mich (uns) in sämtlichen baubehördlichen Verfahren zu vertreten, insbesondere in meiner (unserer) Eigenschaft als Anrainer im Baubewilligungsverfahren ...". Diese Vollmachtserklärung gehe über eine typische bloße Verwaltervollmacht hinaus und umfasse nach dem Wortlaut auch die Vertretung in baubehördlichen Angelegenheiten wie der in Rede stehenden Art sowie zur Entgegennahme diesbezüglicher behördlicher Schriftstücke. Die (weitere) Zustellung desselben Baubewilligungsbescheides im Jahr 2013 sei daher unwirksam, weshalb die am 26. August 2013 zur Post gegebene Berufung als verspätet zurückzuweisen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG an die Stelle der Bauoberbehörde getretene Verwaltungsgericht Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Erstmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unbegründet abzuweisen.
Auch der Zweitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er u.a. erklärte, sich den Ausführungen des Erstmitbeteiligten in dessen Revisionsbeantwortung anzuschließen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass für die Behandlung der vorliegenden Revision gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß gelten.
Die Revision bringt vor, dass die Erteilung einer Vollmacht, die dem Zweck diene, die Verwaltung der Liegenschaft zu übertragen, weder als liquider Nachweis der Zustimmung im Sinne des § 63 Abs. 1 lit. c BO noch als Ermächtigung zur Empfangnahme von Zustellungen von Baubewilligungsbescheiden gewertet werden könne. In der hier zu beurteilenden Vollmachtsurkunde gehe der Zweck der Übertragung der Verwaltung der Liegenschaft bereits aus der Einleitung zweifelsfrei hervor, und aus dem Wortlaut der Vollmacht ergebe sich, dass sich diese allein auf die Verwaltung der Liegenschaft bezügliche Geschäfte und Rechtshandlungen beziehe, sodass es sich um eine klassische formularmäßige Hausverwaltungsvollmachtsurkunde handle. Dass es sich bei der Führung des hier zugrunde liegenden baubehördlichen Verfahrens um keine Verwaltungsmaßnahme handle, sei offenkundig. Die Bauoberbehörde sei daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Immobilienverwalterin S. zur Empfangnahme des Baubewilligungsbescheides für die Revisionswerberin ermächtigt gewesen sei. Demgemäß habe die Erstbehörde der Revisionswerberin den Bescheid vom 22. Februar 2008 erstmals am 12. August 2013 rechtswirksam zugestellt, sodass die Berufung rechtzeitig erhoben worden sei.
Dieses Vorbringen führt die Revision im Ergebnis zum Erfolg.
Für die Beurteilung, ob der Baubewilligungsbescheid vom 22. Februar 2008 an die Revisionswerberin durch Übergabe an die Hausverwalterin S. am 3. März 2008 rechtswirksam zugestellt wurde, sind die in diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen des Zustellgesetzes und des § 10 AVG maßgeblich.
Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982, idF BGBl. I Nr. 5/2008 können die Parteien und Beteiligten, soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
Gemäß § 9 Abs. 3 erster Satz leg. cit. hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen.
Gemäß § 7 leg. cit. gilt die Zustellung, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Für wen nach dem - allein maßgebenden - Willen der Behörde das Schriftstück bestimmt ist, wer also "Empfänger" desselben im Sinn des Zustellgesetzes ist, hängt von der Zustellverfügung ab. Die Zustellung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, entsprechend der Zustellverfügung vermag gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten, dies selbst im Fall des tatsächlichen Zukommens an die Partei. Auch bewirkt weder die bloße Kenntnisnahme von einem Bescheid noch die private Anfertigung einer Fotokopie davon noch etwa die Übermittlung einer Telekopie durch eine von der Behörde verständigte andere Person, dass das Schriftstück tatsächlich zugekommen und eine Heilung des Zustellmangels im Sinn des § 7 Zustellgesetz eingetreten ist (vgl. zum Ganzen etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 5 ZustG E 1 und zu § 7 ZustG E 22, 35 bis 37 zitierte hg. Judikatur).
§ 10 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 lautet auszugsweise:
"Vertreter
§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
..."
Die Bauoberbehörde hat sich bei ihrer Beurteilung im angefochtenen Bescheid auf die von der Revisionswerberin der Hausverwalterin S. erteilte Vollmacht vom 22. Jänner 2007 gestützt und die Auffassung vertreten, dass S. im Zeitpunkt der Übernahme des genannten Baubewilligungsbescheides am 3. März 2008 von der Revisionswerberin zustellungsbevollmächtigt gewesen sei.
Wie oben (I.) dargestellt, hat die Revisionswerberin mit ihrem Schriftsatz vom 11. Juni 2013 (u.a.) vorgebracht, dass laut einem Schreiben vom 3. Juli 2007 Dr. W. mit Wirkung vom 1. Juli 2007 zum neuen Verwalter bestellt worden sei, die Revisionswerberin das diesbezügliche, mit 28. Juni 2007 datierte Vollmachtsformular übermittelt habe, Dr. W. auch von der Revisionswerberin ausschließlich als Verwalter der gegenständlichen Liegenschaft bevollmächtigt worden sei und die Zustellung des Baubewilligungsbescheides an die Immobilienverwaltung S. zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als diese jedenfalls über keine wirksame Vollmacht mehr verfügt habe, weshalb keine wirksame Zustellung des Baubewilligungsbescheides an die Revisionswerberin erfolgt sei.
Mit diesem Vorbringen und der Frage, ob die von der Revisionswerberin der Immobilienverwaltung S. erteilte Vollmacht vom 22. Jänner 2007 im Zeitpunkt der Zustellung des Baubewilligungsbescheides am 3. März 2008 bereits erloschen gewesen und dies der Baubehörde auch rechtzeitig mitgeteilt worden sei (vgl. zur Wirksamkeit einer Vollmachtskündigung etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2012, Zl. 2011/23/0286, mwN), hat sich die Bauoberbehörde im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt.
Wäre der Baubehörde vor der Zustellung des Baubewilligungsbescheides an die Immobilienverwalterin S. am 3. März 2008 die behauptete Vollmachtsauflösung mitgeteilt worden, so wäre diese Zustellung bereits deshalb rechtsunwirksam gewesen.
Da somit die Bauoberbehörde im angefochtenen Bescheid entscheidungswesentliche Feststellungen nicht getroffen hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 24. März 2015
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