European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022170052.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Partei, ein Staatsangehöriger der Republik Serbien und Angehöriger der Volksgruppe der Roma, beantragte am 26. September 2019 die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
Die damalige Lebensgefährtin und die gemeinsame Tochter der revisionswerbenden Partei, auch Staatsangehörige der Republik Serbien, beantragten am 20. Dezember 2019 ebenso die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005.
2 Mit Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 5. Jänner 2021 wurden die Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen, gegen die revisionswerbende Partei, ihre damalige Lebensgefährtin und die gemeinsame Tochter jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Serbien festgestellt und eine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt.
3 Dagegen erhoben alle Genannten Beschwerde.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und eine Revision für nicht zulässig erklärt. Dabei stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die frühere Lebensgefährtin und Tochter der revisionswerbenden Partei während des Beschwerdeverfahrens nach Serbien zurückgekehrt waren. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 27.7.2022, Ra 2022/17/0113, mwN).
10 Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist fallbezogen in konkreter Weise darzulegen. Dies setzt voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 31.8.2022, Ra 2022/17/0116, mwN).
11 Die Frage, ob eine (weitere) Beweisaufnahme im Rahmen der Ermittlungen notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 16.9.2020, Ra 2019/16/0219; ähnlich 23.11.2018, Ra 2017/17/0715, jeweils mwN).
Die Revision führt für ihre Zulässigkeit ins Treffen, das Bundesverwaltungsgericht habe näher bezeichnete Ausführungen des zur Feststellung der örtlichen Gegebenheiten in Serbien herangezogenen Länderinformationsblattes sowie weitere angeführte Berichte zur Lage von Roma in Serbien nicht berücksichtigt und hätte weitere Ermittlungen dazu sowie zur Gefährdung der revisionswerbenden Partei anstellen müssen. Damit zeigt die Revision nicht auf, dass das durch das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte Berichtsmaterial zur Lage von Roma in Serbien und die Unterlassung weiterer Ermittlungen im Sinne der zitierten Rechtsprechung mit einem durch den Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler behaftet wären. Insbesondere betreffen die durch die Revision ins Treffen geführten Ausführungen des Länderinformationsblattes die Lage von vertriebenen Roma, während für die revisionswerbende Partei festgestellt wurde, dass sie nach ihrer Rückkehr in ihrem früheren ‑ teilweise in ihrem Eigentum stehenden ‑ Wohnhaus in Serbien erneut würde Wohnsitz nehmen können und dort keinen erheblichen Gefahren ausgesetzt wäre.
12 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 31.8.2022, Ra 2022/17/0116, mwN).
Die Revision zeigt einen derartigen krassen Fehler der Beweiswürdigung mit ihrer nicht näher begründeten Behauptung, das Bundesverwaltungsgericht hätte bei richtiger Beweiswürdigung ein anderes Verfahrensergebnis erzielen und insbesondere ein schützenswertes Familienleben der revisionswerbenden Partei in Österreich annehmen müssen, nicht auf.
13 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (vgl. VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0035, mwN).
14 Mit dem Verweis darauf, dass sie an der Betreuung ihres in Österreich lebenden pflegebedürftigen Halbbruders mitwirke, zeigt die revisionswerbende Partei nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht die angestellte Interessenabwägung mit einem durch den Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler belastet hätte. Das Bundesverwaltungsgericht stellte insbesondere keine Abhängigkeit des Halbbruders und dessen Betreuung von der revisionswerbenden Partei fest. Es berücksichtigte auch weitere fallbezogene Gesichtspunkte wie die Beziehung der revisionswerbenden Partei zu in Österreich lebenden Verwandten, die Dauer ihres Aufenthalts im Bundesgebiet, ihre Deutschkenntnisse und Bindungen zum Herkunftsstaat.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. September 2022
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