Normen
VwRallg
ZDG 1986 §13 Abs1 Z1
ZDG 1986 §13 Abs1 Z2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022110061.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. November 2020 wurde der Revisionswerber einer näher genannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen.
2 1.2. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2020 stellte der Revisionswerber ‑ entsprechend dem Deckblatt dieses Schreibens ‑ den „Antrag auf Absehen vom ordentlichen Zivildienst“. Auf der letzten Seite des Schreibens beantragte der Revisionswerber, ihn gemäß § 13 Abs. 1 Z 2 Zivildienstgesetz 1986 ‑ ZDG „dauernd vom Zivildienst aufgrund besonders berücksichtigungswürdiger wirtschaftlicher Gründe zu befreien“.
3 1.3. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers „auf ‚Absehen vom ordentlichen Zivildienst‘ ‑ richtigerweise ‚Antrag auf befristete Befreiung‘ gem. § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG“ unter Zitierung dieser Gesetzesstelle ab.
4 1.4. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
5 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zu Grunde, dem Revisionswerber sei im Zeitpunkt der Aufnahme seiner Tätigkeit als Softwareentwickler bei einer näher genannten Firma bekannt gewesen, dass er noch seinen ordentlichen Zivildienst zu leisten habe. Er habe daher in Kenntnis der noch vor ihm liegenden Zivildienstleistung auf die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne einer Harmonisierung mit seiner Verpflichtung zur Zivildienstleistung Bedacht zu nehmen gehabt. Der Revisionswerber habe vorgebracht, er werde mit seiner im Jahr 2015 begonnenen Tätigkeit als Softwareentwickler in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Es gebe aber keinen Hinweis, dass der Revisionswerber im Wissen um seine Zivildienstpflicht irgendwelche Vorkehrungen getroffen habe, um vorhersehbare Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Leistung des Zivildienstes zu vermeiden. Wenn der Revisionswerber vorbringe, er habe sich im Jahr 2010 ohnehin um eine Zuweisung zum Zivildienst bemüht, sei dem zu entgegnen, dass es sich dabei nach seinen eigenen Angaben nicht um eine Trägereinrichtung iSd. ZDG gehandelt habe. Dass der Revisionswerber durch die Leistung des Zivildienstes seine Fähigkeit als Softwareentwickler verlieren und in weiterer Folge gekündigt würde, sei Spekulation. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, er habe um „gänzliche“ Befreiung angesucht, sodass die belangte Behörde seinem Antrag einen anderen Inhalt unterstellt habe, entgegnete das Verwaltungsgericht, § 13 ZDG sehe auch eine befristete Befreiung („arg.: solange“) vor. Auch das Vorbringen, die belangte Behörde habe keine Prüfung iSd. § 13 Abs. 1 Z 1 ZDG durchgeführt, gehe ins Leere, weil es abgesehen von den Behauptungen des Revisionswerbers keinen Hinweis darauf gebe, dass gesamtwirtschaftliche Interessen seine Befreiung vom Zivildienst erforderten.
6 1.5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
7 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 3.1. Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde das Schreiben des Revisionswerbers vom 1. Dezember 2020 zwar als Antrag auf (bloß) befristete Befreiung gemäß § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG gewertet hat. Ungeachtet dessen ergibt sich weder aus dem Bescheid vom 28. Dezember 2020 noch aus dem angefochtenen Erkenntnis, dass die Abweisung des Antrags auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes lediglich bis zu einem bestimmten Endzeitpunkt erfolgt und eine Entscheidung über einen darüber hinausgehenden Zeitraum nicht getroffen worden wäre. Schon aus diesem Grund zeigt die Revision mit ihrem auf die Deutung des Antragsvorbringens Bezug nehmenden Zulässigkeitsvorbringen eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht auf.
11 3.2. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, beim Revisionswerber lägen in Abgrenzung zu näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders berücksichtigungswürdige Interessen iSd. § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG im Wesentlichen deshalb vor, weil es in Österreich in seiner Branche keinen weiteren Arbeitgeber gebe, welcher dem Revisionswerber eine Arbeitsstelle mit dementsprechendem Tätigkeitsumfang und der damit verbundenen Entlohnung anbieten könne, sodass ihm ein dauerhafter, schwerwiegender wirtschaftlicher Schaden entstehe. Dem Revisionswerber werde durch die Ableistung des ordentlichen Zivildienstes die Möglichkeit zur einschlägigen Berufsausübung zumindest in Österreich genommen.
12 Damit wird eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht dargetan:
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Zivildienstpflichtige ‑ ebenso wie Wehrpflichtige ‑ gehalten, ihre wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall der Zuweisung ‑ bzw. Einberufung ‑ zur Ableistung des Dienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es der Betreffende, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der von ihm zu erwartenden Dienstleistungsverpflichtung zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Dienstes regelnden Bestimmungen angesehen werden. Sind wirtschaftliche Schwierigkeiten die Folge der Verletzung dieser so genannten „Harmonisierungspflicht“, können sie als Grundlage für die Befreiung nicht herangezogen werden (vgl. VwGH 24.7.2013, 2010/11/0140, mwN).
14 Die Revision legt mit ihrem zuvor wiedergegebenen, bloß allgemeinen Vorbringen nicht dar, dass das Verwaltungsgericht fallbezogen von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur so genannten „Harmonisierungspflicht“ abgewichen wäre, zumal beim Revisionswerber unbestritten bereits im Jahr 2010 die Zivildienstpflicht festgestellt worden war. Anders als dies die Revision nahe zu legen scheint, gilt die „Harmonisierungspflicht“ nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für unselbständig Erwerbstätige (vgl. etwa VwGH 6.5.2022, Ra 2021/11/0065).
15 3.3. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit auch vor, die belangte Behörde bzw. das Verwaltungsgericht hätten bei der Zuweisung des Revisionswerbers die Vorgaben des § 10 Abs. 3 und 4 ZDG nicht beachtet. Damit wird eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG, von deren Beantwortung die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis abhinge, schon deswegen nicht dargetan, weil mit diesem Erkenntnis keine Zuweisungsentscheidung getroffen wurde, sondern ausschließlich eine Entscheidung über die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes (vgl. zu einem solchen Vorbringen im Übrigen VwGH 17.3.2005, 2004/11/0252; 27.3.2007, 2006/11/0266).
16 3.4. Wenn die Revision ihre Zulässigkeit auch damit begründet, dass die belangte Behörde bzw. das Verwaltungsgericht nicht von Amts wegen eine Befreiung gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 ZDG geprüft hätten, ist ihr zu entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Rechtsanspruch auf die Berücksichtigung öffentlicher Interessen, wie sie in dieser Bestimmung normiert sind, zwecks Befreiung gemäß § 13 ZDG nicht besteht (vgl. VwGH 27.6.1995, 95/11/0190; 22.9.1995, 94/11/0151; 17.7.2009, 2008/11/0145; jeweils mwN).
17 3.5. Schließlich bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, in den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses, welche sich auf einen einzigen Satz beschränkten, seien „wesentliche Sachverhaltselemente“ nicht berücksichtigt worden, weswegen das Verwaltungsgericht gegen seine Begründungspflicht verstoßen habe. Die Revision führt aber nicht konkret aus, welche anderen Feststellungen das Verwaltungsgericht auf Grund welcher Beweisergebnisse hätte treffen sollen, sodass sie die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht darlegt (vgl. VwGH 21.3.2022, Ra 2019/11/0143, mwN).
18 4. In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 9. Juni 2022
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