Normen
AVG §8
BauG Vlbg 2001 §8
BauRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022060236.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 553,20 und der Stadt Dornbirn Aufwendungen in der Höhe von € 553,20, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Antrag vom 4. August 2020 begehrten die mitbeteiligten Parteien die nachträgliche Bewilligung von Planabweichungen betreffend die Errichtung einer zweiten Wärmepumpe im Außenbereich des Gartenhauses zur Beheizung des Schwimmbeckens. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2021 erteilte die Behörde die beantragte Bewilligung unter der Vorschreibung von Auflagen.
5 Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) gab mit dem angefochtenen Erkenntnis der dagegen erhobenen Beschwerde unter anderem der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insoweit Folge, als die Auflagen 2. und 5. folgendermaßen lauten:
„2. Die zur Verminderung der Schallimmissionen eingesetzte Haube muss ein Einfügungsdämm-Maß von 7 dB aufweisen (A-bewertet).
5. Über die bescheidgemäße Ausführung der gegenständlichen Luftwärmepumpe sind der Behörde nach Fertigstellung Bestätigungen von befugten Fachpersonen vorzulegen.“
Im Übrigen wurde der Beschwerde keine Folge gegeben; eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
In seiner Begründung führte das LVwG - soweit für das vorliegende Verfahren relevant - aus, § 8 Baugesetz (BauG) enthalte keinen allgemeinen Immissionsschutz; es handle sich vielmehr um eine Ausnahmeregelung unter anderem für Maschinen mit einem aus dem Ortsüblichen herausfallenden Verwendungszweck. Dabei komme es auf die Flächenwidmung des zu bebauenden Grundstückes an (Hinweis auf VwGH 15.4.2010, 2006/06/0152; 20.4.2004, 2003/06/0118). Hinsichtlich der Lärmimmissionen verwies das LVwG auf die Ausführungen des lärmtechnischen Amtssachverständigen, wonach zusätzliche Lärmimmissionen durch die Wärmepumpe an der Grundgrenze der Revisionswerberin nicht ausschließbar seien; durch eine Schalldämmhaube mit einem Einfügungsdämm-Maß von 7 dB könne eine ortsunübliche Belästigung hintangehalten werden; direkt auf der Mauerkrone seien auch bei Ausführung dieser Schalldämmhaube in sehr ruhigen Phasen Überschreitungen von bis zu 3 dB möglich, in 0,5 m Höhe über Erdniveau von voraussichtlich 2 dB; in der gemäß ÖNORM S-5004:2020-04-15 „Messungen von Schallimmissionen“ üblichen Berechnungshöhe von 1,5 m bis 1,8 m seien rechnerisch keine Überschreitungen feststellbar; werde der Beurteilungswert auf der Mauerkrone oder 0,5 m über Erdniveau festgesetzt und liege der Richtwert bei 24 dB, müsste die Schalldämmhaube ein Einfügungsdämm-Maß von 10 dB aufweisen, damit der Basispegel nicht überschritten werde.
Im vorliegenden Fall ‑ so das LVwG weiter ‑ sei strittig, in welcher Höhe der Immissionspunkt an der Grundgrenze anzusetzen sei. Gemäß der Revisionswerberin sei in Bezug auf die Nachbarrechte auf die ungünstigste Situation abzustellen, somit nicht auf den Immissionspunkt in 1,5 m Höhe, sondern auf jenen auf der Mauerkrone. Demnach müsste die Schalldämmhaube ein Einfügungsdämm-Maß von 10 dB aufweisen, damit der Basispegel nicht überschritten werde. Allerdings falle die Wahl der Messpunkte in den fachlichen Verantwortungsbereich des Sachverständigen und könne ‑ sofern sie nicht nach dem allgemeinen Erfahrungsgut bereits als unschlüssig zu erachten sei ‑ nur auf gleicher fachlicher Ebene entkräftet werden. Bei dem vom lärmtechnischen Amtssachverständigen herangezogenen Messpunkt handle es sich ‑ entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ‑ auch gleichzeitig um den entscheidenden Immissionspunkt. Aus diesem Grund müsse die zur Verminderung der Schallimmissionen eingesetzte Haube ein Einfügungsdämm-Maß von 7 dB aufweisen, damit der Richtwert von 24 dB (Basispegel) bei der Revisionswerberin nicht überschritten werde.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wurde, zwischen Messpunkt und Immissionspunkt sei zu unterscheiden. Die Auswahl der Messpunkte liege zwar in der Verantwortung des Sachverständigen, die Immissionsbelastung sei aber an dem für den Nachbarn ungünstigsten Punkt zu beurteilen. Das LVwG habe ohne nähere Begründung den Messpunkt gleichzeitig als Immissionspunkt herangezogen, obwohl dieser für den Nachbarn nicht die größtmögliche Belästigung abbilde.
7 Gemäß § 8 Abs. 1 Vorarlberger Baugesetz (BauG), LGBl. Nr. 52/2001 idF LGBl. Nr. 29/2011, dürfen unter anderem ortsfeste Maschinen keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung erwarten lässt.
8 Der Revisionswerberin ist zwar zuzustimmen, dass der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zufolge die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Lärmbelästigung auf jenen der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes abzustellen hat, der die größtmögliche Belästigung der Nachbarn erwarten lässt und der dem regelmäßigen Aufenthalt des Nachbarn, sei es in einem Gebäude, sei es außerhalb des Gebäudes, dienen kann (vgl. etwa VwGH 24.1.2013, 2011/06/0070, mit Hinweis auf das von der Revisionswerberin zitierte hg. Erkenntnis 20.2.2007, 2004/05/0248).
Sie lässt jedoch unberücksichtigt, dass ‑ worauf das LVwG zutreffend hinwies ‑ § 8 BauG nicht schlechthin darauf abstellt, durch Bauführungen seien ortsunübliche Beeinträchtigungen der Nachbarn zu unterlassen. Diese Bestimmung stellt vielmehr auf den Verwendungszweck ab. Der Verwaltungsgerichtshof sprach bereits wiederholt aus, dass § 8 BauG keinen allgemeinen Immissionsschutz enthält. Es handelt sich vielmehr um eine Ausnahmeregelung für Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen mit einem aus dem Ortsüblichen herausfallenden Verwendungszweck. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist nach dieser Bestimmung unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen (vgl. etwa VwGH 23.9.2010, 2010/06/0164, mwN). Ist durch den Flächenwidmungsplan eine bestimmte Widmungskategorie für das Baugrundstück festgelegt, sind die Immissionen, die sich im Rahmen des in einer solchen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, als zumutbar anzusehen, und zwar auch dann, wenn sie beispielsweise das Ausmaß der in unmittelbarer Nähe eines anderen Gebäudes feststellbaren Emissionen übersteigen (vgl. etwa VwGH 28.4.2009, 2007/06/0259, mwN).
9 Im Revisionsfall wurde beantragt, auf einem Grundstück, das als Baufläche‑Wohngebiet gewidmet ist, nachträglich eine zweite Wärmepumpe zur Beheizung des im Jahr 2019 bewilligten Schwimmbeckens zu bewilligen; 2012 wurde auf dem Grundstück die Bewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses erteilt. In einem Wohngebiet sind Wohnbauten zulässig. Es wurde nicht vorgebracht und ist auch nicht zu erkennen, dass die verfahrensgegenständliche Wärmepumpe zur Beheizung des Schwimmbeckens einen aus dem Ortsüblichen herausfallenden Verwendungszweck habe und der Widmungskategorie Baufläche-Wohngebiet widersprechende unzumutbare Emissionen erwarten lasse.
10 Die Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 1 BauG, nämlich das Vorliegen eines Verwendungszweckes, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung erwarten lässt, wurde nicht dargelegt. Angesichts dessen erweist sich der ‑ grundsätzlich zutreffende ‑ Einwand betreffend den relevanten Immissionspunkt als nicht entscheidungsrelevant, sodass damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wurde.
11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
12 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, wobei den mitbeteiligten Parteien der Aufwandersatz nur im beantragten Ausmaß zuzusprechen war.
Wien, am 16. März 2023
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