European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021150031.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei machte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 Aufwendungen für eine Operation und den Aufenthalt in einer Privatklinik als außergewöhnliche Belastung geltend.
2 Das Finanzamt erkannte diese Aufwendungen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2019 nicht als außergewöhnliche Belastung an.
3 Einer dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei gab das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge. Es stellte fest, die mitbeteiligte Partei habe sich im September 2019 eine Verletzung an der linken Schulter zugezogen, die zunächst in einem öffentlichen Krankenhaus behandelt worden sei. Am 8. Oktober 2019 sei sie ‑ wegen Lähmungserscheinungen in der linken Hand ‑ bei einem Neurochirurgen vorstellig geworden, der in Auswertung aller Befunde die Dringlichkeit einer Operation mit stationärer Aufnahme festgestellt habe. Das Bundesfinanzgericht traf weiter die Feststellung, ein Operationstermin in einem öffentlichen Krankenhaus habe in der erforderlichen Schnelligkeit nicht zugesagt werden können. Die mitbeteiligte Partei habe sich deshalb an eine Privatklinik gewandt, sei dort am 8. Oktober 2019 aufgenommen, am 9. Oktober 2019 operiert und am 10. Oktober 2019 wieder entlassen worden.
4 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könnten Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die eigene medizinische Betreuung erwüchsen, auch dann zwangsläufig im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 sein, wenn sie die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten überstiegen, sofern diese höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen getätigt würden. Solche Gründe lägen im Revisionsfall vor, weil ein Zuwarten auf einen Termin in einem öffentlichen Krankenhaus ‑ wie sich das aus ärztlichen Stellungnahmen ergebe ‑ ernsthafte gesundheitliche Nachteile, die sich durch die fühlbare Lähmung bereits angekündigt hätten, nach sich gezogen hätte. Der mitbeteiligten Partei stünden die um die Kostenersätze der Gebietskrankenkasse und die Haushaltsersparnis gekürzten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu.
5 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil die Berücksichtigung von Mehrkosten für eine Krankenbehandlung als außergewöhnliche Belastung bei Vorliegen triftiger Gründe in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Deckung finde. Soweit darüber hinaus Sachverhaltsfragen im Wege der freien Beweiswürdigung zu beurteilen gewesen seien, seien diese einer Revision nicht zugänglich.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit ausgeführt wird, nach Ansicht des revisionswerbenden Finanzamts sei die Revision zulässig, weil das Bundesfinanzgericht alleine unter Heranziehung von Arztbriefen eines Allgemeinmediziners und eines Neurochirurgen davon ausgegangen sei, dass eine Zwangsläufigkeit der Operation in einer Privatklinik gegeben gewesen sei. Eine solche Zwangsläufigkeit hätte sich aber lediglich daraus ableiten lassen, dass diese trotz festgestellter Dringlichkeit nicht in einem öffentlichen Krankenhaus hätte durchgeführt werden können.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Triftige medizinische Gründe lassen ‑ wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 4. März 1986, 85/14/0149, ausgesprochen hat ‑ auch höhere Aufwendungen des Steuerpflichtigen als die von Sozialversicherungsträgern finanzierten zwangsläufig erscheinen. Ob solche triftigen Gründe vorliegen oder nicht, ist eine Frage der Beweiswürdigung, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz grundsätzlich nicht berufen ist. Diese ist nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind (vgl. etwa VwGH 2.8.2016, Ra 2016/20/0054). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. z.B. VwGH 19.12.2018, Ra 2017/15/0072).
11 Die außerordentliche Revision des Finanzamts wendet sich nur gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts, kann aber nicht aufzeigen, dass diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise falsch vorgenommen wäre.
12 Rechtsfragen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, werden in der Revision nicht aufgeworfen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. Mai 2021
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