VwGH Ra 2021/11/0169

VwGHRa 2021/11/016925.10.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätin Mag. Hainz‑Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der B D in G, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2‑4/2/23, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 17. September 2021, Zl. LVwG‑AV‑1470/001‑2021, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Rechtsschutz nach dem Arbeiterkammergesetz 1992 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kammer für Arbeiter und Angestellte Niederösterreich, vertreten durch die Noll, Keider Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Schellinggasse 3/3), den Beschluss

Normen

AKG 1992 §3
AKG 1992 §7
B-VG Art10 Abs1 Z11

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110169.L00

 

Spruch:

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der belangten Behörde Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen eine Erledigung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich vom 3. August 2021 erhobene Beschwerde der Revisionswerberin mangels Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht traf unter Hinweis auf den vorgelegten Verwaltungsakt und die Beschwerde Feststellungen zum Wortlaut der bei ihm angefochtenen Erledigung. Nach diesen Feststellungen ist im Erledigungskopf keine Behördenbezeichnung enthalten, sondern lediglich eine Adresse, der Name der Referentin, sowie eine E‑Mailadresse („r[...]@aknoe.at“) und die Adresse einer Webseite („noe.arbeiterkammer.at “). Sodann wird in der Erledigung unter dem Betreff „Verfahren vor dem Arbeits‑ und Sozialgericht“ und einer Anrede der Revisionswerberin („Sehr geehrte Frau D[...]“) ausgeführt, dass dem Rechtsschutzantrag der Revisionswerberin gemäß § 4 des Rechtsschutz‑Regulatives der AKNÖ iVm. § 7 AKG nicht entsprochen werden könne. Unter der Überschrift „Begründung“ wird ausgeführt, die Revisionswerberin werde in derselben Sache anwaltlich vertreten und habe mitgeteilt, dass sie zur Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu ihrem Rechtsanwalt nicht bereit sei. Es bestünde daher keine Aussicht auf einen positiven Verfahrensausgang und ihr Rechtsschutzantrag könne „nicht geprüft“ werden. Die Revisionswerberin habe „die Möglichkeit einer Beschwerde gegen diese Entscheidung“, welche schriftlich innerhalb von vier Wochen an das (mit Adresse) bezeichnete „Rechtsschutzbüro Süd“ zu richten und zu begründen sei. Die Erledigung war nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wie folgt gefertigt:

„Mit freundlichen Grüßen

i.V.

Mag. M M

Referentin“

3 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu wesentlichen Merkmalen eines Bescheides aus, es sei nicht objektiv erkennbar, von welcher Behörde das angefochtene Schreiben herrühre. Es fehle sowohl ein Briefkopf als auch eine sonstige Formel bzw. Formulierung, aus welcher dies hervorgehe. Für die Entscheidung über die Gewährung von Rechtsschutz sei der Präsident der Arbeiterkammer im eigenen Wirkungsbereich zuständig, dessen Bescheid mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht bekämpfbar sei. Ein Hinweis darauf, dass die angefochtene Erledigung „für den Präsidenten der Arbeiterkammer“ getroffen worden sei „odgl.“ finde sich ebenfalls nicht. Schon mangels eindeutiger Bezeichnung der Behörde liege kein Bescheid vor.

4 Die am Beginn und Ende der angefochtenen Erledigung gebrauchte Höflichkeitsform („Sehr geehrte ...“; „Mit freundlichen Grüßen“) sowie die gewählte Ausdrucksweise, wonach dem Rechtsschutzantrag „leider nicht entsprochen werden kann“, ließen jedenfalls Zweifel entstehen, dass damit die betreffende Angelegenheit normativ entschieden werden solle.

5 Auf Grund dieser Zweifel käme dem Fehlen der Bezeichnung des Schreibens als „Bescheid“ entscheidende Bedeutung zu und führe ‑ neben dem Fehlen der Bezeichnung der Behörde ‑ ebenfalls dazu, dass die angefochtene Erledigung nicht als Bescheid zu qualifizieren sei.

6 Von einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden können.

7 2. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bescheidqualität von Erledigungen, insbesondere hinsichtlich der Bezeichnung der Behörde, abgewichen. Durch die Zurückweisung der Beschwerde habe das Verwaltungsgericht der Revisionswerberin zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert. Die Gewährung von Rechtsschutz durch die Arbeiterkammern stelle ein civil right iSd. Art. 6 EMRK dar, weswegen das Verwaltungsgericht nicht von einer mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen. Die Voraussetzungen des § 24 VwGVG für das Absehen von der Verhandlung seien nicht vorgelegen. Auch sei der Sachverhalt hinsichtlich der Frage der Approbationsbefugnis der namentlich genannten Genehmigenden ergänzungsbedürftig geblieben.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren durchgeführt, in welchem die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete. Darin weist sie u.a. darauf hin, dass die gegenständliche Erledigung nicht die Unterschrift der genehmigenden Person enthalte, sondern lediglich eine „vertretungsweise erfolgte Unterschrift“, welche unleserlich sei. Der Erledigung fehle schon aus diesem Grund die Bescheidqualität.

9 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 4. Der Revision gelingt es im Ergebnis nicht, eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG darzulegen:

13 Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass die Arbeiterkammer in Bezug auf eine ihrer primären Aufgaben, der Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 7 AKG, zu hoheitlichem Handeln befugt ist. Sofern im Einzelfall strittig ist, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Rechtsschutz gegeben sind, hat die Arbeiterkammer darüber durch Bescheid zu befinden. Dabei handelt es sich um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Arbeiterkammern (vgl. VwGH 25.2.2020, Ro 2019/11/0010, mwN), welche in die Zuständigkeit des Präsidenten fällt (vgl. VwGH 4.10.2000, 2000/11/0014).

14 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Frage, ob eine nicht als Bescheid bezeichnete Erledigung auf Grund ihres konkreten Erscheinungsbildes, insbesondere ihres konkreten Aufbaues und ihrer konkreten sprachlichen Fassung als Bescheid zu beurteilen ist, eine einzelfallbezogene Auslegungsfrage dar und ist daher im Regelfall nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 24.3.2022, Ra 2022/11/0044, mwN).

15 Angesichts des Umstandes, dass die bekämpfte Erledigung ‑ worauf auch die Revisionsbeantwortung der belangten Behörde hinweist ‑ keine Unterschrift gemäß § 18 Abs. 4 AVG im Sinn der hg. Rechtsprechung enthält (vgl. etwa VwGH 27.9.2005, 2004/06/0217; 14.1.2021, Ra 2020/02/0294, mwN; vgl. auch VwGH 7.10.2016, Ra 2016/08/0147, mwN), ist nicht erkennbar, dass der angefochtene Beschluss, der diese Erledigung als Nicht‑Bescheid wertet, im Ergebnis von der hg. Rechtsprechung abweichen würde. Auf die in der Revision zu ihrer Zulässigkeit geltend gemachten Rechtsfragen kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an.

16 Hinzuweisen ist aber darauf, dass der Rechtsschutzantrag der Revisionswerberin, über welchen nach der in Rn. 13 zitierten Rechtsprechung im Streitfall mit Bescheid zu entscheiden ist, noch unerledigt ist, sofern in der Zwischenzeit noch keine bescheidmäßige Erledigung erfolgte.

17 5. In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

18 6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 9. November 2022

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