VwGH Ra 2021/11/0064

VwGHRa 2021/11/00646.10.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätinnen Dr. Pollak, Mag. Hainz‑Sator und MMag. Ginthör sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M R in W, vertreten durch die Schmidtmayr Sorgo Wanke Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Ledererhof 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2021, Zlen. 1. W122 2232299‑1/7E, betreffend vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst und 2. W122 2232299‑2/2E, betreffend Zuweisung zur Leistung der Restdienstzeit (jeweils belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zivildienstserviceagentur), zu Recht erkannt:

Normen

HVG §1 Abs1 liti
VwRallg
WehrG 1978 §41
ZDG 1986 §19a
ZDG 1986 §19a Abs2
ZDG 1986 §19a Abs3
ZDG 1986 §3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021110064.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1.1. Mit Bescheid vom 16. Juli 2019 stellte die belangte Behörde den Eintritt der Zivildienstpflicht des Revisionswerbers mit 2. Juli 2019 fest.

2 1.2. Mit Bescheid vom 12. November 2019 wies die belangte Behörde den Revisionswerber der Einrichtung „Rettungsdienst“ zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes für den Zeitraum vom 1. Februar 2020 bis zum 31. Oktober 2020 zu.

3 1.3. Mit Bescheid vom 25. Mai 2020 stellte die belangte Behörde fest, dass der Revisionswerber mit 24. März 2020 vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen sei.

4 Begründend führte die belangte Behörde aus, der Revisionswerber sei am 14. Februar 2020 sowie seit 2. März 2020 dienstunfähig gewesen. Der 24. März 2020 sei der 24. Kalendertag, an dem der Revisionswerber aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig gewesen sei. Die den Zeitraum ab 2. März 2020 betreffende Dienstunfähigkeit sei auf „einen Unfall am 02.03.2020 um 06:10 Uhr am Weg von [der Wohnung des Revisionswerbers] in [dessen] Dienststelle“ zurückzuführen. Der Revisionswerber sei über eine Gehsteigkante gestolpert und habe sich dabei „das Knie verletzt“. Eine auf „eine Unachtsamkeit/Ungeschicklichkeit beim Gehen“ am Weg zur Dienststelle außerhalb des Dienstes (Wegunfall) zurückzuführende Gesundheitsschädigung stelle jedoch keine „Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes“ gemäß § 19a Abs. 3 ZDG dar. Folglich sei auch gegenständlicher Zeitraum der Dienstunfähigkeit in die Summe gemäß § 19a Abs. 2 ZDG einzurechnen, weswegen der Revisionswerber als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen gelte.

5 1.4. Mit Bescheid vom 15. September 2020 wies die belangte Behörde den Revisionswerber der Einrichtung „Abt. Behinderteneinrichtung Wien der Caritas der Erzdiözese Wien“ zur Leistung der Restdienstzeit des ordentlichen Zivildienstes (Dienstantritt am 1. Oktober 2020) zu.

6 2. Gegen die beiden hier zuletzt genannten Bescheide (Rn. 3 und 5) erhob der Revisionswerber jeweils Beschwerde.

7 3. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: Verwaltungsgericht) beide Beschwerden ab (Spruchpunkte A. und C.) und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig (Spruchpunkte B. und D.).

8 Das Verwaltungsgericht würdigte den ‑ oben in Rn. 4 wiedergegebenen ‑ unstrittigen Sachverhalt rechtlich im Wesentlichen wie folgt:

9 Die Wortfolge „eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes“ gemäß § 19a Abs. 3 ZDG umfasse keine Arbeitsunfälle im Sinn des § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG. „Während § 175 ASVG eine weite Definition des Arbeitsunfalls vornimmt, fordert § 19a ZDG ausdrücklich den Nachweis, dass die Gesundheitsschädigung auf den Zivildienst zurückzuführen ist.“ Der Schutzzweck des ASVG sei „die soziale Absicherung“, wohingegen „das Zivildienstgesetz der Wehrpflicht entspringende verfassungsrechtlich abgesicherte Eingriffe und deren Ausgestaltung zum Ziel“ habe. Der „Weg zur Straßenbahn“ stelle eine alltägliche Tätigkeit dar, welcher der Revisionswerber im täglichen Leben regelmäßig ausgesetzt sei. Der Revisionswerber habe „während dieses Weges noch nicht die Tätigkeiten des Zivildienstes [wie z.B. Hilfsdienste im Rettungstransport oder Hol‑ und Bringdienste] verrichtet. Seine Knieverletzung sei folglich nicht als „Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes“, sondern als eine der Privatsphäre des Revisionswerbers zugehörige „Folge des täglichen Lebens“ zu qualifizieren. Es sei zwar „nicht völlig außerhalb des Rahmens der gewöhnlichen Erfahrung, dass man mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Zivildienst fährt, allerdings ist ein Risikozusammenhang zu verneinen. Das Risiko, am Weg zur Straßenbahn zu verunfallen ist mit dem Risiko, während der Ausübung des Zivildienstes (Verrichtung von verschiedenen Hilfsdiensten, Hol‑ und Bringdienste) eine Gesundheitsschädigung zu erleiden nicht vergleichbar. Der achtsame Weg zur Straßenbahn ist der Sphäre des Privaten zuzurechnen und der gefahrengeneigte Zivildienst keine ausreichende Bedingung für das Stolpern gewesen“.

10 4.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich der Revisionswerber mit vorliegender außerordentlicher Revision. Er macht in der Zulässigkeitsbegründung geltend, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „ob ein Unfall, den ein Zivildiener auf dem Weg zu (oder von) seinem Dienstantritt bei jener Einrichtung erleidet, der er zum Dienst zugeteilt wurde, also ein ‚Wegunfall‘, eine ‚Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes‘ im Sinn des § 19a Abs 3 ZDG darstellt“.

11 4.2. Die belangte Behörde beantragte in ihrer ‑ nach Einleitung des Vorverfahrens erstatteten ‑ Revisionsbeantwortung die Abweisung der Revision.

12 5. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

13 5.1. Die Revision erweist sich zur Klarstellung der Rechtslage als zulässig; sie ist auch begründet.

14 5.2. Die maßgebliche Bestimmung des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG), https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1986_679_0/1986_679_0.pdf , zuletzt geändert durch https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2018/107 , lautet wie folgt:

„§ 19a. (1) Dienstunfähig ist, wer geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst unfähig ist.

(2) Zivildienstleistende, die insgesamt 24 Kalendertage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig sind, gelten mit Ablauf des 24. Kalendertages der Dienstunfähigkeit als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen. Die Zivildienstserviceagentur kann in diesen Fällen eine Untersuchung durch den Amtsarzt veranlassen. Auf Antrag hat die Zivildienstserviceagentur den Zeitpunkt der Entlassung festzustellen.

(3) Ist die angeführte Dienstunfähigkeit nachweislich auf eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes zurückzuführen, so ist dieser Zeitraum nicht in die Summe gemäß Abs. 2 einzurechnen, es sei denn, der betroffene Zivildienstleistende ist damit einverstanden.

(4) Für die verbleibende Dienstzeit hat nach Wegfall des Entlassungsgrundes sobald wie möglich eine weitere Zuweisung zu erfolgen.

(5) Zivildienstpflichtige, die aus dem Zivildienst vorzeitig entlassen worden sind, haben den Wegfall der Voraussetzungen für die vorzeitige Entlassung unverzüglich der Zivildienstserviceagentur mitzuteilen.“

15 5.3. Die zu klärende Rechtsfrage ist, ob ein Unfall auf dem Weg zur Dienststelle, der zu einer Dienstunfähigkeit im Sinne des § 19a Abs. 1 ZDG führt, als „eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes“ anzusehen ist, was Voraussetzung für die Anwendung des § 19a Abs. 3 ZDG ist.

16 Es kommen zunächst nur Gesundheitsschädigungen, die als eine Folge des „Zivildienstes“ anzusehen sind, in Frage. Es bedarf sohin eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem „Zivildienst“ und einer Gesundheitsschädigung (vgl. VwGH 21.1.1987, 84/01/0079). Der Wortlaut der maßgeblichen Bestimmung schließt es nicht aus, neben Gesundheitsschädigungen, die als Folge der Verrichtung von Tätigkeiten im Sinn des § 3 ZDG eintreten, auch Gesundheitsschädigungen infolge von Unfällen beim Zurücklegen des Weges zur oder von der Einrichtung unter § 19a Abs. 3 ZDG zu subsumieren, stellt doch die Verrichtung des Zivildienstes auch in solchen Fällen eine conditio sine qua non für die erlittene Gesundheitsschädigung dar.

Zum Hintergrund der Einführung des § 19a ZDG:

17 Den Materialien zu dem mit der Zivildienstgesetz‑Novelle 1980, BGBl. Nr. 496, eingefügten § 19a ZDG ist zu entnehmen, dass „[d]ie im § 19a geregelte vorzeitige Entlassung aus dem ordentlichen Zivildienst [...] der vorzeitigen Entlassung der Präsenzdienst leistenden Wehrpflichtigen aus dem Präsenzdienst nachgebildet [ist]. Da diese Regelung mit der Wehrgesetznovelle 1977, BGBl. Nr. 385, also nach Inkrafttreten des Zivildienstgesetzes geschaffen wurde, ist seinerzeit eine gleichlautende Bestimmung in das Zivildienstgesetz nicht aufgenommen worden. Eine solche Bestimmung ist auch für den Bereich des Zivildienstes unerlässlich und schon aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Wehrpflichtigen und Zivildienstpflichtigen erforderlich.“ (vgl. RV 275 Blg. NR XV. GP, 16).

18 Der historische Gesetzgeber gab damit zu verstehen, dass er mit der Einführung des § 19a ZDG ‑ ohne explizite Einschränkung ‑ im Zivildienstgesetz ein Äquivalent für die im Zeitpunkt der Erlassung der Zivildienstgesetz‑Novelle 1980, BGBl. Nr. 496, geltende einschlägige Regelung des § 41 Wehrgesetz 1978 zu schaffen beabsichtigte, um so die vor Einführung des § 19a ZDG bestehende Ungleichbehandlung zwischen Wehrpflichtigen und Zivildienstpflichtigen ‑ das Zivildienstgesetz enthielt im Gegensatz zum Wehrgesetz bis zur Zivildienstgesetz‑Novelle 1980, BGBl. Nr. 496, keine Regelung zur vorzeitigen Entlassung eines Dienstpflichtigen ‑ zu beseitigen.

Zur Vorbildregelung des § 41 Wehrgesetz 1978 im Zeitpunkt der Einführung des § 19a ZDG:

19 Im Zeitpunkt der Erlassung der Zivildienstgesetz-Novelle 1980, BGBl. Nr. 496, enthielt das Wehrgesetz 1978, BGBl. Nr. 150, auszugsweise folgende ‑ auf die Wehrgesetz‑Novelle 1977, BGBl. Nr. 385, zurückgehende und als Vorlage für die Regelung des § 19a ZDG dienende ‑ Bestimmung (Hervorhebungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

„Dienstunfähigkeit

§ 41. (1) Präsenzdienst leistende Wehrpflichtige, die nach Feststellung des zuständigen Militärarztes geistig oder körperlich zu jedem Dienst im Bundesheer dauernd oder vorübergehend unfähig sind und die Herstellung der Dienstunfähigkeit (...) nicht erwarten lassen, gelten mit Ablauf des Tages, an dem die dauernde oder vorübergehende Dienstunfähigkeit festgestellt wird, als (...) vorzeitig aus dem Präsenzdienst entlassen und in die Reserve rückversetzt.

(2) Ist die angeführte Dienstunfähigkeit auf eine Gesundheitsschädigung infolge des Präsenzdienstes einschließlich einer allfälligen beruflichen Bildung oder auf eine in der lit. d, h, i oder j des § 1 Abs. 1 des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, in der geltenden Fassung näher umschriebene Gesundheitsschädigung zurückzuführen, so ist Abs. 1 nur dann anzuwenden, wenn der betroffene Wehrpflichtige mit seinem unverzüglichen Ausscheiden aus dem Präsenzstand einverstanden ist. Hinsichtlich der Gesundheitsschädigungen gelten Abs. 1 und 2 des § 2 HVG sinngemäß.“

20 Im Zeitpunkt der Erlassung der Zivildienstgesetz-Novelle 1980, BGBl. Nr. 496, lautete das Heeresversorgungsgesetz (im Folgenden: HVG) auszugsweise wie folgt (Hervorhebungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

„§ 1. (1) Eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des (...) Präsenzdienstes (...) einschließlich einer allfälligen beruflichen Bildung (...) erlitten hat, wird nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes als Dienstbeschädigung entschädigt (§ 2). Das gleiche gilt für eine Gesundheitsschädigung, die ein Wehrpflichtiger (§ 16 des Wehrgesetzes 1978)

(...)

d)auf dem Wege zum Antritt des Präsenzdienstes oder auf dem Heimweg nach dem Ausscheiden aus dem Präsenzdienst,

(...)

h)im Falle einer Dienstfreistellung auf dem Wege vom Ort der militärischen Dienstleistung zum Ort des bewilligten Aufenthaltes oder auf dem Rückweg,

i)bei einem Ausgang auf dem Hin- oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung oder

j)im Falle einer beruflichen Bildung nach § 33 des Wehrgesetzes 1978 auf dem Hin- oder Rückweg zwischen dem Ausbildungsort und dem Ort der militärischen Dienstleistung oder der Wohnung oder des bewilligten Aufenthaltes

erlitten hat. Eine Gesundheitsschädigung, die auf einem Weg gemäß lit. d bis j erlitten wird, ist jedoch nur dann als Dienstbeschädigung zu entschädigen, wenn die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren die wesentliche Ursache für den Eintritt des Unfalls waren. (...)

§ 2. (1) Eine Gesundheitsschädigung ist als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Wenn dem schädigenden Ereignis oder den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen nur ein ursächlicher Anteil an einer Gesundheitsschädigung zugemessen werden kann, die mit Hilflosigkeit oder Blindheit (§§ 27, 28) verbunden ist, ist der die Hilflosigkeit oder Blindheit verursachende Leidenszustand zur Gänze als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen.

(2) Die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhangs durch hiezu geeignete Beweismittel genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Beschaffung von Urkunden oder amtlichen Beweismitteln zur Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.

(...)“

21 In den Materialien zur 12. Novelle des HVG, BGBl. Nr. 95/1975 (vgl. RV 1418 Blg. NR XIII. GP, 8 f.), mit welcher im damaligen § 1 Abs. 1 HVG die lit. a) bis j) ‑ somit insbesondere auch die lit. i) ‑ eingeführt wurden, wurde hinsichtlich der Novellierung dieser Norm klargestellt, dass der versorgungsrechtliche Schutz „auf alle Unfälle ..., die sich bei einem Ausgang auf dem Hin oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung ereignen“ ausgedehnt werden solle (Hervorhebungen durch den VwGH). Die Novellierung des § 1 Abs. 1 HVG sei erforderlich gewesen, weil „[n]ach der [bis zur 12. Novelle des HVG geltenden] Fassung des § 1 Abs. 1 HVG ... Unfälle, die sich auf dem Weg zum zivilen Wohnsitz oder zur früheren Arbeitsstelle oder auf dem Rückweg ereignen, nur dann einen Versorgungsanspruch nach dem HVG [begründen], wenn sie sich im Rahmen einer Dienstfreistellung ereignen. Diese Regelung hat mitunter zu Härten geführt, weil die Gewährung von Dienstfreistellungen grundsätzlich nur in dringenden Fällen wie Todesfällen, schweren Erkrankungen naher Angehöriger, Hochzeiten und sonstigen Familienereignissen, sowie zur Regelung unaufschiebbarer wirtschaftlicher Angelegenheit in Betracht kommt (vgl. § 22 der Verordnung vom 2. Juni 1970, BGBl. Nr. 193, womit die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer erlassen werden).“

22 Der mit der 12. Novelle des HVG, BGBl. Nr. 95/1975, eingeführte, in § 1 Abs. 1 lit. i) HVG vorkommende, Terminus „Ausgang“ findet sich im HVG, in der Fassung BGBl. Nr. 226/1980, noch ein weiteres Mal, nämlich in Artikel III Abs. 2. Dort wurde der Terminus „Ausgang“ mit dem Begriff „Standortverlaß“ umschrieben. Zum Terminus „Ausgang“ gab des Weiteren die ‑ auch in den Materialien zur 12. Novelle des HVG erwähnte ‑ Verordnung der Bundesregierung vom 2. Juni 1970, womit die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer erlassen werden (im Folgenden: ADV), nähere Auskunft. § 22 ADV (Ausgang und Dienstfreistellung), in der Fassung BGBl. Nr. 193/1970, enthielt auszugsweise folgende Regelung:

„(1) Den Soldaten steht unter gewöhnlichen Verhältnissen das Recht zu, die Unterkunft nach Dienstschluß zu verlassen.

(2) Der Ausgang ist den Soldaten in Zivilkleidung gestattet. Wehrmännern ist der erstmalige Ausgang in Uniform nach 8 Tagen vom Eintritt in das Bundesheer gestattet.

(...)

(4) Bei außergewöhnlichen Verhältnissen oder bevorstehendem Einsatz kann der Ausgang nur in Gruppen und nur in Uniform gestattet, darüber hinaus das Verlassen des Standortes verboten werden.

(5) Der Ortskommandant kann den Besuch von Vergnügungsstätten untersagen, in welchen gesetzlich verbotene Glücksspiele betrieben werden, übelbeleumundete Personen verkehren, häufig Ausschreitungen stattfinden, gewerbsmäßige Unzucht getrieben wird oder gegen deren Besuch besondere militärische Gründe sprechen.

(...)“

23 Demgegenüber enthielten die Abs. 6 bis 8 des § 22 ADV, in der Fassung BGBl. Nr. 193/1970, nähere Regelungen zur Dienstfreistellung.

24 Im Zeitpunkt der Erlassung der Zivildienstgesetz-Novelle 1980, BGBl. Nr. 496, fand sich in der ‑ auf § 13 des Wehrgesetzes 1978, BGBl. Nr. 150, fußenden ‑ ADV, in der Fassung BGBl. Nr. 43/1979, (soweit hier von Relevanz) mit § 31 (Ausgang) folgende Regelung zum „Ausgang“ wieder:

„(1) Den Soldaten steht das Recht zu, die Kaserne nach Dienstschluß zu verlassen. An dienstfreien Tagen ist der Ausgang nach Beendigung der Nachtruhe und Herstellung der Ordnung in der Unterkunft gestattet.

(2) Das Recht zum Ausgang steht den Soldaten in Uniform oder in Zivilkleidung zu. Wehrmännern, die den Grundwehrdienst leisten, ist der erstmalige Ausgang in Uniform ab dem Ende der zweiten Ausbildungswoche gestattet.

(3) Bei einem bevorstehenden Einsatz oder bei sonstigen außergewöhnlichen Verhältnissen sind die Kommandanten vom Einheitskommandanten aufwärts berechtigt anzuordnen, daß der Ausgang

1.nur in Gruppen,

2.nur in Uniform oder

3. nur innerhalb eines bestimmten Bereichs

gestattet ist. Diese Beschränkungen können auch nebeneinander angeordnet werden.“

25 Der Terminus „Ausgang“ gemäß § 1 Abs. 1 lit. i) HVG, in der Fassung BGBl. Nr. 226/1980, ist in Zusammenschau der soeben genannten Rechtsquellen als das bei Vorliegen gewöhnlicher Verhältnisse dienstrechtlich erlaubte Verlassen des Dienstortes, im Sinne einer Kaserne, nach Dienstschluss zu verstehen. Während des „Ausgangs“, sohin nach Dienstschluss, waren Wehrpflichtige grundsätzlich frei in ihrer Freizeitgestaltung (vgl. dazu auch VwGH 30.6.2004, 2001/09/0182, hinsichtlich § 31 Abs. 1 und 2 ADV, in der Fassung BGBl. Nr. II 7/1998, wonach es grundsätzlich im Belieben des Soldaten steht, ob er Ausgang nimmt und in welcher Weise er von seinem Ausgang Gebrauch macht.) Mit der Einführung des § 1 Abs. 1 lit. i) HVG, BGBl. Nr. 95/1975, wollte der Gesetzgeber den versorgungsrechtlichen Schutz des HVG „auf alle Unfälle [...], die sich bei einem Ausgang auf dem Hin‑ oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung ereignen“, ausdehnen und sohin gezielt den Hin‑ und Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung („Wegunfall“) erfassen und in den geschützten Bereich von Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Wehrdienst ‑ unabhängig vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände (u.a. Todesfällen oder Hochzeiten; s. Rn. 21) ‑ miteinbeziehen.

Zur weiteren Entwicklung der Rechtslage:

26 In den Materialien zur ZDG‑Novelle 1988 wurde ‑ wenn auch nicht im Hinblick auf eine Dienstunfähigkeit bedingende Gesundheitsschädigung ‑ klargestellt, dass die Regelung zur vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit im Wehrgesetz (zum damaligen Zeitpunkt § 41 Wehrgesetz, BGBl. Nr. 577/1983) weiterhin Orientierungspunkt für § 19a ZDG darstelle; „[s]owohl der § 41 Abs.1 [Wehrgesetz] als auch der in Analogie zu dieser Bestimmung gefaßte § 19a Abs. 1 waren in der ursprünglichen Fassung schwer lesbar und schwer verständlich. Der § 41 [Wehrgesetz] wurde daher im Rahmen des Wehrrechtsänderungsgesetzes 1983, BGBl. Nr. 577, umformuliert. Nunmehr soll der § 19a Abs. 1 ZDG an das Wehrgesetz angepaßt [...] werden“ (vgl. RV 651 Blg. NR XVII. GP, 19). Auch in den Materialien zur Änderung des Zivildienstgesetzes 1986, BGBl. Nr. 107/2018, wurde offengelegt, dass die Novellierung des damaligen §19a Abs. 2 hinsichtlich der Einführung einer maximal möglichen Krankenstandsdauer „[a]ls Annäherung an die diesbezügliche Bestimmung im Wehrgesetz 2001“ verstanden werden sollte (vgl. RV 380 Blg. NR XXVI. GP, 6).

27 Die Regelung zur vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit wurde mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz 1983, BGBl. Nr. 577, sowie der Wiederverlautbarung des Wehrgesetzes 1978, BGBl. Nr. 305/1990, (dort nicht mehr im § 41, sondern im § 40 normiert) ‑ soweit hier von Relevanz ‑ nur unwesentlich verändert; der Gesetzgeber hielt den Verweis auf § 1 Abs. 1 HVG, BGBl. Nr. 27/1964, aufrecht. Beide Fassungen enthielten jeweils im Abs. 3 einschlägiger Normen (§ 41 Wehrgesetz 1978, in der Fassung BGBl. Nr. 577/1983, und § 40 Wehrgesetz 1990, BGBl. Nr. 305) die idente Wortfolge:

„Die im Abs. 1 genannte Rechtswirkung [Anm.: die vorzeitige Entlassung aus dem Präsenzdienst] tritt in folgenden Fällen einer Dienstunfähigkeit nur ein, wenn der betroffene Wehrpflichtige mit seinem unverzüglichen Ausscheiden aus dem Präsenzstand einverstanden ist:

1.In jeglichem Präsenzdienst eine Dienstunfähigkeit, die auf eine Gesundheitsschädigung infolge des Präsenzdienstes einschließlich einer allfälligen beruflichen Bildung oder auf eine im § 1 Abs. 1 lit. d, h, i, j oder k des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, näher umschriebene Gesundheitsschädigung zurückzuführen ist; hinsichtlich der Gesundheitsschädigung gilt der § 2 Abs. 1 und 2 HVG sinngemäß.

(...)“

28 Die verwiesene Norm, der § 1 Abs. 1 HVG, änderte sich in diesem Zeitraum hinsichtlich ihres Aufbaus sowie auch hinsichtlich ihres Regelungsumfangs maßgeblich. Unverändert blieb die Regelung des ‑ sich zum Zeitpunkt der Wiederverlautbarung des Wehrgesetzes 1978, BGBl. Nr. 305/1990, in der Fassung BGBl. Nr. 648/1989 (19. Novelle zum HVG) befindlichen ‑ § 1 Abs. 1 HVG jedoch insofern, als sie weiterhin normierte, dass nicht nur solche Gesundheitsschädigungen, die ein Wehrpflichtiger infolge des Präsenzdienstes erlitten hat, sondern auch solche Gesundheitsschädigungen, die ein Wehrpflichtiger auf bestimmten, näher genannten Wegen erlitten hat, als Dienstbeschädigung zu entschädigen waren (fortan allerdings explizit dahingehend eingeschränkt, dass derlei „Wegunfälle“ dann nicht als Dienstbeschädigung zu entschädigen waren, wenn sie auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Wehrpflichtigen zurückzuführen waren und seit der 17. Novelle zum HVG, BGBl. Nr. 483/1985, explizit dahingehend erweitert, dass derlei „Wegunfälle“ auch dann als Dienstbeschädigung zu entschädigen waren, wenn sie im Rahmen einer Fahrgemeinschaft erlitten wurden); davon umfasst war nach wie vor auch eine bei einem vormals in der lit. i) normierten „Wegunfall“ erlittene Gesundheitsschädigung. So lautete § 1 Abs. 1 HVG, BGBl. Nr. 648/1989, soweit hier von Relevanz, auszugsweise wie folgt:

„§ 1. (1) Eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des (...) Präsenzdienstes einschließlich einer beruflichen Bildung (...) erlitten hat, ist nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes als Dienstbeschädigung zu entschädigen (§ 2). (...)

(2) Eine Gesundheitsschädigung, die ein Wehrpflichtiger auf einem der folgenden Wege erlitten hat, ist ebenfalls als Dienstbeschädigung zu entschädigen, wenn sie nicht auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Wehrpflichtigen zurückzuführen ist:

(...)

6.im Falle eines Ausganges auf dem Hin- oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung,

(...)

11.auf einem Weg gemäß Z 1 bis 10 im Rahmen einer Fahrgemeinschaft.

(...)“

29 In den Materialien zur 19. Novelle zum HVG, BGBl. Nr. 648/1989, wurde bekräftigt, dass das HVG „die Versorgung von Wehrpflichtigen, die im ursächlichen Zusammenhang mit dem Wehrdienst eine Gesundheitsschädigung erlitten haben, [ regelt]“. Die Novellierung habe auch als Anlass dazu gedient, den § 1 HVG „übersichtlicher zu gestalten, [indem die] die Wegunfälle betreffenden Tatbestände in einem eigenen Absatz (nunmehr Abs. 2)“ zusammengefasst wurden (vgl. RV 1103 Blg. NR XVII. GP, 9 und 12).

30 Mit der Änderung des Wehrgesetzes 1990, BGBl. Nr. 690/1992, wurde der bis dahin im § 40 befindliche Verweis auf das HVG beseitigt. § 40 Wehrgesetz, in der Fassung BGBl. Nr. 690/1992, lautete sodann ‑ auszugsweise ‑ wie folgt (und entsprach damit im Wesentlichen auch der im Zeitpunkt des hier angefochtenen Erkenntnisses geltenden Rechtslage zur vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit, dem § 30 Wehrgesetz 2001, in der Fassung BGBl. Nr. 102/2019):

„(3) Die vorzeitige Entlassung wegen Dienstunfähigkeit wird nur mit Zustimmung des betroffenen Wehrpflichtigen wirksam, wenn

1.die Dienstunfähigkeit auf eine Gesundheitsschädigung nach Abs. 4 zurückzuführen ist oder

2.die Gesundheitsschädigung, welche die Dienstunfähigkeit verursacht hat, sonst in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Präsenzdienstleistung steht oder

(...)

(4) Als Gesundheitsschädigung im Sinne des Abs. 3 Z 1 gelten solche, die der Wehrpflichtige erlitten hat:

1.infolge des Präsenzdienstes einschließlich einer allfälligen beruflichen Bildung oder

(...)

4.bei einem Ausgang auf dem Hin- oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung oder

(...)

8.auf einem Weg gemäß Z 2 bis 7 im Rahmen einer Fahrgemeinschaft.

Solche Gesundheitsschädigungen müssen zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Präsenzdienstleistung eigentümlichen Verhältnisse zurückzuführen sein; (...)“

31 Die Materialien begründeten diese Novellierung des Wehrgesetzes 1990 und insbesondere den Entfall des Verweises auf das HVG wie folgt:

„Die im Abs. 3 zusammengefaßten Fälle, in denen eine Dienstunfähigkeit nur mit Zustimmung des Wehrpflichtigen zu einer vorzeitigen Entlassung führt, sollen aus sozialen Erwägungen dahingehend modifiziert werden, daß neben reinen ‚Dienst‑‚ oder ‚Wegunfällen‘ (Z 1) im Sinne des Heeresversorgungsgesetzes in Zukunft auch jene Fälle umfaßt sind, in denen die Gesundheitsschädigung darüber hinaus in einem hinreichend engen Zusammenhang mit den spezifischen Umständen einer Präsenzdienstleistung stehen (zB Unfälle in der militärischen Unterkunft während der dienstfreien Zeit). [...] Gegenwärtig sind die ‚Dienst‑‚ und ‚Wegunfälle‘, bei denen im Falle einer Dienstunfähigkeit die Zustimmung des Wehrpflichtigen zur vorzeitigen Entlassung erforderlich ist, im Wesentlichen durch eine Verweisung auf das Heeresversorgungsgesetz umschrieben. Im Hinblick auf die grundlegende Bedeutung des Wehrgesetzes 1990 für die Regelung der im Zusammenhang mit einer Präsenzdienstleistung maßgeblichen Umstände sollen die erwähnten Fälle nicht in Form einer Verweisung, sondern ohne inhaltliche Änderung ausdrücklich im Abs. 4 genannt werden. Damit soll insbesondere auch der in den Legistischen Richtlinien 1990 geforderten Klarheit einer Norm Rechnung getragen werden. Bei einer zukünftigen Änderung der zugrundeliegenden Regelungen im Heeresversorgungsgesetz wird auch die entsprechende Aufzählung im Wehrgesetz 1990 anzupassen sein.“ (vgl. RV 640 Blg. NR XVIII. GP, 26).

32 Die historische Betrachtung zeigt, dass bestimmte im ursächlichen Zusammenhang mit dem Wehrdienst stehende „Wegunfälle“ seit Erlassung der Zivildienstgesetz‑Novelle 1980, BGBl. Nr. 496, bis zur fallbezogen maßgeblichen Rechtslage von der ‑ als Vorlage für die Regelung des § 19a ZDG dienenden ‑ Regelung zur vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit im Wehrgesetz insofern miterfasst waren, als die Zeit der Dienstunfähigkeit in diesen Fällen nur mit Zustimmung des Wehrdieners eingerechnet werden durfte; dies zunächst über einen Verweis auf § 1 Abs. 1 HVG, BGBl. Nr. 27/1964; seit der Änderung des Wehrgesetzes 1990, BGBl. Nr. 690/1992, durch ausdrückliche Nennung im Wehrgesetz selbst, ohne dass durch die Übernahme dieser Bestimmungen eine inhaltliche Änderung vorgenommen wurde. Im Besonderen erfasste die Regelung zur vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit im Wehrgesetz bereits zum Zeitpunkt der Einführung des § 19a ZDG auch solche Gesundheitsschädigungen, die ein Wehrpflichtiger bei einem „Wegunfall“ im Zuge eines Ausgangs auf dem Hin‑ oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung erlitt.

Zur Bedeutung der Wortfolge „eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes“ in § 19a Abs. 3 ZDG:

33 Der historische Gesetzgeber lässt keinen Zweifel daran, dass er sich bei der Regelung zur vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 19a ZDG seit dessen Einführung sowie im weiteren Verlauf ‑ bis zur fallbezogen maßgeblichen Rechtslage ‑ am Gehalt der entsprechenden Regelung im Wehrgesetz orientierte. Die Materialien zur jeweiligen Entwicklung der Rechtslage im Wehrgesetz und im ZDG liefern jeweils keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im Gegensatz zu der ausgedrückten Zielsetzung einer Gleichbehandlung von Zeiten der Dienstunfähigkeit im Zusammenhang mit der vorzeitigen Entlassung aus dem Dienst eine unterschiedliche Rechtslage für Präsenzdiener einerseits und Zivildiener andererseits schaffen wollte.

34 Vor diesem Hintergrund ist auch der augenscheinliche Umstand zu betrachten, dass die Regelung zur vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit im Wehrgesetz ‑ im Gegensatz zum § 19a ZDG ‑ (im Hinblick auf das Zustimmungserfordernis eines Dienstpflichtigen) explizit Gesundheitsschädigungen, die bei diversen, im Einzelnen näher bestimmten „Wegunfällen“ erlitten worden sind, erfasst. Der Gesetzgeber differenzierte in der Regelung zur vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit im Wehrgesetz zunächst zwischen ‑ mit der Wortfolge „Gesundheitsschädigung infolge des Präsenzdienstes einschließlich einer allfälligen beruflichen Bildung“ erfassten ‑ „Dienstunfällen“ einerseits und „Wegunfällen“ andererseits (siehe dazu Rn. 20). Mit der Änderung des Wehrgesetzes 1990, BGBl. Nr. 690/1992, nahm der Gesetzgeber eine dritte Kategorie von ‑ für das Zustimmungserfordernis maßgeblichen ‑ Gesundheitsschädigungen, nämlich Gesundheitsschädigungen, die „sonst in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Präsenzdienstleistung“ stehen, in die entsprechende Regelung (damals § 40 Abs. 3 Z 2) auf (siehe dazu Rn. 31); mit dieser dritten Kategorie sollten jene Fälle erfasst werden, „in denen die Gesundheitsschädigung [über die „Dienst‑‚“ und „Wegunfälle“ hinaus] in einem hinreichend engen Zusammenhang mit den spezifischen Umständen einer Präsenzdienstleistung stehen (zB Unfälle in der militärischen Unterkunft während der dienstfreien Zeit).“ (vgl. RV 640 Blg. NR XVIII. GP, 26). § 19a ZDG enthielt demgegenüber seit seiner Einführung ausschließlich die gegenständlich auszulegende Wortfolge „eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes“.

35 Dieser ‑ in den Materialien nicht näher kommentierte ‑ Kontrast lässt sich im Allgemeinen vor dem Hintergrund, dass das „Bundesheer“ und der Zivildienst im Hinblick auf ihre „Natur und Organisation“ zwei „unterschiedliche staatliche Einrichtungen“ sind, die es „der jeweiligen Eigenart entsprechend“ auszuformen gilt (vgl. Fessler/Stumpf/Wieseneder, Zivildienstrecht (1989) Vorwort der Autoren S. 7), und im Speziellen mit der Eigenheit des Wehrdienstes erklären, dass Wehrpflichtige grundsätzlich kaserniert werden (siehe dazu die einschlägigen Regelungen der §§ 30 f. ADV, in der geltenden Fassung, BGBl. II Nr. 7/1998, zu Tagwache, Nachtruhe und Zapfenstreich sowie Ausgang; vgl. auch erneut Fessler/Stumpf/Wieseneder, aaO, § 23 ZDG, 192: „Eine Kasernierung ist für den [Wehrdienst] unabweislich, soll das Bundesheer seinen Aufgaben gerecht werden. Nicht so beim [Zivildienst]. Hier wäre eine Kasernierung in den meisten Fällen sinnlos und würde allenfalls sogar den Zielen des [Zivildienstes] zuwiderlaufen.“). Aus diesem Umstand folgt, dass Wehrpflichtige im Vergleich zu Zivildienstleistenden, für die keine vergleichbaren Vorschriften bestehen, nicht gleichermaßen frei in der Gestaltung ihrer dienstfreien Zeit sind (vgl. Raschauer, Verfassungsfragen des Zivildienstes (1980) S. 21 f.); so kennt das ZDG auch seit jeher nicht den ‑ hier bereits näher erörterten ‑ Begriff „Ausgang“ im Sinn des § 31 ADV.

36 Die einen Ausdruck der Eigenart des Wehrdienstes darstellende Kasernierung von Wehrpflichtigen, die eine ‑ dem Zivildienst fremde ‑ „Bindung“ an den Dienstort mit sich bringt, vermag die explizit detaillierte Regelung des Wehrgesetzes (zunächst iVm. dem HVG) in puncto Dienstunfähigkeit aufgrund von „Wegunfällen“ erklären. Vor diesem Hintergrund erschien die Aufnahme einer vergleichbaren Aufzählung diverser „Wegunfälle“ in § 19a ZDG insofern nicht geboten, weil der als im Zusammenhang mit dem Wehrdienst als Besonderheit anzusehende Aufenthalt zu Hause und der Weg von dort zur Dienststelle im Falle der Zivildiener ‑ anders als bei den Wehrdienern ‑ die Regel darstellt und dieser ohnehin ‑ wie der Weg jedes Arbeitnehmers ‑ eine auf der Hand liegende kausale Verbindung zur Tätigkeit hat. Aus dem Umstand, dass das Gesetz den „Wegunfall“ in § 19a ZDG nicht explizit erwähnt, lässt sich jedoch nicht schließen, dass sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 19a ZDG ‑ sofern und soweit auf die Eigenart des Zivildienstes übertragbar ‑ nicht am gesamten Gehalt der Regelung zur vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit im Wehrgesetz orientieren wollte. Die Annahme, dass der Gesetzgeber mit der Regelung der vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit im ZDG jegliche „Wegunfälle“ ausnehmen wollte, ist sohin nicht indiziert.

37 Der historische Gesetzgeber deklarierte vielmehr, dass die Einführung des § 19a ZDG eine Gleichbehandlung von Wehrpflichtigen und Zivildienstpflichtigen in dieser Frage herbeiführen sollte (siehe Rn. 17). Dass der Gesetzgeber nicht gehindert, unter Umständen sogar gehalten ist, eine punktuelle Gleichbehandlung von Wehrpflichtigen und Zivildienstleistenden herzustellen, ergibt sich auch aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes:

38 In seiner Entscheidung vom 17. Juni 2021, VfSlg. 20 468, hielt der Verfassungsgerichtshof zwar grundsätzlich Folgendes fest: „Der (Verfassungs)Gesetzgeber hat [mit Wehrdienst und Zivildienst] zwei grundsätzlich getrennte Systeme geschaffen [...]“, in seinem Beschluss vom 9. März 2000, VfSlg. 15758, legte er allerdings ‑ unter Verweis auf RV 603 Blg. NR XIII. GP, 14 ‑ auch Folgendes dar (Hervorhebung durch VwGH): „Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Gleichstellung in jeder Hinsicht von Zivildienstleistenden und Wehrdienstleistenden kann aus Art. 9a B‑VG jedenfalls nicht abgeleitet werden. Die unterschiedliche Höhe der Grundvergütung einerseits bzw des Monatsgeldes plus Prämie im Grundwehrdienst andererseits muß daher bei einer gesamthaften Betrachtung der Belastungen der beiden Dienste abgewogen und nicht abgemessen werden. In Anbetracht der [...] Begünstigungen, die für Zivildienstleistende in einzelnen Bereichen bestehen, ist dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden, dem Zivildienst seit seiner Einrichtung zugrundeliegenden Prinzip, daß dieser Dienst unter anderem hinsichtlich ‚der Belastung und Besoldung des Zivildienstpflichtigen dem Wehrdienst so weit wie möglich zu entsprechen (hat)‘ [...] kein Abbruch getan.“.

39 Angesichts dessen, dass die ‑ bereits im Zeitpunkt der Einführung des § 19a ZDG ‑ mit § 1 Abs. 1 lit. i HVG, in der Fassung BGBl. Nr. 226/1980, erfassten Gesundheitsschädigungen eines Wehrpflichtigen (solche, die er bei einem Ausgang auf dem Hin‑ oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung, sohin im Rahmen seiner gewöhnlichen Freizeit nach Dienstschluss, erlitten hat) vergleichbar mit solchen Gesundheitsschädigungen eines Zivildienstleistenden sind, die dieser bei einem Unfall auf dem Weg von seiner Wohnung zur Dienststelle erleidet, sind keine sachlichen Gründe ersichtlich, die gegen eine Gleichbehandlung in dem hier maßgeblichen Zusammenhang sprächen. Vielmehr sind Zivildienstleistende ‑ mangels Kasernierung ‑ den Gefahren, die typischerweise mit dem Weg von der Wohnung zur Dienststelle verbunden sind, in quantitativer Hinsicht häufiger ausgesetzt als Wehrpflichtige. Gerade indem der Gesetzgeber die Regelung zur vorzeitigen Entlassung wegen Dienstunfähigkeit im Wehrgesetz ausdrücklich mit einer Aufzählung von maßgeblichen „Wegunfällen“ versah, gab er zu verstehen, dass er Gesundheitsschädigungen, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Präsenzdienstleistung stehen, hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses der Wehrpflichtigen in einem sehr weiten Umfang zu erfassen beabsichtigte (siehe Rn. 35). Es kann dem Gesetz vor dem Hintergrund einer grundsätzlich ‑ wenn auch nicht in jedem Detail gebotenen ‑ anzustrebenden Gleichbehandlung ohne ersichtlichen sachlichen Grund nicht unterstellt werden, im Punkt der Einrechnung der Dienstunfähigkeit in die Frage der Möglichkeit zur vorzeitigen Entlassung, die für den betreffenden Präsenzdiener bedeutet, zu einem späteren Zeitpunkt neuerlich einberufen zu werden, die Gruppe der Zivildiener anders behandeln zu wollen, als diejenigen die den Wehrdienst ableisten, sofern die betreffende Gesundheitsschädigung in einem identen Kausalverhältnis zu dem verrichteten Dienst steht.

40 Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass die Regelung „eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes“ gemäß § 19a Abs. 3 ZDG dahingehend zu interpretieren ist, dass diese dieselben Gefahrenquellen im Zusammenhang mit der Dienstverrichtung umfassen sollte wie die Regelung gemäß § 41 Wehrgesetz, in der Fassung BGBl. Nr. 150/1978, die durch den damaligen Verweis auf § 1 Abs. 1 lit. i HVG den Tatbestand des dort umschriebenen „Wegunfalls“ miteinbezog, was im Wortlaut jedenfalls Deckung findet. Daraus folgt, dass § 19a Abs. 3 ZDG auch einen Unfall des Zivildieners auf dem Hin‑ und Rückweg zwischen der Wohnung und seinem Einsatzort als Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes im Sinne der dortigen Bestimmung umfasst. Eine restriktive Wortinterpretation der Wortfolge „eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes“ liefe hingegen der Zielsetzung des historischen Gesetzgebers zuwider.

41 5.4. Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass die Wortfolge des § 19a Abs. 3 ZDG „eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes“ nicht bloß solche Gesundheitsschädigungen umfasst, die Folge der Verrichtung von Dienstleistungen im Sinn des § 3 ZDG durch den Zivildienstleistenden sind, sondern auch solche, die der Zivildienstleistende als Folge eines Unfalls erleidet, der sich auf dem Hin‑ und Rückweg zwischen der Wohnung und seiner Einrichtung ereignet. Die Einrechnung der Dauer der so erlittenen Dienstunfähigkeit in die Summe laut § 19a Abs. 2 ZDG setzt demzufolge das Einverständnis des betreffenden Zivildienstleistenden voraus.

42 5.5. Indem das Verwaltungsgericht vermeint, gegenständliche Gesundheitsschädigung sei in einem Zeitpunkt aufgetreten, als der Revisionswerber „noch nicht die Tätigkeiten des Zivildienstes verrichtete“, respektive der Revisionswerber am Weg zur Dienststelle noch nicht als Zivildiener „verwendet“ worden sei, wodurch diese Gesundheitsschädigung nicht als Folge des „Zivildienstes“ gemäß § 19a Abs. 3 ZDG angesehen werden könne, legte es seiner Entscheidung eine unrichtige Rechtsansicht zugrunde. Das Verwaltungsgericht ging folglich auch rechtswidriger Weise davon aus, dass der Zeitraum der Dienstunfähigkeit, die auf gegenständlichen „Wegunfall“ zurückzuführen war („seit 2. März 2020“), ohne Einverständnis des Revisionswerbers auf die Summe gemäß § 19a Abs. 2 ZDG anzurechnen gewesen sei, weshalb der Revisionswerber in weiterer Folge vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen wurde.

43 Die ‑ wie aufgezeigt ‑ rechtswidrige Bestätigung der Feststellung, dass der Revisionswerber vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen sei, zieht auch die Rechtswidrigkeit der Bestätigung der Zuweisung zur Leistung der Restdienstzeit des Zivildienstes nach sich.

44 5.6. Das angefochtene Erkenntnis war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

45 6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 6. Oktober 2023

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