VwGH Ra 2021/09/0056

VwGHRa 2021/09/005613.4.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision 1. des A B in C und 2. der D GmbH in E, beide vertreten durch die Stix Rechtsanwälte Kommandit‑Partnerschaft in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/14, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 11. Dezember 2020, Zl. VGW‑041/037/3118/2019‑53, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 13./14. Bezirk), den Beschluss gefasst:

Normen

AuslBG §26 Abs6
AuslBG §28 Abs1 Z1
AuslBG §28 Abs6 Z2
B-VG Art133 Abs4
VStG §5 Abs1
VStG §5 Abs2
VStG §9
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090056.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen, Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der Erstrevisionswerber als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG der zweitrevisionswerbenden Gesellschaft mit Sitz in E schuldig erkannt, dass diese Gesellschaft vom 20. August bis 31. Oktober 2018 und vom 12. bis 13. November 2018 anlässlich der Weitergabe der Leistungserbringung näher beschriebener Bauarbeiten an die Auftrag nehmende X‑Gesellschaft die Zentrale Koordinierungsstelle für illegale Beschäftigung (gemeint wohl: die Zentrale Koordinationsstelle) des Bundesministeriums für Finanzen nicht umgehend von der nicht fristgerechten Nachweiserbringung der nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) erforderlichen Berechtigungen für einen näher bezeichneten bosnisch‑herzegowinischen Staatsangehörigen durch das beauftragte Unternehmen verständigt habe. Wegen der dadurch begangenen Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 erster Strafsatz iVm § 28 Abs. 6 Z 2 und § 26 Abs. 6 AuslBG wurde über den Erstrevisionswerber gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 erster Strafsatz leg. cit. eine Geldstrafe von 1.200 Euro (im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und 6 Stunden) verhängt und nach § 9 Abs. 7 VStG die Haftung der zweitrevisionswerbenden Gesellschaft ausgesprochen. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Dementsprechend erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben. Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/09/0007; 25.4.2019, Ra 2019/09/0048).

5 In den gesondert vorzubringenden Gründen ist sohin konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2019/09/0009; 12.3.2018, Ra 2018/09/0008, mwN).

6 In Bezug auf das Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG ist darauf hinzuweisen, dass diesem nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung oder zu den Rechten, in denen sich die Revisionswerber verletzt erachten, Genüge getan wird. Diesem Gebot wird daher insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. VwGH 29.1.2021, Ra 2021/09/0003, mwN).

7 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zudem voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz der Rechtsfrage für den Verfahrensausgang begründet wird (vgl. VwGH 25.6.2020, Ra 2019/09/0157, mwN). In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 15.9.2020, Ra 2020/09/0030, mwN).

8 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision sind (neben der Aneinanderreihung von allgemeinen Rechtssätzen des Verwaltungsgerichtshofes) der Sache nach Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung und zu den Rechten, in denen sich die Revisionswerber verletzt erachten, enthalten. Dieses Vorbringen wird mit (unzureichenden) Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision vermischt. Demnach fehlt im Revisionsfall schon eine dem Gesetz entsprechende gesonderte Darstellung der Gründe für ihre Zulässigkeit iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG.

9 Der Vollständigkeit halber ist zum Revisionsvorbringen aber noch Folgendes anzumerken:

10 Die Revisionswerber stützen sich in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision darauf, dass die „aufgeworfene Rechtsfrage zur verwaltungsstrafrechtlichen Haftung der Revisionswerber gemäß § 26 Abs. 6 iVm § 28 Abs. 1 Z 1, § 28 Abs. 6 Z 2 AuslBG (iVm § 9 Abs. 2, 7 VStG) im Zusammenhang mit der Beschäftigung eines Ausländers, der über die Beschäftigungsbewilligung eines anderen EU‑Mitgliedsstaates verfügt“ eine Rechtsfrage von „erheblicher“ Bedeutung darstelle. Mit diesem Vorbringen vermögen die Revisionswerber die Relevanz der Rechtsfrage im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung jedoch nicht aufzuzeigen.

11 Die Revisionswerber führen sodann aus, dass „der aufgeworfenen Rechtsfrage“ eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, da es bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu gebe. Die Voraussetzungen für die Erhebung einer außerordentlichen Revision fehlen zudem auch dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist. In diesem Fall liegt selbst dann keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (vgl. VwGH 16.11.2020, Ra 2020/09/0058, mwN).

12 Gemäß § 26 Abs. 6 AuslBG hat ein Unternehmen, welches die Erbringung einer Leistung an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergibt, das beauftragte Unternehmen vor Beginn der Beschäftigung aufzufordern, binnen einer Woche die nach dem AuslBG erforderlichen Berechtigungen für die beschäftigten Ausländer nachzuweisen. Kommt das beauftragte Unternehmen dieser Aufforderung nicht nach, hat das Auftrag gebende Unternehmen umgehend die Zentrale Koordinationsstelle zu verständigen.

13 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die zweitrevisionswerbende Gesellschaft als Unternehmen im Sinne des § 26 Abs. 6 AuslBG anzusehen, das die Erbringung einer Leistung teilweise an ein anderes Unternehmen weitergegeben hat. Die zweitrevisionswerbende Gesellschaft hat das beauftragte Unternehmen auch wie im Gesetz vorgesehen aufgefordert, sämtliche erforderlichen Dokumente und Bewilligungen binnen einer Woche vorzulegen - das beauftragte Unternehmen ist dieser Verpflichtung jedoch nicht nachgekommen. Eine Meldung an die Zentrale Koordinationsstelle haben die Revisionswerber, anders als in § 26 Abs. 6 AuslBG vorgesehen, jedoch nicht vorgenommen.

14 Soweit sich die Revisionswerber in diesem Zusammenhang auf eine Unkenntnis des Gesetzes berufen, ist darauf hinzuweisen, dass die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift gemäß § 5 Abs. 2 VStG den Täter nur dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschriften nicht einsehen konnte. Die Unkenntnis des Gesetzes, wie auch eine irrige Gesetzesauslegung, müssen somit unverschuldet sein. Die bloße Argumentation mit einer ‑ allenfalls sogar plausiblen ‑ Rechtsauffassung allein vermag ein Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum nicht auszuschließen. Es bedarf vielmehr einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen bei der zuständigen Stelle; wer dies verabsäumt, trägt das Risiko des Rechtsirrtums (vgl. VwGH 18.3.2015, 2013/10/0141; 23.5.2013, 2012/09/0082, mwN). Dass die Revisionswerber derartige Erkundigungen eingeholt hätten, haben sie nicht behauptet. Mit dem bloßen Hinweis auf ein eingerichtetes Kontrollsystem ohne nähere Ausführungen zu dessen Handhabung wird die Relevanz im Übrigen nicht aufgezeigt (vgl. außerdem zu den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0025, mwN).

15 Dem Verwaltungsgericht kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn es ‑ mit ausführlicher Begründung ‑ die Ansicht vertritt, die Beschäftigung des bosnisch‑herzegowinischen Staatsangehörigen durch die Auftrag nehmende X‑Gesellschaft entgegen den Bestimmungen des AuslBG sei dem Erstrevisionswerber als verantwortlichem Beauftragten der zweitrevisionswerbenden Gesellschaft anzulasten und es in weiterer Folge von der schuldhaften Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 28 Abs. 1 Z 1 erster Strafsatz iVm § 28 Abs. 6 Z 2 und § 26 Abs. 6 AuslBG ausgegangen ist.

16 Soweit die Revisionswerber meinen, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege vor, weil das Verwaltungsgericht in seiner Rechtsansicht von „der herrschenden Lehrmeinung“ abweiche (ohne diese jedoch konkret zu benennen), ist darauf hinzuweisen, dass damit schon dem Gesetzeswortlaut des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zufolge keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden kann. Das gilt für das Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg abgewichen, genauso: Eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte erfüllt für sich genommen ebenso nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (vgl. VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0223, mwN).

17 Auch mit dem bloßen Hinweis, das Verwaltungsgericht sei von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, ohne nähere Ausführungen und insbesondere ohne das Zitieren von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vermögen die Revisionswerber die Zulässigkeit der Revision nicht im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu begründen.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Da von den Revisionswerbern auch keine unionsrechtliche Problematik aufgezeigt wird, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, das in der Revision angeregte Vorabentscheidungsersuchen betreffend eine näher dargestellte Frage an den EuGH zu richten.

19 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

20 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 13. April 2021

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