VwGH Ra 2021/02/0046

VwGHRa 2021/02/004629.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision von 1. P und 2. A GmbH, beide in G und beide vertreten durch die SHMP Schwartz Huber‑Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 20. November 2020, 1. VGW‑002/085/2294/2020/E und 2. VGW‑002/085/2295/2020/E, betreffend Übertretung des Wr. Wettengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VStG §5 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
WettenG Wr 2016 §25 Abs1 Z5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020046.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 18. Juni 2018 wurde die Erstrevisionswerberin als verantwortliche Beauftragte der Zweitrevisionswerberin schuldig erachtet, es zu verantworten, dass die Zweitrevisionswerberin in einer näher genannten Betriebsstätte, in der diese Gesellschaft die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich Buchmacherin, ausübe, am 28. Februar 2018 um 12.50 Uhr insofern gegen § 25 Abs. 1 Z 5 Wr. Wettengesetz, wonach die Ausübung der Tätigkeit als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer während eines laufenden Ereignisses (Livewetten), ausgenommen Livewetten auf Teilergebnisse oder das Endergebnis, verboten sei, verstoßen habe, als diese laut Wettticket vom 28. Februar 2018 die Wette „Wer gewinnt das 6. Game im 1. Satz Ghorbel, Anis/Onishi, Ken“ zugelassen habe. Sie habe dadurch § 25 Abs. 1 Z 5 Wr. Wettengesetz übertreten, weshalb über sie eine Geldstrafe von € 4.400,-- verhängt wurde. Die zweitmitbeteiligte Partei wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung für die Geldstrafe samt Kosten verpflichtet.

2 Mit Erkenntnis vom 23. Jänner 2019 hat das Verwaltungsgericht auf Grund der Beschwerde der Revisionswerberinnen das Straferkenntnis vom 18. Juni 2018 behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt. Das Verwaltungsgericht begründete die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es sich bei der Wette auf ein Game im Tennis um eine zulässige Livewette auf ein Teilergebnis im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 5 Wr. Wettengesetz handle, weshalb die der Erstrevisionswerberin zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung darstelle.

3 Mit Erkenntnis vom 13. Mai 2019, Ro 2019/02/0004, hob der Verwaltungsgerichtshof dieses Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Er führte ‑ mit Verweis auf VwGH vom 29. März 2019, Ra 2019/02/0025 ‑ aus, dass das Ergebnis eines Games im Tennis kein Teilergebnis iSd § 25 Abs. 1 Z 5 (nunmehr Z 4) Wr. Wettengesetz darstellt und die vorliegende Wette somit als verbotene Livewette zu qualifizieren ist.

4 Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis vom 8. Juli 2019 wies das Verwaltungsgericht ‑ ohne eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen ‑ die Beschwerde als unbegründet ab.

5 Mit Erkenntnis vom 12. Februar 2020, Ro 2019/02/0013 bis 0014, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis vom 8. Juli 2019 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil das Verwaltungsgericht mit nicht ausreichender Begründung von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen hatte.

6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ die Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass die Höhe der verhängten Geldstrafe von € 4.400,-- auf € 2.200,-- (die Ersatzfreiheitsstrafe auf 4 Tage 5 Stunden) herabgesetzt wurde, konkretisierte den Spruch und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass Wetten auf Games im Tennis nach dem Wr. Wettengesetz verbotene Livewetten darstellen würden und somit der objektive Tatbestand des § 25 Abs. 1 Z 5 Wr. Wettengesetz erfüllt sei. Zur subjektiven Tatseite hielt das Verwaltungsgericht fest, dass den Revisionswerberinnen die Zulässigkeit von Livewetten auf Games im Tennis zumindest fraglich erscheinen habe müssen, weil auch die Erläuterungen des Wr. Wettengesetzes, anders als einen Satz, das Game nicht als Teilergebnis erwähne. Sie hätten sich zwar seit April 2017 um eine Auskunft von der belangten Behörde hinsichtlich der Zulässigkeit bestimmter Arten von Livewetten bemüht, eine schriftliche Anfrage hinsichtlich der Zulässigkeit von Livewetten auf Games im Tennis sei vor dem gegenständlichen Tatzeitpunkt (28. Februar 2018) jedoch nicht gestellt worden. Es sei auch keine schriftliche Auskunft vorgelegen. Bis zum Tatzeitpunkt sei die Zulässigkeit von Livewetten auf Games im Tennis von der belangten Behörde nicht in Frage gestellt worden. Das Verwaltungsgericht folgerte daraus rechtlich, dass die Erstrevisionswerberin zumindest fahrlässig gehandelt habe und auch keinem entschuldigenden Rechtsirrtum unterlegen sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Die Revisionswerberinnen bringen zur Zulässigkeit der Revision vor, sie hätten glaubhaft dargelegt, dass ihnen kein Verschulden vorzuwerfen sei. Eine solche Glaubhaftmachung dürfe nicht überspannt werden. Der Erstrevisionswerberin sei insofern kein Verschulden vorzuwerfen, als sie einem entschuldigenden Rechtsirrtum unterlegen sei. Aus dem Gesetz und den dazugehörigen Materialien (mit Verweis auf die Rechtslage in Deutschland) ergebe sich, dass Livewetten auf Games im Tennis zulässig seien. Es habe zum Tatzeitpunkt keine verwaltungsbehördliche oder -gerichtliche Entscheidung gegeben, in der derartige Livewetten für unzulässig erklärt worden seien. Diese Wetten seien auch in anderen Bundesländern zulässig und auch rund drei Viertel der Richter am Verwaltungsgericht würden von der Zulässigkeit solcher Wetten ausgehen. Auch habe die belangte Behörde - trotz Bemühens der Revisionswerberinnen - keine Auskunft über die Zulässigkeit von Livewetten auf Games im Tennis gegeben.

12 Mit diesem Vorbringen zeigen die Revisionswerberinnen die Zulässigkeit der Revision nicht auf.

13 Nach § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

14 Gemäß § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt ein Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG voraus, dass dem Betroffenen das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Auch eine irrige Gesetzesauslegung entschuldigt den Betroffenen nur dann, wenn sie unverschuldet war. Um sich darauf berufen zu können, bedarf es einer Objektivierung der eingenommenen Rechtsauffassung durch geeignete Erkundigungen. Die bloße Argumentation im Verwaltungsstrafverfahren mit einer - allenfalls sogar plausiblen - Rechtsauffassung vermag ein Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum bei einer derartigen Konstellation nicht auszuschließen. Selbst guter Glaube stellt den angeführten Schuldausschließungsgrund dann nicht dar, wenn es Sache der Partei ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde nachzufragen. Gerade in Fällen, in denen die Möglichkeiten der Rechtsordnung im Wirtschaftsleben bis aufs Äußerste ausgenützt werden sollen, ist eine besondere Sorgfalt bei der Einholung von Auskünften über die Zulässigkeit einer beabsichtigten Tätigkeit an den Tag zu legen. Im Falle nicht erteilter Auskünfte durch die Behörde ist der Betroffene vom Vorwurf des Verschuldens hinsichtlich eines Rechtsirrtums nicht befreit, wenn er aus der Tatsache der unterbliebenen Auskunftserteilung für sich das Recht ableitet, einen Gesetzesverstoß zu riskieren. Eine bloße „Nichtbeanstandung“ rechtswidrigen Handelns stellt noch keine Verwaltungsübung dar, auf die der Betroffene vertrauen darf und begründet keinen entschuldigenden Rechtsirrtum (zu alledem VwGH 9.2.2021, Ra 2020/02/0219, mit Hinweisen auf VwGH 4.3.2020, Ro 2019/02/0018, VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0933, VwGH 20.4.1995, 94/09/0377 und 0378, und VwGH 11.11.2019, Ra 2018/08/0195).

16 Uneinheitliche Rechtsprechung von Behörden und Verwaltungsgerichten können grundsätzlich nicht zur Annahme führen, es liege ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor (VwGH 29.3.2021, Ra 2020/02/0281).

17 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung und angesichts der Feststellungen des Verwaltungsgerichtes, wonach sich die Revisionswerberinnen zwar um eine Auskunft der belangten Behörde zur Zulässigkeit von Livewetten auf Games im Tennis bemüht, jedoch nicht erhalten hätten, die Behörde sich zur Zulässigkeit solcher Wetten nicht geäußert habe und solche Wetten bis zum Tatzeitpunkt nicht beanstandet worden seien, ist der im Einzelfall getroffenen rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, nach der die Revisionswerberinnen ‑ wenn auch mit einer nach dem Gesetz und den Materialien allenfalls plausiblen Rechtsauffassung ‑ keinem entschuldigenden Rechtsirrtum unterlegen seien, nicht entgegenzutreten.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. März 2021

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