VwGH Ra 2020/02/0017

VwGHRa 2020/02/001711.5.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des E in H (Slowakei), vertreten durch Mag. Dr. Angelika Tupy, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Währinger Straße 18, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 30. Oktober 2019, VGW‑002/011/13080/2019/E‑2, betreffend Übertretung wettrechtlicher Bestimmungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §63 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020017.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf VwGH 27. September 2019, Ra 2018/02/0223, (Vorerkenntnis) verwiesen. Demnach bestrafte der Magistrat der Stadt Wien den Revisionswerber wegen Übertretung des § 2 Abs. 3 Z 2 des Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens (GTBW‑G) in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG mit einer Geldstrafe von € 2.100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage), weil die von ihm vertretene Gesellschaft durch das Zurverfügungstellen von einem betriebsbereiten Wettterminal bei der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten sowie Wettkundinnen und Wettkunden für Wetten aus Anlass konkret angeführter sportlicher Veranstaltungen mitgewirkt habe, obwohl für die gegenständliche Betriebsstätte eine Bewilligung der Wiener Landesregierung nicht erteilt worden sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit dem im ersten Rechtsgang angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Mit dem oben genannten Vorerkenntnis wurde das damals angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil einerseits Feststellungen dazu fehlten, an wessen unmittelbarer Tat als Vermittler von Wettkundinnen und Wettkunden oder als Buchmacher die vom Revisionswerber vertretene Gesellschaft mitgewirkt hätte, und worin die Mitwirkung an einer gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten bestanden hätte, sowie andererseits für die Begehung von zwei Delikten eine Gesamtstrafe verhängt wurde.

2 In der Folge erließ das Verwaltungsgericht das Ersatzerkenntnis vom 30. Oktober 2019, mit dem die [Beschwerde in der] Schuldfrage als unbegründet abgewiesen wurde und für die Mitwirkung an der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten und für die Mitwirkung an der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkunden jeweils gemäß § 2 Abs. 3 Z 2 GTBW‑G je eine Geldstrafe von € 400,-- samt Ersatzfreiheitsstrafe (1 Tag) verhängt wurde. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass dagegen eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei. Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung mancher Teile des Verfahrensgangs aus, es sei an den Ausspruch und die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden. Daher sei das Verwaltungsstrafverfahren [erkennbar gemeint: die Beschwerde] in der Schuldfrage als unbegründet abzuweisen und eine neue Strafbemessung vorzunehmen gewesen.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4 Der Magistrat erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Als zulässig erachtet der Revisionswerber die Revision, weil die vom Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang vermissten Feststellungen abermals nicht nachgeholt worden seien, die Beweiswürdigung unschlüssig sei und das Günstigkeitsprinzip zur Anwendung des § 24 Abs. 1 Z 1 Wiener Wettengesetz und somit zur Straffreiheit des Revisionswerbers hätte führen müssen, weil die von ihm vertretene Gesellschaft nicht als Wettunternehmerin tätig gewesen sei.

7 Die Revision erweist sich als zulässig und auch als berechtigt.

8 Hat der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben, sind gemäß § 63 Abs. 1 VwGG die Verwaltungsgerichte verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

9 Erfolgte die Aufhebung einer angefochtenen Entscheidung, weil es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes darin, dass das Verwaltungsgericht jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt und die Feststellungen trifft, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen (vgl. VwGH 23.3.2021, Ra 2019/19/0431, mwN).

10 In diesem Zusammenhang ist auch an die Anforderungen an Form und Inhalt eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses zu erinnern, zu denen der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076, grundlegend Stellung genommen hat. Demnach erfordert die Begründung der Entscheidung in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund.

11 Das angefochtene Erkenntnis genügt diesen Anforderungen nicht, weil die im Vorerkenntnis beanstandeten Feststellungsmängel nicht behoben wurden, im Gegenteil unterblieben nun jegliche Sachverhaltsfeststellungen und beweiswürdigende Überlegungen. Eine Einschränkung der Beschwerde auf die Bekämpfung der Höhe der verhängten Strafe ist nicht ersichtlich, sodass das Verwaltungsgericht gehalten war, sich auch mit der Schuldfrage im aufgezeigten Umfang auseinander zu setzen.

12 Das Fehlen von Sachverhaltsfeststellungen ermöglicht darüber hinaus keine Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Z 1 oder Z 18 Wiener Wettengesetz erfüllt sind oder nicht, und ob die dem Revisionswerber angelastete Bestimmung des § 2 Abs. 3 Z 2 GTBW‑G einem Günstigkeitsvergleich im Sinne des § 1 Abs. 2 VStG standhält.

13 Im Übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass die vom Verwaltungsgericht dem Revisionswerber vorgeworfene Übertretung der Mitwirkung an der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten nicht von § 2 Abs. 3 Z 2 GTBW‑G erfasst ist, sondern vielmehr in Z 1 der genannten Bestimmung geregelt ist und vom Magistrat möglicherweise ohnedies nicht verfolgt wurde (s. etwa Blatt 32 des Aktes des Verwaltungsgerichtes).

14 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

15 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 11. Mai 2021

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