VwGH Ra 2019/20/0366

VwGHRa 2019/20/036612.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des A W Q in N, vertreten durch Mag.rer.soc.oec.Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2019, W148 2135567- 1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §19 Abs1
B-VG §133 Abs4
EURallg
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
32013L0032 IntSchutz-RL Art14
32013L0032 IntSchutz-RL Art14 Abs1
32013L0032 IntSchutz-RL Art15 Abs3 litd

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200366.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 29. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5. September 2016 wurde dieser Antrag abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. 3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 1002/2019-7, die Behandlung der dagegen an ihn erhobenen Beschwerde ab und trat unter einem die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 In der Revision wird im Rahmen des - für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen - gesonderten Vorbringens nach § 28 Abs. 3 VwGG geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe nicht beachtet, dass nach den Erwägungen des UNHCR in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 die Annahme des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur in Betracht komme, wenn der dafür bestimmte Ort eine stabile Sicherheitslage aufweise. Aufgrund der aktuellen Berichtslage sei jedoch nicht davon auszugehen, dass es in Afghanistan einen solchen Ort gebe. Weiters habe das Bundesverwaltungsgericht die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zu den Gründen der Flucht überwiegend auf Divergenzen zwischen seinen Aussagen in der Erstbefragung und jenen in der Vernehmung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gestützt. Außerdem sei es nach den unionsrechtlichen Vorgaben nicht zulässig, dass die Erstbefragung durch einen uniformierten Beamten vorgenommen werde. 10 Soweit sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung wendet, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 24.6.2019, Ra 2019/20/0011, mwN). 11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zwischen der Erstbefragung und späteren Angaben einzubeziehen; es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (vgl. VwGH 6.11.2018, Ra 2017/01/0363, mwN).

12 Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht diesen Anforderungen entsprochen und im Rahmen seiner beweiswürdigenden Überlegungen ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, weshalb es die vorliegenden Widersprüche und Ungereimtheiten zwischen den Angaben bei der Erstbefragung und den nachfolgenden Angaben als Hinweis für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Revisionswerberin wertete. Der Revision gelingt es nicht, aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht, das eine Verhandlung durchgeführt hat, in deren Rahmen der Revisionswerber auch angehört und des Näheren zu seinen Fluchtgründen befragt wurde, die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. 13 Wenn in der Revision bloß unsubstantiiert in der Begründung für die Zulässigkeit auf Art. 15 Abs. 3 lit. d der Richtlinie 2013/32/EU ("Verfahrensrichtlinie"), ohne darauf inhaltlich näher einzugehen, verwiesen wird, wird damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan. Zudem ist festzuhalten, dass darauf in den Revisionsgründen nicht zurückgekommen wird (vgl. dazu VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0069, mwN). Im Übrigen ist evident, dass sich der mit "Anforderungen an die persönliche Anhörung" überschriebene Art. 15 Verfahrensrichtlin ie, der in seinem in der Revision angesprochenen Abs. 3 lit. d allein die "Anhörung zum Inhalt des Antrages auf internationalen Schutz" anspricht, auf Art. 14 dieser Richtlinie, der die grundsätzliche Notwendigkeit einer persönlichen Anhörung vor Entscheidung der Asylbehörde regelt und nach dessen Abs. 1 die "persönliche Anhörung zum Inhalt des Antrages" (grundsätzlich) "von einem Bediensteten der Asylbehörde" durchzuführen ist, bezieht, und nicht auf die Modalitäten im Rahmen der Antragstellung.

14 Soweit der Revisionswerber die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative als unzutreffend ansieht, vermag er nicht darzutun, dass das Bundesverwaltungsgericht die insoweit in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte (vgl. zur innerstaatlichen Fluchtalternative insbesondere in Bezug auf Kabul, Mazar-e Sharif und Herat unter Berücksichtigung der vom Revisionswerber angesprochenen Berichtslage etwa VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 119 bis 145; 25.6.2019, Ra 2018/19/0546, jeweils mwN). 15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. August 2019

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