VwGH Ra 2019/20/0050

VwGHRa 2019/20/005026.6.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger, den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revisionen von 1. K B, 2. H B, 3. M B, und

4. K B, alle vertreten durch Mag. Manuel Krenn, Rechtanwalt in 4150 Rohrbach, Hanriederstraße 1, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 3. Jänner 2019, 1. L515 1439090- 2/11E, 2. L515 1439091-2/11E, 3. L515 1439093-2/9E und

4. L515 1439092-2/9E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG 2014 §19 Abs5 Z2
B-VG Art133 Abs4
EURallg
HerkunftsstaatenV 2009 §1
MRK Art2
MRK Art3
32011L0095 Status-RL Art15
32011L0095 Status-RL Art6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200050.L00

 

Spruch:

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet. Die im Jahr 2003 geborene Drittrevisionswerberin und der im Jahr 2011 geborene Viertrevisionswerber sind ihre Kinder. Alle sind armenische Staatsangehörige.

2 Die Revisionswerber reisten unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellten im Mai 2013 Anträge auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005.

3 Diesen Anträgen gab das damals zuständige Bundesasylamt mit den Bescheiden vom 18. November 2013 keine Folge und erließ gegen die Revisionswerber Ausweisungen. Soweit es das Begehren auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten betrifft, gab das Bundesverwaltungsgericht den dagegen erhobenen Beschwerden mit den Erkenntnissen vom 14. März 2014 keine Folge. Jedoch behob es die Bescheide hinsichtlich jener Aussprüche, mit denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten jeweils versagt und gegen die Revisionswerber Ausweisungen erlassen wurden, und verwies die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an das (mit 1. Jänner 2014 zuständig gewordene) Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück. Maßgeblich dafür war, dass das Bundesverwaltungsgericht ergänzende Ermittlungen und Feststellungen zum Gesundheitszustand des Erstrevisionswerbers und der Drittrevisionswerberin, der notwendigen Behandlungen sowie der Behandlungsmöglichkeiten in Armenien - auf all dies sei bis dahin nur unzureichend eingegangen worden - für notwendig erachtete und anhand dessen von der Behörde die "Rückkehrsituation" neuerlich zu prüfen sein werde.

4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge mit den Bescheiden je vom 10. September 2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (neuerlich) ab, sprach jeweils aus, dass den Revisionswerbern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen

Gründen nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, erließ gegen sie gestützt auf § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 sowie § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) Rückkehrentscheidungen und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Revisionswerber nach Armenien zulässig sei. Weiters wurde den Beschwerden gegen diese Aussprüche gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

5 Zur Drittrevisionswerberin führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Rahmen der Feststellungen (lediglich) aus, sie leide an einer Entwicklungsstörung, jedoch an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Sie benötige weder Medikamente noch eine Therapie. Entwicklungsstörungen seien auch in Armenien behandelbar. Weiters traf die Behörde allgemeine Feststellungen zur medizinischen Versorgung in Armenien. Soweit sich insoweit zum Vorbringen betreffend die Erkrankung der Drittrevisionswerberin zudem ein konkreter Bezug herstellen lässt, stellte die Behörde fest:

"Die öffentlichen Sozialpflegedienste in Armenien sind sehr begrenzt. Der private Sektor ist an der Erbringung dieser Leistungen nicht beteiligt. Es gibt nur ein einziges Krankenhaus für geistig und körperlich behinderte Menschen und keine Pflegeheime für Patienten, die eine dauerhafte, langfristige Betreuung benötigen. Es gibt keine Vorkehrungen für eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen und keine Tagespflegeeinrichtungen für Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen und ebenfalls kein Sozialarbeiternetzwerk. Es gibt sieben regionale psychiatrische Kliniken, die lediglich eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen bei nur geringer medizinischer Versorgung bieten

(...)."

6 Im Rahmen der die Drittrevisionswerberin betreffenden rechtlichen Beurteilung führte die Behörde zur Verweigerung, ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen aus, weder sie noch ihre Eltern würden an einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung leiden. Es sei somit "kein Rückkehrhindernis im Lichte des Gesundheitszustandes" der Revisionswerber "festzustellen". Die Behandlung der Drittrevisionswerberin sei im Herkunftsstaat möglich, was "sich aus den zitierten Länderinformationen über das Gesundheitssystem in Armenien, und die dort verfügbaren Gesundheitseinrichtungen zweifelsfrei" ergebe.

7 Die Revisionswerber erhoben Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht, in der sie auch die Anberaumung einer Verhandlung beantragten. Den Beschwerden legten sie ein als "fachärztliches, heilpädagogisches und neuropsychiatrisches Gutachten" bezeichnetes Schreiben eines Facharztes bei. Sie brachten - mit näherer Begründung - vor, in den Bescheiden fänden sich keine Feststellungen zum Gesundheitszustand der Drittrevisionswerberin, die an einer Entwicklungsstörung, die eine schwere Behinderung darstelle, leide, und auch nicht zur Möglichkeit einer für sie spezifisch notwendigen Behandlung im Heimatland. Insbesondere sei zur Klärung des Gesundheitszustandes kein Gutachten eingeholt worden. Daher werde nunmehr auf das von den Revisionswerbern vorgelegte Gutachten verwiesen. 8 Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerden mit den in Revision gezogenen Erkenntnissen - ohne Durchführung einer Verhandlung - ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht jeweils aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht - nach Wiedergabe der bisherigen Verfahren sowie der Erwägungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - aus, der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin seien junge, gesunde und arbeitsfähige Menschen, die in ihrem Heimatstaat über familiäre Anknüpfungspunkte und eine gesicherte Existenzgrundlage verfügten. Die Ausübung der Obsorge über ihre minderjährigen Kinder und deren Pflege sei durch sie gesichert.

10 Die Mutter der Zweitrevisionswerberin verfüge in Österreich über den Status der subsidiär Schutzberechtigten. Sie lebe ebenso wie der Bruder der Zweitrevisionswerberin, der über einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot Karte" verfüge, in Wien. 11 Bei der Drittrevisionswerberin sei ein seit der Geburt bestehender Entwicklungsrückstand unklarer Genese diagnostiziert worden. Die Beeinträchtigungen und der Verlauf würden durch schwere Schädigungen wesentlicher Hirnareale mit Hör- und Sprachstörungen und autistischer Entwicklungshemmung kombiniert. Die Drittrevisionswerberin habe ein starkes Schielen mit Doppelbildern gehabt, was im AKH Wien erfolgreich operiert worden sei. Sie brauche Hilfe, um vom Sitzen in den Stand zu kommen. Die Entwicklung der (im Entscheidungszeitpunkt) 15- jährigen Drittrevisionswerberin sei zurückgeblieben und entspreche der Entwicklung eines vier- bis fünfjährigen Kindes. Sie erhalte zum Aufbau von Knorpeln und des Stützapparates das Medikament "Cartesan" in Abständen von drei Monaten als Infusion. Weiters erhalte sie ein sozialpädagogisches Kommunikationstraining (Ergo- und Logotherapie). Die Sprachentwicklung zeige nur aufnehmend gute Ansätze; aktiv gingen "zwei bis drei Wortsätze".

12 Zur Lage in Armenien führte das Bundesverwaltungsgericht aus, sich den - auszugsweise wiedergegebenen - "schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der belangten Behörde" anzuschließen. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat handle. Die medizinische Grundversorgung sei - so das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Feststellungen weiter - zwar flächendeckend gewährleistet, jedoch sei der öffentliche Sozialpflegedienst in Armenien sehr begrenzt. Es gebe nur ein einziges Krankenhaus für geistig und körperlich behinderte Menschen, keine Tagespflegeeinrichtungen für Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen und kein "Sozialarbeiternetz". Es gebe jedoch sieben regionale psychiatrische Kliniken, die "lediglich eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen bei nur geringer medizinischer Versorgung" böten. Importierte Medikamente seien "überall erhältlich und billiger als in Deutschland". Für die Einfuhr von Medikamenten sei eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich.

13 Die Revisionswerber hätten Armenien verlassen, um die Drittrevisionswerberin in Österreich behandeln zu lassen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Drittrevisionswerberin im Fall ihrer Rückkehr nach Armenien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keinen Zugang zu medizinischer Behandlung finden werde, aufgrund ihrer Erkrankung Lebensgefahr bestünde oder sie in einen qualvollen Zustand versetzt würde.

14 In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Bundesverwaltungsgericht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, und führte aus, dass es der Statusrichtlinie widerspreche, wenn den Revisionswerbern unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung im Herkunftsstaat im Rahmen eines bewaffneten Konflikts subsidiärer Schutz zuerkannt würde. 15 Im Weiteren legte das Bundesverwaltungsgericht dar, weshalb es davon ausgehe, die Erlassung von Rückkehrentscheidungen stelle sich nach § 9 BFA-VG als zulässig dar.

16 Im Anschluss führte das Verwaltungsgericht zur Entscheidung nach § 52 Abs. 9 FPG aus, es gebe anhand der von der Behörde getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung der Revisionswerber nach Armenien unzulässig sei. Derartiges sei auch in den Beschwerden nicht schlüssig dargelegt worden.

17 Die Revisionswerber verfügten in Armenien über eine hinreichende Existenzgrundlage. Bei den volljährigen Revisionswerbern handle es sich um mobile, junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen. Einerseits stammten die Revisionswerber aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet sei und andererseits gehörten sie keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen sei, dass sie in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger wären als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen könne. Es stehe den volljährigen Revisionswerbern frei, eine Beschäftigung, zumindest in Form von Gelegenheitsarbeiten, anzunehmen. Weiters sei es den Revisionswerbern möglich das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

18 Es sei auch hervorgekommen, dass die Revisionswerber im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügten. Sie stammten aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt werde. Sie könnten daher Unterstützung durch ihre Verwandten erwarten. Es bleibe auch den in Österreich lebenden Verwandten der Zweitrevisionswerberin, nämlich ihrer Mutter und ihrem Bruder, unbenommen, den Revisionswerbern "monetäre Unterstützung" zukommen zu lassen. Zudem könnten sie Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Fall der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation wenden.

19 Somit sei letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Revisionswerber im Fall einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen könnten und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten würden. 20 Zum Gesundheitszustand der Drittrevisionswerberin sei darauf hinzuweisen, dass, soweit im vorgelegten Gutachten vom 1. Oktober 2018 die Ansicht vertreten werde, die Drittrevisionswerberin würde im Fall einer Rückführung biologisch, intellektuell und psychisch verkümmern, dem Begriff "verkümmern" kein konkreter Krankheitsverlauf zu Grunde gelegt werden könne. Weiters sei der Maßstab der Beurteilung der Zulässigkeit der Überstellung der Drittrevisionswerberin "aus juristischer und therapeutisch/medizinischer Sicht ein unterschiedlicher". Wenngleich es die "Aufgabenstellung" der Angehörigen eines medizinischen und therapeutischen Berufes sei, den bestmöglichen psychischen Zustand der Drittrevisionswerberin zu erhalten oder (wieder-)herzustellen und aus dieser Sicht daher jede Maßnahme strikt abzulehnen sei, welche diesem Ziel entgegenstehe, habe die Drittrevisionswerberin aus juristischer Sicht doch jede Maßnahme hinzunehmen, die keinen Eingriff in ihre durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellte.

21 Das zeige, dass die Drittrevisionswerberin aus juristischer Sicht Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit hinzunehmen habe, die von Angehörigen eines medizinischen oder therapeutischen Berufes jedenfalls abgelehnt würden; nämlich genau jene, die zwar aus medizinisch-therapeutischer Sicht eine Beeinträchtigung oder ein Hindernis zur (Wieder‑)Herstellung der Gesundheit, aber noch keinen Eingriff in die Rechte nach Art. 3 EMRK darstellten. Dem Begriff "verkümmern" könne kein unter Art. 3 EMRK "subsumierbarer Umstand" zu Grunde gelegt werden.

22 Aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Drittrevisionswerberin mag zwar dem Verfasser des "zu erörternden Bescheinigungsmittels" insoweit nicht entgegen getreten werden, als daraus ableitbar sei, dass eine Überstellung nach Armenien zu einer Beeinträchtigung des gesundheitlichen Zustandes der Drittrevisionswerberin führen oder eine Wiederherstellung der psychischen Gesundheit erschwert oder verzögert werden könne. Damit sei jedoch noch nicht gesagt, dass dies zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führe.

23 Im mit der Beschwerde vorgelegten "fachärztlichen, heilpädagogischen und neuropsychiatrischem Gutachten" vom 1. Oktober 2018 sowie im ärztlichen Attest eines Allgemeinmediziners vom 16. Juli 2018 sei kein akutmedizinischer Behandlungsbedarf festgestellt worden. Überlegungen "im Einzelfall für die ferne Zukunft", ob sich die Erkrankung der Drittrevisionswerberin zu einem qualvollen Zustand entwickeln könnte, stellten sich als bloß spekulativ dar. Zu betonen sei, dass die Erkrankung der Drittrevisionswerberin auch in Österreich nicht heilbar, sondern bloß in Bezug auf die Symptome therapierbar sei. So zeige sie mit Hilfe der ihr in Österreich "angediehenen Therapien unter Anwendung verschiedener symbolischer Mittel bezüglich Sprache und Bilderkennung" schon gute kognitive Ansätze und "selbstvorantreibende" Entwicklungsschritte. Die Sprachentwicklung zeige nur annehmend gute Ansätze, es gingen "zwei bis drei Wortsätze" aktiv; sie könne aber Wünsche und Freude äußern. Diese Fortschritte seien lediglich ein Zeichen, dass die Drittrevisionswerberin mit Hilfe verschiedener Therapien in der Lage sei, "interaktionistische Bindungsprogramme und gute kognitive Ansätze und selbstvorantreibende Entwicklungsschritte" zu zeigen, anstatt wie zu Hause in einem autistischen Zustand zu verharren. Es werde seitens des Bundesverwaltungsgerichts nicht verkannt, dass die Drittrevisionswerberin "interaktionistische Bindungsprogramme und kognitive Ansätze" zeige, "aber eine Heilung der Krankheit per se" sei daraus nicht erkennbar. Dies gehe auch aus dem vorgelegten Gutachten nicht hervor. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine Förderung der Drittrevisionswerberin in Armenien "nicht auch in einem gewissen Umfang" möglich sei. Die alle drei Monate verabreichten Infusionen mit dem Medikament "Cartesan" dienten dem Aufbau von Knorpeln und des Stützapparates. Wie den Feststellungen zur Situation im Heimatland zu entnehmen sei, würden viele Medikamente in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland üblichen Preise verkauft. Sollte dieses Medikament wider Erwarten in Armenien nicht vorhanden sein, bestünde die Möglichkeit, es vom Ausland importieren zu lassen. Es gebe keine Hinweise dafür, dass die Revisionswerber dazu "logistisch nicht in der Lage" wären. Es hätten somit von der Drittrevisionswerberin "keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände" für den Fall der Überstellung nach Armenien belegt werden können, "respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts". Anhand der Aktenlage seien keine Hinweise auf "das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich". Die Drittrevisionswerberin sei vom Zugang zu medizinsicher Versorgung in Armenien nicht ausgeschlossen. Letztlich sei auch davon auszugehen, dass Österreich in der Lage sei, im Rahmen der Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen.

24 Die Durchführung einer Verhandlung habe unterbleiben können, weil in der Beschwerde, soweit die persönliche Vernehmung der Revisionswerber beantragt worden sei, nicht angeführt werde, was bei einer solchen - schon bei der Behörde stattgefundenen - persönlichen Anhörung an entscheidungsrelevantem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können. So argumentiere auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen sei, welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären (Hinweis auf VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Werde dies - so wie im gegenständlichen Fall - unterlassen, so bestehe keine Verpflichtung zur neuerlichen Vernehmung "iSe hier weiteren Beschwerdeverhandlung".

25 Die Revision sei jeweils nicht im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil sich das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung an der höchstgerichtlichen Judikatur orientiert habe. Ob es im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, sowie dessen Beschluss vom 21. November 2018, Ra 2018/01/0461, ein uneinheitliche Rechtsprechung dieses Gerichtshofes gebe, könne dahingestellt bleiben, weil der Gesundheitszustand der Drittrevisionswerberin "als im Lichte des Art. 3 EMRK unbeachtlich qualifiziert" worden sei.

 

26 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobenen Revisionen nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten sowie nach Durchführung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

27 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit - mit näherer Begründung (auch zur Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler) und hier auf das Wesentliche zusammengefasst - geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es der Pflicht zur vollständigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes nicht nachgekommen sei. Die Notwendigkeit zu ergänzenden Erhebungen zum Gesundheitszustand der Drittrevisionswerberin habe sich schon aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2014 ergeben. Bei Unklarheiten hätte das Verwaltungsgericht ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einholen müssen. Wäre dies erfolgt, hätte das Bundesverwaltungsgericht erkennen können, dass die Drittrevisionswerberin im Fall ihrer Rückführung "lebensnotwendige Programme" verliere. Auch nach Ansicht eines (näher genannten) Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Pädiatrie werde die Drittrevisionswerberin im Heimatland biologisch, intellektuell und psychisch verkümmern. 28 Auch Erhebungen zum Gesundheitszustand des Erstrevisionswerbers, der nach einem am 12. März 2018 erfolgten Abschiebeversuch wegen Eigengefährdung und Suizidalität stationär im Neuromed-Campus des Kepler Universitätsklinikums Linz untergebracht sei, wären geboten gewesen.

29 Die Revisionen sind zulässig. Sie sind auch begründet. 30 Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

31 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, des Näheren dargelegt hat, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Weiteren kurz: StatusRL) betreffend den Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinn der Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b iVm Art. 3 StatusRL entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) und somit fehlerhaft umgesetzt hat (siehe Rn. 45 der Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis auch darauf verwiesen, dass zur Erfüllung dieser Verpflichtung es der Grundsatz der unionskonformen Auslegung von den mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichten verlangt, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht. Allerdings findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (Rn. 47 ff. der Entscheidungsgründe).

32 Anders als das Bundesverwaltungsgericht meint, wurde vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis Ra 2018/01/0106 die Frage, ob § 8 Abs. 1 AsylG 2005 einer dem Unionsrecht (im Sinn der zu Art. 15 StatusRL ergangenen Rechtsprechung des EuGH) Genüge tuenden Auslegung zugänglich ist, ausdrücklich dahingestellt gelassen (Rn. 60 der Entscheidungsgründe). Auch im vom Bundesverwaltungsgericht erwähnten Beschluss vom 21. November 2018, Ra 2018/01/0461, wurde lediglich darauf hingewiesen, dass es der StatusRL widerspreche, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen, ohne dass dies dort für die Zurückweisung der Revision tragend gewesen wäre. 33 Den genannten Entscheidungen ist somit - ungeachtet des jeweils vorhandenen Hinweises auf die Unionsrechtswidrigkeit des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - nicht zu entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof damit seine bisherige zum Umfang des Anwendungsbereiches des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ergangene Rechtsprechung als nicht mehr beachtlich angesehen hätte. Entgegen der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Auffassung haben daher diese Entscheidungen nicht zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geführt. 34 Zwischenzeitig hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage, ob in Bezug auf den Status des subsidiären Schutzes eine unionsrechtskonforme Lösung gefunden werden kann (und allenfalls das Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung in Erwägung zu ziehen sein wird), in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ro 2019/19/0006, beschäftigt. Er ist dort zum Ergebnis gelangt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der StatusRL in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der StatusRL zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben. Infolge dessen sei an der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann, festzuhalten. Es wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG des Näheren auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. 35 Somit steht die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, das Vorbringen zum Gesundheitszustand der Drittrevisionswerberin könne von vornherein nicht geeignet sein, zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu führen, nicht im Einklang mit der Rechtslage und der dazu ergangenen - und weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung.

36 Dies führt fallbezogen auch zu einer Verletzung im geltend gemachten Recht, weil dem Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung, ob im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde, maßgebliche Fehler unterlaufen sind. 37 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. 38 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen.

39 Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

40 Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/20/0038 bis 0040; 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, jeweils mwN).

41 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung stellen sich - wie in den Revisionen zu Recht geltend gemacht wird - die Ermittlungen zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt und die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts für eine dem Gesetz entsprechende Beurteilung als unzureichend dar.

42 Die Revisionswerber haben im Verfahren ein am 1. Oktober 2018 verfasstes und als "fachärztliches, heilpädagogisches und neuropsychiatrisches Gutachten" betiteltes Schreiben eines Facharztes für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendpsychiatrie und medizinische Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, der zudem als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger bezeichnet wird, vorgelegt. 43 Es kann hier - vor dem Hintergrund des Inhaltes dieses Schreibens, wonach etliche für die umfassende Beleuchtung der Situation der Drittrevisionswerberin zur Verfügung stehende und auch dienliche Untersuchungsmethoden nicht angewendet wurden, sondern manche Untersuchungen "auf Grund der Bedingungen in der Schule" unterblieben sind - dahingestellt bleiben, ob dieses Schreiben alle an ein Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen erfüllt.

44 Ungeachtet dessen enthält dieses Schreiben eine ausführliche Beschreibung des Gesundheitszustandes der Drittrevisionswerberin durch einen Facharzt, die nicht von vornherein als unschlüssig oder nicht nachvollziehbar einzustufen wäre. Der dieses Schreiben verfassende Arzt kommt unter Hinweis auf seine einschlägige Fachexpertise und unter Berücksichtigung der bisher im Heimatland erfolgten Therapierung der Drittrevisionswerberin zum Ergebnis, dass sie aus medizinischer Sicht im Fall einer Rückführung in ihr Heimatland biologisch, intellektuell und psychisch verkümmern und ein Verbleib in Österreich ihr Leben retten werde.

45 Das Bundesverwaltungsgericht stützte sich in seinen Erwägungen in zentraler Weise darauf, dass der in diesem Schreiben vom Arzt verwendete Begriff "verkümmern" kein Rechtsbegriff sei und dieser Begriff auch nicht dem Art. 3 EMRK in irgendeiner Weise unterstellt werden könne.

46 Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts greift aber zu kurz. Nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung kann nämlich ein Anspruch auf Gewährung von subsidiärem Schutz dann bestehen, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. 47 Betrachtet man nun die Ausführungen des Facharztes, der zudem nach dem Schreiben als gerichtlich beeideter Sachverständiger fungiere, ergeben sich daraus konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es im Fall der Rückführung der Drittrevisionswerberin zu einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands kommen könnte, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen werde.

48 Um eine dem Gesetz entsprechende Beurteilung vornehmen zu können, wäre es daher fallbezogen geboten gewesen, zur Klärung des Sachverhaltes ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einzuholen. Darauf gestützt wäre festzustellen gewesen, welche konkreten Beeinträchtigungen die Drittrevisionswerberin aufgrund ihrer Krankheit aufweist und welche Therapien sie konkret benötigt. Dies wäre in Bezug zu jenen - ebenfalls bislang unterbliebenen und sohin nachzuholenden konkreten - Feststellungen zu setzen, anhand derer beurteilt werden kann, ob und in welchem Ausmaß der Drittrevisionswerberin die benötigten Therapiemöglichkeiten im Heimatland konkret zur Verfügung stehen werden. Zu diesem Zweck werden - unter Zuhilfenahme medizinischer Fachexpertise - auch Feststellungen dahingehend zu treffen sein, welche konkreten Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Drittrevisionswerberin zu erwarten sein werden, falls ihr die benötige Therapie im Heimatland nicht zuteilwerden kann. 49 Daran ändert fallbezogen auch nichts, dass Armenien gemäß § 1 Z 13 Herkunftsstaaten-Verordnung als sicherer Herkunftsstaat gilt. Gemäß § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG ist die Bundesregierung ermächtigt, mit Verordnung festzulegen, dass andere als in § 19 Abs. 4 BFA-VG genannte Staaten als sichere Herkunftsstaaten gelten. Dabei ist vor allem auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Verletzungen von Menschenrechten Bedacht zu nehmen.

50 Die Festlegung eines Staates als sicherer Herkunftsstaat spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden dieses Staates (vgl. VwGH 10.8.2017, Ra 2017/20/0153, 0154; 29.5.2018, Ra 2017/20/0388; 6.11.2018, Ra 2017/01/0292). Es bleibt aber diesfalls einem Fremden unbenommen, fallbezogen spezifische Umstände aufzuzeigen, die ungeachtet dessen dazu führen können, dass - hier: nach Art. 3 EMRK - geschützte Rechte im Fall seiner Rückführung in nach dem AsylG 2005 maßgeblicher Weise verletzt würden (vgl. in diesem Sinn VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0233). Die Aufnahme eines Staates in die Liste sicherer Herkunftsstaaten führt demnach nicht zu einer gesetzlichen Vermutung, die nicht widerlegbar wäre. Im Fall der Drittrevisionswerberin wurden solche fallbezogen spezifischen Umstände in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK in hinreichend konkreter Weise geltend gemacht, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht nicht darauf zurückziehen durfte, dass der Heimatstaat der Revisionswerber in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen wurde.

51 Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, hat das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung betreffend die Drittrevisionswerberin (auch) mit einer für den Ausgang des Verfahrens relevanten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinn des § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG belastet.

52 Lediglich der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass das Bundesverwaltungsgericht vor dem Hintergrund des Gesagten zur Notwendigkeit der Ergänzung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts zudem von der Durchführung einer Verhandlung nicht hätte absehen dürfen (vgl. zur Auslegung der im - auch hier maßgeblichen - § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" ausführlich VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; soweit sich das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf den Entfall der Verhandlung erkennbar auf zu Bestimmungen des VwGG ergangene Rechtsprechung beruft, stellt sich dies schon vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgericht anzuwendenden, anders gelagerten Rechtslage als verfehlt dar; im Übrigen ist aus dem vom Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zitierten Erkenntnis VwGH 4.7.1994, 94/19/0337, mit dem über eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesministers für Inneres entschieden wurde, zur Frage der Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung nichts zu gewinnen). 53 Das die Drittrevisionswerberin betreffende Erkenntnis war daher wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

54 Bei den Revisionswerbern handelt es sich um Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005. 55 Stellt ein Familienangehöriger eines Asylwerbers einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat nach § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005). Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 des § 34 AsylG 2005 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen. Nach § 34 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 des § 34 AsylG 2005 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

56 Da der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, keinem der Familienangehörigen könne der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden, und daher könne es auch keiner Zuerkennung im Rahmen des nach § 34 AsylG 2005 vorgesehenen Familienverfahrens kommen, nach den oben dargelegten Erwägungen der Boden entzogen ist, waren auch die die übrigen Revisionswerber - der minderjährige Viertrevisionswerber ist von einer Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Ableitung von einem Elternteil gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 auch dann nicht ausgeschlossen, wenn dem Elternteil dieser Status im Familienverfahren zuerkannt wurde - betreffenden Erkenntnisse wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

57 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4, Z 5 und Z 6 VwGG abgesehen werden.

58 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2 014.

Wien, am 26. Juni 2019

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