VwGH Ra 2019/17/0032

VwGHRa 2019/17/003224.9.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M D in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 27. August 2018, LVwG‑S‑1801/004‑2016, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mistelbach),

Normen

VwGG §42 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §63 Abs1 idF 2013/I/033
VwGVG 2014 §43
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170032.L00

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 31. Mai 2016 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft der dreifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild Glücksspielgesetz‑ GSpG schuldig erkannt. Es wurden über ihn drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 20.000,‑ ‑ (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Weiters wurden die Kosten gemäß § 64 Abs. 2 VStG bestimmt.

2 Mit Erkenntnis vom 11. Dezember 2017 gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) der vom Revisionswerber gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde insofern statt, als „die zu verhängende Geldstrafe mit € 30.000,‑ ‑ neu bemessen“ und die Ersatzfreiheitsstrafe neu festgesetzt wurde (Spruchpunkt 1.). Außerdem bestimmte das LVwG die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens neu (Spruchpunkt 2.), setzte die Fälligkeit des Kostenbeitrages und Strafbetrages fest (Spruchpunkt 3.) und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 4.).

3 Der Verwaltungsgerichtshof hob diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 14. Juni 2018, Ra 2018/17/0055, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf, weil das LVwG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen und eine Gesamtstrafe verhängt habe.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der vom Revisionswerber gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde (neuerlich) insofern statt, als „die zu verhängende Geldstrafe mit € 30.000,‑ ‑ neu bemessen“ und die Ersatzfreiheitsstrafe neu festgesetzt wurde. Das LVwG ergänzte die Strafsanktionsnorm (Spruchpunkt 1.), bestimmte die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens neu und sprach aus, dass dem Revisionswerber keine Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Last fielen (Spruchpunkt 2.). Weiters wies das LVwG einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag ab (Spruchpunkt 3.) und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 4.).

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Liegen ‑ wie hier ‑ trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. z.B. VwGH 15.2.2019, Ra 2018/17/0190, mwN).

7 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C‑347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C‑390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C‑464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C‑3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C‑79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Die angefochtene Entscheidung steht daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C‑390/12.

8 Entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG enthaltene Erfordernis eines inländischen Sitzes für den Erhalt einer Konzession nicht mit Unionsrecht im Widerspruch. Da § 14 Abs. 3 dritter Satz GSpG von diesem Erfordernis bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch eine Ausnahme enthält, werden mit dieser Bestimmung keine der unionsrechtlichen Vorgaben verletzt: Zwar stellt auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung ‑ nämlich eine vergleichbare Lotterienkonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht in dem Mitgliedstaat (der EU bzw. des EWR), in dem der Konzessionswerber seinen Sitz hat ‑ eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Diese Beschränkung in § 14 Abs. 3 GSpG ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben (vgl. dazu näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang wurde somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

9 Die Revision behauptet in ihrem Zulässigkeitsvorbringen weiters, im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung sei die 15‑Monate‑Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG bereits abgelaufen und das Straferkenntnis bereits außer Kraft getreten. Das Beschwerdeverfahren hätte daher eingestellt werden müssen.

10 Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen.

11 Die in § 43 VwGVG normierte Entscheidungsfrist der Verwaltungsgerichte im Verwaltungsstrafverfahren beginnt bei Aufhebung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes durch den Verwaltungsgerichtshof neuerlich zu laufen (vgl. VwGH 13.8.2019, Ra 2019/03/0068, 0069, mwN).

12 Das LVwG hat im Revisionsfall innerhalb von nicht einmal drei Monaten nach der Zustellung des im ersten Rechtsgang ergangenen hg. Erkenntnisses vom 14. Juni 2018, Ra 2018/17/0055, entschieden. Eine Verjährung gemäß § 43 VwGVG war zu diesem Zeitpunkt daher noch nicht eingetreten. Ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde somit in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.

13 Die Revision erweist sich jedoch hinsichtlich ihres Vorbringens zur Verhängung einer Gesamtstrafe als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 14. Juni 2018, Ra 2018/17/0055, die damals angefochtene Entscheidung des LVwG über die gegenständliche Beschwerde u.a. deswegen aufgehoben, weil rechtswidrig eine Gesamtstrafe verhängt worden war.

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG (in der seit 1. Jänner 2014 geltenden Fassung https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2013/33 ) sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

15 Das LVwG war daher gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes im hg Erkenntnis vom 14. Juni 2018, Ra 2018/17/0055, gebunden und wäre verpflichtet gewesen, in der gegenständlichen Rechtssache mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, sofern sich seit der Erlassung des aufhebenden hg. Erkenntnisses die maßgebliche Sach- und Rechtslage nicht geändert hat (vgl. etwa VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0003, mwN).

16 Das LVwG hat auch im zweiten Rechtsgang für die drei gegenständlichen Übertretungen des GSpG eine Gesamtstrafe verhängt. Dass sich nach dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 2018, Ra 2018/17/0055, die diesbezügliche Sach- bzw. Rechtslage geändert hätte, sodass keine Bindungswirkung gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bestünde, ergibt sich aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich (zur neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG vgl. VwGH 6.5.2020, Ra 2020/17/0001).

17 Indem das LVwG entgegen der Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes neuerlich eine Gesamtstrafe verhängt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. etwa VwGH 24.1.2019, Ra 2018/17/0180, mwN).

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang seines Strafausspruchs sowie hinsichtlich der Verfahrenskosten wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

19 Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.

20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. September 2020

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