European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140591.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 23. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen damit begründete, im Iran geboren und aufgewachsen zu sein, dort viele Probleme zu haben und keine Perspektive zu sehen. 2 Mit Bescheid vom 16. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag zur Gänze als unbegründet ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. 3 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 24. September 2019, E 2870/2019-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht stütze die Feststellung, dass der Revisionswerber auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in die Städte Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul verwiesen werden könne, auf den Bericht EASO-Country Guidance vom Juni 2018, übersehe dabei aber, dass Rückkehrer, die außerhalb Afghanistans geboren worden seien oder lange außerhalb Afghanistans gelebt hätten, von dieser Einschätzung ausgenommen seien. Damit habe sich das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf den im Iran geboren Revisionswerber nicht hinreichend auseinandergesetzt. 9 Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung brachte der Revisionswerber vor, dass er sich zusammen mit seiner österreichischen Lebensgefährtin, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebe, um den gemeinsamen, am 8. November 2019 geborenen Sohn kümmere. Auch wenn sich das Kind zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch im Mutterbauch befunden habe, sei klar gewesen, dass die Mutter dringend auf die persönliche Unterstützung des Revisionswerbers angewiesen sein werde, da sie kaum Kontakt zu ihrer Familie habe und von dieser wenig Unterstützung erhalte. Dass der Revisionswerber den Kontakt zum Kind telefonisch oder per E-Mail aufrechterhalten könne, wie das Bundesverwaltungsgericht annehme, widerspreche der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Mit einem Kleinkind bzw. einem noch ungeborenen Kind sei kein solcher Kontakt möglich. 10 Soweit der Revisionswerber ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen ist, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt dem Sachverhalt der von ihm ins Treffen geführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in entscheidungswesentlicher Hinsicht gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. VwGH 1.7.2019, Ra 2019/14/0261, mwN). Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 23.10.2019, Ra 2019/01/0400, mwN). Fallbezogen erfüllt die Zulässigkeitsbegründung diese Anforderungen nicht.
11 Die Frage der Zumutbarkeit der IFA stellt letztlich eine - von der Asylbehörde bzw. dem Verwaltungsgericht zu treffende - Entscheidung im Einzelfall dar, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit zu treffen ist (vgl. etwa VwGH 23.10.2019, Ra 2019/01/0400, mwN).
12 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang Begründungsmängel, insbesondere eine unzureichende Auseinandersetzung mit der Country-Guidance des EASO rügt, ist der Revision entgegen zu halten, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 22.8.2019, Ra 2019/14/0343, mwN). 13 Mit den bloß allgemeinen Ausführungen, dass die Rückkehrmöglichkeit des Revisionswerbers "einer inhaltlich anders aussehenden Beurteilung zu unterziehen" sei, wird die Revision diesen Anforderungen nicht gerecht, zumal der Revisionswerber nach den (unbestritten gebliebenen) Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts im Iran geboren und aufgewachsen sowie gesund sei, sich im erwerbsfähigen Alter befinde, eine Landessprache auf muttersprachlichem Niveau beherrsche, über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge und im afghanischen Familienverband aufgewachsen sei, weshalb er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und sich innerhalb kurzer Zeit Ortskenntnisse aneignen werde können. Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts unvertretbar erfolgt wäre (vgl. dazu auf vergleichbarer Sachverhaltsgrundlage ergangene Rechtsprechung VwGH 18.7.2019, Ra 2019/19/0197, mwN). 14 Schließlich ist dem Zulässigkeitsvorbringen zur vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (VwGH 2.12.2019, Ra 2019/14/0408, mwN).
15 Dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Revisionsfall das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung gegenüber den festgestellten privaten Interessen des Revisionswerbers, wobei auch auf das damals ungeborene Kind Bedacht genommen wurde, unvertretbar gewichtet hätte (vgl. zum Fall der Berücksichtigung der Schwangerschaft der Lebensgefährtin VwGH 27.6.2019, Ra 2019/14/0232; sonst VwGH 29.10.2019, Ra 2019/14/0390, mwN), zeigt die Revision, die in diesem Zusammenhang nur einen einzelnen Aspekt der auf einer gesamthaften Betrachtung beruhenden Abwägung anspricht, nicht auf. 16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Jänner 2020
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